Das Schwarzbuch des Kommunismus ist ein umstrittenes Buch, in dem die weltweiten Verbrechen kommunistischer Regierungen beschrieben und zusammengefasst werden. Das Werk enthält Beiträge der Autoren Stéphane Courtois, Nicolas Werth, Jean-Louis Panné, Andrzej Paczkowski, Karel Bartošek und Jean-Louis Margolin sowie der weiteren Mitarbeiter Rémi Kauffer, Pierre Rigoulot, Pascal Fontaine, Yves Santamaria und Sylvain Boulouque. Das Buch wurde 1997 von Stéphane Courtois in Frankreich herausgegeben und erschien 1998 in einer deutschsprachigen Ausgabe, welche zwei zusätzliche Kapitel der Autoren Joachim Gauck und Ehrhart Neubert enthielt.
Im September 2004 erschien Das Schwarzbuch des Kommunismus 2, in welchem jene Länder behandelt werden, zu denen zum Zeitpunkt der Herausgabe des ersten Teils noch keine Studien vorlagen.
Einleitung
Das Erscheinen des Schwarzbuches des Kommunismus löste in verschiedenen Ländern intensive Diskussionen über eine Neubewertung des Kommunismus und den darin verwendeten Begriff „Roter Holocaust” aus. Mit diesem Begriff wird jene Bewertung des Kommunismus gestärkt, die ihn mit dem Faschismus (speziell dem Nationalsozialismus) gleichsetzen will, wie das ähnlich bereits im Historikerstreit diskutiert und durchgängig verworfen wurde. Es geht auch um die Frage, ob im internationalen Kommunismus „Verbrechen gegen die Menschlichkeit” begangen wurden, jener Anklage, die - neben anderen - im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess gegen die deutschen Machthaber während der Zeit des Nationalsozialismus erhoben wurde.
Besonders wurde am Schwarzbuch des Kommunismus das Vorwort und Nachwort von Stéphane Courtois kritisiert, der diese Tendenz gegen die Vorstellungen der Autoren Nicolas Werth und Jean-Louis Margolin betont. Um diese Teile drehte sich die internationale Diskussion vorrangig, während die im Buch enthaltenen Studien zumeist nicht beanstandet wurden.
Stéphane Courtois war in der Vergangenheit nach eigenen Aussagen überzeugter Kommunist mit militantem Charakter. Er verkaufte einst Mao-Bibeln und warf Molotowcocktails auf eine Polizeiwache. Über die Verbrechen des Kommunismus habe er in der 68er-Zeit weder etwas erfahren noch darüber etwas gewusst.
Ansätze des „Schwarzbuch des Kommunismus”
In den kommunistischen Ländern weitete sich nach der im Schwarzbuch vertretenen Ansicht die Gewalt über Klassen hinaus gegen all die Menschen aus, die als konterrevolutionäre Elemente galten und nicht die kommunistische Ideologie vetraten. So wurden während der Kulturrevolution in der Volksrepublik China und in Kambodscha vorzugsweise die Gebildeten der Oberschicht, wie z.B. Ärzte oder Lehrer, getötet oder unterdrückt, aber auch politische Gegner aus allen anderen Schichten. Zwar habe es in kommunistischen Regimen keine industrielle Vernichtung wie im Dritten Reich gegeben, dennoch überschreiten die Opferzahlen der auf kommunistischer Ideologie aufbauenden Staatensysteme weltweit um ein Vielfaches die des Faschismus, da oft ganze Länder durch die Revolution in blutige Auseinandersetzungen gerieten, in Begleitung mit großen politischen Säuberungen und gezielt herbeigeführten oder durch gravierende Organisationsfehler verursachten Hungersnöten. Siehe Kulaken-Morde und Millionen-Morde allein in der Ukraine, verursacht durch Lasar Moissejewitsch Kaganowitsch. Der Grund für die höhere Opferzahl liegt in erster Linie darin, dass der räumliche und zeitliche Wirkungsgrad des Kommunismus, insbesondere im 20. Jahrhundert in China, der UdSSR und den übrigen Ostblock-Staaten um ein vielfaches den des Faschismus übertraf. Bereits in der Einleitung behauptet Courtois, daß die vom Leninismus / Stalinismus getriebenen Genozidvollstrecker viermal mehr Menschen getötet haben als der Hitlerismus und fordert, dass auch dieses gesagt werden darf, um die diesbezügliche Ähnlichkeit der beiden Ideologien aufzuzeigen, ohne in den Verdacht zu geraten, eine "Hierarchie der Grausamkeit" aufstellen zu wollen. Notwendig sei dies, da die kommunistische Ideologie noch immer viele Anhänger habe und Menschen in der Gewalt entsprechender Regime seien.
