Yeti-Airlines-Flug 691 (Flugnummer IATA: YT691, ICAO: NYT691, Funkrufzeichen: YETI AIRLINES 691) wurde mit einer ATR 72-500 mit dem Luftfahrzeugkennzeichen 9N-ANC durchgeführt. Das Flugzeug stürzte am 15. Januar 2023 im Endanflug auf den zwei Wochen zuvor eröffneten Internationalen Flughafen der zweitgrößten nepalesischen Stadt Pokhara ab. Der Flug war vom Tribhuvan International Airport in Kathmandu gestartet. Bei dem Unfall kamen alle 72 Insassen ums Leben. Da die Maschine in eine Schlucht gestürzt war und sich die Bergung der Leichen schwierig gestaltete, konnte zum Verbleib von drei Vermissten zunächst keine Aussage getroffen werden.[2] Der Unfall ist damit der schwerste einer ATR 72, der schwerste der Yeti Airlines und der schwerste in Nepal seit 1992, als auf dem Thai-Airways-Flug 311 und dem Pakistan-International-Airlines-Flug 268 zwei Maschinen von Airbus verunglückten.
Yeti-Airlines-Flug 691 | |
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Die Unfallmaschine im Mai 2022 | |
Unfall-Zusammenfassung | |
Unfallart | Kontrollverlust im Endanflug, wird untersucht |
Ort | Pokhara, 1,6 km westlich des Internationalen Flughafens Pokhara, ![]() |
Datum | 15. Januar 2023 |
Todesopfer | 72[1] |
Überlebende | 0 |
Luftfahrzeug | |
Luftfahrzeugtyp | ![]() ![]() |
Betreiber | ![]() |
Kennzeichen | ![]() |
Abflughafen | Tribhuvan International Airport, ![]() |
Zielflughafen | Internationaler Flughafen Pokhara, ![]() |
Passagiere | 68 |
Besatzung | 4 |
→ Listen von Luftfahrt-Zwischenfällen |
Maschine
Das betroffene Flugzeug war eine ATR 72-500, ein Typ des von Aeritalia und Aérospatiale gegründeten italienisch-französischen Konsortiums Avions de Transport Régional (ATR) zum Bau von Regionalflugzeugen. Die Maschine war zum Zeitpunkt des Unfalls 15,5 Jahre alt. Sie trug die Werknummer 734, war am Produktionsstandort von ATR in Toulouse endmontiert worden und absolvierte am 1. August 2007 ihren Erstflug mit dem Testkennzeichen F-WWEO. Die Maschine wurde am 16. August desselben Jahres an die indische Kingfisher Airlines ausgeliefert, die diese mit dem Luftfahrzeugkennzeichen VT-KAJ zuließ und sie von der südafrikanischen Investec geleast hatte. Am 21. September 2012 wurde die Maschine an die Leasinggeberin retourniert und erhielt in diesem Zusammenhang das Kennzeichen M-IBAA. Ab dem 8. März 2013 war die Maschine an die thailändische Nok Air verleast, trug das Luftfahrzeugkennzeichen HS-DRD und den Taufnamen Nok Sailom / นกสายลม. Ab dem 26. April 2019 war die Maschine an die Yeti Airlines verleast und trug das Kennzeichen 9N-ANC. Das zweimotorige Regionalflugzeug war mit zwei Turboproptriebwerken des Typs Pratt & Whitney Canada PW127F ausgestattet.
Passagiere und Besatzung
Den Flug von Kathmandu nach Pokhara hatten 68 Passagiere angetreten, darunter kamen 53 aus Nepal, 5 aus Indien, 4 aus Russland, 2 aus Südkorea und je 1 Person aus Frankreich, Argentinien, Australien und Irland. Die Besatzung bestand aus vier Personen. Flugkapitän und Prüfkapitän war K. K. Die Erste Offizierin A. K. stand kurz vor ihrer Beförderung zur Flugkapitänin, ihr Ehemann war ebenfalls als Pilot bei Yeti Air angestellt gewesen und am 21. Juni 2006 beim Unfall einer De Havilland Canada DHC-6-300 Twin Otter ums Leben gekommen.[3]
Unfallhergang
Die ATR 72 hob um 10:33 Uhr in Kathmandu zum Flug nach Pokhara ab. Zum Unfallzeitpunkt herrschte gutes Wetter mit Sichtweiten von sechs bis acht Kilometern. Die Maschine sollte zunächst auf der Landebahn in der Betriebsrichtung 30 landen, den Flughafen also von Osten her anfliegen. Später erbaten die Piloten jedoch eine Landung in der entgegengesetzten Betriebsrichtung 12. Für eine Landung aus dieser Richtung bestand für den erst zum 1. Januar 2023 eröffneten Flughafen weder eine Unterstützung durch das Instrumentenlandesystem noch die Veröffentlichung eines offiziellen Anflugverfahrens, sodass aus dieser Richtung nur nach Sichtflugregeln gelandet werden konnte.[4]
Videoaufnahmen der Maschine unmittelbar vor dem Absturz gegen 11 Uhr zeigen, wie diese einen exzessiven, linkswärtigen Rollwinkel einnimmt. Unmittelbar darauf stürzte die Maschine im Stadtgebiet von Pokhara wenige Meter entfernt von einer Wohnsiedlung in eine Schlucht am Ufer der Seti ab und geriet in Brand.
