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Mary (Gedankenexperiment)

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Marys Zimmer ist ein philosophisches Gedankenexperiment das vom Philosophen Frank Jackson in seinem Artikel "Epiphenomenal Qualia" (1982) gestellt und von ihm in "What Mary Didn't Know" (1986) erweitert wurde. Das Argument, dass durch diesen Gedankenexperiment motiviert werden soll, wird häufig als das Wissensargument gegen den Physikalismus, also gegen die Ansicht, dass das Universum inklusive des Mentalen, rein physisch ist, bezeichnet. Die Debatte, die durch dieses Gedankenexperiment ausgelöst wurde, war zuletzt Inhalt einer Sammlung von Essays - There's Something About Mary (2004) - mit Erwiderungen führender Philosophen, wie Daniel Dennett, David Lewis, and Paul Churchland.

Das Gedankenexperiment

Das Gedankenexperiment wurde von Frank Jackson ursprünglich wie folgt formuliert:

Mary is a brilliant scientist who is, for whatever reason, forced to investigate the world from a black and white room via a black and white television monitor. She specializes in the neurophysiology of vision and acquires, let us suppose, all the physical information there is to obtain about what goes on when we see ripe tomatoes, or the sky, and use terms like ‘red’, ‘blue’, and so on. She discovers, for example, just which wavelength combinations from the sky stimulate the retina, and exactly how this produces via the central nervous system the contraction of the vocal chords and expulsion of air from the lungs that results in the uttering of the sentence ‘The sky is blue’. [...] What will happen when Mary is released from her black and white room or is given a color television monitor? Will she learn anything or not?"
„Mary ist eine brilliante Wissenschaftlerin, die, aus welchen Gründen auch immer, gezwungen ist, die Welt von einem schwarzweißen Raum heraus zu untersuchen, mittels eines schwarzweißen Fernsehmonitors. Sie spezialisiert sich in der Neurophysiologie des Sehens und eignet sich, wie wir annehmen wollen, alle physikalischen Informationen an, die verfügbar sind, über das, was passiert, wenn wir reife Tomaten oder den Himmel sehen, und Begriffe wie ‚rot’, ‚blau’, usw. benutzen. Sie entdeckt zum Beispiel, welche vom Himmel ausgehenden Wellenlängen-Kombinationen genau die Netzhaut stimulieren, und wie genau dies mithilfe des zentralen Nervensystems ein Zusammenziehen der Stimmbänder und Ausstoßen von Luft aus der Lunge hervorruft, das zur Äußerung des Satzes ‚Der Himmel ist blau’ führt. [...] Was wird passieren, wenn Mary aus ihrem schwarzweißen Raum gelassen wird oder wenn man ihr einen Farbfernseher gibt? Wird sie etwas lernen oder nicht?"(Lit.: Jackson 1982, S. 130)

Mit anderen Worten, stellen wir uns eine Wissenschaftlerin vor, die alles weiß, was es in der Wissenschaft der Farbwahrnehmung zu wissen gibt, die aber nie Farbe erlebt hat. Die interessante Frage, die Jackson aufwirft lautet: Lernt diese Wissenschaftlerin etwas neues, wenn sie zum ersten Mal eine Farbwahrnehmung außerhalb ihres schwarzweißen Gefängnisses hat?

Folgerungen

Wenn Mary etwas neues lernt, wenn sie ihre erste Farbwahrnehmung hat, so hat dies zwei wichtige Folgerungen: Die Existenz von Qualia und das Wissensargument gegen den Physikalismus.

Qualia

Erstens existieren, wenn Mary etwas neues lernt nach einem Farberlebnis, Qualia (die subjektiven, qualitativen Eigenschaften von Erlebnissen). Wenn wir das Gedankenexperiment für gültig halten, so glauben wir, dass Mary etwas gewinnt - dass sie Wissen über eine bestimmte Entität erwirbt, das sie vorher nicht besaß. Dieses Wissen, so argumentiert Jackson, ist Wissen von den Qualia des Rotsehens. Deswegen müßte anerkannt werden, dass Qualia reale Eigenschaften sind, da es einen Unterschied zwischen einer Person gibt, die Zugang zu einer bestimmten Quale hat und einer, die nicht über diesen Zugang verfügt.

Das Wissensargument

Zweitens ist, falls Mary etwas neues lernt nach einem Farberlebnis, der Physikalismus falsch. Besonders ist das Wissensargument ein Angriff auf die Behauptung der Physikalisten, dass eine physikalische Erklärung von mentalen Zuständen vollständig sei. Mary mag alles über die Farbwahrnehmung wissen, was die Wissenschaft darüber wissen kann, aber weiß sie, wie es ist die Farbe Rot zu sehen, wenn sie nie diese Farbe gesehen hat? Jackson behauptet, dass sie durch Erleben etwas neues lernt und somit, dass der Physikalismus falsch ist.

„It seems just obvious that she will learn something about the world and our visual experience of it. But then is it inescapable that her previous knowledge was incomplete. But she had all the physical information. Ergo there is more to have than that, and Physicalism is false."
„Es scheint offensichtlich zu sein, dass sie etwas neues über die Welt und unser visuelles Erleben dieser lernen wird. Aber dann ist es unausweichlich, dass ihr vorheriges Wissen unvollständig war. Aber sie besaß alle physikalischen Informationen. Somit gibt es mehr, als nur diese zu besitzen, und der Physikalismus ist falsch." (Lit.: Jackson 1982, S. 130)

Es ist wichtig zu bemerken, dass in Jacksons Artikel Physikalismus die erkenntnistheoretische Doktrin bezeichnet, nach der alles Wissen Wissen über physikalische Fakten ist, und nicht die metaphysische Doktrin, nach der alle Dinge physikalische Dinge sind.

Reaktionen

Daniel Dennett

Daniel Dennett argumentiert, dass Mary nicht wirklich etwas neues lernen wird, wenn sie ihren schwarzweißen Raum verlassen würde, um die Farbe Rot zu sehen. (Lit.: Dennett 1991, S. 398 und Dennett 2003) Dennett erklärt, dass wenn Mary bereits wirklich alles wissen würde, was es über Farbe zu wissen gibt, so würde diesen Wissen ein tiefes Verständnis darüber umfassen, warum und wie die menschliche Neurologie und veranlaßt die "Qualia" von Farbe wahrzunehmen. Mary würde demnach bereits genau wissen, was vom Rotsehen zu erwarten sei, noch bevor sie den Raum verläßt. Dennett argumentiert weiter, dass, auch wenn wir nicht ersinnen können, wie ein solch weitreichendes Verständnis aussieht, wir nicht unter der Annahme, dass Mary alles weiß, was es über Farbe zu wissen gibt, annehmen können, dass wir ein solchen Wissen ausloten oder gar beschreiben können - oder sagen könnten, dass es nicht existiert.

Frank Jackson

Frank Jackson unterstützte anfangs die antiphysikalischen Folgerungen des Gedankenexperiments von Marys Zimmer. Jackson glaubte an die vollständige Erklärungskraft der Physiologie, daran dass all unser Verhalten von irgendwelchen physikalischen Kräften verursacht ist. Und das Gedankenexperiemt scheint die Existenz von Qualia, einem nicht physikalischen Teil des Geistes, zu zeigen. Also, so argumentierte Jackson, wenn dies beides wahr ist, so ist der Epiphänomenalismus wahr, d.h. die Lehre nach der mentale Zustände durch physikalische Zustände verursacht werden, diese aber keinen kausalen Einfluß auf die physikalische Welt haben. (Lit.: Jackson 1982 & 1986)

Also war Jackson, bei der Konzeption des Gedankenexperiments, ein Epiphänomenalist. Später lehnte er allerdings den Epiphänomenalismus ab. (Lit.: Jackson 2003) Dies liegt, wie er erörtert, daran dass wenn Mary das erste Mal Rot sieht, sie "Wow" sagt, weswegen es Marys Qualia sein muss, die sie "Wow" sagen läßt. Dies widerspricht dem Epiphänomenalismus. Da das Gedankenexperiment von Marys Zimmer diesen Widerspruch hervorruft, muss etwas falsch an ihm sein. Darauf wird häufig mit dem Ausspruch "there must be a reply, reply" (in deutsch etwa: "es muss eine Antwort geben, eine Antwort") Bezug genommen.

Literatur

  • Dennett, Daniel. 1991. Consciousness Explained, Boston: Little Brown.
  • Dennett, Daniel. 2003. "What RoboMary Knows", in Torin Alter (ed.) Knowledge Argument. Online-Version
  • Jackson, Frank. 1982. "Epiphenomenal Qualia", Philosophical Quarterly 32, pp. 127-136. Online-Version
  • Jackson, Frank. 1986. "What Mary Didn't Know", Journal of Philosophy 83, pp. 291-295.
  • Ludlow, P., Y. Nagasawa, and D. Stoljar (eds.). 2004. There's Something About Mary, MIT Press.

Siehe auch