Quantor

prädikatenlogischer Operator
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Ein Quantor ist ein logischer Operator der Prädikatenlogik. Neben den Junktoren sind die Quantoren Grundzeichen der Logik.

Allen Quantoren gemeinsam ist, dass sie Variablen binden.

Die beiden gebräuchlichsten Quantoren sind der Existenzquantor (auch „Existenzialquantifikator“, „Partikularisator“, „Einsquantor“ oder „Manchquantor“) und der Allquantor (auch „Universalquantor“ oder „Universalquantifikator“)

All- und Existenzquantor

Schreib- und Sprechweise

Der Existenzquantor wird durch ein umgekehrtes „E“ oder durch ein großes „V“ dargestellt, manchmal (vor allem in maschingeschriebenen Texten) als geklammertes gewöhnliches „E“. Der Allquantor wird durch ein umgekehrtes „A“, durch ein umgekehrtes „V“ oder einfach durch eine in Klammern gesetzte Variable dargestellt.

Schreibweise Sprechweise
 ,  ,   Für (mindestens) ein x gilt,

für manche/einige x gilt, es gibt ein x, für das gilt

 ,  ,   Für alle x gilt:

Wahrheitsbedingungen

Die Aussage   ist wahr, wenn es mindestens ein x gibt, das die Eigenschaft F hat. Die Aussage ist also auch dann wahr, wenn alle x F sind. Die Aussage   ist wahr, wenn alle x F sind, sonst falsch.

Es erscheint nahe liegend, den Existenzquantor als Verkettung von Disjunktionen („oder“) und den Allquantor als Verkettung von Konjunktionen („und“) aufzufassen. Gehen wir davon aus, dass x als Wert eine natürliche Zahl annehmen kann, so ist man versucht zu schreiben:

 
 

Der entscheidende Unterschied ist aber, dass die Variable des Quantors bei unendlich großem Individuenbereich potentiell unendlich viele Werte annehmen kann, während eine Konjunktion oder Disjunktion niemals unendlich lang werden kann. Daher muss man sich bei obigem Beispiel auch am Ende der Konjunktion bzw. Disjunktion mit Punkten (für „usw.“) behelfen.

Formalisieren

Beim Formalisieren sprachlicher Äußerungen verbindet sich der Existenzquantor auf natürliche Weise mit dem „und“ (Konjunktion) und der Allquantor mit dem „wenn–dann“ (materiale Implikation)

Wollen wir den Satz formalisieren:

Ein Mann raucht.

so ist dieser zunächst aufzufassen als:

Es gibt ein x, das Mann ist und raucht.

(man beachte das „und“) und dann folgendermaßen zu formalisieren:

 ,

wobei M(x) für „x ist Mann“ und R(x) für „x raucht“ steht.

Formalisieren wir dagegen:

Alle Männer rauchen.

so formen wir dies zunächst um in:

Für alle x gilt: Wenn x ein Mann ist, dann raucht x

(wo wir das „wenn–dann“ verwenden) und formalisieren dann:

 

Mit dem Existenzquantor kann auch der Ausdruck „kein“ formalisiert werden.

Kein Mann raucht.

wäre zunächst zu umschreiben als:

Es stimmt nicht, dass es ein x gibt, das Mann ist und raucht.

worauf man es wie folgt formalisieren kann:

 

„Kein“ kann auch mit einem Allquantor formalisiert werden, dazu ist „Kein Mann raucht“ aufzufassen als: „Für alle x gilt: wenn x ein Mann ist, raucht x nicht“.

Bei der Formalisierung einer Allaussage ist zu beachten, dass gemäß den Bedeutungsfestlegungen von Allquantor und Implikation eine Aussage „Für alle x: Wenn A(x), dann B(x)“ bereits wahr ist, wenn es keine A gibt. Demnach ist also beispielsweise die Aussage:

Alle eckigen Kreise sind golden.

wahr, weil es keine eckigen Kreise gibt.

Dies führt dazu, dass manche Schlussfolgerungen der aristotelischen Syllogistik nicht gültig sind, wenn man deren Allaussagen mit den modernen Quantoren identifiziert.

