Workfare

amerikanisches Konzept der Arbeitsmarktpolitik
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Der Begriff Workfare ist in Anlehnung an Welfare (engl. Wohlfahrt) entstanden und bezeichnet eine Sozialfürsorge, die mit einer Pflicht zur Arbeit verbunden ist. Eine Pflicht zur Arbeit besteht für Arbeitslose in Deutschland faktisch seit jeher. Dies war aber in der Vergangenheit an Zumutbarkeitskriterien, inform eines Berufsklassenschutzes der über die Zeit der Arbeitslosigkeit abnahm, gebunden. Eine Heranziehung zu gemeinnütziger Arbeit ergab sich genaugenommen für Langzeitarbeitslose ebenfalls schon immer aber erst im Verlauf der 90er Jahre starteten einige Kommunen ( Bielefeld, Köln, Krefeld, Leipzig, Nordhausen, Offenbach, Osnabrück, Paderborn, Pforzheim, Saarbrücken, Siegen und Stuttgart)[1] Modellprojekte die dem heutigen, sogenannten Ein-Euro-Job-Modell unter Arbeitslosengeld II entsprechen. Viele weitere Kommunen kopierten diese Modelle im Verlauf der Jahre bis es mit dem Hartz-Konzept zu einer bundesweit einheitlichen Grundlage kam. Allerdings sind bis heute immer nur ein Teil der Langzeitarbeitslosen in solchen Maßnahmen, wärend im reinen Workfare-Konzept die Arbeitsaufnahme obligatorisch, also für alle Arbeitslosen umgesetzt werden soll.

Die Idee hinter Workfare

Workfare soll zum einen die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen erhalten bzw. wieder trainieren und zum anderen einen Anreiz zur Aufnahme niedrig bezahlter Arbeiten schaffen. Dahinter steht die Annahme, dass der nur geringe zusätzliche Verdienst keine Motivation zur Arbeitsaufnahme bietet solange Sozialleistungen ohne Arbeit zu erhalten sind. Oder ökonomisch gesprochen: Der zusätzlich erworbene Lohn wird geringer gewertet als der durch die Arbeitsaufnahme entstandene Wohlfahrtsverlust. Ist auch der Erwerb einer Sozialleistung mit Arbeit verbunden, fällt dieser Faktor weg.

Beispiel Wisconsin

Workfare ist vor allem in den USA ein wichtiges Element der Sozialsysteme soweit diese vorhanden sind (die Sozialpolitik ist weitgehend Sache der Bundesstaaten). Besonders weitgehend verfolgt der US-Bundesstaat Wisconsin mit seinem Programm „Wisconsin Works“ in Milwaukee die Workfare-Idee unter den Maximen „no work, no pay“ bzw. „Whoever can work must work“. Verwirklicht wurde dies in einem gestuften Maßnahmensystem:

  • Arbeitsgewöhnung für Schwervermittelbare, maximal 24 Monate, 28 Stunden Arbeit und 12 Stunden Qualifizierung pro Woche.
  • Kommunale Servicearbeit für Nichtvermittelbare, maximal 9 Monate mit 30 Stunden Arbeit und 10 Stunden Qualifizierung pro Woche.
  • Arbeit auf Probe mit Lohnkostenzuschuß im ersten Arbeitsmarktes, maximal für 6 Monate, volle Arbeitszeit und volles Gehalt.
  • Reguläre Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt.[1]

Wie nahezu alle Sozialleistungen für Arbeitsfähige in den USA ist die Leistung auf zwei Jahre am Stück und fünf Jahre über das gesamte Berufsleben befristet.

Deutschland

In Deutschland gibt es bis auf Ein-Euro-Jobs und Kombilohn-Modelle bisher keine ernsthaften Bestrebungen zur Einführung eines Workfare-Konzepts. Alternativen von Workfare werden jedoch immer wieder diskutiert. Roland Koch gilt als einer der Vorreiter dieser Idee. Bundesarbeitsminister Müntefering sieht diese Konzepte nur in Ausnahmefällen (z.Z. geplant für ältere Arbeitslose ab 50) als zielführend an und lehnt eine allgemeine Einführung ab.[2]. Wie der Vorsitzende des Wirtschafts-Sachverständigenrats, Bert Rürup, hält Bundesarbeitsminister Müntefering eine allgemeine Einführung für nicht finanzierbar.[2] Zusätzlich werden sogenannte "Drehtüreffekte" befürchtet.

Kritik

Zum einen gibt es in Deutschland historische Bedenken gegen ein striktes Workfare-Konzept aufgrund der bekannten Arbeitsdienste Freiwilliger Arbeitsdienst bzw. Reichsarbeitsdienst unter den Nationalsozialisten, die überigens auch aufzeigen das das Workfare-Konzept keineswegs eine moderne Erfindung ist. Weiter ist eine derartige Umsetzung mit bis zu fünf Millionen Arbeitslosen heute wegen der nötigen Kasernierung nicht mit dem Grundgesetz (Artikel 11, Freizügigkeit) vereinbar bzw. ansonsten deutschlandweit logistisch unmöglich.[3]
Zusätzlich gibt es mittlerweile schon gegen die sogenannten Ein-Euro-Jobs massive Bedenken wegen der Verdrängung der beitragspflichtigen Beschäftigungen, weil vielerorts kommunale Arbeiten als Auftragsquelle für Unternehmen praktisch wegfallen. Dies führt dann zum sogenannten "Drehtüreffekt"[4] indem beitragspflichtig Beschäftigte dadurch ihre Arbeit verlieren und dann ihrerseits über Ein-Euro-Jobs weitere reguläre Beschäftigungen verdrängen. Selbiges Prinzip droht genauso beim sogenannten Kombilöhnen-Modell wenn Arbeitgeber ihre regulären Arbeitnehmer entlassen um dafür Kombilöhner einzustellen.

Der massivste Mangel der Workfare-Konzepte liegt aber im Bereich der beabsichtigten "Motivation"[5] die in dieser Form pädagogisch dem Konzept der sehr umstrittenen Bootcamps entsprechen und damit sämtlichen sonstigen Motivationstheorien wiedersprechen.

Insgesamt erscheinen die Workfare-Konzepte oberflächlich betrachtet schlüssig und zielführend aber bei detailierter Betrachtung zum einen nur sehr begrenzt umsetzbar und zum anderen ergeben sich massive Nebenwirkungen von erheblicher Relevanz.
Andere Konzepte, wie die schon einmal angedrohte Lehrstellenabgabe[6] bzw. eine Einführung einer Sozialkostenbeteiligung bei Entlassungen, scheinen schon als bloße Ankündigung mehr "Effekt" auszulösen als das gesamte Hartz-Konzept bisher ergeben hat. Allerdings wird das wohl mutigere Politiker(innen) erfordern als die derzeit Regierenden.

Quellen

  1. a b http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-0A000F0A-BCDECA31/bst/besch.pdf
  2. a b http://www.welt.de/data/2006/01/04/826677.html
  3. Hartz-IV-Empfänger als Bus-Patrouillen: http://focus.msn.de/politik/deutschland/hartz-iv_nid_34347.html
  4. Angst vor dem Drehtüreffekt: http://www.zeit.de/2004/37/Arbeitgeber
  5. Zwang schaffe keine Motivation: http://www.taz.de/pt/2004/09/08/a0255.1/text
  6. Clement: Das Gesetz ist unnötig, wenn die Wirtschaft mitzieht: http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/jobs_und_mehr/job_aktuell/ausbildung/ausbildungsplatz_vermittlungsausschuss.jhtml

Literatur

Fallstudie zu Workfare in Berlin und Los Angeles: