Die Drehleier oder Radleier (manchmal auch Bauernleier) (zu griechisch λύρα, líra - die Lyra, althochdeutsch Lira) ist ein Streichinstrument, bei dem die Saiten von einem eingebauten Rad angestrichen werden, das mittels einer Kurbel gedreht wird. Die schwingende Länge einer oder mehrerer Melodiesaite/n, wird mechanisch mit Tasten verkürzt, um die Tonhöhe zu verändern.


Meist klingen eine oder mehrere Bordunsaiten auf konstanter Tonhöhe mit. Die Drehleier gehört daher wie der Dudelsack zu den Borduninstrumenten. Zum Erzeugen von rhythmischen Schnarrlauten dient ein Schnarrsteg ähnlich wie beim Trumscheit.
Bis ins neunzehnte Jahrhundert ist die Drehleier in großen Teilen Europas dokumentiert. Heute ist sie in Zentralfrankreich, Nordwestspanien und Ungarn als traditionelles Musikinstrument verbreitet, in vielen Regionen Europas erlebt sie eine Renaissance.
Bauformen
Durch die Zeiten und Regionen findet sich eine große Vielfalt an Bauformen. Eine allgemeine Standardisierung ist auch heute nicht feststellbar, jedoch lassen sich doch einige Typen eingrenzen.
Organistrum
Die älteste nachgewiesene Form. Ein instrument für zwei Spieler, wobei einer die Saiten verkürzt und der andere die Kurbel bedient. Das Organistrum ist nur aus Abbildungen und Plastiken bekannt, unser Wissen über den Mechanismus der Saitenverkürzung, die Stimmung und andere bauliche Details gründet auf Indizien. Das Organistrum wurde in der Kirchenmusik verwendet.
Kastenleier (lat. Sinfonia)
Auch diese Form ist bereits aus mittelalterlichen Darstellungen belegt. Das Instrument hat die Form einer länglichen Kiste, nur die Tastatur und die Kurbel stehen vor. Wie beim Organistrum beruhen alle heutigen Nachbauten auf Texten und Abbildungen und daraus abgeleiteten Folgerungen. Es ist kein historisches Instrument erhalten.
Gotische Drehleier
Unter diesem Begriff wird eine Vielfalt von Instrumentenformen von heutigen Instrumentenbauern angeboten. Man versteht darunter meist Instrumente deren Korpusform nach historischen Abbildungen aus der Zeit vom Beginn der Neuzeit bis etwa 1650 geformt ist. Es gibt sehr genaue Nachbauten nach einzelnen historischen Abbildungen, etwa nach dem Instrument das auf dem Bild Der Garten der Lüste von Hieronymus Bosch dargestellt ist, aber auch rein spekulative Neuschöpfungen für die Verwendung auf Mittelaltermärkten.
Vielle à Roue
Für die Vielle à Roue (wörtlich Rad-Fiedel) gibt es noch heute eine Tradition in Frankreich, insbesondere in der Region Centre. Seine Form mit einem Korpus aus Spänen ähnlich der Laute erhielt dieses Instrument von höfischen Instrumentenbauern zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts. Als namentlich bekannte Instrumentenbauer dieser Periode, welche diese feiner klingenden Instrumente bauten, sind Henri Bâton aus Versailles, die aus der Normandie stammenden Brüder Pierre Louvet (* 1709, - † 1784) und Jean Louvet (* 1718 † 1793) sowie Jean-Nicolas Lambert (* 1708 in Épinal, † 1759 in Paris) und Nicolas Colson, * 1785 aus Mirecourt zu nennen. Neben den Instrumenten mit Spänekorpus in Form ähnlich einer Laute wurden auch Instrumente mit gitarren-förmigem Korpus gebaut.
Im neunzehnten Jahrhundert passte sich das Instrument mehr und mehr dem Gebrauch in der dörflichen Musik an und wurde robuster. Die Instrumente aus dieser Zeit, etwa von Pimpard oder Pajot aus Jenzat in der Auvergne gleichen den heute gebauten. Für die Bretagne bauten die Instrumentenbauer aus dem Centre Drehleiern mit einem grösseren tailierten Zargen-Korpus.
Lira Organizzata, Vielle Organisée oder Orgelleier
Die Orgelleier ist eigentlich ein selbständiges Instrument, das aus einer Drehleier und einer damit integrierten kleinen Orgel besteht. Durch die Drehleier-Tastatur wird auch die Mechanik der Orgelventile gesteuert und mit der Kurbel das Windsystem betrieben. Im achzehnten Jahrhundert wurden dafür unter anderem von Joseph Haydn und Ignaz Pleyel Kompositionen geschrieben.
Tekerö
Die Ungarische Tekerö-Lant hat einen großen tailierten Zargen-Korpus und die Besonderheit, dass Melodie- Schnarr- und Bordunsaiten innerhalb des Tangentenkastens, der die Tastatur aufnimmt, verlaufen. Dieses Instrument hat ein Schnarrsystem das anders als bei den französischen Instrumenten mit einem Keil justiert wird.
Lira
Diese Instrumente aus Osteuropa, der Ukraine, Weißrussland und Russland haben einen geigenförmigen Korpus, meist ein sehr kleines Rad und gelegentlich eine besondere Tastatur mit Knöpfen.
Geschichte
Als Organistrum ist die Drehleier in Texten ab dem zehnten Jahrhundert belegt. Die frühesten bekannten Darstellungen stammen aus dem zwölften Jahrhundert. Eine bedeutende Veränderung erfährt die Drehleier ausgehend von Frankreich im achtzehnten Jahrhundert. Es entstehen, während einer nicht all zu langen Zeitspanne, viele kammermusikalische Werke für "ländliche" Instrumente, unter ihnen die Drehleier. Das Instrument wird für den Gebrauch in der höfischen (Kammer-)Musik adaptiert und Bauformen mit lautenähnlichen Spänekorpus entwickelt sowie mit Orgelregistern. Viele technische Grundlagen der heute verwendeten Instrumente gehen auf diese Zeit zurück.