Gemischte Stimme

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Eine gemischte Stimme ist ein Orgelregister, dass aus mehr als einer Pfeifenreihe aufgebaut ist. Bei ihm klingen zu jeder Taste zwei oder mehr Pfeifen gleichzeitig.

Zu den gemischen Stimmen zählen so wohl die Klangkronen, die die letzte, höchste Schicht im auf den Prinzipalen aufbauenden Labialplenum bilden und für den typischen strahlenden Klang der Orgel unentbehrlich sind, als auch die gemischten Aliquotregister.

Klangkronen

 
Frequenzspektrum einer Barockorgel

Klangkronen oder Mixturen enthalten meist nur Oktav- und Quintchöre aber auch Terzen. Je nach auftreten der Terz werden sie in zwei Gruppen eingeteilt:

  • „silberfarbener“ Klang: Klangkronen enthalten nur Oktaven und Quinten.
  • „goldfarbener“ Klang: Klangkronen enthalten neben Oktaven und Quinten auch eine Terz.

Letztere werden auch Terzmixtur oder Terzzimbel genannt. In modernen Orgeln finden sich auch Klangkronen, die z. B. auch noch einen Septimenchor enthalten (Terzseptzimbel).

Die meisten Klangkronen sind repetierende Stimmen. Zu den Klangkronen gehören die Register Mixtur, Scharff, Zimbel und Hintersatz. Klangkronen im Pedal repetieren in der Regel nicht.

Beispiel für eine repitierende Mixtur 3-4fach 11/3':

C-H: 11/3' + 1' + 2/3'
c-h: 2' + 11/3' + 1' + 2/3'
c1-h1: 22/3' + 2' + 11/3' + 1'
c2-h2: 4' + 22/3' + 2' + 11/3'
ab c3: 4' + 4' + 22/3' + 2'

Die Repetition erfolgt hier zwischen den Tönen h und c. Gibt es in einer Orgel mehrere Klangkronen, so wird die Repetition üblicherweise an verschiedenen Stellen durchgeführt, um möglichst unauffällige Wechsel zu erreichen.

Die Register Scharff und Zimbel sind im Prinzip ähnlich aufgebaut, nur aus höherliegenden Chören. Ihr Klang ist daher schärfer und heller, die Zahl der Chöre jedoch meist geringer. In der Romantik war es teilweise üblich, eine terzhaltige Klangkrone als „Scharf“ zu bezeichnen. Der Hintersatz ist eine nicht repetierende Mixtur, die nur Quint- und Oktavchöre enthält und meist im Pedal steht.

Die Zahl der Chöre ist recht variabel. Bei vielchörigen Mixturen werden häufig auch Chöre verdoppelt. Das heißt, es gibt zwei Chöre in gleicher Lage, siehe im Beispiel oben die beiden 4'-Chöre ab c3. Drei- oder gar vierfach besetzte Chöre kommen nur bei sehr großen Orgeln vor. In spanischen Orgeln sind derartige Mixturen (span.: „lleno“) häufig anzutreffen. In kleineren Orgeln oder wenn aus klanglichen Gründen nur je eine Pfeife pro Ton gewünscht wird, liegt die Chorzahl bei der Mixtur meist zwischen drei und sechs, wobei nach der Höhe hin die Chorzahl oft um ein bis zwei Chöre zunimmt. Das Scharff enthält meist drei bis vier Chöre, die Zimbel enthält meist ein bis drei Chöre, die Terzzimbel in der Regel drei Chöre (Terz, Quinte und Oktave).

Ein Register, für das die Zunahme der Chorzahl charakteristisch ist, ist die Progressivharmonika oder kurz Progressio. Solch ein Register kann durchaus auch 1-8fach sein. Durch die starke Betonung der Diskantlage, eignet es sich für besondere Klangeffekte und auch zur Betonung einer Melodie in der Oberstimme.

Gemischte Aliquotregister

Kornett

Das Kornett (frz., engl.: Cornet, span.: Corneta) ist ein immer terzhaltiges Orgelregister.

