Modifizierte Newtonsche Dynamik
Der Artikel erklärt das Lemma nicht. --217.232.17.171 13:41, 10. Okt. 2006 (CEST)
Die modifizierte newtonsche Dynamik, abgekürzt MOND ist eine physikalische Theorie, die das unerwartete Rotationsverhalten von Galaxien durch Modifikationen der Bewegungsgleichungen der Materie erklären soll. MOND wurde 1983 von Mordehai Milgrom vorgeschlagen.
Der traditionelle Erklärungsversuch postuliert dunkle Materie.
Beobachtungen
Seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts ergaben Messungen der Rotation von Galaxien, dass die Rotationsgeschwindigkeiten nicht den erwarteten entsprachen. Die Bahnen der Sterne in einer Galaxie werden nur von der Schwerkraft der in der Galaxie zusammengeballten Materie verursacht. Mittels der beobachteten Masseverteilung (Sterne, Gasnebel) kann die Gravitationskraft, und somit die Bahn der Sterne, berechnet werden.
Es stellte sich heraus, dass die Sterne am Rande der Galaxien schneller umliefen als nach der Theorie vorhergesagt. Man spricht vom "Abflachen der Rotationsgeschwindigkeit" im Gegensatz zum erwarteten "Abfallen der Rotationsgeschwindigkeit".
Dunkle Materie
Da sowohl das newtonsche Gravitationsgesetz als auch Albert Einsteins allgemeine Relativitätstheorie gut überprüfte Theorien zum Verhalten von Materie unter Gravitation sind, nehmen die meisten Astronomen eine nicht sichtbare (das heißt dunkle) Materiekomponente im Halo um die Galaxien an.
Eine intensive Suche nach dieser dunklen Materie hat bislang nicht zum Erfolg geführt. Es wurden zwar neue dunkle Objektklassen identifiziert und in ihrem mengenmäßigen Vorkommen abgeschätzt (erloschene Sterne, Gaswolken, Neutrinos), allerdings ist die hierdurch gegebene Masse bislang nicht ausreichend, die Rotationskurven zu erklären.
MOND-Hypothese
Aufgrund der bislang fehlenden dunklen Materie gibt es einige Zweifel am immer noch weitgehend akzeptierten Modell der dunklen Materie. Eine Alternative in Form einer Änderung des newtonschen Bewegungsgesetzes wurde 1983 von Mordehai Milgrom in der MOND-Hypothese formuliert.
Im Gegensatz zur dunklen Materie, die zu größeren Kräften führt, die mit der gemessenen Rotationskurve übereinstimmen, verändert die MOND-Hypothese das zweite newtonsche Axion um bei gleich großen Kräften eine größere Beschleunigung zu erzielen.
Die Hypothese
Das newtonsche Bewegungsgesetz besagt, dass ein Objekt der Masse , wenn es einer Kraft ausgesetzt ist, eine Beschleunigung erfährt:
Dieses Gesetz hat sich generell als korrekt erwiesen. Allerdings ist es bei extrem kleinen Beschleunigungen nur schwer oder gar nicht experimentell nachzuweisen. Solche extrem kleinen Beschleunigungen wirken jedoch bei der Gravitationswechselwirkung zwischen entfernten Sternen.
Milgrom schlug vor, das Bewegungsgesetz zu:
abzuändern, wobei
eine Funktion ist, die 1 für hohe Werte ( ) und für kleine Werte ( ) annimmt. ist eine neue Naturkonstante, die beschreibt, ab welcher Schwäche die Modifikation relevant wird. Zusammengefasst:
Die genaue Gestalt der Funktion ist nicht spezifiziert. Nur das genannte Verhalten ist wichtig. Da alle Vorgänge des Alltagslebens bei Beschleunigungen stattfinden, bleibt hier das Bewegungsgesetz unverändert erhalten.
Weit entfernt vom Zentrum einer Galaxie sieht die Situation allerdings anders aus. Nach dem Gravitationsgesetz gilt:
wobei die Gravitationskonstante, die Masse der Galaxie und die Masse des betrachteten Sterns ist. ist der Abstand zwischen dem Schwerpunkt der Galaxie und dem des Sterns.
Mit dem modifizierten Bewegungsgesetz entsteht:
Da in dieser Situation gerade , also gelten soll, erhält man (wenn auch sein soll) z.B.:
und somit
Also ist
Der Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit, Beschleunigung und Abstand zum Kraftzentrum für eine Kreisbahn lautet:
und damit ergibt sich
bzw.
Daraus folgt, das die Rotationsgeschwindigkeit im weiten Abstand konstant ist, und nicht mehr vom Abstand abhängt. Das erforderliche „Abflachen der Rotationsgeschwindigkeit“ ist durch die Hypothese sichergestellt.
Folgerungen
Die MOND-Hypothese erlaubt, die neue Naturkonstante aus gemessenen Rotationsgeschwindigkeiten und Galaxiengeschwindigkeiten zu berechnen. Milgrom bestimmte aus Messungen vieler Galaxien .
Stand der Hypothese
Eine wissenschaftliche Hypothese erfüllt im Allgemeinen eine Reihe von Forderungen, bevor sie als Theorie anerkannt wird:
- Sie erklärt Beobachtungen, die bisherige Theorien nicht erklären. Die Hypothese muss also formuliert werden und in sich konsistent sein.
- Die Hypothese darf keine Ergebnisse liefern, die im Widerspruch zu anderen Beobachtungen oder Experimenten stehen.
