Das griechische Alphabet ist die Schrift, in der die griechische Sprache seit dem 9. Jahrhundert v. Chr. geschrieben wird. Die griechische Schrift ist eine Weiterentwicklung des phönizischen Alphabets. Sie war die erste Alphabetschrift im engeren Sinne. Vom griechischen Alphabet stammen u. A. das lateinische und kyrillische Alphabet ab. Das griechische Alphabet umfasst 24 Buchstaben, die ebenso wie im lateinischen Alphabet als Majuskeln (Großbuchstaben) und Minuskeln (Kleinbuchstaben) vorkommen..

Zeichen
Zeichentabelle
Zeichen | Name 1 | Altgr. Transkription |
Altgr. Aussprache 2 |
Neugr. Transkription 3 |
Neugr. Aussprache |
---|---|---|---|---|---|
Α, α | Alpha (Vorlage:Polytonisch) | a | [ | ], [ ]a | [ | ]
Β, β, ϐ | Beta (Vorlage:Polytonisch) | b | [ | ]v | [ | ]
Γ, γ | Gamma (Vorlage:Polytonisch) | g | [ | ]g | [ | ], [ ]
Δ, δ | Delta (Vorlage:Polytonisch) | d | [ | ]d | [ | ]
Ε, ε | Epsilon (Vorlage:Polytonisch) | e | [ | ]e | [ | ]
Ζ, ζ | Zeta (Vorlage:Polytonisch) | z | [ | ], [ ]z | [ | ]
Η, η | Eta (Vorlage:Polytonisch) | ē | [ | ]i | [ | ]
Θ, θ, ϑ | Theta (Vorlage:Polytonisch) | th | [ | ]th | [ | ]
Ι, ι | Iota (Vorlage:Polytonisch) | i | [ | ], [ ]i | [ | ], [ ]
Κ, κ, ϰ | Kappa (Vorlage:Polytonisch) | k | [ | ]k | [ | ], [ ]
Λ, λ | Lambda (Vorlage:Polytonisch) oder „Lamda“ (Vorlage:Polytonisch) |
l | [ | ]l | [ | ]
Μ, μ | My (Vorlage:Polytonisch) | m | [ | ]m | [ | ]
Ν, ν | Ny (Vorlage:Polytonisch) | n | [ | ]n | [ | ]
Ξ, ξ | Xi (Vorlage:Polytonisch) | x | [ | ]x | [ | ]
Ο, ο | Omikron (Vorlage:Polytonisch) | o | [ | ]o | [ | ]
Π, π, ϖ | Pi (Vorlage:Polytonisch) | p | [ | ]p | [ | ]
Ρ, ρ, ϱ | Rho (Vorlage:Polytonisch) | r(h) | [ | ], [ ]r | [ | ]
Σ, σ (am Wortende: ς) | Sigma (Vorlage:Polytonisch) | s | [ | ]s | [ | ], [ ]
Τ, τ | Tau (Vorlage:Polytonisch) | t | [ | ]t | [ | ]
Υ, υ | Ypsilon (Vorlage:Polytonisch) | y | [ | ], [ ]y | [ | ]
Φ, φ, ϕ | Phi (Vorlage:Polytonisch) | ph | [ | ]f | [ | ]
Χ, χ | Chi (Vorlage:Polytonisch) | ch | [ | ]ch | [ | ], [ ]
Ψ, ψ | Psi (Vorlage:Polytonisch) | ps | [ | ]ps | [ | ]
Ω, ω | Omega (Vorlage:Polytonisch) | ō | [ | ]o | [ | ]
1) Name des Buchstabens in deutscher Transkription und folgend die altgriechische Schreibweise; die neugriechischen Namen unterscheiden sich teilweise geringfügig und werden auch anders ausgesprochen.
2) Rekonstruierte Aussprache im 5. Jahrhundert v. Chr.; siehe auch Altgriechische Phonologie
3) Die neugriechische Transkription wird nicht einheitlich gehandhabt; es existieren auch zahlreiche weitere Umschriften (siehe unter Transkription).
Diphthonge
Im Altgriechischen gab es eine Reihe Diphthonge, die sich im Neugriechischen zu Monophthongen oder zu einer Vokal-Konsonant-Kombination entwickelt haben.