Als Beispiel sei der so genannte Modus Barbari aufgeführt:

Alle Münchner sind Bayern, (Formalschreibweise mit Quantoren:  )
alle Schwabinger sind Münchner, (formal:  ) es folgt:
einige Schwabinger sind Bayern. (formal:  )

Nach moderner Auffassung wären die Prämissen beide wahr, wenn es überhaupt keine Schwabinger und Münchner gäbe. Dann wäre aber die Konklusion falsch (da es keine Schwabinger gäbe, könnten dann auch keine Schwabinger Münchner sein). Die Prämissen könnten also wahr sein und die Konklusion dennoch falsch, d. h. es handelte sich nicht um einen gültigen Schluss. Aristoteles hat wohl bei einer Aussage „Alle A sind B“ immer die Existenz von As vorausgesetzt, sodass die einfache Übersetzung   seinen Absichten nicht gerecht wird. Welches die adäquate Interpretation und Übersetzung der syllogistischen Allaussagen ist, ist bis heute Gegenstand der Forschung; Informationen und Literaturhinweise gibt der Artikel Syllogismus.

Auch bei der einfachen Übersetzung als allquantifizierte Implikation gültig ist jedoch beispielsweise der so genannte Modus Barbara, nach dem aus den obigen Prämissen folgt:

Alle Schwabinger sind Bayern (formal:  ).

Diese Aussage folgt, weil sie nach moderner Auffassung auch dann wahr wäre, wenn es gar keine Schwabinger gäbe.

