Die Villa Romana del Casale ist eine spätrömische Villa in der Nähe der Stadt Piazza Armerina in der Provinz Enna auf Sizilien Sie wird oft auch einfach als Villa del Casale oder Villa von Piazza Armerina bezeichnet. Die Villa ist ein wichtiges Denkmal des römischen Siziliens und berühmt für ihre Bodenmosaiken.

1997 wurde die Villa Romana del Casale von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt mit der Begründung, „dass die Villa del Casale bei Piazza Armerina das hervorragendste Beispiel einer römischen Luxusvilla ist, das bildlich die vorherrschende soziale und ökonomische Struktur ihrer Zeit veranschaulicht. Die Mosaiken, mit denen sie dekoriert ist, sind außergewöhnlich in ihrer künstlerischer Qualität und ihrem Erfindungsreichtum sowie in ihrer Menge.“ [1]
Überblick
Die Entdeckung der Villa geht auf Gino Vinicio Gentili zurück, der 1950 auf Hinweis Einheimischer den Ort erkundete. Gestützt auf den Stil der Mosaiken datierte er die Bauzeit des prächtigen Gebäudes, der auf einen älteren Bauernhof zurückgeht, zuerst auf die zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts n. Chr. Später schrieb er sie der Zeit der Tetrarchie zu. Neuere wissenschaftliche Untersuchungen datieren zumindest die geometrischen Mosaiken in die 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts.
Die Reste der Villa lassen sich in vier getrennte, aber aneinander angrenzende Bereiche verschiedener Orientierung einteilen (siehe auch den Lageplan auf der offiziellen Webseite):
- monumentaler Eingang mit drei Bögen und einem mehreckigen Hof;
- zentraler Bereich der Villa, der um einen rechteckigen Peristylhof mit Garten und einem Wasserbecken in der Mitte ausgerichtet ist;
- großes Triclinium, vor dem sich ein ovales Peristyl befindet, das von einer weiteren Gruppe von Räumen umgeben ist;
- Thermenanlage mit Zugang von der Nordostecke des rechteckigen Peristyls aus.
Der Boden vieler Räume des Anwesens ist mit Mosaiken aus farbigen Tesserae bedeckt, die insgesamt eine Fläche von ca. 3.000 m² bedecken. Die stilistischen Unterschiede zwischen den Mosaiken der verschiedenen Bereiche sind sehr gut sichtbar. Dies weist jedoch nicht auf eine Ausführung in verschiedenen Epochen hin, sondern auf verschiedene Werkstätten, die unterschiedliche "Modellalben" verwendeten.
Jeder der vier Bereiche der Villa verfügt über eine eigene Richtungsachse, die jedoch alle im Zentrum des Wasserbeckens des rechteckigen Peristyls zusammenlaufen. Trotz der offensichtlichen Asymmetrien im Grundriss ist die Villa das Ergebnis eines organischen und einheitlichen Projekts, das ausgehend von geläufigen Modellen des privaten Wohnungsbaus jener Zeit (Villa mit Peristyl, Aula mit Absiden und dreischiffigem Saal), eine Reihe von Veränderungen einführte, um dem gesamten Komplex sowohl Originalität als auch beeindruckende Monumentalität zu verleihen. Die Einheit der Bausubstanz wird auch durch die durchdachte Wegführung und die Unterteilung in öffentliche und private Teile bezeugt.
Die Bautätigkeit wurde zuerst auf einen Zeitraum von fünfzig bis achtzig Jahren angegeben und dann auf etwa fünf bis zehn Jahre reduziert. Heute tendiert man eher dazu, einer kurzen Bauzeit Glauben zu schenken.
