Industrie- und Handelskammer
Die Deutsche Wirtschaft organisiert sich in den 81 regionalen Industrie- und Handelskammern (IHK) und deren Dachorganisation Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK).
Interessen und Aufgaben
Die Industrie- und Handelskammern vertreten als eigenverantwortliche öffentlich-rechtliche Körperschaften das Interesse ihrer zugehörigen Unternehmen gegenüber Kommunen, Landesregierungen und regionalen staatlichen Stellen. Dabei erfüllen sie folgende Aufgaben für ihre jeweilige Region:
- Lobby der regionalen Wirtschaft
- Sicherung des fairen Wettbewerbs
- Überwachung und Förderung der beruflichen Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz
- Service für die Mitgliedsunternehmen.
Im Unterschied zu anderen Organisationen der Wirtschaft repräsentiert die IHK-Organisation das wirtschaftliche Gesamtinteresse. Die Industrie- und Handelskammern haben eine demokratische Struktur und werden von der Wirtschaft betrieben, wobei die Unternehmen einer gesetzlichen Mitgliedschaft unterliegen. 3,6 Millionen gewerbliche Unternehmen sind Mitglieder der IHKs. Das macht die IHK-Organisation unabhängig von Einzelinteressen und schafft ein besonderes Gewicht gegenüber politischen Instanzen. Die Industrie- und Handelskammern erfüllen in ihren Kammerbezirken unter anderem folgende Aufgaben:
- Standortpolitik (Einflussnahme auf Planungsprozesse wie etwa Bebauungs- und Flächennutzungspläne, Stellungnahmen zu großflächigen Einzelhandelsansiedlungen, Konjunkturberichterstattung, Stadtmarketing)
- Starthilfe und Unternehmensförderung (Existenzgründungsberatung, Nachfolgeberatung, Durchführung von Gründertagen, Pflege von Existenzgründer- und Firmendatenbanken)
- Aus- und Weiterbildung (Aus- und Weiterbildungsberatung, Durchführung von Weiterbildungen und Prüfungen, Entwicklung von Aus- und Weiterbildungskonzepten)
- Innovation und Umwelt (Innovations- und Fördermittelberatung, Pflege von Technologie- und Recycling-Börsen und Datenbanken)
- International (Ausstellung von Ursprungszeugnissen und Carnets, Durchführung von Ländertagen, Außenwirtschaftstrainings, Delegationsreisen sowie Messebeteiligungen im Ausland, Geschäftspartnervermittlung)
- Recht und Fair Play (Rechtsauskünfte, Verfolgung von Wettbewerbsverstößen, Bestellung von Sachverständigen, Führen einer Schuldnerliste)
Dabei obliegt es den IHKs in vielfältiger Weise, für die Wahrnehmung bestimmter Standards zu sorgen, Aufgaben in Ausbildung, Beratung und Wirtschaftsförderung wahrzunehmen, bestimmte Aufsichts- wie Förderungsaufgaben zu übernehmen, für ein geordnetes System der Kooperation von Staat und Wirtschaft zu sorgen, den Staat und seine Verwaltungen damit auch zu entlasten und für eine insgesamt funktionstüchtige sowie sozialgerechte marktwirtschaftliche Gesamtstruktur Verantwortung zu übernehmen.
Die IHKs sind unternehmensorientiert, d.h. eine Serviceeinrichtung. Sie kümmern sich beispielsweise um Existenzgründungsberatung, Unternehmensförderung, installieren Netzwerke, organisieren die berufliche Weiterbildung und unterhalten ein Informations- und Beratungszentrum.
Die IHKs sind staatsorientiert und insofern ein Hilfsorgan der Regierung. Sie beraten die Regierung, beteiligen sich an der Gewerbeüberwachung, übernehmen die berufliche Ausbildung und Prüfungsabnahme und liefern Gewerbedaten.
Die IHKs sind regionalwirtschaftlich orientiert, sie sind das Rathaus der Wirtschaft. Die ausgleichende Interessenvertretung, die Wirtschaftsförderung, die Standortpolitik und die Einwirkung auf die Infrastruktur sind ihre Aufgaben.
Industrie- und Handelskammern sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Sie üben staats-hoheitliche Verwaltungsaufgaben aus, deren Art und Kontrolle durch das Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) geregelt ist.
Die Industrie- und Handelskammern in Bremen und Hamburg nennen sich traditionell schlicht Handelskammer.
Doppelmitgliedschaft
Einige Betriebe sind sowohl Mitglied der IHK als auch der Handwerkskammer, sogenannte Mischbetriebe. Dies ist meist dadurch verursacht, dass die Handwerksbetriebe (Teil A und teilweise B des Anhangs zur HwO) ein Handelsgeschäft haben. Die Beitragspflicht zur IHK ist bei Mischbetrieben an eine Umsatzuntergrenze gebunden. Handwerksähnliche Mischbetriebe (in Teil B des Anhangs zur HwO) gehören prinzipiell nur der IHK an, überwiegt der handwerksähnliche Betriebsteil, liegt eine Doppelmitgliedschaft vor.
