Frieden
Frieden (älterer Nominativ: Friede) ist allgemein definiert als ein heilsamer Zustand der Stille oder Ruhe, als die Abwesenheit von Störung oder Beunruhigung.

„Es gab noch nie einen guten Krieg oder einen schlechten Frieden.“ Benjamin Franklin
Spezifischer kann damit die Abwesenheit von Gewalt oder Krieg gemeint sein. In diesem Sinne ist Frieden zwischen und innerhalb von Nationalstaaten und Religionen ein Ziel vieler Personen und Organisationen, besonders der Vereinten Nationen. Frieden kann freiwillig sein, wenn potentielle Streitparteien sich entschließen, auf Störung des Friedens zu verzichten, oder er kann erzwungen sein, indem diejenigen nieder gehalten werden, die andernfalls eine solche Störung verursachen würden (Völkerrechtlicher Friede).
In der wissenschaftlichen Diskussion unterscheidet man zwischen dem oben genannten engen Friedensbegriff, der die Abwesenheit von Konflikten beinhaltet, und einem weiter gefassten Friedensbegriff. Letzterer umfasst neben dem Fehlen kriegerischer Gewalt, bei Johan Galtung direkte Gewalt genannt, auch das Fehlen kultureller und struktureller Gewalt. Nach dieser Definition bedeutet Frieden also zusätzlich das Fehlen einer „auf Gewalt basierenden Kultur“, sowie das Fehlen repressiver oder ausbeuterischer Strukturen. Frieden wird hier positiv definiert als „die Fähigkeit [...], Konflikte mit Empathie (= der Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellung und Mentalität anderer Menschen einzufühlen), mit Gewaltlosigkeit und mit Kreativität zu klären und zu lösen.“ Dies erfordert neben kommunikativer Friedensarbeit das Erkennen der Bedeutung von „Rechtskommunikation“ und eine intensivere Beschäftigung mit den Ursachen streitlegenden Verhaltens, das mit „Machtkommunikation“ Streiteskalationen provoziert und begünstigt. Ein Beispiel für ein „Friedensdorf“ ist Neve Shalom / Wahat as-Salam.
Die moderne Rechtsphilosophie als Organisationsgrundlage friedlicher Gesellschaften führt trotz des enormen Interesses an einer friedlichen Welt noch immer ein Schattendasein. Dies liegt an weitverbreitenden Irrtümern und an der Monopolisierung des schwierig scheinenden Wissensgebietes „Rechtswissenschaft“, das sich deshalb mit der zu elitären Steuerung menschlich-unmenschlichen Verhaltens beschäftigt, obwohl es in demokratischen Gesellschaften durch die Gewaltenteilung „Legislative, Judikative, Exekutive“ befähigt ist, ein zufriedenstellendes Zurechtkommen aller Mitglieder einer Gemeinschaft zu ermöglichen, einen Zustand von Gerechtigkeit als Grundlage allen Friedens.
Der Friedensgedanke in der Geschichte
Ursprünglich scheint der Friede nirgends als Normalzustand angesehen worden zu sein. Er musste „gestiftet“ werden (vgl. den germanischen Rechtsbegriff der „Einfriedung“).
In der griechischen Antike bezeichnete der Begriff „eirene” (ειρήνη) bis ins 5. Jahrhundert v. Chr. einen statischen Zustand von Ordnung, Wohlstand und Ruhe. Die Göttin Eirene als personifizierter Friede wurde mit dem Füllhorn, dem Symbol des Reichtums dargestellt. Der Krieg galt als Normalzustand in den Beziehungen zwischen den griechischen Poleis. Entsprechend wurden Friedenszeiten meist mit Begriffen wie „spondai” (σπονδαι), „synthekai” (συνθεκαι) oder „dialysis polemon” (διαλυσις πολεμον) umschrieben, die in etwa die Bedeutung von „Waffenstillstand” hatten. Erst gegen Ende des Peloponnesischen Krieges wurde „eirene” zunehmend im heutigen Sinne des Worts „Friede” gebraucht. Auch Friedensverträge wurde jetzt als „eirene” bezeichnet. Beides ist ein Hinweis darauf, dass sich nach Jahrzehnten des Krieges die Einsicht durchsetzte, dass der Friede der anstrebenswerte Normalzustand sei. In der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. kam die Idee des Allgemeinen Friedens, der „koiné eiréne” (κοινή ειρήνη), auf, die eine dauerhafte Friedensordnung auf der Basis von Autonomie und Gleichberechtigung der griechischen Staaten vertraglich begründen sollte. Es erwies sich aber, dass eine solche Ordnung letztlich nur durch eine starke Hegemonialmacht garantiert werden konnte.
