Warenhaus Tietz (Aachen)
Das Warenhaus Tietz in Aachen war ein Geschäftshaus der „Leonhard Tietz AG“ und späteren „Westdeutschen Kaufhof AG“ am Standort Markt 45–47. Es wurde 1906 nach Plänen des Architekten Albert Schneiders weitestgehend im Jugendstil in Kombination mit historistischen Bauformen erbaut, aber bereits 1965 abgerissen, nachdem sich die Warenhauskette für ein neues moderneres Gebäude in der Adalbertstraße entschieden hatte, in dem weiterhin die heutige Galeria Karstadt Kaufhof eine Filiale betreibt.

Geschichte
Nachdem der aus der Provinz Posen stammende jüdische Kaufmann Leonhard Tietz im Jahr 1879 ein erstes großes Textilgeschäft in Stralsund eingerichtet hatte, startete er eine rasante Expansion seiner Geschäftsidee, indem er in mehreren Städten Deutschlands, vor allem im Rheinland, große Mehrsparten-Warenhäuser nach französischem Vorbild erbauen und/oder einrichten ließ. So entstanden im Rheinland Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts in Elberfeld das Kaufhaus Tietz Herzogstraße, in Köln das Warenhaus Hohe Straße, in Düsseldorf die Warenhäuser Tietz Schadowstraße und Tietz Heinrichsallee sowie am Rande des Aachener Marktes das Warenhaus Tietz Aachen.
Warenhaus Tietz I
Seine Ausbreitung in Aachen begann Tietz im Jahr 1892, als er zunächst in einem angemieteten noch recht kleinen Ladenlokal im Haus Großkölnstraße 30 eine erste Filiale einrichtete. Unter der Leitung seines Geschäftsführers Philipp Lewy (1866–1913) wurden dort von rund 25 Bediensteten vor allem Kurzwaren zu „Fabrikpreisen“ angeboten, was bei der örtlichen Konkurrenz für Entrüstung sorgte und ihm den Vorwurf des unlauteren Wettbewerbs einbrachte.
Warenhaus Tietz II
Die Verkaufsstrategie von Tietz konnte sich trotzdem durchsetzen und wenige Jahre später entschied er sich sogar, seine Angebotspalette zu erweitern. Dazu waren aber die Räumlichkeiten in der Großkölnstraße 30 zu klein, woraufhin er den dortigen Mietvertrag kündigte und sich stattdessen 1896 in dem Haus Großkölnstraße 1–3 einmietete. Dieses beherbergte einst ein gehobenes Stadthotel, in dem von 1771 bis 1780 der Abenteurer Friedrich von der Trenck seinen Wohnsitz eingerichtet hatte und das mittlerweile dem Geschäftsmann und Investor Peter Godefroid gehörte. Dieser betrieb dort seit 1889 im Untergeschoss den „Aachener Rathskeller“ mit einer Bühne für Musik- und Varieté-Veranstaltungen. Godefroid ließ als Bauherr das Erdgeschoss und die beiden Obergeschosse des Hallenbaus nach den Vorstellungen von Tietz großräumig umbauen. Dabei zeigte sich bereits die für derartige Warenhäuser typische Innenarchitektur mit einem galerieartigen Aufbau und einem Lichthof mit Glasdach als zentralem Element sowie mit einer für große Menschenmengen optimierten Wegeführung und einem Einsatz modernster Technik auf Basis elektrischer Energie. Auch die Angebotspalette entsprach schon in vielfacher Hinsicht der eines Mehrsparten-Warenhauses. Lewy als Geschäftsführer, mehrere Abteilungsleiter für jede Verkaufsgruppe sowie rund 150 Verkäuferinnen und fünf Kassen sorgten für einen reibungslosen Ablauf der zu Weihnachten 1896 eröffneten Tietz-Filiale.
