Mittelbare Falschbeurkundung

Straftatbestand in Deutschland
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Die mittelbare Falschbeurkundung ist ein strafbewehrter Tatbestand nach dem deutschen Strafrecht. Er ist in § 271 StGB geregelt. Systematisch liegt er im Bereich der Urkundendelikte. Die Vorschrift schützt den Rechtsverkehr nicht vor unechten, sondern vor echten und damit erhöht beweiskräftigen, aber inhaltlich unwahren öffentlichen Urkunden. Zugleich wird die Funktionsfähigkeit der Beurkundungsorgane geschützt.

Normierung und Schutzzweck

§ 271 StGB lautet seit seiner letzten Änderung vom 1. April 1998[1] wie folgt:

(1) Wer bewirkt, daß Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, welche für Rechte oder Rechtsverhältnisse von Erheblichkeit sind, in öffentlichen Urkunden, Büchern, Dateien oder Registern als abgegeben oder geschehen beurkundet oder gespeichert werden, während sie überhaupt nicht oder in anderer Weise oder von einer Person in einer ihr nicht zustehenden Eigenschaft oder von einer anderen Person abgegeben oder geschehen sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine falsche Beurkundung oder Datenspeicherung der in Absatz 1 bezeichneten Art zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern oder eine andere Person zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Der Versuch ist strafbar.

Anders als die meisten anderen Urkundsdelikte schützt § 271 StGB die inhaltliche Richtigkeit von Urkunden.[2] Die Vorschrift steht in einem engen sachlichen Zusammenhang mit § 348 StGB. Hiernach macht sich ein Amtsträger strafbar, der bewusst eine inhaltlich unwahre öffentliche Urkunde herstellt. Weil Täter des § 348 StGB ausschließlich ein Amtsträger sein kann, kann sich eine Person, welche die Erstellung der falschen Urkunde durch einen bösgläubigen Amtsträger veranlasst, ohne Amtsträger zu sein, lediglich wegen Teilnahme (Anstiftung oder Beihilfe) strafbar machen, wobei die Strafe gemäß § 28 Abs. 1 StGB zu mildern ist. Handelt ein Amtsträger im Falle einer falschen öffentlichen Beurkundung nach § 348 StGB unvorsätzlich, ginge ein die Beurkundung veranlassender Dritter schon deshalb straffrei aus, weil es für eine Anstiftung nach § 26 StGB an einer Haupttat fehlen würde (limitierte Akzessorietät). Eine mittelbare Täterschaft nach § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB scheitert an der fehlenden Amtsträgerschaft des Dritten. In solchen Situationen ist § 271 StGB möglicherweise erfüllt.

Entstehungsgeschichte

Der Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung ist im Strafgesetzbuch bereits seit dessen Inkrafttreten am 1. Januar 1872 enthalten. Bereits damals wies der Tatbestand im Wesentlichen die heutige Form auf. Er lautete ursprünglich:

Wer vorsätzlich bewirkt, daß Erklärungen, Verhandlungen oder Thatsachen, welche für Rechte oder Rechtsverhältnisse von Erheblichkeit sind, in öffentlichen Urkunden, Büchern oder Registern als abgegeben oder geschehen beurkundet werden, während sie überhaupt nicht oder in anderer Weise oder von einer Person in einer ihr nicht zustehenden Eigenschaft oder von einer anderen Person abgegeben oder geschehen sind, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundert Thalern bestraft.

Mit Wirkung zum 20. März 1876 wurde die Höhe der Geldstrafe zu 300 Mark geändert.[3] Das Erste Strafrechtsreformgesetz ergänzte die Norm mit Wirkung zum 1. April 1970 um eine Versuchsstrafbarkeit.[4] Eine größere Überarbeitung erfuhr die Norm durch das zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität. Dieses erweiterte den Anwendungsbereich des Tatbestand Wirkung zum 1. August 1986 auf Erklärungen, die in Dateien gespeichert werden.[5] Hierdurch wollte der Gesetzgeber dem Umstand gerecht werden, dass rechtserhebliche Erklärungen in zunehmendem Maß in digitaler Form verbreitet werden, die mangels Körperlichkeit nicht vom strafrechtlichen Urkundenbegriff erfasst wird.[6]

Seine bislang letzte Veränderung erfuhr § 271 StGB durch das sechste Strafrechtsreformgesetz, das insbesondere der Bekämpfung der organisierten Kriminalität diente. Dieses ergänzte die Vorschrift mit Wirkung zum 1. April 1998 um eine neue Begehungsform, das Gebrauchen einer unwahren Urkunde oder Datenspeicherung (Abs. 2), sowie um eine Qualifikation (Abs. 3) für das Handeln in Bereicherungsabsicht.[1]

Tatobjekte

Tatobjekt ist eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 ZPO, also eine Urkunde, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb ihrer Amtsbefugnisse, im Rahmen ihrer Zuständigkeit errichtet worden ist und damit Beweiskraft gegenüber jedermann erbringen kann. Diese Urkunde muss unwahr sein, also Umstände aufzeichnen, die nicht so geschehen sind. Dabei muss sich die erhöhte Beweiskraft der öffentlichen Urkunde auch auf diesen unwahren Umstand beziehen. Welche Angaben dies im Einzelnen sind, ist, wenn es an einer ausdrücklichen Vorschrift fehlt, den gesetzlichen Bestimmungen zu entnehmen, die für die Errichtung und den Zweck der Urkunde maßgeblich sind.[7]

Die Bescheinigung einer Duldung nach § 60 a Abs. 4 AufenthG ist hinsichtlich der Personalangaben jedenfalls dann keine öffentliche Urkunde im Sinne des § 271 StGB, wenn die Verwaltungsbehörde den Hinweis in die Urkunde aufnimmt, dass die Personalangaben auf den eigenen Angaben des Ausländers beruhen.[8]

Tathandlungen

Der Täter muss irgendwie bewirken, dass die Urkunde unwahr erzeugt wird. Jedoch sind Handlungen, welche eine Beteiligung (Beihilfe, Anstiftung) am Delikt des § 348 darstellen, nicht umfasst, da diese schon durch die Beteiligungsstrafbarkeit erfasst werden. Ebenfalls nicht erfasst ist der Fall, dass durch Täuschung eine Tatsache eintritt, die dann als geschehen beurkundet wird.[9]

Subjektiver Tatbestand

Im subjektiven Tatbestand reicht bedingter Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale aus, jedoch muss der Täter den Willen haben, den Rechtsverkehr täuschen zu wollen.

Literatur

  • Anne-Mone Winter: Die grundlegenden Probleme der Falschbeurkundungstatbestände der §§ 271, 348 StGB, insbesondere die besondere Beweiskraft und der Inhalt öffentlicher Urkunden. Shaker Verlag, Aachen 2004, ISBN 3-8322-2798-9.

Einzelnachweise

  1. a b BGBl. 1998 I S. 164.
  2. BGH, Urteil vom 16.4.1996 - Az. 1 StR 127/96 = Neue Juristische Wochenschrift 1996, S. 2170.
  3. RGBl. 1876, S. 25.
  4. BGBl. 1969 I S. 645.
  5. BGBl. I S. 721.
  6. BT-Drs. 10/318, S. 34.
  7. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 156/08
  8. Magdalena Dollinger: Erschleichen einer Duldungsbescheinigung und Hilfeleistung zum unerlaubten Aufenthalt (Memento des Originals vom 15. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kanzlei-dollinger.de zu BGH - 5 StR 266/09, NJW 2010, 248
  9. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. Januar 2012 - Az. 3 (4) Ss 561/11; 3 (4) Ss 561/11 - AK 238/11