Er benennt die Versuche der Täter und Anhänger der marxistisch-leninistischen Idee bis heute, die kommunistischen Verbrechen zu verschleiern oder zu verharmlosen : Rechtfertigung der Verbrechen (die Revolution betreffend:"Wo gehobelt wird, fallen Späne"), Einschüchterung, Diffamierung von Gegnern und Kritikern bis hin zu Morden, Selbstdarstellung als herausragendste Vertreter des Antifaschismus angesichts der Tatsache des sowjet-kommunistischen Sieges über den verbrecherischen Nationalsozialismus (wer über das Böse siegt, muß "ins Lager der Guten" gehören).
Debatte um das Schwarzbuch
Der in der Geschichtswissenschaft ungebräuchliche Begriff Roter Holocaust wurde in der kritischen Debatte um das Buch Das Schwarzbuch des Kommunismus verwendet, um den laut den Kritikern unangemessenen Vergleich der Folgen von Kommunismus und Faschismus zu verdeutlichen. Die Verfasser des Sachbuchs, mit welchem das Schwarzbuch des Kommunismus kritisiert wird (Titel: „Roter Holocaust”? Kritik des Schwarzbuchs des Kommunismus) warnten ausdrücklich vor einem Vergleich oder gar einer Gleichstellung der Verbrechen unter dem Faschismus und unter kommunistischen Diktaturen. Später wurde vom Historiker Horst Möller, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte in München und Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München in seinem Buch Der Rote Holocaust und die Deutschen der Begriff wieder aufgenommen. Dabei soll der Begriff Roter Holcaust keine Verharmlosung der Verbrechen des Dritten Reiches darstellen, auch wurde der Begriff in der Debatte ja nicht von denen eingeführt, die die Verbrechen der Kommunisten mit den Verbrechen des Faschismus verglichen, sondern der Titel soll hier die Problematik der neutralen Geschichtsbetrachtung im Kontext der deutschen Vergangenheitsbewältigung unterstreichen.
In Russland wurde eine Debatte und Auseinandersetzung dieser Art von vornherein abgebrochen. In Deutschland führte sie zu großer Kontroverse aufgrund der eigenen Geschichte und des Nationalsozialismus. Dabei stieß insbesondere die Darstellung des „Schwarzbuch des Kommunismus”, welches die Verbrechen der Kommunisten mit 80 Millionen Toten schlimmer als die des Faschismus mit 25 Millionen Toten darstellte, auf Kritik in Roter Holocaust? Kritik zum Schwarzbuch des Kommunismus.
Umstritten sei weniger die Tatsache vom organisierten Massenmord: Durch den Begriff „Roter Holocaust”, wurde von Kritikern angemerkt, werde durch den Vergleich der NS-Verbrechen mit den kommunistischen Verbrechen die einmaligen verbrecherischen Taten des deutschen Faschismus gegen die Juden relativiert. Dazu kommen zwei methodische Probleme bei einem Vergleich beider Ideologien: Zum einen fand keine industriell organisierte Tötung statt (wohl aber eine in Arbeitsprozessen mit organisierte, wie im Gulag), und es wurde keine Tötung aufgrund ethnischer Unterschiede durchgeführt. Zum anderen gilt die direkte Verantwortung all jener, die - speziell im 19. Jahrhundert - aus ihrer Unterdrückung heraus einen gewaltsamen Befreiungskampf des Proletariats als nötig angesehen haben, für solche Massenmorde als umstritten. Über eine Klasse siegen, heißt des Weiteren nicht unbedingt, sie umzubringen. Weiter meinten Kritiker, der Begriff von der Diktatur des Proletariats sei zudem von Marx nicht als Diktatur im heutigen Sinne gemeint gewesen, sondern einfach als Herrschaft derer, die gerade im 19. Jahrhundert ja tatsächlich unterdrückt wurden, also im Grunde eine Art Demokratie (natürlich auch nicht im heutigen Sinne). Zudem müsse das Manifest der kommunistischen Partei, in dem dieser Begriff von Marx und Engels verwendet wurde, ohnehin eher als tagespolitische Kampfschrift und nicht als theoretisches fundiertes Werk gesehen werden. Im "Kapital", dem eigentlichen theoretischen Hauptwerk von Marx, fänden sich überhaupt keine Hinweise darauf, dass Marx in irgendeiner Weise eine Diktatur oder einen Massenmord anstrebte. Zudem konnte man in der NS-Zeit nicht durch Änderung der politischen Meinung oder Aufgabe seines Besitzes die Zielgruppe der Gewaltanwendung - sofern sie beabsichtigt war - verlassen. Über das Vorwort sagte der Bielefelder Historiker Hans-Ulrich Wehler, dass es an die „abstrusen Thesen” des deutschen Historikers Ernst Nolte anknüpft, der den Rassenmord der Nazis als Reaktion auf den Klassenmord der Kommunisten definiert habe.