Seltener findet man auch Doppelmitgliedschaften bei Landwirten oder anderen Kammerberufen, die Handelsgeschäfte betreiben.
Ähnliche Organisationen im Ausland
Die Aufgaben der Industrie- und Handelskammern nimmt in Österreich die Wirtschaftskammer Österreich wahr. Auch dort gibt es eine Pflichtmitgliedschaft.
Mitgliedsart und Aufgabenbereiche in anderen Ländern finden sich unter anderem in der Drucksache 13/1664 des Landtags von Baden-Württemberg.
Geschichte der Handelskammer
siehe Handelskammer
Siehe auch
Kritik
Pflichtmitgliedschaft
Viele Empfinden es als Ungerecht, zwangsweise Mitglied in einer Organisation zu sein, deren Aufgabenbereich nicht als zwangsweise Notwendigkeit erscheint und zudem durch das Gesetz so ungenau definiert ist.
Positiv interpretiert bedeutet "Pflichtmitgliedschaft" nichts anderes als "Selbstverwaltung der Wirtschaft": Vielfältige Aufgaben nehmen die IHKs anstelle des Staates wahr. Sie stellen Ursprungszeugnisse und Carnets aus, nehmen Prüfungen bei der Berufsbildung ab, vereidigen Sachverständige, führen gutachterliche Tätigkeiten für die staatlichen Verwaltungen und für die Gerichte durch, wirken bei der Bestellung von Handelsrichtern mit, registrieren Öko-Standards und erfüllen gesetzlich festgelegte Informationspflichten.
Viele dieser Aufgaben hat der Staat den IHKs übertragen. Würde der Staat diese Aufgaben selbst wahrnehmen, so bekämen die Unternehmen dies nicht nur durch höhere Steuern und Abgaben zu spüren, sie müssten zudem auf Mitsprache- und Beteiligungsmöglichkeiten in diesen Angelegenheiten verzichten.
Auch die politische Funktion der IHKs als Interessenvertretung lebt von einer breiten Basis: Nur wenn alle Unternehmen Mitglied sind, können die IHKs das Interesse aller Gewerbetreibenden vertreten. Wenn die IHKs hingegen auf die Anwerbung von Mitgliedern angewiesen wären, könnten leicht die finanzstarken Unternehmen das Sagen bekommen und die Objektivität der IHKs gefährden.
Beiträge
Die IHK Beiträge werden von Unternehmen, die Ihre Ausgaben kritisch prüfen, oft als sehr hoch empfunden - Zumal viele IHKs garnicht oder vollkommen unzureichend über die Verwendung berichten.
Über die Höhe der Mitgliedsbeiträge entscheiden die Vollversammlungen der einzelnen IHKs.
Das System ist überall das gleiche: Der Mitgliedsbeitrag setzt sich zusammen aus Grundbetrag und Umlage. Den nach Leistungsstärke der Unternehmen gestaffelten Grundbetrag muss – mit Ausnahme der befreiten Bagatellfälle und der befreiten Existenzgründer – jeder zahlen. Die Umlage orientiert sich dagegen an den Erträgen der Firmen.
Die 81 IHK-Bezirke Deutschlands unterscheiden sich in ihrer Wirtschaftskraft. Die gesetzlichen Aufgaben müssen aber überall gleich erfüllt werden. Das führt zu regionalen Unterschieden bei den Beiträgen. Der niedrigste Grundbeitrag für Kleingewerbetreibende liegt derzeit zwischen 30 und 75 Euro pro Jahr. Für in das Handelsregister eingetragene Unternehmen beginnt der Grundbeitrag je nach Region zwischen 150 und 300 Euro pro Jahr.
Von der Beitragspflicht freigestellt sind "Bagatellgewerbetreibende", die nicht im Handelsregister oder Genossenschaftsregister eingetragen sind und deren Jahresertrag bestimmte Grenzen – im Regelfall 5.200 Euro - nicht überschreitet.
Darüber hinaus sind seit dem 1. Januar 2004 natürliche Personen, die im Jahr 2004 oder später erstmalig selbstständig tätig werden, in den ersten zwei Jahren ihrer Geschäftstätigkeit vom Grundbeitrag und in den ersten vier Jahren von der Umlage befreit, wenn sie nicht im Handelsregister eingetragen sind und ihr Jahresertrag bestimmte Grenzen – im Regelfall 25.000 Euro - nicht überschreitet.
Autokratische Organisation
Bei einigen IHKs sind demokratische Strukturen nur im Inneren vorhanden. Eine Basisdemokratie mit Wahlrecht der Mitglieder gibt es nicht.
Weblinks
- Offizielle Website der IHK
- IHK Frankfurt am Main: Abgrenzung zum Handwerk
- Ungefähre Höhe des Kammerbeitrags am Beispiel IHK Pfalz (xls)
- Drucksache 13/1664 des Landtags BW (pdf)
- IHK Nordschwarzwald - aktuelle Informationen zum Steuerrecht
- IHK-Verbund, Partner für Unternehmensentwicklung
- IHK-Verweigerer e.V.