Nachbarrecht

Rechtsnormen des Sachenrechts
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Das Nachbarrecht ist ein Rechtsgebiet des Sachenrechts, das die Rechtsbeziehungen zwischen Nachbarn und/oder Dritten regelt.

Allgemeines

Durch Nachbarschaft treffen häufig unterschiedliche Interessen der Nachbarn aufeinander, die durch Rechtsnormen zum Ausgleich gebracht werden sollen. Diese Rechtsnormen regeln das nachbarschaftliche Zusammenleben und sollen sicherstellen, dass jeder Nachbar sein Verhalten am Nachbarrecht ausrichtet. Das grundsätzliche Recht des Grundstückseigentümers, mit seinen Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten nach Belieben zu verfahren und jeden Nachbarn oder Dritten von jeder Einwirkung auszuschließen, wird mit Rücksicht auf die benachbarte Lage und die hieraus resultierenden unvermeidlichen wechselseitigen Beeinträchtigungen eingeschränkt.

Ausgangspunkt ist § 903 BGB. Hiernach kann der Eigentümer einer Sache mit dieser nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung auf sein Eigentum ausschließen, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Diese Einschränkung des letzten Halbsatzes ebnet den Weg für den Gesetzgeber, nachbarrechtliche Regelungen zu schaffen, von denen das BGB reichlichen Gebrauch macht. Bereits § 905 BGB stellt klar, dass sich das Recht des Eigentümers eines Grundstücks auf den Raum über der Erdoberfläche und auf den Erdkörper unter der Oberfläche erstreckt; Rechte neben seinem Grundstück (also bei seinen Nachbarn) gibt es nicht.

Über diese zivilrechtlichen Bestimmungen des BGB hinaus befassen sich auch andere Rechtsgebiete mit dem Nachbarrecht, insbesondere das öffentliche Recht.

Deutschland

Bundesrecht

Privates Nachbarrecht

In Deutschland ist das private Nachbarrecht bundesrechtlich in den §§ 903 bis 924 BGB geregelt. Im Einzelnen gibt es folgende Regelungen:

Art. 124 Satz 1 EGBGB ließ die Vorschriften der Bundesstaaten, welche zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs (1. Januar 1900) das Eigentum an Grundstücken zugunsten des Nachbarn von weiteren als den in den §§ 906 ff. BGB angeordneten Beschränkungen unterwarfen, unberührt. Darüber hinaus bringt Art. 124 EGBGB zum Ausdruck, dass die §§ 906 ff. BGB nicht abschließend sind. Infolgedessen hat das Deutsche Reich (heute die Bundesrepublik Deutschland) seine (ihre) Gesetzgebungskompetenz für den Bereich des Nachbarrechts nicht voll ausgeschöpft, so dass im Wege der konkurrierenden Gesetzgebung die deutschen Länder auch heute noch ergänzende landesgesetzliche Vorschriften erlassen können. Zumeist finden sich die ergänzenden landesgesetzlichen Vorschriften in den Ausführungsgesetzen zum Bürgerlichen Gesetzbuch (AGBGB).

Der Bundesgerichtshof sieht ein besonderes nachbarrechtliches Gemeinschaftsverhältnis[1] bei Streitigkeiten zwischen den Nachbarn, so dass zwar kein schuldrechtliches Verhältnis zwischen den Grundstücksnachbarn besteht, jedoch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme hergeleitet werden kann.[2]

Öffentliches Nachbarrecht

Das öffentliche Baunachbarrecht befasst sich mit dem Rechtsschutz eines Nachbarn, der sich gegen ein Bauvorhaben auf einem benachbarten Grundstück wendet.[3] Nachbar im Sinne des öffentlichen Baurechts ist nicht nur das unmittelbar angrenzende Rechtssubjekt, sondern alle sich in der räumlichen Nähe zum Einwirkungsbereich des Bauvorhabens befindliche Nachbarn.[4] Der Kreis der Nachbarn wird durch die Art des Bauvorhabens und die Auswirkungen auf die Umgebung bestimmt. Dieser Nachbarschutz ist – anders als im Zivilrecht – als Dreiecksverhältnis ausgestaltet und erstreckt sich auf den Bauherrn, Nachbarn und die Baubehörde. Wichtigste Rechtsgrundlage für diesen Nachbarschutz ist das Baugesetzbuch (BauGB). Da gemäß § 212a Abs. 1 BauGB Widersprüche und Anfechtungsklagen eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Bauvorhabens keine aufschiebende Wirkung entfalten, müssen Nachbarn den einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 80a VwGO, § 80 Abs. 5 VwGO suchen, um dem Bauherrn den Weiterbau vorübergehend zu untersagen.

