Alemannische Dialekte

oberdeutsche Dialektgruppe im Südwesten des deutschsprachigen Raums
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In der germanistischen Linguistik bezeichnet man mit Alemannisch oder Westoberdeutsch eine Gruppe von Dialekten, die u.a. neben dem Bairischen zum Oberdeutschen gehören. Die alemannischen Dialekte gehören somit zum deutschen Dialektkontinuum. Die Bezeichnung "Alemannisch" geht auf die so genannten Alemannen zurück.

Alemannisch

Gesprochen in

Schweiz, Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Frankreich, Venezuela (Colonia Tovar)
Sprecher etwa 10 Millionen
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in -
Sprachcodes
ISO 639-1

ISO 639-2 (B) gsw (T) –
ISO 639-3

gsw

Einteilung

 
Alemannischer Sprachraum

Die alemannischen Mundarten werden in vier Hauptgruppen gegliedert. Von Nord bzw. Nordost nach Süd bzw. Südwest werden unterschieden:

Zwischen deren Verbreitungsgebieten sowie zu den fränkischer und bairischer Mundarten und Sprachen bestehen häufig Mischdialekte. Darüberhinaus existieren weitere zahlreiche regionale und lokale Dialekte und Subdialekte. Desöfteren wird der Ausdruck alemannisch in einem engeren Sinn verwendet und meint dann nur Nieder-, Hoch- und Höchstalemannisch.

Verwendung

Im historischen bzw. aktuellen Verbreitungsgebiet der alemannischen Dialekte im Südwesten des deutschen Sprachraums wohnen etwa 10 Millionen Menschen. Sofern diese überhaupt Dialekt sprechen, ist die Ausprägung sehr unterschiedlich: die Bandbreite reicht von leicht gefärbter Umgangssprache bis zu kaum dem Standarddeutsch Mächtigen.

Verbreitungsgebiet

Das Verbreitungsgebiet des 20. Jahrhunderts grenzt im Norden an das der fränkischen Dialekte und im Osten an das der bairischen Dialekte, im Süden und Westen schließt sich Gebiet romanischer Sprachen (Bündnerromanisch, Italienisch und Französisch) bzw. romanischer Mundarten an.

die Bezeichnung "alemannisch" in den einzelnen Staaten

Die in der Schweiz gesprochenen alemannischen Dialekte werden auch Schweizerdeutsch genannt. In rein linguistischer Hinsicht bildet das Schweizerdeutsche zwar keine spezielle Gruppe des Alemannischen, wohl aber in pragmatischer, denn für die Verwendung des Dialekts gelten in der Schweiz spezielle Verhältnisse. Im Prinzip gelten ebenso in den anderen Staaten für die Verwendung des Dialekts besondere, von soziokulturellen Entwicklungen des jeweiligen Staates geprägte Sprachbedingungen, v.a. in Frankreich (Elsässisch) und Österreich. Die Bezeichnung Alemannisch ist in der Schweiz, im Elsass und im Schwäbischen wenig bis gar nicht geläufig.

Merkmal: Keine Diphthongierung im Hiatus, also [ʃniːə(n) buːə(n)] und nicht [ʃneijə bouwə] (schneien, bauen) wie in den anderen alemannischen Dialekten.

Merkmal: Anlautendes /k/ ist wie im Höchstalemannischen zum Frikativ [x] geworden, und nicht zu [] oder [kx] wie im Niederalemannischen oder Schwäbischen. Hochalemannisch wird manchmal auch als Südalemannisch bezeichnet.

Merkmal: Anlautendes /k/ ist zu [] oder [kx] geworden und nicht zum Frikativ [x] wie im Hochalemannischen. Innerhalb des niederalemannischen Sprachraumes kommt es zum Übergang von hochalemannischen zu schwäbischen Merkmalen.

Merkmal: Mittelhochdeutsch hûs, îs → hous, eis ([ejs]), und nicht → huus/hüüs, iis wie in den anderen alemannischen Dialekten. Das Schwäbische dringt seit dem letzten Jahrhundert in Württemberg und Bayerisch-Schwaben immer weiter in Richtung Süden vor.

Grammatik

Siehe alemannische Grammatik.

Varietät des Deutschen oder eigenständige Sprache?

Eine Verständlichkeit des Alemannischen für Sprecher der deutschen Standardsprache ist je nach alemannischem Dialekt mehr oder weniger schwierig. Daher sprechen einige Linguisten, die Sprachen und Dialekte hauptsächlich nach dem Kriterium der gegenseitigen Verständlichkeit differenzieren, vom Alemannischen als einer eigenen Sprache. Beispiele hierfür sind das Institut SIL International und die Organisation UNESCO.

Das Anwenden des Kriteriums der gegenseitigen Verständlichkeit ist jedoch umstritten, da das Alemannische als Teil des deutschen Dialektkontinuums nahtlos in die anderen deutschen Varietäten übergeht und Verständlichkeit ein subjektiver Faktor ist, der je nach Alter, Wohnort, Bildungsstand und persönlicher Prägung der befragten Personen stark variieren kann und außerdem davon abhängt, wie gegenseitige Verständlichkeit überhaupt definiert wird. Weiterhin könnte man so gleich mehrere eigenständige alemannische Sprachen unterscheiden, da die gegenseitige Verständlichkeit auch nicht unter allen alemannischen Dialekten gewährleistet ist. In dieser Hinsicht werden oft das Schwäbische und das Höchstalemannische getrennt aufgeführt. Allgemein lässt sich aber sagen, dass bei nahezu jedem Dialekt des Deutschen die Verständlichkeit für Menschen anderer Dialektregionen nicht gewährleistet ist.