Entgegengesetzt wurde geäußert, dass Parallelen zum Holocaust im Dritten Reich deswegen sichtbar seien, da von Kommunisten, einschließlich Karl Marx, offen der gewaltsame Klassenkampf ausgerufen wurde, der zu einer Gleichheit der Gesellschaft führen sollte. Der Klassenkampf wurde von nahezu allen kommunistischen Führern als Grundlage der Revolution definiert, um die Gesellschaft umzustrukutieren. So sagte u.a. Mao Zedong am 14. August 1949 in „Weg mit den Illusionen, zum Kampf bereit sein!”: Im Klassenkampf siegen gewisse Klassen, während andere vernichtet werden. Das ist der Lauf der Geschichte, das ist die Geschichte der Zivilisation seit Tausenden von Jahren. Erklärt man die Geschichte von diesem Standpunkt aus, so heißt das historischer Materialismus; nimmt man den entgegengesetzten Standpunkt ein, so ist das historischer Idealismus. Mao hat diese Sichtweise von Marx übernommen, der den Klassenkampf als eine - wie er selbst bezeichnete - globale Theorie zur Erklärung des menschlichen Zusammenlebens deklarierte. Dieser Standpunkt über das Dasein der menschlichen Zivilisation sei zum Beispiel von Adolf Hitler ähnlich aufgefasst worden, allerdings war für ihn nicht die Einteilung der Menschheit in Klassen maßgebend, sondern die Einteilung in qualitativ unterschiedliche Rassen. Ob nun die Gleichheit innerhalb einer Gesellschaft anhand der Vernichtung von Rassen oder anhand der Vernichtung von Klassen erreicht werde, spiele aus der Opferperspektive jedoch keine Rolle. So sagte der Autor Walter Jens: Wer einen Menschen tötet, verteidigt keine Lehre sondern tötet einen Menschen. Ebenso Stephane Courtois über die Einordnung der Verbrechen: Es kann keine Hierarchie des Unmenschlichen geben. Des Weiteren wurde auch durch die herrschenden Parteien oder Machthaber angestrebt all diejenigen zu vernichten, die als konterrevolutionäre Elemente galten, und somit wurde die Vernichtung - wie letzten Endes auch im Faschismus - mit einer ideologischen Basis begründet, deren Wirkungsgrad oft über die ursprünglichen Zielgruppen (im Kommunismus Grundbesitzer und andere Klassen, im Nationalsozialismus Juden etc.) hinweg ging. Das Anstreben der klassenlosen Gesellschaft schließe deswegen Gewaltanwendungen nicht aus. Der letzte Abschnitt im Kommunistischen Manifest zum gewaltsamen Klassenkampf, sowie die Formulierung „Diktatur des Proletariats” als Vorstufe zum Kommunismus lasse deswegen implizit auf Gewaltanwendungen schließen, die in vielen kommunistischen Ländern auch realisiert wurden.
Nahezu unbestritten unter Historikern bleibt, dass das Kommunistische Manifest und die Äußerungen von Marx und Engels viele Möglichkeiten für einen großen Interpretationsspielraum bieten, in dem Ein-Parteien-Herrschaft, Gewalt und Mord an großen Teilen der Bevölkerung nicht zwangsläufig vorhanden sein müssen, aber durchaus ihren Platz einnehmen können. Hierbei muss natürlich betont werden, dass der von Marx sicherlich geforderte gewaltsame Umsturz der Gesellschaft für ihn nur eine logische Konsequenz auf die reale Gewalt darstellte, denen ein Großteil der Bevölkerung im 19. Jahrhundert in Europa durch Staat und Kapital ausgesetzt war. Klassenkämpfe waren für Marx ja schließlich das bestimmende Prinzip der Geschichte und wurden auch in früheren Gesellschaftsformationen stets mit Gewalt ausgetragen (man muss sich nur mal die bürgerlichen Revolutionen, auf denen die modernen Staaten sich größtenteils gründen, anschauen).
Literatur
- S. Courtois, N. Werth,J.L. Panne, A. Paczkowski, K. Bartosek, J.L. Margolin, J. Gauck, E. Neubert: Das Schwarzbuch des Kommunismus - Unterdrückung, Verbrechen und Terror. Piper Verlag, München 2004, ISBN 3492040535
- Stéphane Courtois (Hrsg.): Das Schwarzbuch des Kommunismus 2 - Das schwere Erbe der Ideologie. Piper Verlag, München 2004, ISBN 3-492-04552-9
- Ariane Barth, Tiziano Terzani, Anke Rashatusavan: Holocaust in Kambodscha. Rowohlt TB-V., Rnb. November 1982, ISBN 3499330032
- Jens Mecklenburg: Roter Holocaust'? Kritik des Schwarzbuchs des Kommunismus. Konkret Lit.-Vlg., H. 1998, ISBN 3894581697
- Horst Möller: Der Rote Holocaust und die Deutschen. Piper-Verlag, März 1999, ISBN 3492041191
- Paul Rothenhäusler, Hans-Ueli Sonderegger (Hrsg.): Erinnerung an den Roten Holocaust - Der Jahrhundertverrat der Intellektuellen., 415 Seiten, br., 77 Fotos, 8 Lagerkarten, Rothenhäusler Verlag, Stäfa (Schweiz) 2000, ISBN 3-907817-11-7
- Gerd Koenen: Utopie der Säuberung. Was war der Kommunismus? Alexander Fest Verlag, Berlin, ISBN 3828600581