Das Residenzschloss der Braunschweiger Herzöge befand sich bis zu seinem umstrittenen Abriss im Jahre 1960 auf dem Bohlweg in Braunschweigs Zentrum, an dem Ort, wo vom Mittelalter bis 1718 der sogenannte „Graue Hof“ war.

Der „Graue Hof“
Dabei handelte es sich um den Stadthof, die innerstädtische Niederlassung der Zisterziensermönche, aus dem, östlich vor den Toren Braunschweigs gelegenen, Kloster Riddagshausen. Die Bezeichnung „Grauer Hof“ gaben ihm die Braunschweiger Bürger wegen der Farbe der Kleidung der dort lebenden Mönche.
Bis zum Jahre 1671 diente er als Quartier für die Welfen-Herzöge, wenn diese zu Besuch in Braunschweig waren („zu Besuch“ deshalb, weil ihre Residenz in Wolfenbüttel lag).
Erste Planungen für den Neubau einer innerstädtischen Residenz der Herzöge begannen auf Weisung von Herzog Anton Ulrichs unter Landbaumeister Hermann Korb um das Jahr 1715
Das Braunschweiger Schloss im 18. Jahrhundert
1718 begannen schließlich unter der Leitung Korbs umfangreiche Neubaumaßnahmen auf dem Gelände des Grauen Hofes, um den Herzögen eine ihrem Status angemessene Residenz zur Verfügung zu stellen. Der größte Teil der alten Gebäude wurde abgerissen und so entstand die erste neue Residenz der Herzöge in Braunschweig.
Der Mittelbau (Corps de Logis) verfügte über zwei Geschosse mit Mezzanin, das Erdgeschoss hatte die für Korb typischen Arkaden, innere Seitenflügel (Cour d’Honneur) um den rechteckigen Hof angeordnet, äußere Flügel waren trapezartig nach außen erweitert.
Während der Regierungszeit Herzog August Wilhelms wurden 1724 die inneren Flügel mit der Kapelle fertig gestellt. In den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts begann man mit dem Mittelbau und die Arbeiten am inneren Südflügel wurden beendet. Der Mittelbau war selbst um 1730 immer noch nicht fertig gestellt und musste deshalb durch ein Notdach geschützt werden.
Unter dem neuen Bauleiter Martin Peltier de Belfort wurde 1752/54 der äußere Nordflügel nach den Plänen des bereits 1735 verstorbenen Korbs ausgeführt.
Obwohl der Gesamtkomplex 1753 immer noch nicht fertig gestellt war, wurde die Residenz nun in die Innenstadt verlegt. Erst 1790 während der Regentschaft Herzog Karl Wilhelm Ferdinands wurde sie mit dem massiven Mittelbau unter Leitung von Hofbaumeister Christian Gottlob Langwagen, nunmehr im reineren Klassizismus, vollendet.
Während der Besetzung Braunschweigs (1807 – 1813) durch die Truppen Napoléons gestaltete Carl Theodor Ottmer schließlich das Gebäude für Jérôme Bonaparte, dem Bruder Napoléons und König des neu geschaffenen Königreiches Westfalen, zu dem Braunschweig zeitweise gehörte, im Empire-Stil um.
Sowohl seine Blütezeit als auch seinen Untergang erlebte das Schloss unter Herzog Karl II.
Die Braunschweiger Revolution von 1830
Am 7. September 1830 kam es zur Braunschweiger Revolution. Bürger und Landstände der Stadt rebellierten gegen Herzog Karl II., den sie wegen seiner Verschwendungssucht „Diamantenherzog“ nannten. Im Zuge dieser kleinen Revolution stürmte eine aufgebrachte Menschenmenge zunächst das umzäunte Gelände der Residenz, und anschließend das Schloss, um dieses zu plündern und schließlich in Brand zu setzen. Ohne dass dabei sich in der Nähe befindliche Wohngebäude in Mitleidenschaft gezogen wurden, brannte das Gebäude bis auf die Grundmauern nieder. Der Diamantenherzog floh am selben Abend aus Braunschweig und kehrte nie wieder zurück. Sein Bruder Wilhelm folgte ihm als Regent.