Aus verschiedenen Vorschriften des öffentlichen Rechts (insbesondere §§ 31 bis 35 BauGB, Abstandflächenvorschriften der Landesbauordnungen und dem Gebot der Rücksichtnahme) ergeben sich subjektive Rechte des einzelnen im Verhältnis zu den Eigentümern angrenzender Grundstücke. Diese Beziehungen werden mitunter als öffentliches Nachbarrecht bezeichnet.

Landesgesetzliche Vorschriften

Das Bauordnungsrecht gehört zur Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer. Alle Länder haben eigene Landesbauordnungen erlassen, sodass die Regelungen von Bundesland zu Bundesland variieren. Sowohl in der Musterbauordnung (MBO) als auch in den meisten Landesbauordnungen (LBO) sind in § 6 LBO die Abstandsflächen geregelt (siehe § 6 LBO Baden-Württemberg). Diese Abstandsflächen befassen sich einerseits mit dem „Gebäudeabstand“, der beschreibt, mit welchem Mindestabstand zwei Gebäude errichtet werden müssen. Andererseits bestimmt der „Grenzabstand“, wie nahe ein Gebäude an die Grundstücksgrenze heran gebaut werden darf. Der Abstand wird horizontal gemessen. Das Errichten von Bauwerken auf Abstandsflächen in Nähe oder ohne Abstand zur Grundstücksgrenze wird auch als Grenzbebauung bezeichnet.[5]

Wichtige Teile des Nachbarrechts sind von jeher örtlichen Gebräuchen unterworfen. Daher stellten einige deutsche Länder (z. B. Baden und Württemberg) schon früh die auf ihrem Gebiet geltenden Besonderheiten zusammen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es Baden-Württemberg, das 1959 als erstes deutsches Land ein Nachbarrechtsgesetz (NRG) erließ. Dieses enthält Vorschriften zum baulichen wie auch zum pflanzlichen Nachbarrecht, vor allem Regelungen zu Grenzabständen, aber auch etwa zum Notleitungsrecht oder zum Hammerschlags- und Leiterrecht.[6] In den 1960er-Jahren folgte Hessen mit einem stark abweichenden Konzept. In kurzen Abständen erließen sodann die meisten anderen Länder ihr NRG. Heute haben im Wesentlichen nur Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern kein Nachbarrechtsgesetz; in Bayern finden sich einige Regelungen zum privaten Landesnachbarrecht im dortigen Ausführungsgesetz zum BGB.

Land Gesetz (NRG bzw. AGBGB) vom Fundstelle zuletzt geändert[7] Fundstelle Gesetzestexte
Baden-Württemberg 8. Januar 1996 GBl. 53 4. Februar 2014 extern
Bayern 1. Januar 1983 BayRS IV, S. 571 22. Juli 2014 extern
Berlin 28. September 1973 GVBl. 1654 17. Dezember 2009 extern
Brandenburg 28. Juni 1996 GVBl. I 226 3. Juni 2014 extern
Bremen 24. Februar 1992 8. März 2012[8] extern
Hamburg 1. Juli 1958 HmbBL I 40-e 14. Dezember 2005 HmbGVBl. S. 521[9] extern
Hessen 24. September 1962 GVBl. U 417 28. September 2014 GVBl. S. 218 extern
Mecklenburg-Vorpommern (kein AGBGB) extern
Niedersachsen 31. März 1967 GVBl. 91 23. Juli 2014 GVBl. 7/2006, S. 88 extern
Nordrhein-Westfalen 15. April 1969 GVBl. 189 4. Februar 2014 GVBl. 193 extern
Rheinland-Pfalz 21. Juli 2003 GVBl.198 21. Juli 2003 extern
Saarland 28. Februar 1973 ABl. 210 18. Februar 2004 ABl. 1130 extern
Sachsen 11. November 1997 GVBl. 582 8. Dezember 2008 extern
Sachsen-Anhalt 13. November 1997 GVBl. 958 18. Mai 2010 GVBl. 50 extern
Schleswig-Holstein 24. Februar 1971 GVBl. 54 15. Februar 2005 GVBl. 256 extern
Thüringen 22. Dezember 1992 GVBl. 599 8. März 2016 GVBl. S. 149 extern

Siehe auch: Einfriedung, Grenzwand, Hammerschlags- und Leiterrecht, Schwengelrecht, Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung für den Einsatz von Gartengeräten.