Auftreten

Das Kornett ist meist nur für die Diskanthälfte des Manuals verfügbar. Die Mensur reicht von sehr weit (Frankreich) bis prinzipalartig (Spanien). Es dient einerseits der Verstärkung der Zungenregister in den hohen Lagen, wobei dies auch stilistisch bedingt ist. In Frankreich ist es normal (Grand jeux: Trompette 8' + Clairon 4' + Cornet 8' 5fach), in Spanien hingegen unüblich. Andererseits dient es als Soloregister. Mögliche Ausführungen sind:

3fach: 22/3' + 2' + 13/5'
4fach: 4' + 22/3' + 2' + 13/5'
5fach: 8' + 4' + 22/3' + 2' + 13/5' (die häufigste Ausführung)
6fach: 8' + 4' + 22/3' + 2' + 13/5' + 11/3' (häufig in spanischen Orgeln)

Die einzelnen Pfeifenreihen des französischen Kornetts heißen Bourdon (8', gedeckt mit Röhrchen), Prestant (4'), Nasard (22/3'), Quarte de Nasard (Quarte über Nasard = 2') und Tierce (13/5').

Die Kornette der französischen Orgel haben verschiedene Namen und Verwendungszwecke:

  • Das Grand Cornet auf dem Hauptwerk ist weiter mensuriert als die anderen, ist in der Regel ab c1 gebaut (2 Oktaven) und dient zur Verstärkung des schwächer werdenden Diskant der Zungen im Grand Jeux. Im unteren Bereich wird dieses Cornett etwas schwächer intoniert sein, damit der Übergang fließend ist.
  • Das Cornet auf dem Positiv dient ebenfalls zur Unterstützung der Positivzungen und wird üblicherweise auch nur gebaut, wenn solche vorhanden sind. Es gleicht dem auf dem Hauptwerk, nur ist es insgesamt etwas enger mensuriert.
  • Das Cornet de Recit ist ein Soloregister und auf dem dritten oder vierten Manual beheimatet. Es hat einen größeren Umfang (ab F oder mindestens G), und ist durchgängig kräftig intoniert (also im Bass stärker).
  • Das Cornet d'Écho ähnelt dem des Recit, es steht im Echowerk oder einzeln, meistens in einem Holzkasten, damit es leiser ist.

Obige Einteilung gilt für große Orgeln. In kleinen Instrumenten steht meist nur ein Cornet 8' 5f. im Hauptwerk (nur Diskant). Im zweiten Manualwerk besteht in der Regel die Möglichkeit, eine Kornettmischung aus Einzelregistern zusammen zu stellen.

Besondere Ausführungen

Aufgebänkt nennt man ein Kornett, das erhöht und hinter dem Prospekt steht, um so direkter zu klingen und ist in französischen Orgel üblich.

Das Septimenkornett ist ein Kornett mit zusätzlichem Septimenchor 11/7' und wird dann normalerweise 7fach mit 8' + 4' + 22/3' + 2' + 13/5' + 11/3' + 11/7' ausgeführt.

Das Echokornett ist ein meist wenigchöriges Kornett, welches in einem Kasten mit oder ohne Schweller untergebracht ist. Fehlende Chöre zu 8' und 4' sind dann als einzelne Register ebenfalls in dem Kasten vorhanden. Es wird meist alternierend mit dem Kornett benutzt, wobei kurze Melodiephrasen erst auf dem Kornett gespielt und dann in zum Teil verkürzter Form auf dem Echokornett (auf 8'-Basis, gegebenenfalls ergänzt mit 8'- und 4'-Register) wiederholt werden, um eine Echowirkung zu erzeugen.

Nasardos ist in spanischen Orgeln ein kornettähnliches, immer terzhaltiges Register nur für die Basshälfte des Manuals. Für die Diskanthälfte des selben Manuals ist dann immer mindestens ein Corneta vorhanden. Corneta de 26 ist in spanischen Orgeln ein Kornett auf 16'-Basis für die Diskanthälfte des Manuals. Es enthält mindestens Chöre zu 16', 8', 51/3', 4' und 31/5', dazu gegebenenfalls noch höhere Chöre.

