Der negative Utilitarismus ist als Unterform des Utilitarismus eine konsequentialistische Ethik. Seine Maxime ist die Leidensminimierung. Ein Negativer Utilitarist beurteilt eine Handlung also danach, in wie weit sie Leid verhindert bzw. erzeugt. Im Gegensatz zum klassischen Utilitarismus, dessen Maxime die Glücksmaximierung ist, wird positiven Empfindungen (Glück, Freude) kein moralisch relevanter intrinsischer Wert zugeschrieben, bzw. ein absoluter Vorrang der Verhinderung von Leid vor der Schaffung von Glück angenommen. Bei der praktischen Umsetzung dieses Gedankens kann man folgende Varianten unterscheiden:
1. Die effektivste Art Leid zu Minimieren, wäre die möglichst schnelle und schmerzlose Zerstörung der Erde, da dies alles (bekannte) Leid beenden würde. Diese Schlussfolgerung hat dem negativen Utilitarismus (NU) viel Kritik eingebracht, insbesondere weil sie nicht nur in unserer Welt gelten würde, die voll von Krieg, Unterdrückung, Krankheit, Hunger usw. ist, sondern auch dann noch, wenn das einzige Leid ein Nadelstich wäre (Nadelstichargument). Die ursprüngliche bzw. „reine“ Version des NU hat deshalb nie eine praktische Bedeutung erlangt und gilt als widerlegt [1].
2. Neuere, moderate Versionen des NU versuchen nicht jegliche Art von Leiden zu minimieren, sondern nur dasjenige Leiden, welches aus der Frustration von Präferenzen entsteht. Die Präferenz zu leben ist bei den meisten Anhängern des moderaten NU stärker als der Wunsch nicht mehr leiden zu müssen, sodass sie eine schnelle und schmerzlose Zerstörung des Lebens ablehnen. Ein Teil von ihnen glaubt, dass man die schlimmsten Formen des Leidens mit der Zeit reduzieren und eine Welt mit tolerierbarem Leiden schaffen kann. Hauptvertreter dieser Richtung findet man im Umfeld des Transhumanismus [2]
Anhänger des NU, welche nicht an die Versprechungen des Transhumanismus glauben, würden eine Reduktion der Bevölkerung (und im Extremfall eine leere Welt) bevorzugen. Aus der prinzipiellen Bevorzugung einer leeren Welt folgt aber noch nicht eine entsprechende politische Forderung, ja diese wäre sogar mit Sicherheit kontraproduktiv. Pessimistische Anhänger des moderaten NU neigen deshalb zu einer rückzugsorientierten Lebensphilosophie.
3. Schliesslich gibt es noch Theoretiker, welche den NU mit einer Forderung nach höherer Priorität bei der Bekämpfung des Leidens im Rahmen des klassischen Utilitarismus gleichsetzen [3]. Diese Interpretation des NU kann aber nicht als eigenständige Theorieversion gelten, weil sie die utilitaristische Tendenz zur Expansion auf Kosten der Lebensqualität nicht verhindert. Der NU zeichnet sich aber gerade dadurch aus, dass er diese theoretische Schwäche des klassischen Utilitarismus (bekannt unter dem Namen Repugnant Conclusion) überwindet [4]