Wahlrecht 2004
Am 13. Juni 2004 wurde durch Volksentscheid mit 66,5 % Ja- von 385.542 abgegebenen gültigen Stimmen das Wahlrecht (Hamburg 2004) Gesetz. Es handelte sich dabei um ein stark personalisiertes Verhältniswahlrecht.
Die Haltungen der Parteien zum Wahlrecht von 2004
Die beiden Parteien CDU und SPD legten bei der Volksabstimmung zum neuen Wahlrecht 2004 einen gemeinsamen Gegenentwurf vor, der in den meisten Punkten dem Vorschlag der Bürgerinitiative ähnlich war, jedoch die entscheidenden Punkte, nämlich Mehrmandatswahlkreise und dynamische Parteilisten, nicht enthielt. Die Wähler entschieden sich für den Gesetzentwurf der Bürgerinitiative.
- CDU: Die mit absoluter Mehrheit alleinregierende CDU richtete nach dem nicht ihren Vorstellungen entsprechendem Volksentscheid eine Geheimkommission unter dem langjährigen CDU-Parteivorsitzenden Jürgen Echternach († 4. April 2006) ein. Diese Kommission erarbeitete einen Wahlrechtsreformvorschlag. Aus Sicht der Wahlinitiative sollte dieser Vorschlag den Einfluss der Parteien auf die Personalzusammensetzung erhöhen und den Einfluss der Wähler praktisch unmöglich machen. Aus Sicht der CDU diente der Vorschlag insbesondere der Behebung von handwerklichen Fehlern im Gesetzestext der Initiative. Über einen entsprechenden Gesetzesvorschlag sollte die CDU-Fraktion in einer Sondersitzung am 31. Oktober 2005 entscheiden. Dies geschah jedoch nicht, da es nicht sicher schien, dass die Gesetzesvorlage in der Bürgerschaft eine Mehrheit finden würde, obwohl die CDU die absolute Mehrheit in der Bürgerschaft hat. Kritik kam z.B. vom CDU-Ortsvorsitzenden von Hamburg-Nienstedten, Lars Möller, der das Vorhaben als „eine Geheimaktion, die von oben durchgepeitscht wurde“ bezeichnete. Am 8. Mai 2006 beschloss die CDU-Bürgerschaftsfraktion bei Enthaltung der Harburger Abgeordneten einen Gesetzentwurf für ein neues Wahlrecht. Dieser sieht u.a. starre Parteilisten und nur eine Wählerstimme (also kein Kumulieren/Panaschieren möglich) für die Landeslistenwahl, die Wiedereinführung der 5%-Hürde auf Bezirksebene, sowie ein Nachbesetzen von unbesetzten Wahlkreissitzen aus der Landesliste vor, wodurch die entscheidenden Merkmale des vom Volk bestimmten Wahlrechts abgeschafft werden sollen.
- SPD: SPD-Fraktionschef Michael Neumann versicherte in der Sendung hamburg journal, dass Volksentscheide aus Sicht der SPD „moralisch bindend sind und nicht angegriffen werden dürfen“. Die Hamburger SPD akzeptiert damit ihre Niederlage beim Volksentscheid.
- Bündnis 90/Die Grünen GAL: Der Verfassungsexperte und Bürgerschaftsabgeordnete der GAL-Fraktion Farid Müller gehört zu den Unterstützern des neuen Wahlrechts: "Das neue Wahlrecht stärkt die Wählenden gegenüber den Parteien. Es ist deswegen ein gutes Rezept gegen Politikverdrossenheit und Extremismus." Er prophezeite SPD und CDU eine schmerzliche Niederlage bei der Volksabstimmung. Die Pläne der CDU zur Änderung des Wahlrechts verurteilt er als "Wahlrechtsraub". Gegen diesen Wahlrechtsraub wendet er sich mit zahlreichen Reden und Presseveröffentlichungen. Müller darf als engagiertester Bürgerschaftsabgeordneter in Sachen Wahlrecht und Volksentscheide gelten. Krista Sager, Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und ehemalige Zweite Bürgermeisterin von Hamburg: „Endlich bekommt die Diskussion um ein neues Wahlrecht einen neuen Schub. Die GAL (Grün-alternative Liste in Hamburg) begrüßt die Einrichtung von Wahlkreisen und die Möglichkeit, mehrere Stimmen auf einen Kandidaten bzw. eine Kandidatin zu kumulieren. Die Wahlrechtsreform wird für mehr Bürgernähe sorgen.“
- FDP: Ekkehard Rumpf, verfassungspolitischer Sprecher der FDP-Bürgerschaftsfraktion: „Durch das Kumulieren und Panaschieren können Wähler ihren politischen Willen differenziert ausdrücken. Das entspricht einer jahrelangen Forderung der FDP, deshalb wird die vorgeschlagene Wahlrechtsreform von uns voll unterstützt.“
Wahlrechtsänderung 2006
Am 11. Oktober 2006 beschloss die CDU-Fraktion, mit Ausnahme eines CDU-Abgeordneten, gegen die Stimmen der Opposition entscheidende Änderungen des Wahlrechts für Hamburg, welche die Kernelemente des Wahlrechts von 2004, welches nicht angewendet wurde, rückgängig machten.
Kritik an der Wahlrechtsänderung 2006
Die geplante Änderung des mit knapp Zweidrittelmehrheit vom Volk bestimmten Wahlrechts durch die Drei-Stimmen-Mehrheit einer Partei in der Bürgerschaft stößt nicht nur auf Kritik am Demokratieverständnis der Hamburger CDU, sondern wirft auch juristische Fragen auf, z.B. nach dem Vertrauensschutz von Verfassungsorganen (Volksentscheid) und der Berechtigung der 5%-Hürde auf Kommunalebene (in Deutschland inzwischen unüblich).