Geschichtlicher Hintergrund
Während der ersten beiden Jahrhunderte des römischen Kaiserzeit hatte Sizilien unter einer Phase der Depression gelitten, hervorgerufen durch das Produktionssystem der Latifundien, das auf Sklavenarbeit basierte. Das Leben in der Stadt befand sich im Niedergang, das Land war verlassen und die reichen Eigentümer wohnten nicht bei ihrem Besitz, wie das Fehlen von Wohnungsresten anzuzeigen scheint. Für das ländliche Sizilien brach zu Beginn des vierten Jahrhunderts eine neue Zeit des Wohlstands an. Handelsposten und Bauernsiedlungen erreichten den Höhepunkt ihrer Ausdehnung und ihrer Aktivität. Ein offensichtlicher Hinweis auf Veränderung ist die Verleihung eines neuen Titels an den Statthalter der Insel, der statt corrector nun consularis hieß.
Der steigenden Wohlstand war einerseits durch die wieder zunehmende Bedeutung der Provinzen Africas und Tripolitaniens für Getreidelieferungen nach Italien bedingt. Sizilien nahm in der Folge eine zentrale Rolle auf den neuen Handelsrouten zwischen den beiden Kontinenten ein. Andererseits begannen die wohlhabenderen Schichten, also die Ritter (Equites) und Senatoren, das Leben in der Stadt hinter sich zu lassen und sich auf die eigenen Besitzungen auf dem Land zurückzuziehen. So kümmerten sich die Eigentümer wieder selbst um ihre Ländereien, die nicht mehr von Sklaven, sondern von Kolonen bebaut werden. Ansehnliche Geldsummen wurden aufgewendet, um die außerstädtischen Residenzen oder Villen zu vergrößern, zu verschönern und komfortabler auszustatten. Unter diesen seien außer der Villa del Casale die Villa Romana del Tellaro, die Villa Romana di San Biagio und die Villa Romana di Patti erwähnt.
Vermeintlicher Besitzer
Die Identifikation des Erbauers und Besitzers wurde lange diskutiert und viele verschiedene Hypothesen wurden formuliert. Nach einer ersten Hypothese sei der Besitzer der Villa tatsächlich Maximian (ab 285 n. Chr. Caesar im Westen, 286–305 Augustus) gewesen, der sich nach seiner Abdankung hierher zurückgezogen habe. Die darauf folgenden historischen Studien haben jedoch gezeigt, dass Maximian seine letzten Jahre in Kampanien und nicht in Sizilien verbracht habe. In jüngerer Zeit wurde Maxentius (305-312 n.Chr.), der Sohn Maximians, als Besitzer vermutet.
Es ist aber nicht zwingend, in der Villa von Piazza Armerina eine Kaiserresidenz zu sehen. In den letzten Jahren haben Ausgrabungen gezeigt, dass der Besitz solch beeindruckender Wohnungen mit besonders repräsentativem Charakter ein weit verbreitetes Phänomen und in der römischen Aristokratie nichts Besonderes war. Außerdem deutet die Interpretation der Themen der Mosaiken auf die aristokratische römische Gesellschaft des beginnenden vierten Jahrunderts, auf die heidnische Religion, auf Verbindungen zur Tradition der Senatoren und bezieht Stellung gegen die Politik Konstantins.
Die Hypothese, der momentan am meisten Glauben geschenkt wird identifiziert den Besitzer mit einer angesehenen Person der konstantinischen Ära, Lucius Aradius Valerius Proculus Populonius, Gouverneur Siziliens von 327 und 331 und Konsul im Jahre 340. Die Spiele, die er 320 in Rom organisiert hatte, während er das Amt des Prätors bekleidete, waren so eindrucksvoll, dass ihre Berühmtheit lange andauerte. Vielleicht sollten die Darstellungen in einigen Mosaiken der Villa (die „große Jagd“ im Korridor und die „Zirkusspiele“ im Gymnasium der Thermen) an dieses Ereignis erinnern.
Detaillierte Beschreibung
Monumentaler Eingang und Vestibül
Der Zugang zum Anwesen erfolgte über einen Gang mit drei Bögen, der mit Springbrunnen und Malereien militärischen Charakters dekoriert war, was sehr an einen Triumphbogen erinnert.
Der hufeisenförmige Hof ist mit Marmorsäulen mit ionischen Kapitellen umgeben, in der Mitte befinden sich die Reste eines quadratischen Springbrunnens. Von der ursprünglichen Gestaltung des Fußbodens findet sich am nördlichen Rand noch ein Rest eines zweifarbigen Mosaiks in Schuppenmusterung.