Der Braunschweigische Hofbaumeister und Schinkelschüler Carl Theodor Ottmer erhielt daraufhin den Auftrag ein neues Schloss zu planen und zu bauen. Am 26. März 1833 wurde der Grundstein für den Neubau gelegt. Der dreiflüglige, U-förmige Bau wurde fand im Dezember 1837 einen ersten Abschluss mit der Vollendung der herzoglichen Privatgemächer im Nordflügel. Zwischen 1838 und 1840 wurden die Repräsentationsräume im Haupt- und Südflügel fertig gestellt, sodass das Gesamtgebäude am 21. März 1841 vollendet wurde. Im Gedenken an seinen Erbauer, der 1843 verstarb, wird das Braunschweiger Schloss auch „Ottmer-Bau“ genannt.
Ein erneuter Brand am 23./24. Februar 1865 aufgrund eines technischen Defektes zerstörte den Nordtrakt und beschädigte den nördlicher Teil des Hautgebäudes schwer (auch die Quadriga wurde dabei in Mitleidenschaft gezogen). Bis 1868 rekonstruierte Baumeister Carl Wolf das Gebäude, wobei die Quadriga in etwas verkleinerter Form wieder an ihren angestammten Platz kam.
Die Quadriga
Die nach einem Entwurf Ernst Rietschels erst 1864, also nur ein Jahr vor ihrer Beschädigung, gefertigte, das Schloss krönende Quadriga mit Brunonia, wurde so vom Braunschweiger Erzgießer und Kupfertreiber Georg Howaldt gleich zweimal hergestellt.
Die Braunschweiger Quadriga ist die einzige deutsche Quadriga, die den Zweiten Weltkrieg relativ unversehrt überstanden hatte. Sie wurde erst nach dem Krieg zerstört. Die letzten Reste wurden 1960 bei Abriss des Schlosses entfernt und bis auf Kopf und Finger verschrottet.
Die Residenz zwischen 1884 und 1913
Nachdem Wilhelm, der letzte Welfen-Herzog, 1884 kinderlos verstorben war, fiel die Regentschaft in Braunschweig als Folge des Deutschen Krieges an Preußen. So residierten zunächst Albrecht von Preußen (1837–1906) bis zu seinem Tode und anschließend Johann Albrecht zu Mecklenburg (bis 1. November 1913) im Braunschweiger Schloss.
Erst durch die Hochzeit des Welfen-Herzogs Ernst August III. mit Prinzessin Viktoria Luise von Preußen (einzige Tochter des Deutschen Kaisers Wilhelm II.) und der damit erreichten Aussöhnung zwischen den Hohenzollern und den Welfen, bestieg ein letztes Mal ein Welfe den Braunschweiger Thron und zog am 1. November 1913 wieder in das Braunschweiger Schloss ein.
Das Schloss im 20. Jahrhundert
Das Gebäude selbst blieb in dieser Zeit größtenteils unverändert erhalten und blieb bis zum 8. November 1918 Sitz des Hauses Braunschweig-Lüneburg; denn an diesem Tage wurde Herzog Ernst-August zur Abdankung gezwungen und verließ Braunschweig.
Um das Gebäude und v.a. auch dessen (historisch) wertvolles Inventar zu retten, wandelte man das Schloss um; so enthielt es u. a. das Kleine Haus des Braunschweigischen Staatstheaters, das Naturhistorische Museum, Institute der Technischen Hochschule Braunschweig, eine Galerie für Moderne Kunst (gegründet von Otto Ralfs), eine Öffentliche Bücherei und die Landessteuerstelle.
Das Schloss im Dritten Reich
Aber auch dieser Zustand sollte nicht von Dauer sein, denn ab Juni 1937 beherbergte das ehemalige Schlossgebäude nach entsprechendem Innenumbau nur noch eine von zwei von den Nationalsozialisten im Reich geschaffenen SS-Junkerschulen zur militärischen wie ideologischen Ausbildung späterer SS-Offiziere.
Während des 2. Weltkrieges wurde das Schloss mehrfach bei Bombenangriffen beschädigt, Ende 1944 sogar schwer, stand aber bei Kriegsende noch in seinen wesentlichen Bestandteilen.
