Italianisierung

Verdrängen anderer Sprachen und Minderheiten in Italien
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Die Italianisierung bezeichnet den Versuch der ab 1922 regierenden faschistischen Regierung Italiens die im Rahmen des Irredentismus nach dem Zerfall Österreich-Ungarns einverleibten Gebiete mit nicht-italienischer Bevölkerungsmehrheit, zu entnationalisieren, das heißt ihrer sprachlichen, kulturellen und historischen Identität zu berauben.

Betroffene Gebiete

Geistiger Vater und treibende Kraft bei der Umsetzung der Italianisierung war der nationalistische Geograph und Philologe Ettore Tolomei aus Rovereto im Trentino.

Strategie in Südtirol

Bei der Italianisierung wurden folgende Strategien verfolgt:

  1. Assimilation der deutschsprachigen Südtiroler
  2. Förderung der Zuwanderung von Italienern nach Südtirol (Majorisierung, also Schaffung einer italienischsprachigen Mehrheit)
  3. Ausbürgerung der deutschsprachigen Südtiroler und der Zimbern (Option)

Maßnahmen

  • Ab 1923 wurden die Tiroler Ortsnamen in italianisierte „Rückübersetzungen“ geändert (siehe Prontuario).
  • Ab 1923 wurde der Schulunterricht in deutscher Sprache abgeschafft (lex Gentile), der daraufhin organisierte Privatunterricht (siehe Katakombenschulen) wurde strafrechtlich verfolgt.
  • Ab 1924 wurde in allen Kindergärten die Verwendung der italienischen Sprache angeordnet. Im Herbst des gleichen Jahres wurden private Spielstuben verboten.
  • Ab 1923 wurden deutsche Zeitungen zensiert und schließlich verboten. Auf Druck des Vatikans durften ab 1927 wieder deutsche Zeitungen erscheinen.
  • Am 1. März 1924 wurde Italienisch als alleinige Amtssprache eingeführt und in den folgenden Jahren die deutschsprachigen Beamten größtenteils entlassen.
  • Ab 1925 wurde bei Gericht nur noch die italienische Sprache zugelassen.
  • Ab 1927 wurden deutsche Inschriften auf Grabsteinen verboten. Alle Neubauten mussten im italienischen Baustil ausgeführt werden.

Während all diese Maßnahmen nicht zum gewünschten Ergebnis, die Südtiroler zu assimilieren, führten, gelang es teilweise, die Sprachinseln der Zimbern zu dezimieren (Sieben Gemeinden, Dreizehn Gemeinden) oder sogar endgültig auszulöschen (Cansiglio , i.e. Farra d’Alpago und Tambre in Venetien, Folgaria und Lavarone im Trentino).

Daraufhin wurde zusätzlich versucht, in Südtirol eine mehrheitlich italienische Bevölkerung herbeizuführen (Majorisierung). Zwischen 1921 und 1939 wanderten 56.000 Italiener nach Südtirol, so dass am Ende dieser Periode die Stadt Bozen und die Gemeinde Leifers südlich von Bozen eine mehrheitlich italienische Bevölkerung hatten und bis heute haben. Durch eine staatlich subventionierte Industriezone wurden Arbeitsplätze geschaffen.

Ein letzter Versuch, Südtirol zu italianisieren, war die planmäßige Auswanderung der Südtiroler und der Zimbern (siehe Option in Südtirol). Die endgültige Umsetzung der Option wurde durch den Verlauf des Zweiten Weltkrieges verhindert.

Resultat

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Südtirol in einem schwierigen, langwierigen Prozess zur autonomen Provinz. Heute sind alle Ortsnamen zweisprachig ausgezeichnet, wobei allerdings weiterhin ausschließlich die (in vielen Fällen erfundenen) italienischen Ortsnamen amtlich sind und die deutschen nur geduldet werden (auch wenn die deutschen Namen auf neueren Schildern in der Regel zuerst genannt werden). Alle offiziellen Dokumente werden ebenfalls zweisprachig ausgestellt. Viele der in Südtirol ansässigen Italiener beherrschen inzwischen auch die deutsche Sprache. Die deutsche Sprachgruppe wächst seit den 1960er-Jahren kontinuierlich. Bei der letzten Volkszählung im Jahr 2001 gaben wieder 69,4 % der Einwohner Südtirols Deutsch als Muttersprache an.

Auch die Sprachinseln der Zimbern im Trentino (Lusern, Fersental), in Venetien (Sappada, Dreizehn Gemeinden) und in Friaul (Sauris, Timau) pflegen inzwischen wieder ihre besondere zimbrische Tradition und Sprache. Auch wenn einige davon unter der Italianisierung stark gelitten haben (vor allem die Sieben Gemeinden und die Dreizehn Gemeinden), so sind andere weitgehend intakt geblieben (vor allem Lusern, Sappada und Sauris, aber auch das Fersental) und deren Bewohner - auch die, die nicht Zimbrisch sprechen - sind stolz auf ihre Geschichte.

Strategie in Istrien und Dalmatien bis 1945

Datei:Narodni dom triest.jpg
Das slowenische Narodni Dom in Triest nach dem Brand vom 13. Juli 1920

Einer ähnlichen Zwangsitalianisierung war insbesondere in den 1920er- und 1930er-Jahren die kroatische und slowenische Bevölkerung in Friaul, Julisch Venetien, Teilen Dalmatiens, Istrien und Rijeka ausgesetzt. Auch diese ehemals österreichischen Gebiete waren nach dem Ersten Weltkrieg als sogenannte „neue Provinzen“ zum Königreich Italien gekommen. Dies geschah im Rahmen des italienischen Irredentismus. Die slowenische und kroatische Sprache wurden verboten, die kroatische und slowenische Bevölkerung assimiliert oder vertrieben. Immer wieder kam es zu nationalistischen Gewaltakten: So wurde zum Beispiel am 13. Juli 1920 das slowenische Narodni Dom in Triest niedergebrannt.

Im Zuge der „istrischen Italianisierung“ wanderten viele Slowenen und Kroaten in den jugoslawischen SHS-Staat aus, während sich andere in der 1924 gegründeten Widerstandsorganisation TIGR engagierten, die zahlreiche Terroranschläge verübte. Umgekehrt wurden italienischsprachige Bewohner Dalmatiens zur Auswanderung nach Italien ermuntert, um den italienischen Bevölkerungsanteil in Istrien zu heben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor Italien einen Großteil dieser Gebiete wieder. Die Alliierten versuchten, auf einem Teil des Territoriums einen multiethnischen Freistaat aufzubauen (siehe Freies Territorium Triest). Das Experiment scheiterte und wurde 1954 endgültig beendet: die Stadt Triest kam zu Italien, fast ganz Istrien zu Jugoslawien (heute Slowenien und Kroatien). Die Wanderbewegungen in beide Richtungen, die daraufhin wieder einsetzten, hinterließen weitgehend ethnisch homogene Gebiete mit nur mehr kleinen Sprachminderheiten. Friaul-Julisch Venetien erhielt später den Status einer autonomen Region, und die sprachlichen Minderheiten werden heute beiderseits der Grenze grundsätzlich geschützt. In Teilen Friaul-Julisch Venetiens und Istriens sind heute zweisprachige Ortstafeln zu finden, vereinzelt sogar dreisprachige (mit furlanischen Aufschriften).