Diphthong | Antike Aussprache1 |
Antike Transkription |
Neugriechische Aussprache |
Neugriechische Transkription |
---|---|---|---|---|
αι | [ | ]ai | [ | ]e |
ει | [ | ]ei | [ | ]i |
οι | [ | ]oi | [ | ]i |
υι | [ | ]yi / ui | [ | ]i |
αυ | [ | ]au | [ | ] / [ ]2av / af2 |
ευ | [ | ]eu | [ | ] / [ ]2ev / ef2 |
ηυ | [ | ]eu / ēu | [ | ] / [ ]2iv / if2 |
ου | [ | ]u / ou | [ | ]u |
1 Rekonstruierte Aussprache im 5. Jahrhundert v. Chr.; siehe auch Altgriechische Phonologie
2 Vor Vokalen und stimmhaften Konsonanten (β, γ, δ, ζ, λ, μ, ν, ρ) werden die Digraphen αυ, ευ und ηυ [ ], [ ], bzw. [ ] ausgesprochen und entsprechend als av, ev, bzw. iv transkribiert, vor stimmlosen Konsonanten (θ, κ, ξ, π, σς, τ, φ, χ, ψ) und am Wortende [ ], [ ], bzw. [ ].
Namen der Buchstaben
Die Bezeichnungen der Buchstaben haben im Griechischen keine Bedeutung. Sie wurden aus dem Phönizischen übernommen. Dort bezeichnen die Buchstabennamen Begriffe, denen nach dem akrophonischen Prinzip ein Lautwert zugeordnet wurde. Beispielsweise bedeutet aleph „Ochse“ und beth „Haus“.
Die heutigen Buchstabennamen gehen auf die byzantinische Zeit zurück. Die Bezeichnungen in klassischer Zeit unterschieden sich teils, z. B. wurden die Buchstaben Omikron und Omega schlicht Vorlage:Polytonisch ou und Vorlage:Polytonisch ō genannt. Erst als die Aussprache der beiden Laute zusammenfiel, unterschied man die Buchstaben durch die Namenszusätze mikron und mega (Omikron bedeutet „kleines O“, Omega „großes O“). Ähnlich verhält es sich bei den Namen Epsilon („einfaches E“) und Ypsilon („einfaches Y“), die zur Unterscheidung zu den gleichlautenden Buchstabenkombinationen αι und οι eingeführt wurden.
Aussprache
Die antiken und modernen Lautwerte der griechischen Buchstaben unterscheiden sich recht stark, weil die tiefgreifenden lautlichen Veränderungen, die die griechische Sprache in über zweieinhalb Jahrtausenden durchlebte, in der Orthografie nicht umgesetzt wurden. Daher sind alt- und neugriechische Wörter im Schriftbild oft identisch oder sehr ähnlich, obwohl sie völlig anders ausgesprochen werden.
Altgriechisch
- Hauptartikel: Altgriechische Phonologie
In der antiken Aussprache des Griechischen war die Laut-Buchstaben-Zuordnung recht eindeutig. Bei der Darstellung der Vokale musste das Altgriechische aber mit sieben Buchstaben für 12 Phoneme auskommen. Alpha, Iota und Ypsilon konnten sowohl für lange oder für kurze Laute stehen. Bei den e- und o-Lauten wurde dagegen zwischen Epsilon bzw. Omikron für die Kurzvokale [ ], [ ] und Eta bzw. Omega für die Langvokale [ ], [ ] unterschieden. Für die geschlossenen Langvokale [ ] und [ ] verwendete man indes die Digraphen Epsilon-Iota (ει) und Omikron-Ypsilon (ου). Daneben ist zu beachten, dass die Diphthonge Alpha-Ypsilon (αυ) und Epsilon-Ypsilon (ευ) als [au] und [eu] gesprochen wurden.
Die im Schulunterricht westlicher Länder etablierte Aussprache weicht in einigen Punkten von der heute nach wissenschaftlichen Kriterien rekonstruierten Aussprache ab. So wurden Theta, Phi und Chi in der Antike als aspirierte Verschlusslaute und nicht als Reibelaute gesprochen. In Griechenland selbst wird heute für alle Texte, auch für altgriechische, die neugriechische Aussprache verwendet. Auch in anderen orthodoxen Ländern ist die dem Neugriechischen nahestehende byzantnische statt der antiken Aussprache Grundlage für die Aussprache griechischer Wörter.