Die Römer benutzten als Friedensbegriff die lateinische Bezeichnung „pax“ (aus pangere einen Vertrag schließen). Man unterschied dabei den häuslichen, familiären Frieden, den zwischenstaatlichen Frieden, sowie den religiösen Frieden mit den Göttern. Nur der Friede auf allen drei Ebenen konnte ein ausgewogenes Leben garantieren. Zum Leitbild eines ausgreifenden Friedens wurde die Pax Romana bzw. Pax Augusta der römischen Kaiserzeit.
Der hebräische Begriff Schalom hat in der Bibel (dem Tanach) die Bedeutungen „Unversehrtheit“, „wohlbehalten sein“, „sicher sein“, „Glück“, „freundlich miteinander“, „im Frieden“. Er wurde zu einem zentralen Wort im Judentum und ist der gängigste Gruß unter Juden und im heutigen Israel. Das Wort ist mit dem arabischen „Salam“ auf das engste verwandt.
Liegt im Alten Testament( AT) des hebr. „schalom“ v.a. das Moment des Wohlbefindens, setzte sich das griech. „eiränä“ als meistgebrauchte Übersetzung von „Friede“ durch mit dem hauptsächlichen Moment der Ruhe. Mit Jesus Christus ist der im AT verheißene Friedefürst (Jesaja 9,5) erschienen, welcher die Feindschaft zwischen Gott und Mensch beendet, indem Jesus Christus die Strafe für die Sünde, den Tod, stellvertretend auf sich genommen hat. Dieser Friede kann für den Menschen Wirklichkeit werden, welcher sich als Sünder weiß und Jesus Christus als seinen Retter und somit persönlichen Friedensbringer annimmt. Erst dieser Friede mit Gott ermöglicht auch den Frieden unter Menschen. Wenn Jesus wiederkommt, wird er das Friedensreich aufrichten.**
Im Neuen Testament nutzt Jesus Christus den Gruß Schalom, um seine Jünger zu begrüßen, und gibt ihnen diesen Gruß auf die Reise mit. Ein Friedensgruß oder -kuss ist Bestandteil aller klassischen christlichen Liturgien. Augustinus entwarf das geschichtliche Modell zweier Reiche, eines göttlichen „civitas Dei“ sowie eines irdischen Staates, der „civitas terrena“, welch letzterer am Ende der Zeit den ewigen Frieden erringen sollte. Die unterschiedlichen und gegensätzlichen Positionen der Auseinandersetzungen des Mittelalters wirkten auf diesen Gedanken zurück. So entwickelte Marsilius von Padua im defensor pacis die Notwendigkeit einer eigenständigen politischen Friedensaufgabe. Mit dem Ewigen Landfrieden von 1495 wurde unter Kaiser Maximilian I. die Abschaffung des mittelalterlichen Fehderechts verkündet.
Frieden hat im Islam eine ganz andere Bedeutung als im herkömmlichen kantischen Sinne: Er ist nur zwischen Muslimen möglich. Das Gebiet der Nichtmuslime (Dar al-Harb) soll von den Muslimen mittels Dschihad erobert werden. Solange es noch Gebiete auf der Welt gibt, die der Islam noch nicht unterworfen hat, kann es keinen Frieden geben. Möglich ist lediglich ein zeitlich begrenzter Waffenstillstand (Hudna).
