Propagandafilm

Film, der versucht, den Zuschauer gezielt zu manipulieren
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Unter einem Propagandafilm versteht man einen Dokumentar-, Kurz- oder Spielfilm, der in direktem Bezug zu den Maßnahmen der Regierung oder der politischen Gruppierung steht, die seine Produktion veranlasst oder fördert. Bereits im Ersten Weltkrieg wurde das Medium Film von allen Kriegsparteien erstmalig mit großer Wirkung für Zwecke der Propaganda verwendet.

Im weiteren Sinne umfasst der Begriff auch Filme, mit denen einzelne Parteien, Interessengruppen oder Personen in der Darstellung tendenziell meinungsbildend für ihre politischen Ziele oder Geisteshaltungen werben.

Anfänge und Erster Weltkrieg

Deutsches Reich

Schon während des Ersten Weltkrieges wurden in Deutschland Propagandafilme produziert. Ursprünglich zuständig war die Bild- und Filmstelle des MAA (Militärische Stelle des Auswärtigen Amtes), aus der am 30. Januar 1917 das Bild- und Filmamt (BUFA) hervorging.

Typ Filmbeispiele
Anti-französische Filme Die schwarze Schmach (Carl Boese, 1921)
Werbung für die Wiedereinführung der Monarchie Fridericus-Rex-Filme (seit 1920)

Österreich-Ungarn

Während des Ersten Weltkrieges war für die Propagandatätigkeiten von Österreich-Ungarn das K.u.k. Kriegspressequartier (KPQ) zuständig. Um der wachsenden Bedeutung des Films und seiner propagandistischen Rolle gerecht zu werden, wurde 1915 der österreichische Industrielle und Filmpionier Sascha Kolowrat-Krakowsky mit der Leitung der Filmexpositur des KPQ betraut. Dieser brachte mit dem Sascha-Kriegswochenbericht bereits ab Ende 1914 Kriegswochenschauen in die Kinos. Etwas länger, ab September 1914, bestand bereits das Kriegs-Journal der Wiener Kunstfilm-Industrie. Die ersten Propagandafilme erschienen 1915 und sollten die Kriegsbegeisterung in der Bevölkerung wecken. So zum Beispiel Mit Herz und Hand fürs Vaterland (1915) mit dem damaligen Star der österreichischen Stummfilms, Liane Haid, oder auch Der Traum eines österreichischen Reservisten (1915). Später entstanden auch Filme die das Gemeinschaftsgefühl der Bevölkerung des Kaiserreiches stärken sollten, etwa Das Kind meines Nächsten (1918).

Zudem erschienen manipulative Dokumentationen mit Titeln wie Die Befreiung der Bukowina, Krieg in 3000 Meter Höhe, Kampftag bei den Tiroler Kaiserjägern und Der Zusammenbruch der italienischen Front.

Typ Filmbeispiele
Werbung zum Kauf von Kriegsanleihen Das Kriegspatenkind (Sascha-Film, 1915)
Propaganda zur Anwerbung von Soldaten Mit Herz und Hand fürs Vaterland (Jacob Fleck, Luise Fleck, 1915)
Stärkung der Moral 'Siegreich durch Serbien (Sascha-Film, 1915/1916)

Siehe auch: Geschichte des österreichischen Stummfilms

USA

Typ Filmbeispiele
Werbung für den amerikanischen Kriegseintritt The Battle Cry of Peace (1915), Hearts of the World (1918)
Werbung für Diskriminierung der Farbigen, für den Ku-Klux-Klan The Birth of a Nation (1915)
Pazifistische Filme Intolerance (1916)
Abschaffung der Todesstrafe The People vs. John Doe (1916)

Sowjetunion

Typ Filmbeispiele
Revolutionswerbung Panzerkreuzer Potemkin (1925), Oktober (1927)

Zwischenkriegszeit und Zweiter Weltkrieg

Deutschland: Proletarischer Film

In den Jahren um 1930 erstarkte in Deutschland erstmals auch die kommunistische Filmpropaganda. Filmgesellschaften wie die Prometheus Film und die Filmkartell "Weltfilm" GmbH begannen das Medium nicht nur zur Dokumentation sozialer Missstände, sondern auch zur Darstellung der Arbeit der politischen Linken zu nutzen. Neben Dokumentar- und Werbefilmen entstanden erste proletarische Spielfilme wie "Ums tägliche Brot" (1928/29), "Mutter Krausens Fahrt ins Glück" (1929) und "Kuhle Wampe" (1931/32).