Vom Eingang führen einige Stufen zum Vestibül: In der Mitte eines geometrisch gemusterten Fußbodens befindet sich eine teilweise erhaltene Ankunftsszene in zwei Registern. Im oberen scheint ein Mann mit Blätterkrone auf dem Kopf und einem Kerzenständer in seiner rechten Hand, flankiert von zwei jungen Mänern mit Zweigen in den Händen die Ankunft eines wichtigen Gastes zu erwarten. Im unteren Register rezitieren oder singen einige Jungen mit offenen Schreibtafeln (Diptychon) in den Händen. Wissenschaftler haben darin eine religiöse Szene oder eine festliche Begrüßung für den Einzug des Besitzers in sein Haus gesehen.
Rechteckiges Peristyl
Vom Vestibül gelangt man in das Peristyl: Das Mosaik stellt hier eine Reihe von Lorbeergirlanden dar, die Tierköpfe vieler verschiedener Arten umschließen (Katzen, Antilopen, Stiere, wilde Ziegen, Pferde, Hirsche, Wildesel, Steinböcke, ein Elefant und ein Strauß). Die Ausrichtung der Köpfe wechselt an zwei Stellen: Zum Eingang vom Verstibül hin und zu Füßen der Zugangstreppe des Saals mit der Apsis an der östlichen Seite. Diese Wechsel hatten wahrscheinlich den Zweck, die beiden Wegführungen im Inneren des Gebäudes hervorzuheben: Die private, links vom Eingang, der zu den Räumen des nördlichen Bereichs führte und die öffentliche, die zum Saal mit der Apsis an der östlichen Seite und in den Bereich des Trikliniums mit dem ovalen Peristyl führte.
Räume an der Nordseite des großen Peristyls
Entlang der nördlichen Seite des Peristyls befinde sich Räume für verschiedene Zwecke. Zuerst drei Diensträume, die als Küche dienten und dahinter zwei weitere, die zum nahe gelegenen Appartment der Herrschaften gehörten. Sie haben Fußböden mit Mosaiken geometrischen Musters. Die Gestaltungsschemata finde sich im Repertoire nordafrikanischer Mosaiken wieder: Man vermutet, dass diese in der Villa verwendeten Muster in Rom oder Italien entwickelt wurden und danach nach Afrika gelangten oder aber, dass sie sie von nordafrikanischen Künstlern zwischen dem ausgehenden zweiten und den Anfängen des dritten Jahrhunderts entwickelt wurden.
Die folgenden beiden Räume, die sich in diesem Arm des Peristyls befinden und deren Wände bemalt sind, waren wahrscheinlich Schlafzimmer (cubicula), mit den dazugehörigen Vorzimmern. In einem der Räume sind auf dem Mosaikfußboden sechs Personenpaare dargestellt, die sich in zwei Registern gegenüberstehen. Die Interpretation ist unklar: Manche sahen hier die Episode einer Entführung, vielleicht den Raub der Sabinerinnen während andere, wegen der fehlenden Darstellung von Gewalt und von Überlegenheit der männlichen Figuren hier vielmehr die Darstellung eines bäuerlichen Tanzes anlässlich des Frühlingsfests zu Ehren der Göttin Ceres sehen. Die Gestaltung der Köpfe, der Kleidung un des Schmucks sind entsprechend der Kunst der Spätantike sehr detailreich. Die Figuren werden in Frontalansicht dargestellt, die Bewegung wird nur durch die wehenden Kleider suggeriert. Die Linie, auf der die oberen Figuren stehen, stellt den Schatten dar.
Das zweite Schlafzimmer schmückt ein Bodenmoasik mit fischenden Eroten, mit reich ausgeschmückten Kähnen und Kleidern. Die Eroten tragen auf der Stirn ein V-förmiges Zeichen ungewisser Deutung, das wir auch in nordafrikanischen Mosaiken des vierten Jahrhunderts wiederfinden. Das Erotenthema wiederholen sich mehrmals in den Räumen der Villa ebenso wie das Motiv der am See liegenden Landhäuser im Hintergrund, der Erote, der den Korb Fische ausleert und der andere, der einen Fisch mit einem Dreizack bedroht.