Am 16. Januar wurden der Flugdatenschreiber und der Cockpit-Stimmenrekorder in gutem Zustand gefunden[5].
Im Internet wurde mehrfach ein Video veröffentlicht, das das Geschehen an Bord der Unglücksmachine während der letzten zwei Minuten vor dem Unfall zeigen soll – dies ist offenbar möglich geworden, weil der filmende Passagier den Landungsvorgang auf seinem Facebook-Account live zu streamen begonnen hatte[6][7]. Am Ende der Sequenz ist zu sehen, dass die Maschine – scheinbar völlig unvermittelt und binnen ein bis zwei Sekunden – abstürzt und in Flammen aufgeht.
Flugunfälle in Nepal
Zur Unfallursache war kurz nach dem Unfall noch nichts bekannt. In Nepal ereigneten sich in der Vergangenheit wiederholt schwere Flugunfälle. Beispiele:
- Am 22. August 2002 prallte eine DHC-6 Twin Otter der Shangri-La Air mit dem Luftfahrzeugkennzeichen 9N-AFR im Anflug auf den Flughafen Pokhara gegen einen Berg. Bei dem Unfall kamen alle 18 Insassen ums Leben, davon 13 deutsche Staatsangehörige.
- Am 8. Oktober 2008 starben ebenfalls 18 Menschen beim Yeti-Airlines-Flug 103.
- Am 24. Februar 2016 kamen auf dem Tara-Air-Flug 193 alle 23 Insassen ums Leben, als die Maschine mit einem Berghang kollidierte.
- Am 29. Mai 2022 kam es auf dem Tara-Air-Flug 197 zu 22 Todesopfern.
- Am 12. März 2018 forderte ein Flugunfall mit US-Bangla-Airlines-Flug 211 nahe Kathmandu 52 Menschenleben.
Zum Teil wurde diese Unfallbilanz auf die anspruchsvolle Topografie des Landes zurückgeführt, wo Flughäfen häufig in engen Tälern zwischen hohen Bergen liegen. Es kann zu plötzlichen Wetteränderungen kommen. Auch eine mangelnde Flugüberwachung und überalterte bzw. unzureichend gewartete Flugzeuge wurden mit verantwortlich gemacht. Sämtliche nepalesischen Fluggesellschaften stehen auf der EU-Flugsicherheitsliste, d. h. ihnen ist die Benutzung des Luftraums der Europäischen Union aus Sicherheitsgründen untersagt.[8]
Weblinks
- Unfallbericht ATR 72-500, 9N-ANC, Aviation Safety Network
- Schweres Flugzeugunglück in Nepal, aero.de, 15. Januar 2023.
- Volker K. Thomalla: Eine ATR 72 ist in Nepal abgestürzt – keine Überlebenden, aerobuzz.de, 15. Januar 2023.
- Bart Noëth: Yeti Airlines ATR 72-500 carrying 72 passengers and crew crashes in Nepal; no survivors, aviation24.be, 15. Januar 2023.
- Betriebsgeschichte der Maschine, planespotters.net
Einzelnachweise
- ↑ All-72-aboard-Yeti-airlines-flight-in-Nepal-killed-in-crash. In: uniindia. 15. Januar 2023, abgerufen am 15. Januar 2023 (englisch).
- ↑ 69 confirmed dead, 66 bodies extracted; status of 3 unknown Setopati, 15. Januar 2023, abgerufen am selben Tage.
- ↑ Stefan Eiselin: Die tragische Geschichte der Kopilotin der ATR 72 von Yeti Airlines, aerotelegraph.com, 15. Januar 2023
- ↑ Crew änderte vor ATR-Absturz die Anflugrichtung. In: aero.de. 17. Januar 2023, abgerufen am 17. Januar 2023.
- ↑ Black box and cockpit voice recorder from plane that crashed in Nepal found In: Sky News, 16. Januar 2023. Abgerufen am 16. Januar 2023 (englisch).
- ↑ Последние минуты полета самолета, разбившегося в Непале In: Meduza, 16. Januar 2023. Abgerufen am 18. Januar 2023 (russisch).
- ↑ Nepal air crash: Indian passenger's video caught plane's last moments In: BBC News. Abgerufen am 16. Januar 2023 (englisch).
- ↑ Nepal mourns victims of worst air disaster in decades. In: BBC News. 15. Januar 2023, abgerufen am 15. Januar 2023 (englisch).
Koordinaten: 28° 11′ 38″ N, 83° 58′ 56″ O