Deutschland: Nationalsozialismus

Unter den Spielfilmen aus der Zeit des Nationalsozialismus bilden Filme mit manifesten politisch-propagandistischen Inhalten einen Anteil von 14.1% (Albrecht). Während Spielfilme unterhalten und ablenken sollten, war die nationalsozialistische Propaganda den Wochenschauen und Dokumentarfilmen vorbehalten, die im Kino stets als Beiprogramm gezeigt wurden. Erst nach dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 stieg die Zahl der propagandistischen Spielfilme an und erreichte ihren Höhepunkt im Jahr 1942, um danach mit Rücksicht auf das kriegs- und propagandamüde Publikum wieder zurückzugehen.

Unterscheiden muss man bei den nationalsozialistischen Propagandafilmen Staatsauftragsfilme einerseits und solche Propagandafilme andererseits, die von der Filmindustrie quasi in vorauseilendem Gehorsam produziert worden sind. In die letztgenannte Gruppe fallen z. B. die Filme "Hitlerjunge Quex", "SA-Mann Brand" und "Hans Westmar" (alle drei 1933). Zu den Staatsauftragsfilmen, die im Auftrag des Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter persönlicher Einflussnahme von Joseph Goebbels produziert wurden, zählen z. B. Leni Riefenstahls Olympia-Film und der Durchhaltefilm Kolberg (1945).

Das wichtigste Mittel der nationalsozialistischen Filmpropaganda war die Polarisierung, d. h. die Gegenüberstellung überzeichneter Wunsch- und Feindbilder. Auf diese Weise entstanden z. B. anti-britische, anti-russische, anti-polnische und antisemitische Propagandafilme. Viele Filme wurden gezielt zur Vorbereitung politischer Maßnahmen produziert. "Ich klage an" (1941) - ein Film zum Thema "Tötung auf Verlangen" - sollte z. B. die emotionale Basis für die Akzeptanz des "Euthanasie"-Gesetzes schaffen, dem eine riesige staatliche Mordwelle folgte.

Typ Filmbeispiele
Filme über die NSDAP und ihre Organisationen SA-Mann Brand (1933), Hans Westmar (1933), Hitlerjunge Quex (1933), Ich für dich - du für mich (1934), Jakko (1941), Kopf hoch, Johannes (1941), Junge Adler (1944)
Thema „Volksgemeinschaft Die vier Musketiere (1934), Wunschkonzert (1940)
Thema „Sterben für Deutschland“ Der Rebell (1932), Morgenrot (1933), Hans Westmar (1933), Hitlerjunge Quex (1933), Flüchtlinge (1933), Unternehmen Michael (1937), Urlaub auf Ehrenwort (1937), D III 88 (1939), Wunschkonzert (1940), Kampfgeschwader Lützow (1941), Spätrupp Hallgarten (1941), Stukas (1941), Himmelhunde (1941)
Gefolgschaftsfilme Der alte und der junge König (1935), Der Herrscher (1937), Mein Sohn, der Herr Minister (1937), Ein Volksfeind (1937), Pour le Mérite (1938), Bismarck (1940), Carl Peters (1941)
Thema „Große Deutsche“ Der alte und der junge König (1935), Robert Koch, der Bekämpfer des Todes (1939), Friedrich Schiller. Der Triumph eines Genies (1940), Bismarck (1940), Carl Peters (1941), Ohm Krüger (1941), Andreas Schlüter (1942), Der große König (1942), Diesel (1942), Die Entlassung (1942)
Antikommunistische und antirussische Filme SA-Mann Brand (1933), Hans Westmar (1933), Hitlerjunge Quex (1933), Um das Menschenrecht (1934), Friesennot (1935), Henker, Frauen und Soldaten (1935), Die Warschauer Zitadelle (1937), Kameraden auf See (1938), G. P. U. (1942), Die goldene Spinne (1943)
Kriegspropagandafilme Heldentum und Todeskampf unserer Emden (1934), Feinde (1940), Blutsbrüderschaft (1940/41), Sieg im Westen (1941), Auf Wiedersehen, Franziska (1941), Kopf hoch, Johannes (1941), Über alles in der Welt (1941), Heimkehr (1941), Himmelhunde (1942), Besatzung Dora (1943), Junge Adler (1944)
Anti-britische Filme Das Mädchen Johanna (1935), Verräter (1936), Zu neuen Ufern (1937), Der Fuchs von Glenarvon (1940), Mein Leben für Irland (1941), Carl Peters (1941), Ohm Krüger (1941), Anschlag auf Baku (1942), Germanin (1943)
Antisemitische Filme Robert und Bertram (1939), Leinen aus Irland (1939), Die Rothschilds (1940), Jud Süß (1940), Der ewige Jude (1940), Ohm Krüger (1941), ...Reitet für Deutschland (1941), Heimkehr (1941), Venus vor Gericht (1941), G. P. U. (1942), Theresienstadt (aka Der Führer schenkt den Juden eine Stadt) (1944)
„Euthanasie“-Filme Opfer der Vergangenheit (1937), Ich klage an (1941), Sünden der Väter (1935), Abseits vom Wege (1935), Das Erbe (1935), Erbkrank (1936), Alles Leben ist Kampf (1937), Opfer der Vergangenheit (1937), Was du ererbt (1939), Dasein ohne Leben (1942) (nicht aufgeführt)
Werbung für die Todesstrafe Im Namen des Volkes (1939)
Durchhaltefilme Kolberg (1945)