Der nächste Raum, der sich auf der Nordseite des Peristyls befindet war vielleicht ein Winterspeisesaal (coenatio). Dieser Raum hat größere Maße als die anderen, verfügt über einen Eingang mit zwei Säulen und enthält das Bodenmosaik der "Kleinen Jagd". Es werden zwölf Szenen in vier Registern dargestellt:
- Im obersten Register verfolgt ein Jäger mit seinen Hunden einen Fuchs;
- darunter befindet sich eine Opferszene für Diana zwischen zwei Männern, die ein an einer Stange festgebundenes Wildschwein auf den Schultern tragen und einem dritten, der eine Ziege trägt;
- im dritten Register zwei Männer, die Geflügel im Geäst eines Baums beobachten, daneben eine große Szene mit einem Bankett des Besitzers mit seinen Pagen im Wald und einem Jäger, der eine Ziege mit einem venabulum bedroht.
- unten der Fang dreier Hirsche mit einem Netz und die dramatische Szene eines Wildschweins, das einen Mann in einem Sumpf verletzt hat. Erwähnenswert sind zwei Sklaven, die hinter einem Stein versteckt sind: Einer versucht, das Tier mit einem Stein zu treffen, der andere hält sich vor Angst die Hand vor die Stirn.
Diese Darstellungen sind getreue Darstellung der Jagd (venatio), die sicherlich Teil des täglichen Lebens des Hausherrn waren. Das Opfer für Diana, die für einen guten Ausgang der Jagd zuständig war, ruft die Opferszene des Hadrian auf dem Konstantinsbogen in Erinnerng. Die Zusammensetzung der Darstellung ist jedoch typisch für die Spätantike: der Opfernde und die Helfer sind in Frontalansicht dargestellt, die Äste der Bäume befinden sich symmetrisch zu beiden Seiten der Szene und ein Zelt (velarium) erzeugt einen Raum des Respekts für die Hauptperson. Ihre Funktion ist analog zum Ziborium der frühchristlichen Kirchen. Die Jagdszene entstammt dem für den gesamten westlichen Mittelmeerraum typischen Repertoire, die sich um die Zentralepisoden des Opfers und des Banketts ordentlich und symmetrisch anordnen. Die Zusammensetzung scheint dem nordafrikanischen Repertoire zu entstammen. Es finden sich Ähnlichkeiten zum Mosaikstil des "Haus der Pferde" in Karthago und wegen der kompositorischen und ikonografischen Eigenschaften zu einer Villa in Hippo: Es ist möglich, dass die Mosaiklegemeister aus der römischen Provinz Africa proconsularis, vielleicht aus Karthago stammten.
Weitere Detailbeschreibungen sind in Vorbereitung, siehe Benutzer:Gnom/Baustellen/Villa Romana del Casale
Literatur
- Petra C. Baum-vom Felde, Die geometrischen Mosaiken der Villa bei Piazza Armerina, Hamburg 2003, ISBN 3-8300-0940-2
- Brigit Carnabuci: Sizilien – Kunstreiseführer, DuMont Buchverlag, Köln 1998, ISBN 3-7701-4385-X.
- R. J. A. Wilson: Piazza Armerina, Granada Verlag: London 1983, ISBN 0-246-11396-0.
- A. Carandini - A. Ricci - M. de Vos, Filosofiana, The villa of Piazza Armerina. The image of a Roman aristocrat at the time of Constantine, Palermo 1982.
- S. Settis, Per l'interpretazione di Piazza Armerina, in Mélanges de l'Ecole Française de Rome. Antiquité 87, 1975, 2, pp. 873-994.
- Biagio Pace, I mosaici di Piazza Armerina. Gherardo Casini Editore, Roma 1955
Einzelnachweise
Weblinks
- Offizielle Seite (auf Italienisch) mit Lageplan
- Seite der UNESCO (auf Englisch)
- Princeton Encyclopedia of Classical Sites, mit Photos (auf Englisch)