Cornet decompose nennt man ein Kornett, das in einzelne Register aufgetrennt ist, die sich gleichzeitig gezogen zu einem Kornett zusammenfügen.

Der Basszink (auch Basssesquialtera) ist ein kornettartiges Register Pedal:

2fach: 51/3' + 31/5'
3fach: 51/3' + 31/5' + 22/7'

Das Kornett oder Zink ist eine Trompete 2' oder 1' im Pedalwerk und ein Zungenregister. Es hat mit dem oben beschriebenen Kornett nur den Namen gemein.

Sesquialter

Die Mensur des Sesquialter (auch Sesquialtera) ist meist prinzipalartig, weitere Mensuren kommen aber auch vor. Es wird meistens zweichörig aus Quinte und Terz gebaut als Sesquialter 2fach. (22/3' + 13/5'). Die Sesquialter reduziert in der großen Oktave oft zu 11/3' + 4/5'. Vor allem in kleinen Orgeln ist das Register oft nur als halbes Register für die Diskanthälfte des Manuals vorhanden.

Sesquialter 3fach gibt es entweder in der Zusammensetzung 22/3' + 2' + 13/5' oder 22/3' + 13/5' + 11/7'.

Herkunft des Wortes

Der Name rührt nicht, wie manchmal irrtümlich behauptet, von dem Sextintervall zwischen den beiden Chören her, sondern von dem lateinischen Wort für „anderthalb“ (sesquialter, -altera, -alterum) und bezeichnet demnach ursprünglich nur die Quinte (das Saitenlängenverhältnis 3:2 auf dem Monochord) und nicht die Terz (5:4), die Sesquiquarta hieße, eine allerdings ungebräuchliche Bezeichnung. So heißt es in der für das Mittelalter maßgeblichen Musiktheorie von Boëthius in Buch 1, Kapitel 4:

„Secundum vero inaequalitatis genus est quod appellatur superparticulare, id est cum major numerus minorem numerum habet in se totum, et unam ejus aliquam partem, eamque vel dimidiam, ut tres duorum, et vocatur sesquialtera proportio, vel tertiam, ut quatuor ad tres, et vocatur sesquitertia.“
Übersetzung: Die zweite Art der Ungleichheit ist die, die als überteilig bezeichnet wird, das heißt, wenn die größere Zahl die kleinere voll in sich begreift und einen gewissen Teil von ihr, und zwar entweder die Hälfte, wie drei zu zwei, und dieses Verhältnis wird Sesquialtera genannt, oder ein Drittel, wie vier zu drei, und dieses wird Sesquitertia genannt.

Die Tradition, das Register aus Quinte und Terz im Sextverhältnis zusammenzusetzen, ist also vermutlich neuer als der Name der Registers.

Terzian

Die Mensur des Terzian (auch Tertian) ist meist prinzipalartig, weitere Mensuren kommen aber auch vor. Das Register wird zweichörig aus Terz und darüber liegender Quinte gebaut als Terzian 2fach. (13/5' + 11/3'). Der Terzian reduziert in der großen Oktave oft zu 4/5' + 2/3'. Seltener ist die Bauform mit 31/5' + 22/3'.

Tolosana

Die Tolosana ist in spanischen Orgeln ein Register nur für die Diskanthälfte des Manuals und wird zweichörig aus Terz und Quinte gebaut. Die häufigste Bauform ist 2fach mit 31/5' + 22/3'. Seltener ist die Bauform mit 51/3' + 31/5'.

Literatur

  • Dom Bedos: Die Kunst des Orgelbauers (L'art du facteur d'orgues). Orgelbau-Fachverlag, 1977.
  • Rudolf Reuter: Orgeln in Spanien. Bärenreiter, Kassel 1986

Siehe auch