In der Sprachwissenschaft des deutschsprachigen Raumes, wo unter sprachlich verwandten Varietäten meist nur diejenigen als eigenständige Sprachen gelten, die das Kriterium der Ausbausprache (Hochsprache) erfüllen, wird das Alemannische deshalb überwiegend als eine regionale Varietät der deutschen Sprache angesehen. Da die Sprecher des Alemannischen hauptsächlich die deutsche Hochsprache als ihre Dachsprache (Schriftsprache) nutzen, gibt es nur geringe Tendenzen hin zur Ausbausprache. Zumindest innerhalb der Schweiz geht die Entwicklung aber, wenn auch nur allmählich, bereits in Richtung von Kulturdialekten.

Sprachbesonderheiten

  • Diminutiv: Der Diminutiv (Verkleinerungsform) wird in allen alemannischen Großdialekten viel verwendet. In den nördlichen und östlichen Dialekten wird er durch das Suffix -le, in den südlichen Dialekten durch das Suffix -li ausgedrückt (z.B. Häusle - Hüüsle - Hüüsli - Hiisli für Häuschen, Kendle - Chindli für Kindlein)
  • Konjugation von "sein"
    • Niederschwäbisch: I ben - Du bisch - Er isch - Mir send - Ihr send - Dui send - Partizip Perfekt: I ben gwä
    • Allgäuerisch: I bi - Du bisch - Är isch - Mir send / sönd - Ihr send - Dui send - Partizip Perfekt: I bi gsi
    • hanauerisch: ich binn - du bisch - är isch - mir sinn - ihr sinn - sie sinn - Partizip Perfekt: ich binn gsinn
    • Unteres Markgräflerland: Ich bi, Du bisch, Är isch, Mir sin, Ihr sin, Si sin - Partizip Perfekt: Ich bi gsi
    • Voralpenland: I bee - Dou bisch - Är isch - Mr send - Ihr send - Dia send - Partizip Perfekt: I bee gsei
    • Östliches Schweizerdeutsch:I bi - Du bisch - Är isch - M(i)r send / sönd /sinn - I(i)r sönd /sind - Di sönd - Partizip Perfekt: I bi gsi. Imperativ: Seg / Sig!
    • Westliches Schweizerdeutsch: I(g) bi, Du bisch, Är isch, Mir sy, Dihr syt, Si sy. Partizip Perfekt: I(g) bi gsi/gsy. Imperativ: Bis!
    • Senslerdeutsch: I bǜ, Dù bǜsch, Är isch, Mi(er) sy, (D)ier syt, Si sy. Partizip Perfekt: I bǜ gsyy. Imperativ: Syg!
  • Höflichkeitsformen
    • Im alten Baseldeutsch wird oft die 3. Person Singular für die Höflichkeitsform verwendet: „Steigen Sie auch aus?“ „Stygt dr Herr au us? (Steigt der Herr auch aus?)“
    • Im Hoch- und Höchstalemannischen wird oft die 2. Person Plural „Ihr“ verwendet, insbesondere im Berndeutschen und im Walliserdeutschen. So würde man „Möchten Sie noch ein Stück?“ übersetzen mit „Weit'er no nes Stuck?“ \ „Welltider no as Stuck?“. Außerhalb des Berndeutschen und Walliserdeutschen ist diese Höflichkeitsform durch den Einfluss der Schriftsprache selten geworden und gilt heute oft als unanständig, da sie nicht direkt auf eine Person eingeht.

Der signifikanteste Unterschied zwischen nieder- und hochalemannisch ist die Aussprache des Lautes -ch- nach den Buchstaben -e-, -i-, -ä-, -ö-, -ü-, und Konsonanten: Im niederalemannischen wird dieser Laut wie im Standarddeutschen ausgesprochen ("Becher"), im hochalemannischen wie -ch- in "Bach".

Die einzelnen Dialekte unterscheiden sich manchmal weitgehend voneinander. So wird z.B. in der Stadt Bern nicht der gleiche Dialekt gesprochen wie im Simmental oder im Emmental. Es gibt allerdings auch Übergangsdialekte wie das Schwarzbubendeutsche, welches eine Mischung aus Baslerdialekt, französischen Wörtern und solothurner Dialekt darstellt.

Beispielsatz

Hochdeutsch
  • Mutter: Warst du auf dem Markt einkaufen?
  • Fritzchen: Ja, ich habe drei Kilogramm Kartoffeln, 250 Gramm Butter, ein Glas Johannisbeer-Marmelade und eine Packung Spaghetti gekauft.
Südbadisch, Weil am Rhein
  • D`Müder: Bisch uff'm Märt go iigchaufe gsi?
  • S`Fritzle: Joo, ich ha drei Kilo Grumbiire, ä halbs Pfund Angge, ä Glaas Zanderle-Guezäle un ä Päckli Schbageddi gchauft.

Mehr Übersetzungen: Alemannischer Beispielsatz

Alemannische Dialektdichtung

Alemannische Wikipedia

Wiktionary: Alemannisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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