Der arabische Begriff Salam ist auch in die Umgangssprache als Gruß eingegangen salam alaikum (Friede sei mit Euch). Dieser Gruß wird traditionell aus oben genannten Gründen nur unter Muslimen verwendet. Er entspricht etymologisch dem hebräischen „Schalom“.
Der Gedanke des Friedens in der Neuzeit wurde maßgeblich geprägt durch den Westfälischen Frieden von 1648, der den Dreißigjährigen Krieg beendete. Dabei prägte Hugo Grotius († 1647) als maßgebliche Voraussetzung den Gedanken eines Völkerrechts innerhalb Europas, das die Anwendung von Gewalt zwischen den verschiedenen Konfessionen ausschließen sollte. Die rechtlichen und moralischen Prinzipien sollten prinzipielle und allgemein respektierte Gültigkeit erlangen, ohne Rücksicht auf die jeweilige Glaubensüberzeugung („Vom Recht des Krieges und des Friedens“ 1625).
Thomas Hobbes forderte 1651 mit dem „Leviathan“ innerstaatlich für alle Bürger gleiches Recht. Der Staat brauche eine entsprechende Autorität, um dieses Recht gegen Privilegien Mächtiger (z. B. des Adels) und vor der Gewalt von Fanatikern zu schützen. Die Grundlage dafür sah er in dem menschlichen Streben nach Sicherheit, Selbsterhaltung und Unabhängigkeit von fremder Willkür. Damit bereitete Hobbes dem neuzeitlichen Zentralstaat ideologisch den Boden; die darin auch angelegten Gefahren staatlichen Machtmissbrauchs zeigten sich dann am deutlichsten in den totalitären Exzessen der faschistischen und kommunistischen Regime.
Im 18. Jahrhundert entfaltete der Philosoph Immanuel Kant mit seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ 1795 grundlegende Ideen, aus denen sich einmal der Völkerbund (1918) und schließlich die Vereinten Nationen (1947) entwickeln sollten.
Nach marxistischer Auffassung kann nur die Arbeiterklasse die Ursachen des Krieges beseitigen und eine Gesellschaftsordnung herbeiführen, „deren internationales Prinzip der Friede sein wird, weil bei jeder Nation dasselbe Prinzip herrscht - die Arbeit“ (Marx/Engels-Gesamtausgabe, Bd. 17, S. 7). Der Frieden ist somit eine notwendige Folge des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln und der damit einhergehenden gesellschaftlichen Verhältnisse, während der Krieg ebenso gesetzmäßig der Klassengesellschaft anhaftet und von den herrschenden Klassen benutzt wird, um ihre Macht zu festigen und auszubauen. In der Klassengesellschaft ist daher der Frieden für den Marxisten lediglich eine Pause zwischen den Kriegen, die - vor allem im Imperialismus - lediglich dazu dient, auf dem Weg zur Weltherrschaft den nächsten Krieg nicht nur militärisch, sondern auch moralisch und propagandistisch, politisch und wirtschaftlich vorzubereiten.
Im Briand-Kellogg-Pakt 1928 kam es zu einer ersten völkerrechtlich verbindlichen Ächtung des (Angriffs-) Krieges als Mittel internationaler Politik. Hatte der Erste Weltkrieg mit vielfältiger intellektueller Unterstützung noch als Reinigungs- und Veredelungsprojekt der Individuen und Nationen propagandistisch unterfüttert werden können, so führte der Zweite Weltkrieg – neben dem NS-Holocaust - mit der Entwicklung und Erprobung der Atombombe (Hiroshima, Nagasaki) bereits die mögliche Selbstvernichtung der Menschheit in einem atomaren Holocaust drastisch vor Augen. Damit hat sich der Krieg als „Vater aller Dinge“ (Heraklit) in der Geschichte des 20. Jh. wohl endgültig als Verderber menschlicher Gesittung und Lebensqualität erwiesen, was auch die fortdauernden Auseinandersetzungen um den Einsatz von Atomwaffen bezeugen.