Neugriechisch
- Hauptartikel: Neugriechische Sprache#Phonologie
Im Neugriechischen ist die Orthografie durch den Lautwandel weit weniger logisch. Durch den Zusammenfall vieler altgriechischer Vokalphoneme kann z. B. der Laut [i] im Neugriechischen mit ι, η, υ, ει oder οι geschrieben werden. Dadurch ist das Erlernen der griechischen Rechtschreibung auch für Muttersprachler mit Schwierigkeiten verbunden.
Die wichtigste Änderung bei der Aussprache der Konsonanten betrifft die stimmhaften und die aspirierten Verschlusslaute (β, θ, χ) des Altgriechischen, die zu Reibelauten geworden sind. Daneben setzt das Neugriechische in größerem Maße Digraphen ein, z. B. stehen μπ, ντ und γκ für [b], [d] und [g].
Transkription
Für die Transkription altgriechischer Wörter in die lateinische Schrift gibt es eine recht eindeutige Norm. Einzig bei der Wiedergabe der Buchstaben η und ω (mit oder ohne Makron), des Digraphen ου (ou oder u) und des einfachen υ (normalerweise y, in Diphthongen u oder generell u) gibt es kleinere Unterschiede.
Die Umschrift des Neugriechischen wird nicht einheitlich gehandhabt, eine existierende ISO-Norm konnte sich bislang nicht durchsetzen. Zum Teil richtet sich die Umschrift an der Aussprache, zum Teil am griechischen Schriftbild. Die in obiger Tabelle verwandte Norm richtet sich nach der in Wikipedia verwandten Namenskonvention Neugriechisch.
Vorklassische Zeichen
Einige Zeichen aus dem phönizischen Alphabet existierten in bestimmten älteren Formen des griechischen Alphabets. Durch die Standardisierung des Alphabets wurden sie abgeschafft. Die Buchstaben Digamma, Qoppa und Sampi blieben aber als Zahlenzeichen bestehen.
- Das Digamma (Vorlage:Polytonisch) ging wie das Ypsilon aus dem phönizischen Waw hervor und bezeichnete ursprünglich den Laut [w] (wie in engl. water). Als dieser Laut in den meisten Dialekten wegfiel, wurde das Zeichen überflüssig. Die Bezeichnung Digamma („Doppelgamma“) ist jünger und bezieht sich auf die Form, die wie zwei aufeinandergelegte Gammata (Vorlage:Polytonisch) aussieht.
In klassischer Zeit wurde dieser Buchstabe als „Stigma“ bezeichnet und durch Στ angedeutet. Für Zahlen wurde er mit dem Zahlwert 6 weiterhin gebraucht (siehe Griechische Zahlen).
- Das San (Vorlage:Polytonisch) entsprach dem phönizischen Zade. Es stand meistens für [s], wurde aber schon früh durch das Sigma ersetzt. Im arkadisch-kyprischen Dialekt hatte es den Lautwert [ts].
- Das Qoppa (Vorlage:Polytonisch) entsprach dem phönizischen Qoph, das den semitischen [q]-Laut bezeichnete. Im Griechischen wurde das Qoppa anfangs für [k] vor [o] oder [u] verwendet.
- Der Ursprung des Sampi (Vorlage:Polytonisch) ist nicht eindeutig geklärt, es könnte vom San abstammen. Das Sampi stand für [ss] oder /ks/.
Spiritus
Als der Buchstabe H, der ursprünglich für [h] stand, den Lautwert [ɛː] erhielt, entwickelte man durch Halbierung des H das Zeichen ├, um weiterhin den [h/]Laut wiedergeben zu können. Später entwickelte sich daraus der Spiritus asper, ein diakritisches Zeichen, das wie ein hochgestelltes kleines c aussieht und über dem anlautenden Vokal steht. In Analogie zum Spiritus asper wurde später der Spiritus lenis, der die Form eines spiegelverkehrten Spiritus asper hat, für einen vokalischen Anlaut ohne [h] entwickelt.