Warenhaus Tietz III
Kaum fünf Jahre später erwiesen sich aufgrund eines nochmals erweiterten Angebots auch diese Geschäftsräume als zu klein und Tietz mietete daraufhin im Jahr 1901 ein neu erbautes Geschäftshaus in der Großkölnstraße 59–63, dessen Bau durch den Eigentümer Hermann Gottfeld veranlasst und von dem Bautechniker Karl Lanser im Jugendstil konzipiert worden war. Der dreiachsige und viergeschossige Neubau entsprach mit seinen großen teils geschossübergreifenden Fensterfassaden bereits dem Typus von Warenhäusern, der als „Schaufensterstil“ bezeichnet wurde. Die Hauptfassade zierte das historistische Element eines kleinen Giebelaufbaus mit Platz für eine Uhr, die jedoch nie eingebaut wurde. Im Inneren dominierte ein großer rechteckiger Lichthof mit seitlichen ovalen Treppenanlagen. Nach dem Umzug in diese neue Liegenschaft behielt Tietz aber seine Filiale in der Großkölnstraße 1–3 vorerst noch bei und rüstete sie lediglich in ein modernes Möbelhaus um. Mittlerweile arbeiteten rund 250 Bedienstete in den beiden Tietz-Warenhäusern unter der Leitung von Philipp Lewy.
Nach dem wenige Jahre später stattgefundenen Auszug des Tietz-Warenhauses aus der Filiale in der Großkölnstraße 1–3 zog das „Modehaus GeKa“ der Gebrüder Kaufmann in diese Geschäftsräume ein. Schließlich übernahm 1927 aber die „Leonhard Tietz AG“ sowohl die dortige Immobilie als auch die „GeKa“ selbst, vermietete die Räume jedoch an die vom Tietz-Konzern 1925 gegründete Tochterfirma „Ehape AG“, aus der 1937 die Kaufhalle AG wurde, und verlegte die „GeKa“ in das ebenfalls von der Tietz-AG im gleichen Jahr erworbene Geschäftshaus in der Adalbertstraße 20–30. Damit behielt Tietz auch weitgehend die Kontrolle über mögliche Konkurrenten. Das ehemalige Modehaus in der Großkölnstraße 59–63 wurde mittlerweile abgerissen und an dessen Stelle seit 2020 das B & B Hotel Aachen-City steht.
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Plan der Warenhäuser Tietz I–III
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Tietz I, Großkölnstraße 30, Kurzwarengeschäft
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Tietz II, Großkölnstraße 1, mit Rathskeller im Untergeschoss
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Tietz III, Großkölnstraße 59–63, nach Übernahme durch die GeKa
Warenhaus Tietz IV
Weil Godefroid von der Geschäftsidee von Leonhard Tietz überzeugt war, kaufte er Anfang des 20. Jahrhunderts in Nachbarschaft zu seinem Haus Großkölnstraße 1 weitere zusammenhängende bebaute Grundstücke im Bereich des Marktes, darunter die Häuser Markt 45 und Markt 47. Sein Plan dabei war, diese kurzfristig in ihrer Gesamtheit niederreißen zu lassen und an ihrer Stelle ein neues zentrales Tietz-Warenhaus bauen zu lassen. Einzig das Haus Brüssel aus dem 18. Jahrhundert mit drei angrenzenden Bauten in der Pontstraße blieb von dem Kaufansinnen Godefroids verschont und existiert noch heute. Besonders der Abriss der beiden Häuser Markt 45 und 47 in einer Zeit, in der es noch keinen Denkmalschutz gab, brachte einen Verlust an historisch bedeutenden Gebäuden für die Stadt. Bei dem Haus Markt 45 handelte es sich um das so genannte „Haus zum Schwarzen Adler“, das nach dem Stadtbrand von Aachen im Barockstil, erbaut worden war. Es war das Zunfthaus der „Gesellschaft zum Schwarzen Adler“ und während der Aachener Mäkelei Sitz der „Neuen Partei“. Als angesehenstes Gasthaus am Markt diente es ferner im Jahr 1818 als Tagungsraum beim Aachener Kongress. Darüber hinaus beherbergte es eine bedeutende Gemäldegalerie der Familie Bettendorf, die über mehrere Generationen Besitzer des Hauses war. Das Nachbarhaus Nummer 47 war der sogenannte „Goldene Helm“ und das Stammhaus der Familie Jakob Couven, dem Großvater von Johann Joseph Couven, die es seit dem 17. Jahrhundert bewohnte.[1]
