Humanismus
Humanismus ist eine Philosophie und eine Weltanschauung, die sich an den Interessen, den Werten und der Würde insbesondere des individuellen Menschen orientiert. Toleranz zwischen Menschen, Gewaltfreiheit und Gewissensfreiheit gelten darin als wichtige Prinzipien menschlichen Zusammenlebens.
Der moderne Humanismus beginnt in der Aufklärung und sieht sich als ein Weg, u.a. Fragen der Ethik unabhängig von Religionen zu betrachten. Insbesondere werden übernatürliche Erklärungen abgelehnt; man spricht vom 'säkularen Humanismus'.
In etablierten Religionen finden sich auch humanistische Richtungen. Hier werden Glaubensvorstellungen und Traditionen übernommen und durch Elemente des Humanismus ergänzt.
Weiter gibt es Bewegungen, die im Menschen ein Bedürfnis nach Zeremonien und Ritualen festzustellen glauben, und eine Organisation aufbauen, die letztere vermitteln, siehe auch: Freidenker.
Humanismus als Epochenbegriff
Im speziellen wird als Humanismus das fortschrittliche, sich vom Mittelalter abwendende geistige Klima des 14. bis 16. Jahrhunderts bezeichnet. Im allgemeinen unterscheidet man heute zwischen der Renaissance als dem umfassenden kulturellen und sozialen Wandel zwischen Mittelalter und Neuzeit, und dem Humanismus als der Bildungsbewegung, die ihm zugrundeliegt. Den Humanismus als Bildungsbewegung in seiner Vielschichtigkeit zuerst erkannt zu haben, gebührt Georg Voigt noch vor Jacob Burckhardt.
Der Begriff des Humanismus erscheint erst sehr spät. Abgeleitet wird er von dem lateinischen humanitas, welches schon bei Cicero vorkommt. In der deutschen Aufklärung sprechen Johann Gottfried Herder und Friedrich Schiller von Humanität. Sie meinen damit Menschlichkeit an sich. Im Unterschied hierzu gibt es bereits im 15. Jahrhundert ein Selbstverständnis gebildeter Kreise, die sich als humanista begreifen und so bezeichnen, also als Humanisten.
Der eigentliche Begriff Humanismus erscheint erst 1808 in der Schrift von Friedrich Immanuel Niethammer Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie unserer Zeit. Diese Zeit, die man auch den "deutschen Neuhumanismus zu nennen pflegt, dient bei Niethammer zur Charakterisierung einer älteren Pädagogik, der einer aus der Aufklärung erwachsenen an den praktischen und den gesellschaftlichen Bedürfnissen und auf unmittelbare Brauchbarkeit orientierten Pädagogik gegenübergestellt wird.
Frühhumanisten
Berühmte Humanisten
Problematik
Die konkrete Ausformung des Humanismus ist stark vom Menschenbild desjenigen abhängig, der sich als Humanist bekennt. Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffs. Vielmehr widersprechen sich die verschiedenen Konzeptionen von Humanismus aufs heftigste. So unterscheidet man z.B. zwischen liberaldemokratischem, marxistisch-leninistischem, evangelisch-biblizistischem u.v.a. Formen des Humanismus. Auch gibt es einen Humanismusbegriff schon seit der Antike so z.B. bei Cicero. Man spricht für die Renaissance-Zeit von einem Renaissance-Humanismus sowie in der Aufklärung so z.B. Goethe, Schiller, Herder und dem Historismus. Der Humanismusbegriff von Wilhelm von Humboldt unterscheidet sich grundlegend von dem der Aufklärung in der Stellung, welche die Geschichte in seinem Wissenschaftskonzept einnimmt. War es in der Aufklärung die Philosophie, als die grundlegendste Wissenschaft angesehen wurde, ist es bedingt auch durch politische Faktoren und im Zuge der preußischen Reformen von 1810 mit der Gründung der Berliner Universität die Geschichte. Auf diesem Boden kommt 1859 Georg Voigt zur Entwicklung eines Epochenbegriffs des Humanismus.
Wird die unterschiedliche Bedeutung des Begriffs Humanismus unterschlagen, liegt ein Missbrauch im Sinne eines Täuschungsversuches vor.