Beispiele:
- Spiritus asper (῾): Vorlage:Polytonisch hydōr („Wasser“), Vorlage:Polytonisch rhythmos („Rhythmus“), Vorlage:Polytonisch Hellas („Griechenland“)
- Spiritus lenis (᾽): Vorlage:Polytonisch egō („ich“), Vorlage:Polytonisch Erōs („Liebe“)
Akzente
Das Altgriechische verfügte über einen musikalischen Akzent mit drei verschiedenen Tönen. Diese können bedeutungsunterscheidend sein, z. B. bedeutet pan mit steigend-fallendem Ton „alles“, während dasselbe Wort im steigenden Ton der Name des Gottes Pan ist. Der musikalische Akzent wandelte sich schon in hellenistischer Zeit zu einem dynamischen Akzent, wie er im Deutschen und den meisten anderen europäischen Sprachen vorkommt. Um die antiken Texte weiterhin korrekt aussprechen zu können, entwickelte man drei Zeichen als Bezeichnung der Töne:
- der Akut, griech. Oxeia, (´) für den Hochton, Bsp. Vorlage:Polytonisch Diotíma
- der Gravis, griech. Bareia, (`) für den Tiefton, Bsp. καὶ Vorlage:Polytonisch kaì autòs timô (auch ich-selbst ehre)
- der Zirkumflex, griech. Perispomenē, (῀) für den Steig- und Fallton, Bsp. Vorlage:Polytonisch Phaîdros
Im modernen Griechisch (das keinen h-Laut mehr hat und auch keine Töne mehr kennt) wurden diese Akzente und Spiritus 1982 abgeschafft. Die Akzente wurden durch ein einziges Zeichen, den Tonos (τόνος) ersetzt, der heute in mehrsilbigen Wörtern die betonte Silbe kennzeichnet. (Der Tónos sieht aus wie ein Akut, ist aber ein eigenes Zeichen und wird im Unicode vom Akut unterschieden.) Dieses vereinfachte System wird μονοτονικό genannt; in manchen literarischen Publikationen wird jedoch noch das alte Akzentsystem (πολυτονικό) inklusive Spiritus verwendet – für Poesie fast ausnahmslos. Alltagstexte wie die meisten Zeitungen, Werbeplakate und alles Offizielle richten sich jedoch nach den neuen Regeln.
Diakritische Zeichen
- Das Trema (¨) zeigt im Altgriechischen an, dass zwei Vokale keinen Diphthong bilden, sondern in zwei Silben gesprochen werden. So wird Vorlage:Polytonisch („Atreide“, „Sohn des Atreus“) viersilbig als Atre-idēs gesprochen. Im Neugriechischen kennzeichnet das Trema die getrennte Aussprache eines der Digraphen (οϊ, αϊ, εϊ), dies häufig aber nicht ausschließlich in Fremdwörtern. Z. B. das „Boot“ καΐκι, sprich /ka'iki/ wäre ohne Trema /keki/; der engl. Vorname Mike wird Μαϊκ umschrieben.
- In den Langdiphthongen ēi, ōi und āi verstummte das i bereits früh. Ab dem 12. Jahrhundert wurde es als Iota subscriptum („untergeschriebenes Iota“) unter den vorangehenden Vokal gesetzt, Bsp. Vorlage:Polytonisch statt Vorlage:Polytonisch tē, (Dativ des bestimmten Artikels femininum, der). Bei Großbuchstaben wird das Iota meist als Iota adscriptum („dazugeschriebenes Iota“) neben den vorangehenden Vokal gesetzt, Bsp. Vorlage:Polytonisch sprich: Hādēs („Hades“, „Unterwelt“). Im Neugriechischen wurde das Iota subscriptum im Zuge der Reform von 1982 abgeschafft.
Zahlzeichen
- Hauptartikel: Griechische Zahlen
Die altgriechischen Schriftzeichen sind zugleich Zahlzeichen. Es gab zwei Zählweisen, die Thesische und die Milesische, wohl von Milet abgeleitet. Der Gebrauch beider Zählweisen sind schon in der Ilias belegt. Die thesische Zählweise ist erst 1935 durch Peter Friesenhahn wiederentdeckt worden und zweifelsfrei in Ilias und Septuaginta nachgewiesen worden.
Die 1935 wiederentdeckte Thesische Zählweise weist den Buchstaben Alpha bis Omega, je nach ihrem Standort im Alphabet die dazugehörige Ordnungszahl als Wert zu, also Alpha hat den Wert eins und Omega den vierundzwanzig. Die Milesische und lange bekannte Zählweise ist ähnlich der im hebräischen Alphabet benutzten konstruiert, indem Alpha bis Theta die Werte eins bis neun annehmen, Jota bis Koppa, nicht mit Kappa zu verwechseln, die zum vorigen parallelen Zehnerwerte, nämlich zehn, zwanzig, ... bis neunzig, und Rho bis Sampi die entsprechenden Hunderter, so daß Alpha dann wieder auch Tausend bedeuten kann. Nach dieser Zählweise sind die Gesänge Homers nummeriert.