- Falls die Hypothese eine von mehreren alternativen Hypothesen ist, sollte sie die Möglichkeit enthalten, sich von den anderen Hypothesen experimentell oder durch Beobachtungen zu unterscheiden.
Der erste Punkt wird von der MOND-Hypothese, wie in obiger Ableitung dargestellt, erfüllt.
Offenbar ist die Hypothese schwer zu überprüfen, da sie sich nur bei extrem geringen Beschleunigungen von den akzeptierten Theorien unterscheidet. Alle Objekte im Sonnensystem sind der Anziehung durch die Sonne unterworfen, und fallen aufgrund der dadurch bewirkten Beschleunigung außerhalb des Anwendungsbereiches der MOND-Hypothese, so dass man im Sonnensystem keine abweichenden Beobachtungen machen und erwarten kann. Auch weit am Rande der Galaxis ist nicht klar, wie man den Einfluss potentieller kleiner Begleiter der dort kreisenden Sterne berücksichtigen soll. Genaugenommen ist jedes Atom des Sterns der Gravitationsbeschleunigung des Sterns selber unterworfen.
Zur Bewertung der MOND-Hypothese ist es also erforderlich, neben der Wirkung entfernter Objekte auch die lokale Umgebung zu betrachten.
Eine Beobachtungsmöglichkeit ist durch die Pioneer- und Voyager-Raumsonden gegeben, die sich auf dem Weg in den interstellaren Raum befinden, und aufgrund ihrer Isoliertheit nur sehr geringen Beschleunigungen ausgesetzt sind. Die Raumsonden Pioneer 10 und 11 erfuhren eine unerwartete Abbremsung, die selbst eine ausführliche Analyse der Nasa nicht auf bekannte Ursachen (Kleinplaneten, interplanetarischer Staub, Wärmestrahlung der Sonden) zurückführen konnte. Diese Abweichung wird auch Pioneer-Anomalie genannt. Außerdem fand man Verzögerungen auch bei der Jupitersonde Galilieo und bei Ulysses, die die Sonne umrundet.
Kritik
Einer der Gründe für die geringe Akzeptanz der MOND-Hypothese ist, dass es sich bei ihr um eine effektive Theorie handelt. Dieser Zugang unterscheidet sich grundlegend von derzeitig populären Versuchen, alle Phänomene der Physik auf Grundlage einer einzigen Theorie (beispielsweise Stringtheorie) zu stellen. Die Tatsache, dass durch die MOND-Hypothese keine tieferen Erkenntnisse über den Raum oder die Materie geliefert werden, welche einen Grund für die neue Bewegungsgleichung geben, erscheint unattraktiv.
Eine andere Kritik bemerkt, dass die MOND-Hypothese alternativ als eine Modifizierung des Gravitationsgesetzes verstanden werden kann. Bislang ist es allerdings nicht gelungen, die einsteinsche allgemeine Relativitätstheorie derart zu modifizieren, dass einerseits die MOND-Ergebnisse reproduziert werden und andererseits die bestehenden Beobachtungen weiter erklärt bleiben.
Die Änderung der Newtonsche Bewegungsgleichung führt bei konsequenter Betrachtung auch nicht zum gewünschten Ergebnis. Betrachtet man beispielsweise einen Kugelsternhaufen am Rand einer Galaxie, so wirkt auf einen einzelnen Stern nicht nur die Gravitationskraft der Galaxie, sondern auch die viel größere Gravitationskraft der anderen Sterne des Kugelsternhaufens. Addiert man diese Gravitationskräfte so ist die resultierende Beschleunigung wieder sehr viel größer als a0 und unterscheidet sich somit nicht vom klassischen Ergebnis. Es gilt also so die Superposition von Beschleunigungen nicht mehr, deshalb müsste es sich um eine Modifizierung des Gravitationsgesetzes handeln.
Offen ist das der MOND-Hypothese zugrundeliegende physikalische Prinzip, bzw. Konzept. Das newtonsche Gesetz gilt zwar innerhalb der newtonschen Theorie als ein Axiom, es ist aber letzten Endes Ausdruck einer spezifischen Raum-Zeit-Konzeption. Wenn die MOND-Hypothese stimmt, muss sie das Raum-Zeit-Konzept der Allgemeinen Relativitätstheorie modifizieren und auf einen tiefer liegenden Grund zurückgeführt werden. Streng genommen nimmt die MOND-Hypothese jedoch nur eine Anpassung einer Formel an Messdaten vor, ohne ein physikalisches Prinzip anzugeben oder zu begründen. In diesem Sinne liefert sie nur eine empirische Formel, deren Begründung fehlt. Sie ist so gesehen nur der mathematische Ausdruck für den nicht verstandenen Sachverhalt, d.h., sie hat selbst gar nicht den gewünschten Erklärungswert.
Während die MOND-Hypothese die Rotationskurven der Galaxien erklären, kann sie in der Kosmologie die dunkle Materie nicht ersetzen. Dort ist die dunkle Materie notwendiger Bestandteil des ΛCDM-Modells, das sehr erfolgreich die Beobachtungen zum Beispiel der kosmischen Hintergrundstrahlung erklärt.
Literatur und Weblinks
- Spektrum der Wissenschaft 10/2002 S 34
- Mordehai Milgrom: Does Dark Matter Really Exist?, Scientific American, August 2002
- Preprints zu MOND