Im Jahr 1904 beauftragte Godefroid den Aachener Architekten Albert Schneiders mit der Gesamtplanung, an der in beratender Weise auch der Architekturprofessor Georg Frentzen, der Stadtbaurat Joseph Laurent und als Zeichner für die ornamentreiche Fassade der junge Assistent Schneiders' Mies van der Rohe beteiligt waren.[2]
Im Januar des Jahres 1905 erhielt Godefroid die Genehmigung, die für den Neubau notwendigen Abrissarbeiten der Bestandimmobilien Markt 45 und 47 sowie Großkölnstraße 1 vornehmen zu lassen und mit dem Neubau zu beginnen. Einige Monate später erfolgte im Juni die nachträgliche Genehmigung zur Gestaltung der straßenseitigen Fassade, bei der es zwischen den Beteiligten noch Unstimmigkeiten darüber gegeben hatte, wie diese harmonisch mit dem Stil des schräg gegenüberliegendem Aachener Rathauses in Einklang gebracht werden könne.
Die Bauausführung oblag dem Berliner Bauunternehmen Boswau & Knauer, das den gesamten Gebäudekomplex inklusive der Neben- und Achtergebäude mit einer Verkaufsfläche von rund 7000 m² zusammen mit dem örtlichen Bauunternehmer Nikolaus Rueben innerhalb von zwei Jahren fertig stellte. Am 26. November 1906 konnte Leonhard Tietz feierlich die Eröffnung dieser Filiale mit rund 400 Bediensteten vollziehen, als deren Geschäftsführer bis zu seinem Tod im Jahr 1913 weiterhin Philipp Lewy tätig blieb. Der Gesamtkonzern selbst war ein Jahr zuvor von Tietz zur „Leonhard Tietz AG“ umgewandelt worden.
Über 20 Jahre war der Tietz-Konzern Pächter des Hauses am Markt gewesen und erst nachdem Peter Godefroids Sohn Jean den Immobilienkomplex nach dem Tod seines Vaters übernommen und diesen vorübergehend an die „Grundstücks-Verwertungs-Gesellschaft West mbH“ übertragen hatte, erwarb die „Leonhard Tietz AG“, die inzwischen nach dem Tod von Leonhard Tietz im Jahr 1914 von dessen Sohn Alfred Leonhard Tietz geleitet wurde, den Besitz und baute ihn in den folgenden Jahren durch Zukauf von angrenzenden Immobilien weiter aus. Es wurden ferner eine neue und größere Lebensmittelhalle mit Zugang von der Mostardstraße aus genehmigt und eine eingeschossige Aufstockung der Fassadenseite zur Pontstraße. Für diese An-, Um- und Ausbauten sowie für Neuerungen im Bereich der Innenarchitektur und Gestaltung wurde bereits seit 1906 auf den Architekten Georg Falck zurückgegriffen, der als „Hausarchitekt“ für alle Bestandimmobilien des Gesamtkonzerns zuständig war. Falck arbeitete in Aachen mit Arnold Königs zusammen, der die Interessen der lokalen Belange vertrat.
Nach der Machtergreifung durch Adolf Hitler wurde die „Leonhard Tietz AG“ als eine der ersten jüdischen Gesellschaften enteignet und arisiert und am 11. Juli 1933 in „Westdeutsche Kaufhof AG“ umbenannt. Die Familie Tietz floh über Amsterdam nach Palästina ebenso wie auch ihr Konzernarchitekt Falck, der das Land verließ, wobei Königs für den Gebäudekomplex der Aachener Filiale jedoch weiterhin zuständig blieb.