Geschichte
Vorläufer
Schon einige Jahrhunderte vor Entstehung des griechischen Alphabets war die griechische Sprache schriftlich festgehalten worden. Die mykenische Kultur verwendete vom 14. bis 12. Jahrhundert v. Chr. die Silbenschrift Linear B, die aus der Schrift der Minoer Kretas entwickelt worden war. Nach dem Untergang der mykenischen Kultur geriet sie aber während der sogenannten „dunklen Jahrhunderte“ (12.–9. Jhd. v. Chr.) wieder in Vergessenheit. Das griechische Alphabet steht in keiner Verbindung zur Linearschrift B. Einzig auf Zypern hielt sich die kyprische Schrift, die den kretisch-minoischen Schriften nahe stand.
Entstehung
Phönizisch | Griechisch | ||
---|---|---|---|
Aleph | Α | Alpha | |
Beth | Β | Beta | |
Gimel | Γ | Gamma | |
Daleth | Δ | Delta | |
He | Ε | Epsilon | |
Waw | Ϝ | Digamma | |
Zajin | Ζ | Zeta | |
Heth | Η | Eta | |
Teth | Θ | Theta | |
Jodh | Ι | Iota | |
Kaph | Κ | Kappa | |
Lamed | Λ | Lambda | |
Mem | Μ | My | |
Nun | Ν | Ny | |
Samech | Ξ | Xi | |
Ajin | Ο | Omikron | |
Pe | Π | Pi | |
Sade | San | ||
Qoph | Ϙ | Qoppa | |
Resch | Ρ | Rho | |
Schin | Σ | Sigma | |
Taw | Τ | Tau | |
Phönizische Buchstaben und ihre griechischen Entsprechungen |
Das griechische Alphabet stammt von dem phönizischen Alphabet ab. Die genauen Umstände sowie Ort und Zeit der Entstehung sind weitgehend unbekannt. Wahrscheinlich geschah die Übernahme im 9. Jahrhundert v. Chr., auch wenn manche Forscher einen früheren Zeitpunkt annehmen. Als Entstehungsorte werden Euböa, Kreta, Rhodos und Zypern vorgeschlagen. Die ersten überlieferten griechischen Inschriften, auf der Dipylon-Kanne von Athen und dem Nestorbecher von Pithekussai, stammen aus dem frühen 8. Jahrhundert v. Chr.
Das phönizische Alphabet war, wie auch die anderen semitischen Schriften, eine Konsonantenschrift. Im Griechischen spielten aber die Vokale eine weitaus größere Rolle als in den semitischen Sprachen, weshalb für sie auch eigene Buchstaben benötigt wurden. Zu diesem Zweck wurden phönizische Buchstaben, die im Griechischen nicht vorkommende Laute bezeichneten, zu Vokalzeichen umfunktioniert. Es ist unklar, ob es sich bei der Schaffung der Vokalzeichen um eine geplante Innovation oder eine bloße Fehlinterpretation des phönizischen Systems handelte. Aus dem Aleph für den Knacklaut [ʔ] wurde das Alpha für [a], aus dem He für [h] das Epsilon für [e], aus dem Jodh für [j] das Iota für [i] und aus dem Ajin für den speziellen semitischen Kehllaut [ʕ] das Omikron für [o]. Aus dem phönizischen Waw entwickelten sich im Griechischen zwei Buchstaben: das konsonantische Digamma für [w] und das vokalische Ypsilon für [u] (später [y]). Dadurch war das griechische Alphabet die erste Schrift, die sowohl Konsonanten als Vokale durch eigenständige Zeichen darstellte, und somit die erste Alphabetschrift im engeren Sinne. Es ist aber davon auszugehen, dass die Entwicklung der Vokalzeichen in einem einzigen Schritt vonstatten ging, da sie schon in den frühesten bekannten griechischen Inschriften vorhanden sind und keinerlei Schriftdenkmäler bekannt sind, in denen Griechisch in einer Konsonantenschrift geschrieben würde.
