Tiller ist der durch die verschieden starken Wurfarme erkennbare Unterschied beim Abstand der Sehne zum oberen und unteren Wurfarm eines (Sport-)Bogens.
Bei einer Armbrust wird der Bogen genau in der Mitte durch den gewehrähnlichen Bau gehalten und die Sehne genau in der Mitte durch eine Haltevorrichtung gespannt. Beim Auslösen können sich also die beiden Wurfarme (rechts und links) mit der gleichen Kraft nach vorne bewegen und den Pfeil/Bolzen beschleunigen.
Beim üblichen Langbogen (englischer Langbogen), der mit der Bogenhand genau in der Mitte gegriffen wird, ergibt sich ein Problem: Der Bogenarm drückt/hält den Bogen in der Mitte, der Pfeil aber liegt leicht oberhalb des Bogenarmes auf dem Zeigefinger der Bogenhand. Von der Seite gesehen ist also der Pfeil leicht oberhalb der Bogenmitte. Liegt der Pfeil nicht nur zwischen Zeigefinger- und Mittelfinger der Zughand, sondern wird auch mit dem Ringfinger die Bogensehne gespannt, verschiebt sich auch hier die „übliche“ Mittelstellung leicht nach oben. Der Schütze gleicht dies dadurch aus, dass er den Pfeil mit dem Ende (Nock]) etwa einen Pfeildurchmesser über der waagerechten Linie von Pfeilauflagepunkt am Bogen und der Sehne einnockt. Dadurch gleicht er zunächst die nicht zentrale Pfeilauflage aus. Erfahrungen und physikalische Versuche zeigen jedoch, dass es für einen modernen Bogenschützen nicht ausreicht, lediglich die Stelle des Nockpunktes auf der Sehne zu verändern. Die im Wettbewerb verlangte hohe Treffgenauigkeit erfordert eine Reaktion auch darauf, dass die beiden Wurfarme durch die Verlagerung des Griffes und der Pfeilauflage nicht mehr gleich lang sind. Denn das hat zur Folge, dass sich die beiden Wurfarme bei gleicher Stärke nicht so bewegen würden, dass die absolut gleichzeitig die gleiche Kraft über den gleichen Zeitraum auf den Pfeil ausüben. Der längere Wurfarm muss also leicht schwächer sein, der kürzere leicht stärker, damit die bekannte Formel: Kraft x Weg auf beiden Seiten gleich ausfällt. Bei der Herstellung eines Langbogens wird die unterschiedliche Wurfstärke des oberen und unteren Wurfarmes dadurch erreicht, dass man den Bogen waggerecht auf dem Griffstück an eine Spannvorrichtung aufhängt und mit Gewichten jeweils in bestimmten Schritten die Sehne nach unten belastet. Dabei zeigt sich in der seitlichen Ansicht genau, ob sich der Bogen gleichmäßig biegt. Wenn dies nicht der Fall ist, wird der zu starke Wurfarm etwas mehr abgeschliffen.
Eine Besonderheit ist der japanische Langbogen, der in seinem unteren Drittel gegriffen wird. Diese Technik ist vermutlich darauf zurück zu führen, dass von mehreren tausend Jahren zur Herstellung eines Bogens nicht so viel Aufwand betreiben worden ist. Man nahm einen etwa passenden kleinen Baumstamm, entrindete ihn und befestigte eine Sehne daran. Um ihn jetzt im Gleichgewicht zu halten und zu spannen, musste man etwas tiefer greifen, damit der obere, längere und dünnere Teil des Bogens etwa im Krafteinklang mit dem unteren, kürzeren und dickeren Teil blieb. Nach Einführung der Composit-Bauweise jedoch waren die Bögen oben und unten etwa gleich dick. Diese Ungleichheit wird durch eine Bewegung der Bogenhand ausgeglichen, die im Abschuss den Bogen mit der oberen Spitze nach vorne drückt. Dadurch wird die lange Seite des Bogens – langer Weg – leicht beschleunigt, die untere Seite des Bogens – kurzer Weg – leicht abgebremst. Erst damit gelingt es, die unterschiedliche Kraft der beiden Wurfarme zu so koordinieren, dass ein sauberer, waagerechter Schuss möglich ist. Ein auf der rechten Seite erkennbares Schussfenster des japanischen Langbogens ermöglicht es, den Pfeil kurz nach dem Lösen der rechten Hand ohne weiteren Bogenkontakt – vergleichbar dem Abschuss mit einer Klapp-Pfeilauflage beim Compound-Bogen – auf die Scheibe zu schießen. Die Länge der Pfeile, etwa 100 cm, beim japanischen Bogen gewährleisten eine gute Richtungsstabilität auf die übliche Schussentfernung bis zu 30 Metern.