Österreich

Man unterscheidet in Österreich den zivilrechtlichen Nachbarschaftsschutz und den Öffentlich-Rechtlichen. Die Konsequenz dieser Unterscheidung ist nicht nur das Gesetz, auf das sich der Anspruch stützt, sondern insb. die Durchsetzung des Anspruches und die Behördenzuständigkeiten.

Ein zivilrechtlicher Anspruch nach ABGB (z. B. nach § 364) ist vor einem Zivilgericht geltend zu machen. Hingegen ein Anspruch nach Baurecht (dazu unten) ist einer des Verwaltungsrechts und kann über Behörden mittelbar geltend gemacht werden, wobei der Geltendmachende sehr oft „Parteistellung“ innehat. Diese verwaltungsrechtlichen Ansprüche sind grundsätzlich im AVG (Allgemeines Verwaltungsgesetz, insb. §§ 1–6)) und im Einzelnen in den Bauordnungen geregelt, die für jedes der neun Österreichischen Bundesländer verschieden sind. Etwa in Niederösterreich werden nachbarschaftliche Ansprüche geregelt nach der Nö BauO 2014 (insb. §§ 6, 14 und 48).

Die Abgrenzung zwischen Zivilrecht und Verwaltungsrecht liegt dort, wo ein Verfahren bereits durchgeführt wurde und ein Anspruch bereits geprüft: Wurde etwa im Rahmen eines verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens geprüft, ob ein Club mit Musikveranstaltungen „zu laut“ wäre oder nicht und dieses Verfahren wäre abgeschlossen, so kann der zivilrechtliche Anspruch in Bezug auf genau diese Musikbelästigung nicht mehr geltend gemacht werden (§ 364 a ABGB). Wurden hingegen Lautstärke und Geruch geprüft, nicht hingegen Abwässer, so wäre in diesem Punkt ein zivilrechtlicher Anspruch denkmöglich.

Eine weitere Abgrenzung von zivil- und verwaltungsrechtlichen Abwehrmöglichkeiten ist, dass die Möglichkeiten des Verwaltungsrechts taxativ aufgezählt sind „subjektiv öffentliche Rechte“ (z. B. § 6, 14 und 48 Nö BauO). Hingegen im ABGB bleibt (etwas) Spielraum für „Beeinträchtigungen“, die nicht explizit, im Sinne von erschöpfend, aufgelistet sind.

Zivilrecht

Das Nachbarrecht regelt in Österreich vor allem

  • die Zulässigkeit von Immissionen (§ 364, § 364a ABGB),
  • die Vertiefung des Grundstücks (§ 364b ABGB),
  • die Problematiken des Grenzbaumes (Stamm auf mehreren Liegenschaften) und des Baumes an der Grenze (Wurzeln von fremdem Baum, überhängende Äste, Überhangsrecht, aber kein „Überfallsrecht“) (§ 421, § 422 ABGB) und
  • sonstige Grenzeinrichtungen (z. B. Mauern, Zäune, Hecken).

Bemerkenswert sind auch die jüngsten Gesetzgebungsakte von 2003 auf diesem Gebiet[10], wonach

  • der Entzug von Licht (z. B. durch hohe, dichte Bäume) und Luft durch ein Nachbargrundstück untersagt werden kann (§ 364 ABGB);
  • der Nachbar, der gemäß § 422 ABGB das Recht hat, überhängende Äste oder auf sein Grundstück wachsende Wurzeln zu entfernen, bei der Ausübung dieses Rechtes fachgerecht vorzugehen und die Pflanze möglichst zu schonen hat.