Ansonsten entsprachen sich die phönizischen und griechischen Buchstaben weitgehend. Einige Konsonantenzeichen wurden in ihrem Lautwert angepasst: Aus dem phönizischen Tet für das emphatische [tˁ] wurde das griechische Theta (Θ) für das aspirierte [tʰ], aus dem phönizischen Zajin für [z] wurde das Zeta (Z), das ursprünglich wahrscheinlich [dz] oder [zd] gesprochen wurde. Im Phönizischen gab es drei verschiedene s-Laute, Samech, Sade und Schin, im Griechischen jedoch nur einen. Daher wurde das Samech zum Xi (Ξ) für [ks] umfunktioniert; aus dem Zade entwickelte sich der griechische Buchtabe San (Ϻ), der aber schon früh zugunsten des aus dem Schin hervorgegangenen Sigma (Σ) aufgebeben wurde. Die phönizische Sprache unterschied zwischen dem Kaph für [k] und dem Qoph für [q]. Im Griechischen wurden daraus die Buchstaben Kappa (K) und Qoppa (Ϙ), die beide [k] gesprochen wurden. Weil sich zwei Buchstaben für den selben Laut als redundant erwiesen, wurde das Qoppa später abgeschafft. Das phönizische Heth, das einen im Griechischen nicht vorkommenden h-Laut bezeichnete, wurde zum griechischen H, das zunächst Heta genannt wurde und für [h] stand. Erst später wurde es zum Vokalzeichen für [ɛː].
Die Reihenfolge der Buchstaben hatten die Griechen von den Phöniziern übernommen. An das Ende des Alphabets wurden die neuentwickelten Zeichen Υ, Φ, Χ, Ψ und Ω angehängt. Das Ypsilon stammte ebenso wie das Digamma von dem phönizischen Waw ab, den Buchstaben Omega (Ω) für [ɔː] bildeten die Griechen aus dem Omikron neu. Genuin griechische Neubildungen ohne Entsprechung im Phönizischen sind Phi (Φ) für [pʰ], Chi (Χ) für [kʰ] und Psi (Ψ) für [ps].
Epichorische Alphabete
Ursprünglich war das griechische Alphabet ebenso wie das phönizische linksläufig, d. h. es wurde von rechts nach links geschrieben. Danach wurde furchenwendig, d. h. abwechselnd links- und rechtsläufig (Bustrophedon) geschrieben, erst später setzte sich die rechtsläufige Schreibrichtung durch. Bis ins 9. Jahrhundert n. Chr. gab es nur die heutigen Großbuchstaben, die ohne Wortzwischenräume oder Satzzeichen geschrieben wurden.
Zunächst war die griechische Schrift keineswegs einheitlich. Es bildeten sich lokale (sog. epichorische) Alphabete mit jeweils unterschiedlichen Zeichen. Sie werden nach der Einteilung des Gräzisten Adolf Kirchhoff in drei Hauptgruppen und nach den Farben benannt, die Kirchhoff in seinen Studien zur Geschichte des Griechischen Alphabets von 1887 zu ihrer Markierung verwendete. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal sind die sogenannten Supplement-Zeichen, also die zusätzlich zu der übernommenen phönizischen Schrift neu geschaffenen Zeichen Φ, Χ und Ψ. Bei den „grünen“ Alphabeten auf Kreta fehlen diese Supplement-Zeichen völlig. Die „roten Alphabete“, die z. B. auf Euböa und in Lakonien verwendet wurden, haben Φ und Ψ mit den Lautwerten [pʰ] und [kʰ]. Die „blauen“ Alphabete unterteilen sich in zwei Untergruppen. Die „hellblauen“ Varianten in Attika verwenden Φ und Χ für [pʰ] und [kʰ]. Die „dunkelblauen“ Alphabete etwa in Korinth und auf Rhodos haben zusätzlich dazu noch das Zeichen Ψ mit dem Lautwert [ps].
Standardisierung
Ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. begann sich die ionische Variante des griechischen Alphabets auch in anderen Städten durchzusetzen. In Athen wurde 403 v. Chr. unter dem Archonten Eukleides das milesische Alphabet amtlich eingeführt. Das milesische Alphabet besaß einige zusätzliche Buchstaben, gleichzeitig wurden nicht mehr benötigte Buchstaben wie das Digamma abgeschafft. Im alten attischen Alphabet gab es keine Unterscheidung zwischen langen und kurzen e- und o-Lauten, beide wurden mit Epsilon bzw. Omikron geschrieben. Für das lange [ɔː] war im milesischen Alphabet das Omega (Ω) entwickelt worden. Weil im ionischen Dialekt der h-Laut ausgefallen war, hatte man in Milet das Η zum Vokalzeichen für [ɛː] umfunktioniert. In Attika hatte man die Lautfolgen [ks] und [ps] zuvor mit ΧΣ und ΦΣ geschrieben, nun gab es dafür die Buchstaben Xi (Ξ) und Psi (Ψ). Durch die Vormachtstellung Athens wurde das milesische Alphabet zur Standardvariante der griechischen Schrift und verdrängte nach und nach die epichorischen Alphabete.