In den nun folgenden Jahren des Zweiten Weltkriegs blieb das Haus am Markt von größeren Schäden durch Luftangriffe und bei der Schlacht um Aachen verschont und konnte 1943 sogar einen Großteil des Gebäudekomplexes des „Modehauses GeKa“, dessen Gebäude in der Adalbertstraße 20–30 beschlagnahmt worden war, im Kaufhofgebäude unterbringen und den Betrieb, wenn auch eingeschränkt, fortführen. Nach dem Krieg wurden die Schäden am Hauptgebäude am Markt schrittweise beseitigt und bereits am 21. November 1947 die Wiedereröffnung gefeiert. In den nächsten Jahren fanden weitere Sanierungsarbeiten statt und das Haus am Markt konnte 1952 das Jubiläum „60 Jahre Kaufhof am Markt“ und zwei Jahre später „75 Jahre Kaufhof“ feiern.
Dennoch wuchs im Gesamtkonzern der Wunsch, einen repräsentativen zeitgemäßen Neubau für die Aachener Filiale zu errichten. Die Entscheidung fiel auf das Modehaus der Gebrüder Kaufmann in der Adalbertstraße 20–30, das erst 1913/1914 von Emil Felix als Kaufhaus „Hammonia“ erbaut worden war und seit 1927 ebenfalls zum Immobilienbestand der Tietz AG gehörte und nun durch einen Neubau ersetzt werden sollte. Dieser wurde durch den aktuellen „Hausarchitekten“ des Konzerns Hermann Wunderlich im Stil der Corporate Architecture mit 7000 m² Verkaufsfläche konzipiert und konnte 1955 bezogen werden.
Die Verhandlungen über die weitere Verwendung des Warenhauses am Markt gestalteten sich zwischen dem Kaufhofkonzern als Besitzer, der auch hier einen Neubau mit Mischnutzung bevorzugte, und dem Stadtrat, der sich für einen möglichen Erhalt der historischen Bausubstanz einsetzte sowie den Anrainern des Areals, die sich um ihren Bestand sorgten, dagegen als schwierig. Es dauerte bis 1965, als abschließend entschieden wurde, dass die Kaufhof AG ihren Besitz am Markt der Allgemeinen Ortskrankenkasse und der Vorsorge-Lebensversicherungs-AG der Victoria übertragen solle. Es wurde ferner gemeinsam mit diesen beiden Institutionen beschlossen, mit föderativen Mitteln der Stadt Aachen den Gebäudebestand abzureißen und an seiner Stelle einen vierflügeligen Bürokomplex mit einem großzügigen Innenhof nach Plänen des Architekten Max R. Wenner zu erbauen, womit das alte Tietz-Gebäudes nunmehr Geschichte wurde. Der Innenhof des Bürogebäudes bekam die Bezeichnung „Karlshof“ zugewiesen und wurde mit dem heute dort stehenden Karlshofbrunnen geschmückt.
Sowohl beim Neubau des Warenhauses Tietz als auch bei seinem Abriss konnten wertvolle archäologische Funde sichergestellt werden. Während 1906 sowohl zahlreiche Krüge und Trinkgefäße aus der römischen Zeit als auch Teile eines Mosaikfußbodens und schließlich noch eine mächtige Eichenpfahlbewehrung entdeckt wurden, stießen die Bauarbeiter 1965 auf einen Abschnitt der spätrömischen Kastell-Anlage.
Baucharakteristik
Der Neubau des Warenhauses Tietz am Markt verteilte sich mit seinen später erfolgten Anbauten auf dem Areal zwischen Markt, Großkölnstraße, Pontstraße und Mostardstraße sowie einer damaligen unbenannten Stichstraße zwischen Pontstraße 18 und Mostardstraße 15 am rückseitigen Verlauf des Grundstückes. Der Hauptbau verlief von seiner Eingangsfassade am Markt langgestreckt in zwei Hauptachsen bis zu jener Stichstraße. Die Eingangsfassade zeigte sich symmetrisch und gliederte sich neben dem breiten Mittelrisalit in zwei dreiachsige Seitenabschnitte, die ab dem dritten Obergeschoss oberhalb eines kräftigen rundum verlaufendem Gurtgesims in einem abgestuften hohen über drei Kleingeschosse gehenden Spitzgiebel überleiteten. Seitlich wurde der Bau von abgerundeten leicht erkerartig hervortretenden Eckpfeilern betont, die in einem kleinen Turmaufbau mündeten und im Innern als schmale Treppenhäuser dienten. Das Gebäude war je nach Achse mit hohen längs- und quer verlaufenden Mansarddächern abgedeckt, über deren Traufen axial noch gotische Erkerchen, Fialen und Ädikulen mit Figuren angeordnet waren.
