Aktion T4

Bezeichnung für die systematische Ermordung von Behinderten im Dritten Reich
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Aktion T4 ist der von den Nationalsozialisten verwandte Deckname für die systematischen Ermordung von über 100.000 Geisteskranken und Behinderten während der Zeit des Nationalsozialismus. Namengebend war die Zentrale, eine Villa in der Berliner Tiergartenstraße 4.

Hintergründe

Die "Euthanasie" geht in Deutschland auf die schon in den 20er Jahren entwickelte Idee einer "Rassenhygiene" zurück und steht im Zusammenhang mit dem in der nationalsozialistischen Ideologie festgelegten Ziel einer "Vernichtung lebensunwerten Lebens".


Hitlerbefehl vom Oktober 1939 zur "Euthanasie-Aktion"

Als Beginn der "Euthanasie"-Aktion gilt der in den Dokumenten des Internationaler Militärgerichtshofs dokumentierte (Bd. XXVI, S. 169, Dok. 630-PS) Befehl Adolf Hitlers vom 1. September 1939 an den Reichsleiter Philipp Bouhler, Chef der Kanzlei des Führers der NSDAP, und Karl Brandt, "Begleitarzt des Führers". Dieser lautete:

"Reichsleiter Bouhler und Dr. med. Brandt sind unter Verantwortung beauftragt, die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, daß nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranke bei kritischer Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann."

Der Befehl wurde von Hitler im Oktober 1939 unterzeichnet, auf den 1. September zurückdatiert und gilt in der historischen Literatur als Beginn der Euthanasie-Verbrechen. Ein auf das Originaldokument gesetzer Randvermerk eines "Dr. Gürtner" belegt, dass der Befehl 1940 von Bouhler dem Reichsjustizministerium übergeben worden ist. Unter Dr. Gürtner ist hier Franz Gürtner zu verstehen, der von 2. Juni 1932 bis zu seinem Tode am 29. Januar 1941 Reichsjustizministers war.

Tötungsanstalten der Aktion T4

Im Gebiet des Deutschen Reiches wurden zwischen 1939 und 1941 sechs T4-Tötungsanstalten errichtet:

T4-Tötungsanstalt Ort Heutiges Bundesland Zeitraum
Grafeneck bei Münsingen Baden-Württemberg 20. Januar 1940 - Dezember 1940
Brandenburg Brandenburg Brandenburg 8. Februar 1940 - Oktober 1940
Hartheim Alkoven bei Linz Oberösterreich 6. Mai 1940 - Dezember 1944
Sonnenstein Pirna Sachsen Juni 1940 - September 1942
Bernburg Bernburg Sachsen-Anhalt 21. November 1940 - 30. Juli 1943
Hadamar Hadamar Hessen Januar 1941 - 31. Juli 1942

In den von Deutschland annektierten Gebieten Nord- und Westpolens (Reichsgaue Danzig-Westpreußen und Wartheland) gab es weitere Tötungsanstalten, die aber zunächst nicht der T4 unterstanden.

Opferzahlen der T4-Tötungsanstalten 1940-1941

Eine erhalten gebliebene interne T4-Statistik überliefert die genauen Zahlen der in den sechs "Anstalten" 1940 und 1941 bis zum 1. September 1941 "desinfizierten" (vergasten) Menschen:

Anstalt 1940 1941 Summe
A (Grafeneck) 9.839 - 9.839
B (Brandenburg) 9.772 - 9.772
Be (Bernburg) - 8.601 8.601
C (Linz) 9.670 8.599 18.269
D (Sonnenstein) 5.943 7.777 13.720
E (Hadamar) - 10.072 10.072
35.224 35.049 70.273

(Quelle: Hartheimer Statistik, gedr. in: Ernst Klee, Dokumente, Dok. 87, S. 232)

Literatur

  • Ernst Klee: "Euthanasie" im NS-Staat. Die "Vernichtung lebensunwerten Lebens". S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3100393031. - Bis heute Standardwerk.
  • Ernst Klee (Hg.): Dokumente zur "Euthanasie". Fischer Taschenbuch Verlag Nr. 4327, Frankfurt am Main 1985, ISBN 3596243270. - Gute Dokumentensammlung.
  • Götz Aly (Hg.): Aktion T4 1939-1945. Die "Euthanasie"-Zentrale in der Tiergartenstraße 4. Edition Hentrich, 2. erweiterte Auflage, Berlin 1989, ISBN 3926175664. - Sammlung einzelner kürzerer Aufsätze mit vielen Abbildungen.
  • Henry Friedlander: Der Weg zum NS-Genozid. Von der Euthanasie zur Endlösung. Berlin Verlag, Berlin 2002, ISBN 3827002656. - Ergänzung zu Klee. Gestützt im wesentlichen auf Akten von Ermittlungsverfahren und Prozessen, wird der untrennbare Zusammenhang zwischen dem Krankenmord und dem Mord an den Juden in der "Aktion Reinhardt" systematisch herausgearbeitet.
  • Prof. Dr. F. K. Kaul: Nazimordaktion T4. Ein Bericht über die erste industriemäßig durchgeführte Mordaktion des Naziregimes, VEB Verlag Volk und Gesundheit, Berlin 1973. - Der ehemalige "Staranwalt" der DDR, Friedrich Karl Kaul, trat in mehreren Prozessen in der Bundesrepublik Deutschland als Nebenkläger auf. Sein überwiegend nüchtern gehaltenes Buch stützt sich vor allem auf die sehr umfangreichen Akten des Frankfurter Verfahrens gegen Prof. Werner Heyde und andere, aber auch auf hier weitgehend unbekannt gebliebene DDR-Verfahren.

siehe auch: Rassenhygiene, 2.3.5.2 Die Aktion T4, Artikel Großschweidnitz mit Daten zu den Tötungen im dortigen Psychiatrischen Krankenhaus.