Verwaltungsrecht

Wir unterscheiden einerseits die Verfahrensvorschriften (=formelles Recht) und andererseits die Vorschriften, die inhaltlich anzuwenden sind (=materielles Recht). Die Verfahrensvorschriften finden wir im Bundesgesetz AVG (Allgemeines Verwaltungsrecht). Die anzuwendenden Vorschriften stehen in den jeweiligen Gesetzen des Bundeslandes (z. B. Nö BauO 2014). Es würde z. B. im Landesrecht zu finden sein, was man unter einem „Nachbarn“ zu verstehen hat. Weiters finden wir dort, welche Behörden für welche konkrete Gesetzesvollziehung zuständig sind (Gemeinden und Bezirksverwaltungsbehörden). Im Bundesrecht finden wir z. B., ob und wann Bescheide, die nach obige Vorschriften erlassen worden sind, ungültig werden können oder wie die Behörden das Ermittlungsverfahren durchzuführen haben (z. B. § 65 AVG).

Behördenzuständigkeit gewerblich / baurechtlich

Grundsätzlich ist für Baurecht die Gemeinde zuständig. Eine Ausnahme gilt (oft, nicht immer), wenn ein Gewerbe angemeldet wird. Dann ist die sogenannte "Bezirksverwaltungsbehörde" zuständig. Die Bezirksverwaltungsbehörde (=BVB) ist grundsätzlich die BH = Bezirkshauptmannschaft des jeweiligen Bezirks und in Städten mit eigenem Statut das Magistrat (z.B. Wien, Wiener Neustadt, St. Pölten uvam).

WIRD jetzt eine BVB zuständig, dann wird das Verfahren dort abgewickelt. Inhaltlich ist es in aller Regel gleich. Es geht um Lärm, Erschütterungen, Gerüche, Wasser,.... Dort wo die BVB zuständig geworden ist, verliert die Gemeinde in diesem Bereich ihre Kompetenz und behält nur mehr jene Bereiche, für die die BVB nicht zuständig wurde.

Mit den Worten des Verwaltungsgerichtshofes: Den Baubehörden kommt bei gewerblichen Betriebsanlagen (nur) eine "Restkompetenz" zu, cit. "Soweit der Regelungsinhalt einer Bestimmung der Bauordnung durch die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung erfasst ist, besteht keine gesetzliche Grundlage für die Baubehörde, die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Bauvorhabens nach diesen Bestimmungen zu beurteilen. Soweit der Regelungsinhalt baurechtlicher Vorschriften durch die gewerberechtlichen Vorschriften in diesem Sinne hingegen nicht abgedeckt ist, hat die Baubehörde vor Erteilung der Baubewilligung eine entsprechende Prüfung vorzunehmen" (VwGH 2008/05/0038).

z.B.: Die BH (als BVB des jeweiligen Bezirks nennen wir ihn Vorderhof) hat bei einer Putzerei aus Hinterhofsdorf als Gewerbebehörde zu prüfen, ob es zu Geruchsbelästigungen kommen könnte. Dadurch wird der Bürgermeister von Hinterhofsdorf für die Gerüche aus dieser Putzerei unzuständig. Als Baubehörde bleibt er jedoch als "Restkompetenz" zuständig, wenn es etwa um die Statik des Gebäudes geht.

Wäre hingegen die Gewerbebehörde (BH Vorderhof) nicht zuständig geworden, so bliebe die Kompetenz für die Geruchsbelästigungen beim Bürgermeister der Gemeinde Hinterhofsdorf. Das ist der Fall etwa bei freien Gewerben oder sonstigen Fällen, wo ein gewerberechtliches Verfahren nicht vorgesehen ist.

Es gilt also der Grundsatz: Wenn nichts anderes gilt, so ist die Gemeinde (als 1. Instanz der Bürgermeister, als 2. Instanz der Gemeindevorstand) für subjektiv öffentliche Nachbarrechte als Baubehörde zuständig. (siehe dazu unten die Details z.B. in der Nö BauO 2014)

Behördenzuständigkeit Lokale, Abgrenzung Gewerbe / Buschenschank

Grundsätzlich braucht jemand, der ein Gewerbe betreiben möchte, eine Betriebsanlagenbewilligung. Je nach Größe brauchen Lokale ein gewerberechtliches Verfahren, ein vereinfachtes Verfahren oder sie sind sogenannte freie Gewerbe.

zu Gewerben

Eine Sonderregelung gibt es für die berühmten Österreichischen "Heurigen", auch genannt Buschenschanken. Hier wurde für jedes Bundesland ein eigenes BuschenschankG erlassen. Wenn die Betriebstätigkeit nicht über den Rahmen dieses Landesgesetzes hinausgeht, so ist keine Gewerbeberechtigung erforderlich.

