Piperazin
Strukturformel | |
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Datei:Piperazine.png | |
Allgemeines | |
Name | Piperazin |
Andere Namen | 1,4-Diethylendiamin |
Summenformel | C4H10N2 |
CAS-Nummer | 110-85-0 |
Kurzbeschreibung | weißes Pulver mit bitter-salzigem Geschmack |
Eigenschaften | |
Molmasse | 86,1357 g·mol-1 |
Aggregatzustand | fest |
Dichte | Vorlage:Unbekannter Wert g·cm-3 |
Schmelzpunkt | 106 °C |
Siedepunkt | 146 °C |
Dampfdruck | 0,28 kPa (20 °C) |
Löslichkeit | in Wasser gut, in Ether unlöslich |
Sicherheitshinweise | |
Vorlage:Gefahrensymbol 1 | |
R- und S-Sätze | R: 34-42/43-52/53 S: Vorlage:Unbekannter Wert |
MAK | 0,1 mg/m3 (Langzeitwert) 0,3 mg/m3 (Kurzzeitwert) |
Vorlage:SI-Chemikalien |
Das Piperazin ist eine organische, heterocyclische Verbindung. Reines Piperazin ist ein weisses, stark hygroskopisches Pulver, dessen Geschmack als salzig und bitter beschrieben ist.
Geschichte
Seinen Namen erhielt Piperazin aufgrund der Ähnlichkeit mit Piperidin, einer Komponente des im Schwarzen Peffer vorkommenden Alkaloids Piperin.
Piperazin war das erste Medikament, der heutigen Schering AG und wurde 1890 auf den Markt gebracht. Ursprünglich als Verjügungsmittel gedacht, wurde es später erst zur Behandlung der Gicht, dann als Anthelminthikum eingesetzt. Auch heute noch ist Piperazin ein wichtiges Ausgangsprodukt in der Pharmazie.
Gewinnung und Darstellung
Piperazin kann durch Umsetzung von Ammoniak mit 1,2-Dichlorethan in Ethanol oder durch Reduktion von Pyrazin mit Natrium in Ethanol dargestellt werden.
Eigenschaften
Piperazin ist in Wasser gut, in Alkohol etwas weniger, in Ether nicht löslich. Es ist stark hygroskopisch und bildet bei Vorhandensein von Wasser weißliche Kristalle mit einem Gehalt von 44,34% wasserfreiem Piperazin, das Piperazin-Hexahydrat (CAS-Nummer: 142-63-2). Das Hexahydrat ist, ebenso wie andere Salze (Adipat, Chlorid, Zitrat) stabiler als wasserfreies Piperazin. Außerdem ist Piperazin eine starke Base mit einem pKB-Wert von 4,19. Eine 10%-ige wäßrige Lösung von Piperazin zeigt einen pH-Wert von 10,8-11,8.[1]
Verwendung
Piperazin bei Gicht
Die historische Verwendung von Piperazin zur Behandlung der Gicht beruhte auf der Beobachtung, daß es in vivo die Harnsäure aufzulösen vermag. Wesentlich niedriger war jedoch die Wirksamkeit in vitro, also im menschlichen Körper. Piperazin wird zwar gut resorbiert, jedoch auch schnell wieder ausgeschieden. Die Ausscheidung erfolgt über den Urin.