Abriss des Schlosses
Schon bald nach dem Ende des Krieges entbrannte eine hitzige Debatte, was mit dem Schloss geschehen solle. Im Jahre 1955 übereignete das neu gegründete Land Niedersachsen als Rechtsnachfolger des Landes Braunschweig das Schloss – bzw. das, was die Bombenangriffe des 2. Weltkrieges davon übrig gelassen hatten - mit der Auflage an die Stadt Braunschweig, das Gebäude entweder binnen fünf Jahren wieder instand zu setzen oder aber abreißen zu lassen.
Große Teile der Braunschweiger Bevölkerung waren für den Wiederaufbau. Es gab bereits Pläne, das Schloss zu einer Stadthalle mit Kinos und Restaurants umzubauen. Eine Bürgerinitiative sammelte Unterschriften, Proteste des Braunschweigischen Landesvereins, der Fakultät für Bauwesen, der Kunstgeschichtlichen Gesellschaft aus Hannover und zahlreicher Anderer (so auch Herzogin Viktoria Luise), blieben jedoch erfolglos.
Der Streit zog sich fünf Jahre hin, da das Land Niedersachsen keine Verlängerung der Frist zuließ. Aufgrund der Situation im Nachkriegs-Braunschweig: Trümmerräumung noch nicht abgeschlossen, fehlende Wohnungen und die Verlegung und Neubau des Hauptbahnhofes wurden die lediglichen Sicherungsmaßnahmen an der Bausubstanz des Schlosses mit Geldmangel begründet; bis es schließlich der in Braunschweig mit absoluter Mehrheit regierenden SPD unter Führung der damaligen Oberbürgermeisterin Martha Fuchs am 21. Dezember 1959 gelang, mit einer Mehrheit von zwei Stimmen die Entscheidung des Rates der Stadt Braunschweig für den Abriss des Braunschweiger Schlosses herbeizuführen. Aus Sicht der SPD symbolisierte die Residenz sowohl monarchistische Herrschaft als auch verbrecherische NS-Diktatur.
Die Abrissarbeiten wurden trotz fortdauernder Proteste seitens der Braunschweiger Bevölkerung eingeleitet, begannen am 18. März 1960 und fanden zügig ihren Abschluss.
Bei den Abrissarbeiten ließ man beim Portikus, im Gegensatz zu den meisten anderen Teilen, Rücksicht walten: er wurde vorsichtig zerlegt, nummeriert und in einer Grube am Madamenweg eingelagert. Herausragende Teile wie Reste von Figuren wurden auf dem städtischen Bauhof an der Ludwigsstraße verwahrt, Säulenkapitelle wurden in einem Wasserbecken im späteren Schlosspark aufgestellt. Der Rest wanderte auf das Gelände des Kleingartenvereins Holzenkamp am Madamenweg, wo sie eine Grube mit 45 x 30 Metern füllen.
Viele empfanden den Abriß als Verlust eines Ortes Braunschweiger Identität. Aus historischer Sicht kann das Schloss aber auch als Machtdemonstration der Welfen gelten, welche die Stadt nach mehreren gescheiterten Versuchen 1671 gegen hartnäckigen Widerstand der Bürgerschaft erobert hatten und als Residenz zentral ein dominierendes Gebäude errichteten, das noch 1830 von Bürgern als verhasstes Symbol in Brand gesteckt wurde.
Die Zeit nach dem Abriss
Nach Beendigung der Abrissarbeiten wurde auf dem Gelände des Schlosses und dem danebenliegenden Schlossgarten der Schlosspark angelegt, der ab 1963 als öffentlicher Park genutzt wurde. Er wurde 1973/74 erweitert und bekam 1976 mit dem Bau der Horten-Tiefgarage und dem Straßendurchbruch "Georg-Eckert-Strasse" seinen typischen Grundriss.
Für die Generationen, die in der 2.Hälfte der 1970er bis in die 1990er Jahre aufgewachsen sind, war der Schlosspark -gerade im Sommer- ein gern angenommener Treffpunkt. Er bot neben Kinderspielplätzen auch Außenschach, sowie die Möglichkeit mitten in der Innenstadt auf einer Wiese auf einer Decke ein Buch zu lesen oder ein Picknick zu machen.