Die Friedensbewegung unserer Zeit beruht nicht allein auf religiösen Quellen, sondern versammelt auch ökologisch und philosophisch motivierte Atheisten unter dem Banner des Pazifismus und hinter dem Projekt: „Schwerter zu Pflugscharen!“
Frieden als Abwesenheit des Kriegs
Obwohl die Vergangenheit durch Konflikte geprägt ist, haben einige Länder und Regionen über mehrere Generationen Frieden halten können.
Hier einige Beispiele:
- Schweden (1815 - bis heute)
Schweden ist bis zum heutigen Tag das Land mit dem an längsten andauernden Frieden. Seit seiner Invasion durch Norwegen konnte es den Frieden aufrecht erhalten.
- Schweiz (1848 - bis heute)
Durch Bestehen auf Neutralität hat sich die Schweiz einen lang andauernden Frieden erhalten können.
Zitate
- „Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg.“
- „There is no way to peace. Peace is the way.“
- "Es gibt keinen Weg zum Frieden, Frieden ist der Weg" (Mahatma Gandhi, ebd.- wobei hier Buddha von Gandhi zitiert wurde)
- "Der Friede sei mit Euch! Meinen Frieden gebe ich euch. Nicht wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn Euch" (Jesus Christus; Quelle: bibl. Schriften)
vgl. unbedingt auch: "Augentschädigung um Auge, Zahnentschädigung um Zahn" statt "Auge um Auge, Zahn um Zahn" (Quelle: Ruth Lapide in "publik-forum" 2006 u.a., ebd.) (Es wird in weltweiten Konflikten immer wieder falsch der Satz verwendet "Auge um Auge..." als Nachweis angeblich notwendiger Rache. Das ist aber antijudaisch und theologisch nachweislich falsch, so Lapide, ebd.)
Symbole
- Taube: Die Taube wird sehr häufig zur Darstellung des Friedens gebraucht. Meist trägt sie einen Olivenzweig in ihrem Schnabel
- Olivenzweig/Baum
- zerstoerte Waffen, vor allem das Schwert
Literatur
- Erasmus von Rotterdam: Die Klage des Friedens (Querela Pacis)
- Immanuel Kant: Zum Ewigen Frieden
- Weizsäcker, Carl Friedrich von: Bedingungen des Friedens. Göttingen 1964
- Gensichen, Hans-Werner: Weltreligionen und Weltfrieden. Göttingen 1985
- Galtung, Johan u.a.: Neue Wege zum Frieden. Konflikte aus 45 Jahren: Diagnose, Prognose, Therapie. 2003.
- Koppe, Karlheinz: Der vergessene Frieden. Friedensvorstellungen von der Antike bis zur Gegenwart. Opladen 2001. ISBN 3-8100-3099-6
Siehe auch
- Liste bedeutender Friedensschlüsse
- Positiver Frieden
- Friedenspreise
- Friedenskirchen, Quäker, Mennoniten, Hutterer
- Schalom, Salam, Eirene
- Gütekraft, Satyagraha
- Peace-Zeichen
- zivile Konfliktbearbeitung
- Friedenspädagogik
- Friedensdienst
- Mahatma Gandhi
- Pazifismus
- Weltfrieden
- Der Frieden, Aristophanes - Drama
- Der Frieden (Hacks) nach Aristophanes
- Der Friede, Literaturzeitschrift
- Ethik
- Goldene Regel
Weblinks
- Bessere Welt Links - grösste Linksammlung zum Frieden
- AG Friedensforschung der Uni Kassel
- Institut für Friedenspädagogik Tübingen e.V.
- Frieden-fragen Infos und Hintergründe zu Krieg und Frieden für Kinder
- Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung (AFK)
- Tiefschürfendes über das mächtigste Werkzeug des Friedens
- MA Programm in Frieden, Entwicklung, Sicherheit und internationaler Konflikttransformation, Universität Innsbruck
- Martin Auer: Der seltsame Krieg - Geschichten für eine Kultur des Friedens
- Martin Auer: Wie kommt der Krieg in die Welt