Für nachbarrechtliche Immissionen bleibt daher im Falle von Buschenschenken jedenfalls der Bürgermeister der Gemeinde als Baubehörde zuständig.

Wobei der Namen des Lokals nicht relevant ist. Es kann sich auch ein gewerblicher Betrieb "Buschenschank" nennen. Vielmehr kommt es auf den Umfang der Betriebstätigkeit an.

z.B.: in Niederösterreich dürfen in Buschenschanken nur kalte Speisen serviert werden. Nur 2 alternative Geränke uam. (Details siehe Nö BuschenschankG).

Die BuschenschankG aller Bundesländer können hier aufgerufen werden: BuschenschankG aller Bundesländer

Die Kompetenz des Bürgermeisters als Baubehörde umfasst hier alle Elemente aller betrieblichen Abläufe im Rahmen des Buschenschanks. Das ist der Lärm der Gäste aus dem Gastgarten, der Geruch der Speisen, ebenso wie Erschütterungen durch Zulieferungen oder das Klirren der Flaschen uvam. Hier ist zu beachten, dass die Baubehörde zuständig ist für Elemente, die für sich genommen keineswegs Bauwerke wären (z.B. Gastgarten). Die Zuständigkeit ergibt sich jedoch aus der Verwendung des Kerngebäudes INKLUSIVE des Gastgartens. Der Gastgarten stellt einen betrieblichen Ablauf dar, der einem Bauwerk zugeordnet wird. Eine Prüfung hat daher durch die Baubehörde zu erfolgen (z.B. in Niederösterreich nach $ 6, 14 und 48 Nö BauO 2014, eine Entscheidung aus vielen LVwG-AV-65/001-2020 oder in Wien 009/06/0193 Rechtssatz Verwaltungsgerichtshof: Der Betrieb eines Gastgartens bildet eine "organisatorische" bzw. "funktionelle" Einheit mit der dazugehörigen Gaststätte. Es sind daher sämtliche vom Gastgarten ausgehenden Emissionen (und die dadurch verursachten Immissionen) in die rechtliche Beurteilung der Baubehörde einzubeziehen.)

Behördenzuständigkeit VOM Lokal / VOR dem Lokal / ZWISCHEN Lokalen

Obwohl das Gesagte für alle Betriebsanlagen gilt, so ist doch der wichtigste Anwendungspunkt gastronomische Lokale. Die Gäste der Gastronomie stören die Anrainer weniger beim Besuch des Lokals, als vielmehr, wenn sie kommen oder gehen oder sich vor dem Lokal treffen / rauchen / telefonieren / sich verabschieden uam.

Die folgenden Ausführungen gelten sowohl für gewerberechtlich zu genehmigenden Lokale / Gastronomie als auch für solche, die einem vereinfachten Verfahren unterliegen. Bei Buschenschanken (uam.) gilt Anderes.

Bei allen Immissionen, die VOM Lokal ausgehen, ist die BVB (siehe oben "Bezirksverwaltungsbehörde") zuständig, Referat Gewerbe. Hier ist zu denken an Klopfgeräusche beim Betrieb durch anschlagende Türen, Laden, Sesseln. Ebenso kommen in Frage Küchen- und WC-gerüche und vor allem Lärm.

Beschwert sich ein Anrainer "wiederholt", so hat die BVB sich damit auseinanderzusetzen und gegebenenfalls Auflagen zu erteilen oder den Betrieb zu verbieten. An Auflagen kommt z.B. in Frage, dass ein Lokal nur bei geschlossenen Türen und Fenstern zu betreiben ist. Oder dass ein Gastgarten zu einer bestimmten Uhrzeit zu schließen ist uvam.

Die Rechtslage ändert sich, sobald der Gast das Lokal verlässt. Es geht um "nicht strafbares Verhalten, das unzumutbar belästigt". Dann wird nämlich die Gemeinde für den Lärm zuständig. Lungern die Gäste vor dem Lokal herum, schreien sie gellend, wenn sie zu ihren Autos gehen uvam., so hat der Bürgermeister der Gemeinde für Ruhe zu sorgen. Er kann dies entweder durch geeignete Maßnahmen tun (Schallschutz, Verlegung von Parkplätzen) oder aber, er kann Bundesrecht vollziehen. Und zwar hat er die Möglichkeit, die Sperrstunden des Lokals vorzuverlegen. Auch dafür sind "wiederholte" Beschweren notwendig, ebenso wie ein Ermittlungsverfahren durchzuführen ist (etwa ein Lärmtechnisches Gutachten).

