Diagnosebezogene Fallgruppen

Klassifikationssystem für das Abrechnungsverfahren im Krankenhauswesen
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DRG ist noch gebräuchlich als Abkürzung für die frühere Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft.

DRG war auch die Abkürzung der Deutschen Raketengesellschaft e.V., der späteren Hermann-Oberth-Gesellschaft e.V.


DRG ist eine Abkürzung aus dem Gesundheitswesen für Diagnosis Related Groups (Übersetzt: Diagnosebezogene Fallgruppen). Dabei handelt es sich um eine medizinisch-ökonomische Klassifizierung von Patienten einerseits nach medizinischen Kriterien (Organsystem, Ursache der Erkrankung), andererseits nach dem ökonomischen Ressourcenverbrauch für die Behandlung. Das deutsche DRG-System basiert ursprünglich auf dem Australischen DRG-Katalog und wurde zur Abrechnung von Krankenhausfällen ab 2003 eingeführt. Während in Australien und anderen Ländern mit ähnlichen Klassifikationssystemen die DRGs vor allem zur Bestimmung eines Globalbudgets für das Krankenhaus dienen, wurde es in Deutschland zur Abrechnung einzelner Krankenhausfälle und somit als Fallpauschalen-System eingeführt. Demnach wird das bisherige verweildauerbezogene Vergütungssystem für Krankenhausbehandlung nach der Anzahl der Behandlungstage, abgelöst durch ein fallbezogenes Vergütungssystem nach der Eingruppierung in eine DRG.

Grundlagen des Deutschen DRG-Systems

Voraussetzung für die Eingruppierung eines Patienten in eine DRG ist die Verschlüsselung einer Hauptdiagnose und ggf. von behandlungsrelevanten Nebendiagnosen als ICD-Code sowie der wesentlichen, am Patienten durchgeführten Leistungen (Prozeduren) als ICPM-Code. Um eine einheitliche Verschlüsselung zu gewährleisten, wurde eigens ein Regelwerk (Deutsche Kodierrichtlinien DKR erstellt. Aus den Diagnosen und Prozeduren sowie dem Alter, Geschlecht, der Verweildauer und der Entlassungsart (z. B. verlegt, verstorben, normale Entlassung usw.) erfolgt die DRG-Ermittlung über einen vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK gGmbH) (siehe auch Web-Link) erstellten und veröffentlichten Algorithmus (Definitionshandbücher). Dieser Algorithmus ist in EDV-Programmen, so genannten Groupern implementiert, die vom InEK lizenziert werden und über Schnittstellen von der Krankenhaus-EDV eingebunden werden können.

Das InEK erstellt jährlich den Katalog der abrechenbaren DRGs aus den Leistungs- und Kostendaten von freiwillig an der so genannten Kalkulation teilnehmenden Krankenhäusern. Zusätzlich wird zu jeder DRG ein Bewertungsrelation (BR) (Synonym:Kostengewicht, Relativgewicht) kalkuliert, das den Kostenunterschied der verschiedenen DRGs unterein ander wiederspiegelt. Daher ist das DRG-System in erster Linie eine ökonomische und nur bedingt eine medizinische Klassifikation.

Die DRGs werden als eine vierstellige Kombination aus Buchstaben und Ziffern dargestellt, beispielsweise F60B für Kreislauferkrankungen mit akutem Myokardinfarkt, ohne invasive kardiologische Diagnostik ohne äußerst schwere Begleiterkrankungen.

 
DRG-Code

Die erste Stelle des DRG-Codes bezeichnet das Kapitel (so genannte Hauptdiagnosegruppe, aus dem englichen "Major Diagnostic Categorie (MDC)) nach Organsystem (z.B. MDC 1: Erkrankungen des Nervensystems = "B") bzw, Ursache der Erkrankung (z.B. MDC 21: Verletzungen = "X") unterteilt. Zusätzliche gibt es Sonderfälle (Beatmungsfälle, Transplantationen usw. = "A") sowie so genannte Fehler-DRGs (Falsche Hauptdiagnose, OP passt nicht zur Diagnose usw. = "9")

Die zweite und dritte Stelle des DRG-Codes bezeichnet die Art der Behandlung. 01-39 bezeichnet eine operative Behandlung, 40-59 bezeichnet eine nichtoperative, jedoch invasive Behandlung (z.B. Darmspiegelung) und 60-99 bezeichnet eine rein medizinische Behandlung ohne Eingriffe.