Während im Erdgeschoss durchgehende Schaufenster eingebaut wurden, befanden sich in den oberen Etagen je Achse schmale rechteckige Drillingsfenster, die sich ab dem vierten Geschoss im Giebelaufbau entsprechend reduzierten und in den beiden oberen Giebeletagen als Rundbogenfenster eingelassen waren.
Im Mittelrisalit zeigte sich ein über zwei Geschosse verlaufendes und zwischen kräftigen breiten Wandpfeilern eingearbeitetes rundbogiges Eingangsportal. Oberhalb davon befand sich auf Höhe des zweiten Obergeschosses ein repräsentatives Zimmer mit fünf schmalen Rechteckfenstern und mit einem leicht hervortretenden Mittelerker. Der Mittelrisalit ging dann oberhalb des Gesimses in einen kleinen Volutengiebel mit drei kleinen Fenstern über, über denen der Name Tietz angebracht war.
Aus dem dahinter liegenden Dachaufbau erhob sich bis 1939 der imposante hohe achteckige Fassadenturm in der Mittelachse mit abgestuftem Spitzdach und kleineren Zinnen, vor dem sich an der Seite zur Straßenfront noch zwei kleinere zwiebelturmartige Aufbauten befanden.
Für Unstimmigkeiten bei der Gestaltung der Fassade sorgten unterschiedliche Ansätze der beteiligten Planer. Während Schneiders anfangs auf eine reine Jugendstilfassade gemäß dem Vorbild des Warenhauses von Hermann Tietz in der Berliner Leipziger Straße setzte, schlug der involvierte Hochschullehrer Frentzen neugotische Bauformen adäquat zu seiner opulenten Neugestaltung der 1883 abgebrannten Rathaustürme auf der anderen Marktseite vor. Schneiders neuer Gegenentwurf hierzu sah jedoch eine Rückführung von Frentzen Historismus auf seine Jugendstilvorstellungen vor, bei dem er bei der Fassade auf ein geometrisches Spiel aus Pfeilern und sprossierten Fenstern zurückgriff, sich jedoch beim Mittelrisalit und dem Turm auf Frentzen Plänen bezog. Darüber hinaus wurden seitens der Baupolizei Auflagen erlassen, dass aus Sicherheitsgründen die Frontmauern an den Schaufenstern in den Etagen mindestens 1 m hoch und feuerfest geschlossen bleiben und die Stürze der Schaufensteröffnungen 30 cm unter den Deckenabschluss herabreichen müssen. Schneiders erreichte mit seinem zur Bauausführung genehmigten Entwurf die Kombination historistischer Bauformen mit freieren eigenen Ornamenten sowie ein ausgewogenes Maß von horizontalen und vertikalen Elementen sowie von glatten und ornamentierten Oberflächen.
Als weiteres Streitobjekt hatte sich von Anfang an auch der massive Turmaufbau entwickelt und Stadtbaurat Laurent hielt ihn gar für überflüssig. Dennoch wurde er genehmigt und gebaut, aber anlässlich größerer Modernisierungsarbeiten im Jahr 1929 unter der neuen Fachleitung von Georg Falck und Arnold Königs wieder in Frage gestellt. Jedoch erst 1939 folgte der endgültige Beschluss durch den amtierenden Oberbürgermeister Quirin Jansen, der besagte, dass der Turm als prominentes Zeichen des vormaligen jüdischen Warenhauskonzerns Tietz unter der verantwortlichen Leitung von Königs entfernt und die Dachpassage entsprechend dem Gesamtbild angepasst werden muss.