Es kann der Bürgermeister die Sperrstunde nach § 113 GewO (Gewerbeordnung) vorverlegen. In den letzten Jahren wurde zu dieser Maßnahme immer wieder gegriffen, nachdem Vorreiter endlich Judikatur zu dieser Bestimmung bis zu den Höchstgerichten ausgefochten hatten.

Eine andere Möglichkeit stellt dar, wenn die Gäste sich strafbar machen. Vor oder im Lokal. Wenn etwa Rauschgift gehandelt wird, es zu Schlägereien kommt uvam. Diese Sonderfälle des (gerichtlichen) Strafrechts des Bundesrechts sind sehr umfangreich und können im Rahmen des Nachbarrechts nicht erschöpfend erläutert werden.

Eine ungebührliche Lärmerregung hingegen wäre (nur) ein Verwaltungsdelikt (Verwaltungsstrafrecht), das ebenfalls Ländersache ist. Die Regelung erfolgt z.B. in § 1 NÖ PolizeistrafG. Eine Besonderheit, die ebenfalls häufig in Zusammenhang mit Lokalen auftritt, ist, dass der Wirt für den Lärm der Gäste haftet. Denn es wäre an ihm gelegen, für Ruhe zu sorgen. Dasselbe träfe zu, wenn etwa ein Wohnungseigentümer eine Party feiert. Auch er haftet dafür, wenn seine Gäste lärmen, auch wenn er selbst keinen Ton von sich gibt. Hier sprechen wir von der "Lärmerregung durch Unterlassung".

--Cheryll (Diskussion) 19:56, 10. Aug. 2022 (CEST)

Schweiz

In der Schweiz ist das Nachbarrecht teilweise als Bundesrecht in den Art. 684 ff. des Zivilgesetzbuches (ZGB) und teilweise als kantonales Recht in den Gesetzen der einzelnen Kantone geregelt.

Bundesebene

Die Grundbestimmung in Art. 684 ZGB lautet:

1) Jedermann ist verpflichtet, bei der Ausübung seines Eigentums, wie namentlich bei dem Betrieb eines Gewerbes auf seinem Grundstück, sich aller übermässigen Einwirkung auf das Eigentum der Nachbarn zu enthalten.

2) Verboten sind insbesondere alle schädlichen und nach Lage und Beschaffenheit der Grundstücke oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigten Einwirkungen durch Rauch oder Russ, lästige Dünste, Lärm oder Erschütterung.

Art. 684 ZGB umfasst auch sog. „negative Immissionen“ wie beispielsweise Lichtentzug durch Dauerschatten.[11]

Kantonale Ebene

Privates Nachbarrecht

Die Bestimmungen betreffend das pflanzliche Nachbarrecht finden sich in den jeweiligen kantonalen Einführungsgesetzen zum Zivilgesetzbuch (EG ZGB).

Öffentliches Nachbarrecht

Das bauliche Nachbarrecht wurde ursprünglich ebenfalls in diesen Einführungsgesetzen geregelt.[12] Da man das Baurecht heute jedoch größtenteils dem öffentlichen und nicht mehr dem Privatrecht zuordnet, wird das diesbezügliche Nachbarrecht nun zumeist im Rahmen der kantonalen Baugesetze festgesetzt.

Liechtenstein

Nachbarrechte im Sinne des liechtensteinischen Sachenrechts sind zivilrechtliche Ansprüche. Diese Ansprüche stehen neben den Einschränkungen aus dem öffentlichen Recht.

Durch Nachbarrechte erhält grundsätzlich der Grundeigentümer in Liechtenstein das Recht, Einwirkungen auf sein Grundstück abzuwehren und somit das absolute Herrschaftsrecht (Eigentum) eines anderen Grundeigentümers einzuschränken. Gegenüber Miteigentümern kann der beeinträchtigte Grundeigentümer sein Recht gegen jeden Miteigentümer einzeln oder auch nur einen geltend machen. Die Miteigentümer haften dem beeinträchtigten Grundeigentümer solidarisch.