Die letzte Stelle des DRG-Codes bezeichnet den (ökonomischen) Schweregrad der DRG. Buchstabe "A" kennzeichnet eine aufwändige (teure) Behandlung. Nach unten sind je nach Basis-DRG verschiedene Differenzierungen bis zum Buchstaben "E" möglich. Der Buchstabe "Z" kennzeichnet DRGs, die nicht weiter differenziert sind.

Der für die Fallpauschale abzurechnende Preis ergibt sich aus dem kalkulierten Relativgewicht multipliziert mit einem sogannten Basisfallwert, der in den Jahren 2003 und 2004 noch Krankenhausindividuell verhandelt wird, zwischen 2005 und 2007 jedoch schrittweise an einen für das Bundesland einheitlichen Basisfallwert angeglichen wird (Konvergenzphase), so dass ab 2007 gleiche Leistungen innerhalb eines Bundeslandes auch einen gleichen Preis haben, unabhängig davon, in welchem Krankenhaus der Patient behandelt wurde. Nach dem noch nicht beschlossenen Referentenentwurf eines 2. Fallpauschalenänderungsgesetzes soll diese Konvergenzphase um ein Jahr verlängert werden.

Da das Deutsche DRG-Sytem weltweit einmalig auch als Abrechnungssystem für einzelne Behandlungsfälle verwendet wird, sind Regelungen für die Berücksichtigung von Außreißerfällen,also extrem lang oder besonders kurz behandelten Fällen, eingeführt worden. Für die meisten DRGs wurde eine obere und untere Genzverweildauern berechnet. Bei Unterschreiten der unteren Grenzverweildauer erfolgt ein Abschlag, bei Überschreiten der oberen Grenzverweildauer erfolgt ein Zuschlag auf den jeweiligen DRG-Preis. Außerdem erfolgt ein Abschlag, wenn der Patient in ein anderes Krankenhaus oder aus einem anderen Krankenhaus verlegt und nicht mindestens bis zur mittleren Verweildauer der abgerechneten DRG behandelt wird. Zu und Abschläge sind als Bewertungsrelationen pro Tag definiert, so dass sich der jeweilige Betrag aus der Multiplikation der relevanten Tage und der Bewertungsrelation mit dem Basisfallwert ergibt.

Beispiel:

Ein Patient mit akutem Herzinfarkt wurde bis 2002 nach der Verweildauer und einem, für das Krankenhaus gültigen Pflegesatz abgerechnet (Preis = Verweildauer x Pflegesatz).

Mit Einführung des DRG-Systems erfolgt eine Eingruppierung des Patienten in eine DRG, beispielsweise für das Jahr 2004 in die DRG F60B Kreislauferkrankungen mit akutem Myokardinfarkt, ohne invasive kardiologische Diagnostik ohne äußerst schwere Begleiterkrankungen. Die Bewertungsrelation dieser DRG ist 1,08. Für ein Krankenhaus mit einem Basisfallwert von beispielsweise 2.500 € ergäbe sich für die Behandlung ein Preis von 1,08 x 2.500 € = 2.700 €.

Bei Vorliegen relevanter Nebendiagnosen könnte sich auch die DRG F60A' Kreislauferkrankungen mit akutem Myokardinfarkt, ohne invasive kardiologische Diagnostik mit äußerst schweren Begleiterkrankungen ergeben. Deren Bewertungsrelation liegt bei 1,62, der Preis für die Behandlung ergäbe sich somit durch 1,62 x 2.500 € = 4.050 €.

Ziele

Die politischen Ziele der DRG-Einführung sind

  • die Liegezeit in deutschen Krankenhäusern zu verkürzen,
  • die Bezahlung von medizinischen Leistungen in den Krankenhäusern zu vereinheitlichen ("gleicher Preis für gleiche Leistung"),
  • Transparenz und Vergleichbarkeit der Krankenhausleistungen,
  • Abbau von vermuteten Überkapazitäten im Krankenhausbereich,
  • und insgesamt Kosteneinsparungen im stationären Bereich