Piperazin als Anthelminthikum
Etwas erfolgreicher war Piperazin als Anti-Wurmmittel. Es wurde sowohl in der Veterinärmedizin als auch in der Humanmedizin bei Wurmbefall zum Beispiel durch Askariden und Oxyuren eingesetzt, ist heute aber durch verträglichere Anthelminthika, bzw. solche mit einem breiteren Wirkungsspektrum ersetzt worden. Aufgrund des salzig-bitteren Geschmacks und der chemischen Instabilität wurde kein reines Piperazin (Piperazinbase) verwendet, sondern eines der wesentlich stabileren Salze, meist Piperazin-citrat- oder -adipat. Seitdem man weiß, daß sich in dem sauren Milieu des Magens potentiell mutagene und karzinogene N-Nitrosopiperazine bilden können, sind Piperazinsalze nahezu vollständig durch andere Präparate ersetzt worden. Die Wirksamkeit des Piperazins gegen Würmer begründete man zuerst mit einer inhibitierenden Wirkung des Acetylcholins. Die Blockade dieses Neurotransmitters würde einer Paralyse der Parasiten führen, damit die Erregungsübertragung zwischen Nerv und Muskel stören. Dieses deckte sich mit der Beobachtung, daß die Parasiten zwar gelähmt, aber noch lebend, im Kot ausgeschieden werden. [2][3][4][5]
Mittlerweile weiß man, daß Piperazin eine GABA-agonistische Wirkung hat. Dieser Neurotransmitter kommt bei Vertebraten nur im ZNS vor, außerdem unterscheidet sich der GABA-Rezeptor der Würmer (Helminthen) etwas von dem der Vertebraten, womit die selektive Wirkung des Piperazins erklärt werden kann.[6] Eine exakte Dosierung von Piperazin bzw. Piperazin-Salzen ist dennoch erforderlich, da es bei einer Überdosierung die Blut-Hirn-Schranke bei Säugern passiert.
Sonstige Anwendungen
Piperazin wird u.a. als Ausgangsprodukt zur Herstellung von Kunststoffen verwendet. Durch Umsetzung von Ethylencarbonat mit Piperazin und anschliessender Umsetzung mit Dicarbonsäurechloriden werden Polyesterurethane erhalten.
Piperazin findest sich außerdem als Baustein in einer ganzen Reihe von Medikamenten (Sildenafil, Imatinib, Meclozin), aber auch von Drogen TFMPP, BZP) wieder.
Sicherheitshinweise
Die Symptome einer Überdosierung von Piperazin zeigen sich vor allem durch das Auftreten neurotoxischer Nebenwirkungen (Tremor, Ataxie, Konvulsionen, Paresen) sowie gastrointestinalen Beschwerden (Erbrechen, Diarrhoe). Typisch für eine Intoxikation durch Piperazin ist das verzögerte Auftreten der Beschwerden nach etwa 24 Stunden.[7][8].
Die LD50-Werte für reines Piperazin betragen:
Quellen
- ↑ a b C.H. Courtney et al.: Antinematodal Drugs. In: Veterinary Pharmacology and Therapeutics Iowa State University Press, Ames (USA), 1995, S.885-932, ISBN 0813817412
- ↑ J. Del Castillo et al.: Inhibitory action of gamma-aminobutyric acid (GABA) of Ascaris muscle. In: Experientia 20, 1964, S. 141-143, ISSN 00144754
- ↑ J. Del Castillo et al.: Action of piperazine on the neuromuscular system of Ascaris lumbricoides., In: Nature, 200, 1963, S. 706-707, ISSN: 00280836
- ↑ B.R. Manger: Anthelmintics. In: Veterinary Applied Pharmacology & Therapeutics, Baillière Tindall, London (UK), 1991, S. 513-548, ISBN 0702013668
- ↑ M.L. Aubry: Aspects of pharmacology of a new anthelmintic: Pyrantel. In: Br J Pharmacol, 38, 1970, S. 332-344, ISSN 00071188
- ↑ R.J. Martin: Electrophysiological effects of piperazine and diethylcarbamazine on Ascaris suum somatic muscle. In: Br J Pharmacol, 77, 1982, S. 255-265, ISSN 00071188
- ↑ D. Kömpf, B. Neundörfer: Neurotoxische Nebenwirkungen des Piperazins im Erwachsenenalter - Epileptischer Dämmerzustand mit Myoklonien. In: European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience, 213 (3), 1974, S. 223-233, ISSN 09401334
- ↑ P. Schuch et al.: Nebenwirkungen bei Wurmkuren mit Piperazinpräparaten. In: European Journal of Pediatrics, 87 (6), 1963, S. 531-546, ISSN 03406199
- ↑ R. Cavier: Chemotherapy of intestinal nematodes. In: Chemotherapy of helminthiasis, Pergamon Press, Oxford (UK), 1, 1973, S. 215-436