Als ein Beispiel aus der jüngsten europäischen Geschichte sei der Sozialismus der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten, darunter die DDR, angeführt. Der Marxismusforscher Konrad Löw vertritt die Auffassung, es sei der DDR bei zahlreichen westdeutschen Organisationen, Intellektuellen und Medienschaffenden gelungen, über den Begriff des Humanismus die bis heute nachwirkende Illusion zu erwecken, ihr und ihrer Ideologie wohne ein "guter Kern" inne. Am deutlichsten würde dies in dem gemeinsamen Papier "Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit" von westdeutscher SPD und SED, in dem beide Seiten den Humanismus als gemeinsame Grundlage beschworen.
Literatur
- Bracher, Karl Dietrich, Verfall und Fortschritt im Denken der frühen römischen Kaiserzeit: Studien zum Zeitgefühl und Geschichtsbewußtsein des Jahrhunderts nach Augustus, Wien-Köln-Graz 1987.
- Buck, August, Humanismus: seine europäische Entwicklung in Dokumenten und Darstellungen, Freiburg-München 1987.
- Burckhardt, Jacob, Die Cultur der Renaissance in Italien, Leipzig 1860. (Zahlreiche durch andere überarbeitete Auflagen auch in Übersetzungen).
- Ferguson, Wallace K., Renaissance Studies, Ontario 1963.
- Ders., The Renaissance in the Historical Thought, Five Centuries of Interpretation, Boston 1948.
- Garin, Eugenio, Der italienische Humanismus [Nach dem Manuskript ins Deutsche übertragen von Giuseppe Zamboni], Bern 1947.
- Kessler, Eckhard, Das Problem des frühen Humanismus: Seine philosophische Bedeutung bei Coluccio Salutati, München 1968.
- Kristeller, Paul Oskar, Der italienische Humanismus und seine Bedeutung, Basel-Stuttgart 1969.
- Ders., The Classics and Renaissance Thought: [Lectures], Cambridge/Mass. 1955.
- Ders., Handschriftenforschung und Geistesgeschichte der italienischen Renaissance, Wiesbaden 1982.
- Ders., Humanismus und Renaissance, hrsg. von Eckhard Keßler, München 1980.
- Newald, Richard, Nachleben des antiken Geistes im Abendland bis zum Beginn des Humanismus, Tübingen 1960.
- Ders., Humanitas, Humanismus, Humanität, Essen 1947.
- Niethammer, Friedrich Immanuel, Der Streit des Philanthropinismus und des Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit, Jena 1808.
- Pfeiffer, Rudolf, Humanitas Erasmiana, Leipzig- Berlin, 1931.
- Rüegg, Walter, Cicero und der Humanismus: Formale Untersuchungen über Petrarca und Erasmus, Zürich 1946.
- Studia humanitatis: Ernesto Grassi zum 70. Geburtstag, hrsg. von Eginhard Hora und Eckhard Kessler, 1973.
- Schneider, Josef. P., Untersuchungen über das Verhältnis von humanitas zu Recht und Gerechtigkeit bei Cicero, Diss. Freiburg i.B. 1963.
- Spitz, Lewes W., Humanismus/Humanismusforschung, in: Theologische Realenzyklopädie Bd. 15, Berlin -New York 1986, S. 639-661.
- Todte, Mario, Georg Voigt (1827-1891): Pionier der historischen Humanismusforschung, Leipzig 2004. (ISBN 3-937209-22-0)
- Voigt, Georg, Die Wiederbelebung des classischen Alterthums oder das erste Jahrhundert des Humanismus, 2 Bde., 3. Aufl., Berlin 1893 (Erstauflage in einem Band, Berlin 1859).
Weblinks
- Der Humanismus - Überblick über seine vielfältigen historischen, philosophischen und politischen Richtungen
- Hoffnung jenseits der Illusionen?Die Perspektive des evolutionären Humanismus
- Stiftung Humanismus heute e.V. zur Förderung der Pflege und Weitergabe des kulturellen Erbes der Antike
- Humanistische Union e.V.
- Humanistischer Verband Deutschlands HVD
- Humanistische Bewegung / Humanistische Partei
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