Kritik am DRG-System

  • Während in anderen Ländern, die das DRG-System anwenden, von professionellen Dokumentationsassistenten kodiert wird, gilt in Deutschland die Codierung von Diagnosen und Prozeduren noch in erster Linie als Aufgabe des Arztes. Dadurch wird die administrative Tätigkeit der Krankenhausärzte deutlich erhöht, es bleibt weniger Zeit für die Patienten.
  • Auch im Verwaltungsbereich der Krankenhäuser und Kostenträger steigt der Aufwand. Während bisher der Preis für eine Behandlung relativ einfach durch Multiplikation zu ermitteln war, ist jetzt medizinisches Wissen zur Überprüfung der Abrechnung erforderlich. Im Krankenhausbereich hat sich unter anderem aus diesem Grund ein eigenes Berufsbild (Medizincontroller) entwickelt.
  • Während die verweildauerbezogene Abrechnung aus ökonomischer Sicht Anreiz für eine Verzögerung der Behandlung war, ist die Abrechnung nach DRG-Fallpauschalen Anreiz für eine zu frühzeiteitge Entlassung (Stichwort: "Blutige Entlassung")
  • Die DRGs bilden insbesondere in bestimmten Bereichen (Unfallchirurgie, Kinderheilkunde, u.a.) die tatsächliche Behandlung noch nicht differenziert genug ab, so dass die resultierende Vergütung nicht "sachgerecht" ist.
  • Ein Fallpauschalensystem bietet Anreize, sich innerhalb von Fallgruppen auf möglichst "einfache" oder standardisierte Fälle zu spezialisieren. Die Versorgung komplexerer Fälle wird dadurch eingeschränkt oder auf andere Abieter verlagert.
  • Die Teilnahme an der DRG-Kalkulation ist für die Krankenhäuser freiwillig. Dadurch sind die einfließendenden Daten nicht repräsentativ.

Entwicklung des Deutschen DRG-Systems

Das DRG-System wird jährlich durch das InEK aufgrund der erhobenen Behandlungs- und Kostendaten weiterentwickelt. Daraus kann sich ergeben:

  • Differenzierung von DRGs aufgrund von Kostenunterschieden z.B. durch Begleiterkrankungen oder dem Alter,
  • Zusammenfassung bisher unterschiedlicher DRGs aufgrund fehlender Kostenunterschiede,
  • die Verwendung von zusätzlichen Kriterien wie Geburtsgewicht, Ein-Tages-Fall, Notfall.
  • die Beachtung weiterer kostenrelevanter Patientenmerkmale, welche über die ärztlichen Diagnosen hinausgehen (z.B. Handicaps wie Analphabetiker oder soziale Kriterien wie Arbeits- oder Wohnsitzlosigkeit)

Einführung in Deutschland

Das so genannte Optionsmodell ermöglichte den Krankenhäusern auf freiwillger Basis ihre Abrechnung ab dem 01.01.2003 auf das DRG-SYstem umzustellen. Voraussetzung war neben einer fristgerechten Anmeldung eine abgeschlossene Budgetverhandlung mit den Kostenträgern. Aufgrund zeitlicher Verzögerungen der Bundgetverhandlung fand für die meisten teilnehmenden Kliniken der Umstieg unterjährig statt.

Gesetzlich ist die Einführung des DRG-System am dem 01.01.2004 verpflichtend vorgesehen. Jedoch ist auch hier die abgeschlossene Budgetverhandlung Voraussetzung so dass bei vielen Kliniken erst im Verlauf des Jahres mit einem Umstieg zu rechnen ist.

Geschichte

DRGs wurden in den USA an der Yale-Universität von Prof. Fetter 1975 entwickelt. Sie wurden in den USA bereits vor 18 Jahren eingeführt. Es kam dadurch zur Verschiebung von stationären zu mehr ambulanten Leistungen. Es wird geschätzt, dass nach Einführung der DRGs in Deutschland ungefähr 400 von derzeit 2200 Krankenhäusern überzählig sein werden.

Seit ungefähr 17 Jahren werden DRGs in Amerika angewendet. Die amerikanischen DRGs der Health Care Financing Administration (HCFA) werden in voller Breite nur für die Bevölkerung über 65 Jahre, die durch das staatliche Medicare-Programm versichert ist, angewendet.

Die Selbstverwaltungsorgane des deutschen Gesundheitswesens waren im Jahr 2000 durch die Politik aufgefordert ein bereits existierendes DRG-System als Grundlage des aufzubauenden deutschen Systems auszuwählen. Die Entscheidung fiel auf das System des australischen Bundesstaates Victoria, genannt 'Australian Refined Diagnosis Related Groups' (AR-DRG). Seitdem wird in jährlichen Abständen durch Überarbeitungen eine Anpassung an die deutsche Behandlungswirklichkeit zu erreichen. Beauftragt ist damit das im Mai 2001 gegründete 'Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus' (InEK gGmbH) in Siegburg.

Literatur

  • Wolfram Fischer: Diagnosis Related Groups (DRGs) und Pflege. Grundlagen, Codierungssysteme, Integrationsmöglichkeiten. Bern 2002 (Huber): 472 S. ISBN 3-456-83576-0

Siehe auch