Spätere Entwicklung
Im 3. Jahrhundert v. Chr. entwickelte Aristophanes von Byzanz in Alexandrien die Tonzeichen zur Unterscheidung der Intonation. Diese ursprünglich als Lesehilfe gedachten Akzente benötigte man für poetische und Theatertexte, zumal der dezentralisierende Akzent einem zentralisierenden zu weichen begann. Die Minuskeln entwickelten sich erst in byzantinischer Zeit, wohl in Syrien im 9. Jahrhundert aus einer Vereinfachung der Alltagsschrift (Kursive). Noch im 12. Jahrhundert wanderte das nicht ausgesprochene Iota unter den vorangehenden Vokal (Iota subscriptum). Diese Schrift blieb auch für das Neugriechische zunächst verbindlich, obwohl viele Unterscheidungen phonetisch nicht mehr benötigt wurden. Erst 1982 vereinfachte man das Alphabet, in dem man den Spiritus abschaffte und statt der drei Akzente einen einzigen, reinen Betonungsakzent einführte.
Mittelalterliche Schriftformen
In der Spätantike entstehen in Griechenland ähnlich wie im Westen Europas neue Schriftformen, die für die neuen Schreibstoffe und -techniken besser geeignet sind. Daraus geht die mittelalterliche griechische Buchschrift hervor, zunächst die sog. Unziale, dann über Zwischenstufen die Minuskel. Während die Antike nur Großbuchstaben (Versalien) kannte, die für das Schreiben von Briefen und Büchern lediglich kursiver geschrieben wurden, entstehen mit der Minuskel erstmals jene Kleinbuchstaben (Gemeine), die noch heute in unseren griechischen Druckschriften fortleben. Die dabei übliche Zuordnung, Großbuchstaben am Beginn von Namen sowie ggf. von Sätzen zu verwenden, kommt jedoch erst in der frühen Neuzeit auf; im Mittelalter wurden Handschriften zunächst vollständig in der Unziale, später vollständig in Minuskel geschrieben, wobei die Großbuchstaben höchstens für Überschriften u. ä. Auszeichnungen gebraucht wurden.
Weitere Verwendung
Außer für das Griechische wurde das griechische Alphabet in der Antike auch für einige weitere antike Sprachen verwendet. Dazu gehörten in Kleinasien gesprochene Sprachen wie Phrygisch und Lydisch, die auf dem Balkan gesprochene thrakische Sprache sowie einige weitere ausgestorbene Sprachen wie Baktrisch in Zentralasien. Von allen diesen Sprachen sind jedoch nur spärliche Schriftquellen erhalten.
Heute findet das griechische Alphabet praktisch nur für die griechische Sprache Verwendung. Daneben werden nur vereinzelt einige in Griechenland gesprochene Minderheitensprachen wie Aromunisch oder Arvanitisch in griechischer Schrift aufgezeichnet. Außerdem schreiben die Karamanlı, eine christlich-orthodoxe Minderheit aus der Türkei, ihre türkische Mundart in griechischer Schrift. Bei allen diesen Minderheitensprachen ist allerdings die schriftliche Verwendung sehr selten.
Die mathematisch-naturwissenschaftliche Notation greift oft auf griechische Buchstaben zurück. So werden Winkel meist mit griechischen Kleinbuchstaben bezeichnet. Viele spezielle Funktionen sind nach griechischen Buchstaben benannt, ebenso wie mathematische und physikalische Konstanten. Das wohl bekannteste Beispiel ist die Kreiszahl π.
Weiterentwicklungen aus der griechischen Schrift
Das lateinische Alphabet geht über das von den Etruskern verwendete altitalische Alphabet auf eine westgriechische Variante zurück. Einige Unterschiede in Lautwert griechischer und lateinischer Zeichen erklären sich mit dem westgriechischen Ursprung; so stand X dort ebenso wie im Lateinischen für [ks] und nicht für [kʰ]. Andere Unterschiede sind der etruskischen Überlieferung geschuldet; z. B. verfügte die etruskische Sprache nicht über die Laute [g] und [w], weshalb den griechischen Buchstaben Γ und Ϝ die Lautwerte [k] bzw. [f] zugeordnet wurden. Die Römer übernahmen sie in Form der Buchstaben C und F. In späterer Zeit wurden die Buchstaben Y und Z direkt aus dem griechischen Alphabet übernommen, um griechische Lehnwörter wiedergeben zu können.
