Politisch-ökonomische Nachhaltigkeit (engl. sustainability) bedeutet eine Wirtschaftsweise, welche die Lebensqualität heutiger und künftiger Generationen im Blick behält. Sie ist seit den Neunziger-Jahren zur weitgehend anerkannten Zielvorstellung der Politik geworden, aber in der Praxis noch wenig wirksam.
Nachhaltigkeit - Ziel von Wirtschaft und Gesellschaft?
Die Eigenschaft nachhaltig ist seit längerem im allgemeinen Sprachgebrauch verankert - z.B. als nachhaltige Besserung. Im ökonomischen Sinn strebt sie meist ein "qualitatives Wirtschaftswachstum" an, das weitgehend unabhängig vom "Durchsatz" an Ressourcen deren langfristige Verfügbarkeit sichern soll. In Ausdehnung dieses Verständnisses erwarten viele, eine solche Wirtschaftspolitik sollte neben einer gesunden Umwelt auch mehr und bessere Arbeitsplätze bringen, begleitet von sozialer Sicherheit und persönlicher Zufriedenheit.
Dieses hehre Ziel prägt zwar viele Regierungserklärungen, politische Leitlinien und manches Parteiprogramm, steht aber erst am Beginn seiner praktischen Wirkung. Weil es mit Budgetverlagerungen und Bequemlichkeitsverlust der Staatsbürger verbunden ist, steht das Prinzip der Nachhaltigkeit oft im Gegensatz zu anders gearteten Vorstellungen. Daher laufen Politiker, die konsequente Nachhaltigkeit fördern, in Demokratien das Risiko, nicht wiedergewählt zu werden.
Begriff aus der Forstwirtschaft
Erstmals wurde Nachhaltigkeit um 1700 vor dem Hintergrund einer zunehmenden Holznot postuliert. In der "Sylvicultura Oeconomica, oder Hausswirthliche Nachricht und Naturmässige Anweisung zur Wilden Baum-Zucht" von 1713 (ISBN 3-86012-115-4) strebt der Oberberghauptmann in Kursachsen, Hans Carl von Carlowitz (1645-1714) eine "continuierliche, beständige und nachhaltende Nutzung" an.
Einen Wald (hinsichtlich der Holznutzung) nachhaltig zu bewirtschaften erfordert, in einem Planungszeitraum nicht mehr Holz einzuschlagen, als im gleichen Zeitraum nachwächst.
Ursprünglich war Nachhaltigkeit ein rein wirtschaftliches Prinzip zur dauerhaften Sicherung kontinuierlicher Holzlieferungen für die darauf angewiesenen Montanbetriebe. Von Carlowitz erkannte aber bereits die ethischen und ästhetischen Werte des Waldes. Ein weiterer Verfechter des nachhaltigen Waldbaus war Johann Heinrich Cotta.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts und bis zu den 1920er-Jahren wurde der Begriff über die reine Massennachhaltigkeit hinaus erweitert - beispielsweise in den Forderungen von Karl Gayer (1882), Alfred Möller (1923) und Hans Lemme (1939).
Inflationärer Sprachgebrauch
Bedingt durch seine Popularität hat die Aussagekraft des Begriffes in den letzten Jahren abgenommen. Der Begriff wird inflationär benutzt, häufig ohne ein tatsächliches Verständnis seiner Hintergründe ("Nachhaltigkeit der Kursentwicklung [von Aktien]").
Nachhaltigkeit und Ökologie
Doch erst seit den Achtziger Jahren verbreitete sich der Begriff Nachhaltigkeit über die Forstwirtschaft hinaus. Anlass gab die Diskussion um Umwelt- und Entwicklungspolitik. Mit der Veröffentlichung des "Brundtland-Berichts" kam 1987 der Tag seiner Wiedergeburt - nun aber auf fast allen gesellschaftlichen Ebenen. Die bei Brundtland formulierte Definition einer nachhaltigen Entwicklung dürfte wohl die weitest verbreitete sein und war auch Grundlage für die Diskussion des Zusammenhangs von Umweltschutz und Entwicklung auf der Weltkonferenz von Rio (1992):
"Sustainable Development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs" ("Nachhaltige Entwicklung ist jene Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen").
Nachhaltige Umweltpolitik
In Deutschland wurde die Diskussion wesentlich durch eine gemeinsame Studie von Misereor und BUND beeinflusst: "Zukunftsfähiges Deutschland - Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung" (1996). In der Folge wurde die politische Diskussion durch mehrere Enquête-Kommissionen des Deutschen Bundestages geführt. In der Wissenschaft entwickelte sich eine Vielzahl von Arbeitsschwerpunkten. Sie reichen heute von der einzelwirtschaftlichen Betrachtung des "Betrieblichen Umweltschutzes" über Funktionszusammenhänge wie "Nachhaltige Mobilität", "Nachhaltigen Konsum" oder "Nachhaltige Investition" bis hin zur Betrachtungen weltweiter Zusammenhänge wie "Globale Nachhaltigkeit und WTO" und ähnlicher Entwicklungspolitik.