Innengestaltung
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linker Lichthof um 1910
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Mittlerer Lichthof mit Treppenhaus
Der Innenraum des Warenhauses war bestimmt durch zwei seitliche über die gesamte Tiefe des Gebäudes gehende Lichthöfe und einem zentralen Lichthof hinter der Haupttreppe im Bereich der Mittelachse. Die beiden äußeren Lichthöfe besaßen ein korbbogiges Tonnendach, das oberhalb der vierten Geschossebene ansetzte. Im Jahr 1928 erhielten diese Dächer eine zusätzliche hängende, flache Glasdecke aus Ornamentglas, wodurch der Lichteinfall nunmehr diffuser ausfiel.
Die Lichthöfe bildeten die Zugänge zu den seitlich anschließenden Verkaufsabteilungen, die in den Obergeschossen durch einen umlaufenden und offenen Zugangsweg erreicht wurden, dessen Öffnungen von geschmückten durchgehenden Wandpfeilern gestützt und im zweiten Obergeschoss zusätzlich von Arkaden getragen wurde.
Die Mittelachse war geprägt durch ein großräumiges Foyer direkt hinter dem hohen Haupteingang, dem sich das imposante Treppenhaus mit der doppelten dreiläufigen Haupttreppe anschloss und hinter dieser der helle kürzere Lichthof mit abgerundeter Rückseite lag. Er war mit einem doppelten Glasdach bedeckt und besaß eine flache gläserne abgehängte Decke. Von dort hingen prunkvolle Leuchter von der Decke, die im Stil von Moscheeampeln dem Lichthof mit seiner Teppichausstellung einen Bazar-Charakter verliehen. Die Geländer an den Etagenumläufen und im Treppenhaus waren in schmiedeeiserner Ausführung mit geometrischen Formen gestaltet und an Wänden und Brüstungen waren Marmorverkleidungen angebracht. Eine Besonderheit der Zeit waren die offen-käfigartigen neuen Metall-Aufzüge, die mittig der rechten und linken Treppenumläufe eingebaut worden waren.
Je nach Warenangebot waren einzelne Verkaufsräume mit Teppichen, Stuckdecken, Leuchtern und Spiegelwänden aufwändig gestaltet, die Böden mit Parkett im Fischgrätmuster oder mit Natursteinen sowie Vitrinen und Theken aus dunklem Holz ausgestattet worden.
Dagegen waren die einzelnen Erfrischungsräume, Warenhaus-Restaurants und Cafés eher schlicht gehalten und dienten in den 1930er-Jahren teilweise als Ort der Winterspeisungen für Wohlfahrtsempfänger.
Literatur
- Daniel Lohmann, Thomas Müller, René Rohrkamp, Maike Scholz (Hrsg.): Das Warenhaus Tietz in Aachen – Ein Bauwerk im Spannungsfeld von Zeitgeschichte und Architektur 1892–1965; Aus den Quellen des Stadtarchivs Aachen, Band 5, Aachen 2021, ISBN 978-3-00-069326-7 (PDF)
Weblinks
- Kaufhaus Tietz am Marktplatz, Kurzporträt auf stadtgeschichte.de vom 4. Februar 2012
- Firmenjubiläen wecken Erinnerungen an das alte Aachen, online-Beitrag des Aachener Geschichtsvereins
Einzelnachweise
- ↑ Der „Schwarze Adler“ und der „Gülden Helm“, in: Eberhard Quadflieg: Spaziergänge durch Alt-Aachen – Straßen, Häuser und Familien, Sonderdruck der Aufsatzfolge aus dem Aachener Anzeiger/Politisches Tageblatt, Aachen 1941, S. 36–41 (PDF)
- ↑ Warenhaus Leonhard Tietz, in: Daniel Lohmann und Norbert Hanenberg (Hrsg.): Mies van der Rohe im Westen, Architekturführer, Druckstudio GmbH Köln/Gießen 2019
Koordinaten: 50° 46′ 36,7″ N, 6° 5′ 2,6″ O