Das kyrillische Alphabet, das für zahlreiche slawische Sprachen Verwendung findet, wurde im 9. Jahrhundert auf Grundlage einer griechischem Unzialschrift entwickelt. Es ist nach Kyrill von Saloniki, dem Erfinder der glagolitischen Schrift benannt. Zusätzlich zu den im griechischen Alphabet vorhandenen Zeichen enthält das kyrillische Alphabet für Laute, die im Griechischen nicht vorkamen, Zeichen aus dem glagolitischen Alphabet. Die Aussprache des Griechischen hatte sich zu dieser Zeit bereits gewandelt, weshalb etwa die kyrillischen Buchstaben В und И ebenso wie Β und Η im Neugriechischen als [v] und [i] ausgesprochen werden. Ursprünglich wurden auch diejenigen griechischen Buchstaben übernommen, für die es im Kyrillischen keine Verwendung gab, wie Ѯ (Ksi) oder Ѡ (Omega). Viele dieser Zeichen wurden früh aufgegeben, der Buchstabe Ѳ (Fita), der auf das griechische Θ zurückging und [f] gesprochen wurde, aber beispielsweise erst nach der Oktoberrevolution.
Die Kopten in Ägypten verwenden für die mittlerweile ausgestorbene, nur noch als Sakralsprache verwendete koptische Sprache das koptische Alphabet. Dabei handelt es sich um eine Abwandlung des griechischen Alphabets, das mit Zeichen aus der altägyptischen demotischen Schrift erweitert wurde.
Die ausgestorbene gotische Sprache wurde mit dem gotischen Alphabet geschrieben. Dieses entwickelte im 4. Jahrhundert der Bischof Wulfila ebenfalls auf Grundlage des griechischen Alphabets. Daneben enthält die gotische Schrift Buchstaben, die aus dem lateinischen Alphabet oder der Runenschrift übernommen wurden.
Die armenische und georgische Schrift wurden beide im 5. Jahrhundert vom Heiligen Mesrop neu entwickelt. Dabei zeigt vor allem die Reihenfolge der Buchstaben griechischen Einfluss. Ähnlich verhält es sich mit dem glagolitischen Alphabet, das im 9. Jahrhundert von Kyrill von Saloniki erschaffen wurde.
Typografie für das Griechische Alphabet
Aufgrund der Produktion von Druckmaschinen und Bleisätzen im Ausland gab es lange Zeit keine eigene Entwicklung von Schriftarten (Fonts) für die griechische Schrift. Sie waren meist nur Adaptionen aus bekannten Lateinischen Schiften, (Ausnahmen waren etwa die griechischen Schriften von Bodoni). Mit dem Fotosatz und nochmehr mit der Digitalisierung war die Grundlage einer eigenen Typografie geschaffen. Es entstanden Schriftarten wie die „Sophia CF“ oder die „Demo CF“.
Heute werden in griechischen Zeitungen zumeist nur für das Griechische Alphabet entworfene Schriftarten verwendet.
Siehe auch
Literatur
- B. B. Powell: Homer and the Origin of the Greek Alphabet. Cambridge 1991. (engl.)
- Stanislav Segert: Altaramäische Schrift und die Anfänge des griechischen Alphabets. In: Klio 41 (1963), 38–57.
- Andreas Willi: Vorlage:Polytonisch. Zur Vermittlung der Alphabetschrift nach Griechenland. In: Museum Helveticum 62 (2005), 162–171.
- Florian Coulmas: The Blackwell Encyclopedia of Writing Systems. Blackwell Publishers, Oxford 1997. ISBN 0-631-21481-X (engl.)
- Bernard Comrie, Stephen Matthews und Maria Polinksy (Hrsg.): Bildatlas der Sprachen. Bechtermünz Verlag, Augsburg 1998. ISBN 3-8289-0707-5
Weblinks
- Verwendung in der Elektrotechnik und Physik
- Unicode Code Charts Greek and Coptic (PDF)
- Unicode Code Charts Greek Extended (PDF)
- Direkte Transliteration Lateinisch ↔ Griechisch
- Altgriechisch auf dem Computer
- Altgriechische Schrift in HTML-Dateien (Unicode)
- Aussprachehilfe zum neutestamentlichen Griechisch (Deutsche Schulaussprache, nicht Originalaussprache!)