In Österreich wurde 2002 auf nationaler Ebene die Österreichische Strategie zur nachhaltigen Entwicklung beschlossen.
Auf die Umweltpolitik übertragen, bedeutet das Nachhaltigkeitprinzip, dass die Entnahme von Rohstoffen aus der Natur und die Einbringung von Schadstoffen in die Natur nur in dem Umfang erfolgt (erfolgen darf), in dem die Natur bzw. das entsprechende Ökosystem diese Änderungen auffangen kann. Das Prinzip wird aus der Verpflichtung hergeleitet, die natürlichen Lebensgrundlagen für die kommenden Generationen zu erhalten. Der Begriff Nachhaltigkeit steht also in engem Zusammenhang mit Fragen des Umweltschutzes und der Generationengerechtigkeit.
Eine nachhaltige Reduzierung von Treibhausgasen kümmert sich also nicht nur um die Beseitigung aktueller Umweltverschmutzung, sondern versucht auch, eine Zukunftsperspektive auf Jahrzehnte zu entwickeln. Nachhaltige Methoden müssen ihre Konzepte so in die Wirklichkeit einbetten, dass sie nicht auf Dauer scheitern, weil sie durch Kurzsichtigkeit oder kurzatmige Politik nicht mehr umgesetzt oder genutzt werden. Beispielsweise zeigt sich immer wieder, dass die Lieferung von Nahrungsmitteln in ärmere Länder, oder die Installation von Wasserpumpen keine Garantie für eine zukünftig gute Versorgung der Bevölkerung darstellen. Nachhaltige Konzepte tragen sich großteils selbst, oder ihre Wirkung (z.B. durch radikale Gesetzesänderungen) ist so stark, dass eine langfristige, dauerhafte Umkehr bisheriger Fehlentwicklungen eintritt.
Modelle
Es gibt verschiedene Auffassungen von Nachhaltigkeit:
Das "Drei-Säulen-Modell" geht von der Vorstellung aus, dass Nachhaltigkeit durch das gleichzeitige und gleichberechtigte Umsetzen von umweltbezogenen, sozialen und wirtschaftlichen Zielen, die den o.g. Nachhaltigkeitsprinzipien entsprechen, erreicht werden könne. Dabei können diese drei Dimensionen unterschiedlich gewichtet werden. Man unterscheidet zwischen "schwacher" und "starker" Nachhaltigkeit:
- Von schwacher Nachhaltigkeit redet man, wenn man davon ausgeht, dass es egal ist, in welcher Dimension Kapital erhalten bleibt bzw. geschaffen wird. So wäre es im Rahmen schwacher N. z.B. akzeptabel, wenn Naturressourcen und damit Naturkapital erschöpft würden, wenn dem dafür angemessene Mengen geschaffenes Humankapital oder Sachkapital gegenübersteht. Vereinfacht ausgedrückt: Es ist okay, wenn ein Wald abgeholzt wird, wenn daraus genügend Papier hergestellt wird.
- Dieses Beispiel ist angesichts der Ursprünge des Begriffs der Nachhaltigkeit, der Intention des Urhebers und der daraus resultierenden Praxis der letzten Jahrhunderte in Mitteleuropa - mit Wirkungen auf die im Vergleich zu anderen Mächten vorbildliche britische Kolonialverwaltung und dadurch auf bis heute gültigen, von Mahatma Gandhi erlassene - angesichts des Bevölkerungsdrucks nicht durchsetzbare - Forstgesetzgebung Indiens eher als ein dummes zu bezeichnen. Die Aussage impliziert, dass im Rahmen einer ordungsgemäßen Forstwirtschaft Wälder zur Papierherstellung abgeräumt würden. Dies wäre allein aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten als Schwachsinn zu bezeichnen (nach deren unvollständiger Rechnung sich die Forstwirtschaft eh nicht lohnt), zudem stünde es im Widerspruch zu den offiziekken waldbaulichen Planungen der letztem Jahrhunderte.
- Die mitteleuropäische Forstwirtschaft ist die stärkste Form der real existierenden nachhaltigigen Wirtschaftsformen - obwohl sie anders als andere Wirtschaftsbereiche keinerlei Schutz vor dem Weltmarkt besitzt.