Siehe auch:

Österreich Erste Republik

Opfer des Hasses (1923), im Auftrag des Jüdischen Hilfswerkes
Die Wochenschau als Staatspropaganda für den Austrofaschismus
Bundeskanzler Dr. Dollfuss tot (1934), der Versuch einer Glorifizierung der Person
Die Vaterländische Front (1938), Bewerbung des Austrofaschismus und des "Österreichertums"

Italien unter dem Faschismus

Einer der bekanntesten italienischen Propagandafilme, der unter Mussolini als Staatsauftragsfilm produziert wurde, ist das römische Heldenepos „Scipione l’africano“ (Carmine Gallone, 1937).

Frankreich

1937 inszenierte Jean Renoir den klassischen Antikriegsfilm "La grande illusion".

Großbritannien

In Großbritannien entstanden während des Zweiten Weltkrieges propagandistische Kriegsfilme wie „In Which We Serve“ und „Went the Day Well?“ (beide 1942).

USA

Typ Filmbeispiele
Pazifistische Filme The Four Horsemen of the Apocalypse (1921), The Big Parade (1925), Wings (1927), Im Westen nichts Neues (1930), The Road to Glory (1936)
Kriegsfilme Hell's Angels (1930), The Dawn Patrol (1930), The Dawn Patrol (1938)
Patriotische Filme Sergeant York (1941)
Anti-Nazi-Filme, Antifaschistische Filme Confessions of a Nazi Spy (1939), For Whom the Bell Tolls (1939), The Great Dictator (1940), Der Fuehrer’s Face (1942), Casablanca (1942), Botschafter in Moskau (Mission to Moscow, 1943), Hangmen Also Die (1943), The Negro Soldier (1943), Lifeboat (1944), Why We Fight (1943-45)
Antijapanische Filme Lady from Chungking (1939)

Sowjetunion

Zu den Anti-Nazi-Filmen, die während der NS-Zeit in der Sowjetunion entstanden, zählt das historische Heldenepos Alexander Newski (1938).

Von 1945 bis heute

Typ Filmbeispiele
Antiwestliche Filme Chiffriert an Chef - Ausfall Nr. 5 (1979) - Chronik eines Mordes (1965) - Die Flucht (1977) - Der Kinnhaken (1962) - Reserviert für den Tod (1963)- Die Affäre Heyde/Sawade (1963)
Pro-DDR- und System-Propaganda Als Martin vierzehn war (1964) - Anflug Alpha I (1971) - Bürgermeister Anna (1950) - Drei von uns (1965) - Immer bereit (1950)
Klassenkampf-Filme Aus meiner Kindheit (1975) - Bauern erfüllen den Plan (1952) - Betrogen bis zum jüngsten Tag (1957) - Ernst Thälmann - Sohn seiner Klasse (1954) - Ernst Thälmann - Führer seiner Klasse (1955) - Erziehungsziel Klassenkämpfer (1967) - Die Unbesiegbaren (1953) - Unser täglich Brot (1949) - Ware für Katalonien (1959)
Typ Filmbeispiele
Anti-sowjetische/anti-kommunistische Filme Ich heiratete einen Kommunisten (I Married a Communist, 1949) - Botschafter der Angst (The Manchurian Candidate, 1962) - Die Rote Flut (1984) - Rambo III (1988)
Abschaffung der Todesstrafe Dead Man Walking (1995)

Literatur

  • Gerd Albrecht, Nationalsozialistische Filmpolitik, München (Hanser) 1969
  • Hilmar Hoffmann, „Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit“. Propaganda im NS-Film, Frankfurt (Fischer Taschenbuch) 1988
  • Erwin Leiser, „Deutschland, erwache!“. Propaganda im Film des Dritten Reiches, Reinbek (rororo) 1968
  • Dorothea Hollstein, "Jud Süß" und die Deutschen. Antisemitische Vorurteile im nationalsozialistischen Spielfilm, Frankfurt (Fischer Taschenbuch) 1983
  • Dorothea Hollstein, Antisemitische Filmpropaganda. Die Darstellung des Juden im nationalsozialistischen Spielfilm, München und Berlin (Verlag Dokumentation) 1971 (identisch mit dem vorgenannten Titel)

Siehe auch