Das Nachbarrecht ist eine gesetzlich zulässige Beschränkung des Eigentumsrechtes, um das leichtere Zusammenleben zu ermöglichen und die möglicherweise widerstreitenden Interessen auszugleichen. Im liechtensteinischen Sachenrecht wurden die privatrechtlichen Nachbarrechte eingeschränkt und teilweise den öffentlich-rechtlichen Nachbarrechten zugewiesen. Eine genaue Abgrenzung ist jedoch vom Gesetzgeber zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Nachbarrechten nicht getroffen worden.

Im liechtensteinischen Sachenrecht sind z. B. privatrechtliche Nachbarrechte geregelt in Art 67, 84, 93 ff (Immissionen), Art 68, 80 ff (Abgrabungen), Art 73 (Lichtentzug), Art 75 (Bewirtschaftungsregeln), Art 85 (Abstandsregeln), Art 89 ff (Einfriedungen), Art 102, 107 ff (Wegerechte), Art 103–105, 110 ff (landwirtschaftliche Sonderrechte), Art 155 (Notbrunnen) SR uam, die zusätzlich durch vertragliche Vereinbarungen erweitert und ergänzt werden können (z. B. vertragliches Bauverbot), sofern dadurch nicht nach Art 62 Abs. 3 SR Eigentumsbeschränkungen öffentlich-rechtlichen Charakters aufgehoben oder abgeändert werden.

Dem Nachbarn stehen als Rechtsbehelfe im Verfahren vor den ordentlichen Gerichten in Liechtenstein zur Abwehr von Einwirkungen in der Regel zur Verfügung:

  • Beseitigungsklage (wenn die Störung noch andauert),
  • Unterlassungsklage,
  • Schadenersatzklage,
  • Feststellungsklage,
  • Besitzstörungsklage (siehe Art 507 SR),
  • Servitutsklage (Actio confessoria),
  • Eigentumsfreiheitsklage (lateinisch Actio negatoria): siehe Art 20 Abs. 2 zweiter Fall SR.

Bei öffentlich-rechtlichen Einwendungen steht z. B. die Anzeige an die Landesbaubehörde oder die Gemeindebehörde und die Erhebung einer Einsprache im öffentlich-rechtlichen Bewilligungsverfahren zur Verfügung.

Unter „Einwirkung“ auf ein Grundstück sind diejenigen zu verstehen, welche in den öffentlich-rechtlichen und den privatrechtlichen Bestimmungen genannt sind. So z. B. direkte Einwirkungen (direkte Immissionen) von

  • festen, flüssigen, gasförmigen Stoffen,
  • Wärme,
  • Erschütterungen und
  • andere physischen Kräften und Körpern

aber auch von indirekten Einwirkungen (indirekte Immissionen) wie z. B.

  • Gerüche und
  • andere unangenehme psychische Einwirkungen und
  • der Entzug von Licht,

welche das ortsübliche Maß überschreiten und die gewöhnliche Nutzung einer Liegenschaft spürbar beeinträchtigen. Die Errichtung und das Vorhandensein eines (unschönen) Bauwerkes für sich alleine ist jedoch keine „Einwirkung“, die ein Nachbar geltend machen kann[13].

Jede Einwirkung im Sinne des Nachbarrechts, die von einem Nachbargrundstück ausgeht, muss jedoch von der Willens- und Machtsphäre des störenden Nachbarn ausgehen. Einwirkungen, die zwar von einem Nachbarn ausgehen, die er jedoch nicht beherrschen oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand kontrollieren kann, sind in der Regel als unvermeidbar hinzunehmen (z. B. freilebende Mäuse, Ratten, Vögel), wenn diese „Immission“ das ortsübliche Maß nicht übersteigt und den Gebrauch und Nutzen der „beschwerten“ Liegenschaft nicht spürbar beeinträchtigt bzw. alle Liegenschaften im Umfeld gleichermaßen belastet werden. Immissionen von Kleinsttieren (z. B. Insekten) sind wie Immissionen von Rauch, Gas oder Geruch hinzunehmen, da ein Fernhalten aus praktischen Gründen nicht möglich ist, sofern auch hier die Ortsüblichkeit nicht überschritten wird und der Nutzen und Gebrauch der Liegenschaft nicht spürbar leidet.