- Starke Nachhaltigkeit bedeutet, dass Naturkapital nur sehr beschränkt bzw. gar nicht ersetzbar durch Human- oder Sachkapital ist. Ein Beispiel dafür ist das "Leitplankenmodell". Ihm zufolge bilden die ökologischen Parameter, die langfristig stabile Lebensbedingungen auf der Welt sichern, einen Entwicklungskorridor, der unbedingt zu beachten sei. Nur innerhalb dieses Korridors bestehe ein Spielraum zur Umsetzung wirtschaftlicher und sozialer Ziele.
Nachhaltigkeit in der Wirtschaft
Aus ökonomischer Sicht hat Nachhaltigkeit auch mit Eigentum zu tun. Der Eigentümer ist naturgemäß bedacht auf die Werterhaltung seines Eigentums. Anders bei Gemeineigentum: Bekannt ist das Allmende-Problem - Die Allmende (Dorfwiese) war immer völlig abgegrast, weil jeder seine Ziegen darauf trieb. Ähnlich beim Meer - Jeder fischt es leer und kippt seinen Abfall rein. Mit Eigentum würde man das nicht machen. Eigentum ist aus ökonomischer Sicht der Schlüssel zur Nachhaltigkeit.
Beispiele aus Land-/Forstwirtschaft und EDV
- Ein Beispiel für ein nachhaltiges Konzept ist die Permakultur.
- Ein Ansatz, um Nachhaltigkeit auf betriebswirtschaftlicher Ebene umzusetzen, stellt das Konzept des Natural step dar.
- In der Elektronischen Datenverarbeitung werden Konzepte der nachhaltigen Nutzung von Hardware diskutiert (vgl. Nachhaltigkeit (EDV)).
- Auch die Forstwirtschaft ist angesichts von Umfang und Zustand der Wälder in der Zeit um das Jahr 1800 ein erfolgreiches Beispiel.
- Andauernde Folgen der Missachtung des Prinzips zeigen sich im Mittelmeerraum, auf den ehemals waldreichen britischen Inseln und - als frühes Beispiel - im an die Libanonzeder gebundenen Aufstieg und Fall des Phönizischen Reichs.
- Weitere Negativbeispiele finden sich in der Landwirtschaft: Wo große Landstriche als Monokultur intensiv genutzt werden - möglicherweise verbunden mit der Rodung von Regenwald - kann von Nachhaltigkeit nicht gesprochen werden.
Weiterführende Informationen
Siehe auch:
- Agenda 21, Besiedelungsstrategien, Haltbarkeit, Subsistenz, Kybernetik, Resilienz, Stabilität, Verschleiß, Abnutzung, Synergien, Zerstörung, nachhaltige Entwicklung, Nachhaltigkeitsbeihilfe, Aldo Leopold, Rat für Nachhaltige Entwicklung
Literatur
- Birnbacher, Dieter: Verantwortung für zukünftige Generationen. Stuttgart 1988
- Brandt, Christian: Sustainable Development und Responsible Care. Die chemische Industrie auf dem Weg in eine grüne Zukunft? In: Chemie in unserer Zeit 36(4), 214 - 224 (2002)
- Daly, Herman E.: Sustainable Development, Grundzüge einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung. In: Oikos 1992, 1-4
- Hampicke, Ulrich: Ökologische Ökonomie. Opladen 1992
- Harborth, Hans-Jürgen: Dauerhafte Entwicklung statt globaler Selbstzerstörung - eine Einführung in das Konzept des "sustainable development". Berlin
- Rademacher, Franz Josef: Der Global Marshall Plan. 2004
- Patzig, Günther: Ökologische Ethik - innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. Göttingen 1983
- Wallner, Dr. Heinz Peter und Michael Narodoslawsky: Die Inseln der Nachhaltigkeit, Verlag NP, Österreich.
Weblinks
- http://www.nachhaltigkeit.at/
- http://www.nachhaltigkeitsrat.de
- http://www.oekoradar.de
- http://nachhaltigkeit.aachener-stiftung.de/1000/Veranlassung.htm
- Global Marshall Plan *http://www.studienarbeiten.de/heureka/nachhaltigkeit/monografien/schicha/3.htm
- Naturgemäße Waldwirtschaft seit 1880
- WorldSummit 2002: Finanzierung und Erwartungen in Konferenzen für nachhaltige Entwicklung (PDF)
- Franz von Assisi Akademie zum Schutz der Erde - Projektbeispiele
- Nachhaltige Wirtschaft (+Anreize zu Bildung, Umweltpolitik usw.) in Österreich
- http://www.worldsummit2002.org Internetseite des Weltgipfels Johannesburg 2002 (en)