Einige quantorenlogische Folgerungen

  • Aus   folgt   und umgekehrt.
Sprechweise: Wenn es ein x gibt, das F ist, so sind nicht alle x nicht F und umgekehrt
Beispiel: Wenn es etwas Grünes gibt, so sind nicht alle Dinge nicht grün, umgekehrt: sind nicht alle Dinge nicht grün, muss es etwas Grünes geben.
Kommentar: Aufgrund dieser Äquivalenz lässt sich der Existenzquantor durch den Allquantor definieren. Die Äquivalenz gilt jedoch nur in der klassischen, nicht in der intuitionistischen Logik, so dass also auch nur dort diese Ersetzungsmöglichkeit besteht.
  • Aus   folgt   und umgekehrt.
Sprechweise: Wenn alle x F sind, so gibt es kein x, das nicht F ist und umgekehrt
Beispiel: Wenn alles vergänglich ist, so ist nichts unvergänglich, umgekehrt: ist nichts unvergänglich, so sind alle Dinge vergänglich.
Kommentar: Die Äquivalenz zeigt, dass sich der Allquantor ebenfalls durch den Existenzquantor definieren lässt, allerdings wieder nur in der klassischen Logik.
  • Aus   folgt  
Sprechweise: Sind alle x F so gibt es ein x, das F ist.
Beispiel: Wenn alles vergänglich ist, so ist manches vergänglich.
Kommentar: Diese Folgerung zeigt, dass in der Prädikatenlogik erster Stufe immer ein nicht-leerer Individuenbereich vorausgesetzt wird (und zwar sowohl in ihrer klassischen als auch in der intuitionistischen Variante), d. h. es wird davon ausgegangen, dass es überhaupt etwas (mindestens einen Gegenstand) gibt. In einer eher selten gebrauchten Spielart der Quantorenlogik, genannt „free logic“ (freie Logik), wird diese Voraussetzung nicht getroffen, dort wäre also auch obige Schlussfolgerung nicht gültig.
  • Aus   folgt   (das Umgekehrte gilt nicht)
Sprechweise: Gibt es ein x, das F und G ist, so gibt es ein x, das F ist, und ein x, das G ist.
Beispiel: Wenn es einen blonden Professor gibt, so gibt es jemanden, der blond ist, und jemanden, der Professor ist. Gibt es jedoch jemanden, der blond ist, und jemanden, der Professor ist, so gibt es nicht unbedingt einen blonden Professor (der Blonde und der Professor könnten zwei verschiedene Personen sein).
  • Aus   folgt   (das Umgekehrte gilt nicht)
Sprechweise: Wenn alle x F sind oder alle x G sind, so sind alle x F oder G.
Beispiel: Wenn entweder alle Katzen grau sind oder alle Katzen schwarz, dann sind alle Katzen grau oder schwarz. Sind jedoch alle Katzen grau oder schwarz, so kann es sowohl graue als auch schwarze geben, es folgt also nicht, dass alle grau sind oder alle schwarz sind.
  • Aus   folgt   (Das Umgekehrte gilt nicht.)
Sprechweise: Gibt es ein x, das zu allen y in der Beziehung R steht, dann gibt es für alle y ein x, das zu ihnen in Beziehung R steht. (Vergleiche mit der nächsten Folgerung und siehe den dortigen Kommentar!)
Beispiel: Wenn es jemanden gibt (z. B. die Gottheit), der oder die alle liebt, dann gibt es für jede Person mindestens eine/n (eben die Gottheit), die oder der diese Person liebt. Umgekehrt folgt aber aus der Tatsache, dass jeder Mensch geliebt wird, nicht, dass jeder Mensch von derselben Person geliebt wird.
  • Aus   folgt   (Das Umgekehrte gilt nicht.)
Sprechweise: Gibt es ein x, zu dem alle Individuen y in Relation R stehen, dann gibt es für alle Individuen x mindestens ein y, sodas x zu y in Relation R steht. (Vergleiche mit dem vorangehenden Beispiel!)
Beispiel: Wenn es eine bestimmte Frau gibt, die jeder Mann liebt, dann gibt es für jeden Mann (mindestens) eine Frau, die er liebt. Hat aber jeder Mann eine Frau, die er liebt, so folgt daraus nicht, dass dies jedesmal dieselbe Frau ist, dass es also eine Frau gibt, die alle lieben.
Kommentar: Dass die beiden letzten Folgerungen in der Formelschreibweise sehr ähnlich aussehen (sie unterscheiden sich darin, welcher Quantor welche Variable bindet), darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie sehr unterschiedliche Bedeutung haben. Der Unterschied zwischen den Voraussetzungen beider Folgerungen ist der, dass es im ersten Fall jemanden gibt, der alle liebt, während es im zweiten Fall jemanden gibt, der von allen geliebt wird. Ebenso groß ist der Unterschied in der Folgerung: Aus der ersten Voraussetzung folgt, dass jede/r geliebt wird (ohne dabei aber selber lieben zu müssen.) Aus der zweiten Voraussetzung hingegen folgt, dass jede/r selber ein/e Liebende/r ist (ohne dabei aber selber geliebt werden zu müssen.) Die Gegenüberstellung dieser beiden Folgerungen zeigt, dass vermeintlich kleine Unterschiede in einer Formel große Bedeutungsunterschiede haben können und dass es nicht immer einfach ist, die richtige Bedeutung einer prädikatenlogischen Formel zu erfassen.

Anzahlquantoren

Neben All- und Existenzquantor werden in der Logik gelegentlich Anzahlquantoren gebraucht. So lässt sich ausdrücken, dass es „genau ein“, „genau zwei“, ... Dinge gibt, für die irgend etwas gilt.

Im Unterschied zum Existenzquantor, der besagt, dass es mindestens ein x gibt, für das etwas gilt, besagt der „Einzigkeitsquantor“, dass es genau ein solches x gibt (nicht mehr und nicht weniger). Für ihn schreibt man   oder  . Man kann diesen Quantor vermittels dem All- und dem Existenzquantor sowie dem Identitätszeichen „=“ wie folgt definieren:

  =  

Die Formel hinter dem Gleichheitszeichen besagt dabei: „Es gibt ein x, für das B(x) gilt und für alle y gilt: wenn B(y) gilt, dann ist y mit x identisch“.

Analog zum Einzigkeitsquantor lassen sich auch Quantoren   mit n > 1 definieren, die besagen, dass es genau n verschiedene x gibt.

Weitere Quantoren, wie z.B. „die meisten x“ werden in der Logik nur selten behandelt.