Größere Tiere, insbesondere domestizierte Tiere[14], sind vom störenden Nachbarn mit geeigneten, zumutbaren Möglichkeiten vor dem Eindringen abzuhalten.

Der nachbarrechtliche Anspruch verjährt, wie auch das Eigentumsrecht selbst grundsätzlich nicht durch die Unterlassung der Geltendmachung. Es ist jedoch eine Ersitzung des Rechts, z. B. auf Zuleitung von Immissionen nach längstens 30 Jahren möglich (siehe §§ 1468 ff ABGB).

Die Worte „Ausübung dieser Rechte“ nach Art 108 SR, die „unter tunlichster Schonung der in Anspruch genommenen Grundstücke zu erfolgen“ hat, bezieht sich auf alle Nachbarrechte (Art 67 ff). Ebenso, dass für diese Rechte für „Art und Umfang der Ausübung (…) die bestehenden örtlichen Übungen maßgebend“ sind.

Literatur

Deutschland

  • Jan Schapp Das Verhältnis von privatem und öffentlichem Nachbarrecht. Duncker & Humblot, Berlin 1978, ISBN 978-3-428-04041-4 (Habilitationsschrift).
  • Kommentare zum BGB
  • Reinhart Geigel: Der Haftpflichtprozess. Mit Einschluss des materiellen Haftpflichtrechts. Herausgegeben von Günter Schlegelmilch. 25., völlig neubearbeitete Auflage. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-56392-8, Kapitel 22: Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche.
  • Helmward Alheit: Nachbarrecht von A–Z. 490 Stichwörter zur aktuellen Rechtslage (dtv 5067 Beck-Rechtsberater). 12., überarbeitete Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2010, ISBN 978-3-423-05067-8.

Österreich

Schweiz

  • Andreas Kley: Kantonales Privatrecht. Eine systematische Darstellung der kantonalen Einführungsgesetzgebung zum Bundesprivatrecht am Beispiel des Kantons St. Gallen und weiterer Kantone (=Veröffentlichungen des Schweizerischen Instituts für Verwaltungskurse an der Hochschule St. Gallen. Neue Reihe Bd. 37). Sekretariat des Schweizerischen Instituts für Verwaltungskurse, St. Gallen 1992, ISBN 3-908185-02-5, S. 179–218 (Digitalisat (PDF; 2,36 MB)).

Liechtenstein

  • Antonius Opilio: Arbeitskommentar zum Liechtensteinischen Sachenrecht. 3 Bände. Edition Europa, Dornbirn 2009.

Deutschland:

Österreich:

Einzelnachweise

  1. BGH, Urteil vom 16. Februar 2001, Az. V ZR 422/99, Volltext.
  2. BGH, Urteil vom 26. April 1991, Az. V ZR 346/89 = NJW 1991, 2826, 2827.
  3. Alpmann Brockhaus, Fachlexikon Recht, 2005, S. 927
  4. Alpmann Brockhaus, Fachlexikon Recht, 2005, S. 928
  5. Hessische Bauordnung § 6. Abgerufen im Juni 2020.
  6. Patrick Bruns, Nachbarrechtsgesetz Baden-Württemberg. Kommentar. 3. Auflage, München 2015, ISBN 978-3-406-67952-0.
  7. Nachbarrechtsgesetze Änderungshistorie
  8. AGBGB Bremen (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/bremen.beck.de auf beck.de
  9. AGBGB Hamburg auf www.landesrecht-hamburg.de
  10. BGBl. I Nr. 91/2003
  11. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung des Schweizer Bundesgerichts vom 18. Mai 2000
  12. Vereinzelt heute noch, siehe etwa Art. 79a – 79k des Berner Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch (EG ZGB) mit beispielsweise einer Regelung zum Hofstattrecht (Art 79d).
  13. Vgl. ELG 1962–1966, 274 f, BGE 97 I 357.
  14. Bienenschwärme gelten nach herrschender Lehre und Rechtsprechung in der Schweiz als domestizierte Tiere. Das liechtensteinische Sachenrecht wurde zum Großteil aus dem schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) rezipiert und es kann davon ausgegangen werden, dass die Auslegung des schweizerischen Bundesgerichts auch auf die rezipierten Bestimmungen im liechtensteinischen Sachenrecht anwendbar sind.