In den letzten 10 Jahren (vor der Rodung) entstand in einigen Teilen des Parks zunehmend eine Drogenszene, die den Ruf des Schloßparks in der Öffentlichkeit eintrübte.
Die Proteste gegen den Abriss des Schlosses waren nie ganz verstummt.
Rekonstruktion und Neubau
Bis Anfang 2007 soll auf dem Gelände des ehemaligen Schlosses und des Schlossgartens, ein ECE-Einkaufszentrum gebaut werden, das auf drei Ebenen und 30.000 m² rund 130 Geschäfte und 20 Gastronomiebetriebe beherbergen soll. Trotz Protesten von Teilen der Bevölkerung wegen der Zerstörung des nach dem Abriss des Original-Schlosses ab 1960 auf dem Gelände angelegten Parks und einer befürchteten Verödung der Innenstadt, wurden am 18. Mai 2005 die Bäume im „Schlosspark“ gefällt und am 13. Juli 2005 offiziell mit den Bauarbeiten begonnen. Das Richtfest wurde am 28. Juni 2006 gefeiert, im August soll die Rekonstruktion der Westfassade abgeschlossen werden und im September der Rohbau der Arkaden. Im März 2007 soll das ECE schließlich eröffnet werden.
Die Einweihung der Westfassade am 26. August 2006 ist eine der wenigen Bedingungen, die die Stadt an den Neubau durch das ECE-Konsortium knüpfte, da die Rekonstruktion des Schlosses das Vorzeigeprojekt in der Amtszeit des regierenden Oberbürgermeisters Gert Hoffmann ist und der Fertigstellung der Schloßfassade in Richtung Bohlweg ein erheblicher Einfluß auf die Kommunalwahlen im Herbst 2006 zugesprochen wird.
Ein Teil des Neubaus soll mit einer Rekonstruktion von drei Seiten der ehemaligen Schloss-Fassade versehen werden. Die Fassaden werden 116 m breit, mit der Quadriga 40 m hoch und an den Seitenflügeln 60 m tief, allerdings nur etwa 18 cm dick sein. Ein Teil der Rekonstruktion wird aus erhaltenen Originalbauelementen des Ottmer-Baus bestehen, die nach dem Abriss eingelagert oder anderorts (z. B. als Dekoration) verwendet wurden. Diese Schlossfassaden-Rekonstruktion bildet den Haupteingang des Einkaufszentrums. Ein Teil des Einkaufszentrums wird für kulturelle Zwecke genutzt werden, u. a. sollen die Öffentliche Bücherei, das Standesamt, das Kulturinstitut und Abteilungen der Braunschweiger Museen aufgenommen werden. Auch die neue, in der polnischen Stadt Posen gefertigte und von dem Braunschweiger Münz- und Briefmarkenhändler Richard Borek finanzierte Quadriga soll wieder den Mittelbau krönen.
Literatur
- Bernd Wedemeyer: Das ehemalige Residenzschloß zu Braunschweig. Eine Dokumentation über das Gebäude und seinen Abbruch im Jahre 1960. 2. Aufl., Braunschweig 1993
Weblinks
- Fotogalerie zum Bau der Schloss-Arkaden in Braunschweig
- 2. Fotogalerie zum Bau der Schloss-Arkaden in Braunschweig
- Fotos vom Zustand des Schlosses nach Ende des 2. Weltkrieges sowie der Protestaktionen gegen seinen Abriss im Jahre 1960
- Fotos vom Abriss des Braunschweiger Schlosses im Jahre 1960
- Reiterstandbilder heute
- Offizielle Homepage der Stadt Braunschweig mit Informationen über das ECE-Center, inkl. Bilder des Modells für den Bauantrag
- Offizielle Seite ECEs über die Schloss Arkaden Braunschweig
- Virtueller Stadtrundgang mit Schloss Arkaden Braunschweig
Vorlage:Navigationsleiste Sehenswürdigkeiten in Braunschweig