Mogul (Lokomotive)

Dampflokomotive mit der Achsfolge 2-6-0 bzw. 1’C
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Mogul ist eine aus dem nordamerikanischen Sprachgebrauch stammende Bezeichnung für Dampflokomotiven mit der Achsfolge 2-6-0 nach der Whyte-Notation, die der deutschen Bauartbezeichnung 1’C entspricht. Mogul-Lokomotiven besitzen eine Vorlaufachse und drei gekuppelte Achsen. Ursprünglich vorwiegend für Güterzuglokomotiven genutzt, entstanden in dieser Bauform später auch Personenzug- und Mehrzwecklokomotiven sowie vereinzelt Schnellzuglokomotiven.

Lokomotive 1367 des Typs SBB B 3/4 ist eine 1916 erbaute Mogul-Lokomotive

Geschichte

Seit wann die Bezeichnung Mogul für diese Achsfolge verwendet wurde, ist nicht genau überliefert. Die ersten Lokomotiven mit dieser Achsfolge entstanden Anfang der 1850er Jahre in den Vereinigten Staaten. Baldwin lieferte 1852 sechs Lokomotiven dieser Achsfolge an die Pennsylvania Railroad, die Philadelphia and Reading Railroad, eine Vorgängergesellschaft der Reading Company erhielt ebenfalls Lokomotiven dieser Achsfolge. Diese frühen Exemplare besaßen jedoch noch keine Vorlaufgestelle, der Laufradsatz war fest im Hauptrahmen gelagert. Die Achsfolge war daher 1C.[1] Ab 1863 bauten die Rogers Locomotive and Machine Works in Paterson (New Jersey) nach einem Patent eines ihrer Ingenieure drei Lokomotiven dieser Achsfolge erstmals mit beweglicher Vorlaufachse für die später in der Camden and Amboy Railroad und schließlich der Pennsylvania Railroad aufgegangene New Jersey Railroad. Diese zählten zu den größten Lokomotiven ihrer Zeit; in Analogie zum früheren indischen Mogulreich und dessen einstiger Größe erhielt die Achsfolge wahrscheinlich aufgrund dieser Lokomotiven den Namen „Mogul“.[2] Auch die Louisville and Nashville Railroad erhielt 1864 Lokomotiven dieser Achsfolge mit Laufgestell, die teils ebenfalls als erste Lokomotiven dieser Bauart betrachtet werden.

Erste Lokomotiven dieser Achsfolge in Europa entstanden erst in den 1870er Jahren. In Großbritannien beschaffte als erste Bahngesellschaft die Great Eastern Railway 1878/79 Lokomotiven dieser Achsfolge.[2] Die erste dieser von Neilson & Company erbauten Maschinen erhielt den Namen „Mogul“, auch diese Lokomotive wird daher als möglicher Ursprung der Achsfolgenbezeichnung betrachtet.[3] Im gleichen Jahr erhielt Norwegen mit der NSB Type 6a die ersten drei Mogul-Lokomotiven.

Die Achsfolge wurde in vielen Ländern in den Folgejahren eingeführt. Sie war besonders beliebt, um bei Bahnen mit relativ leichtem Oberbau dennoch leistungsfähige und laufruhige Maschinen einsetzen zu können. Zu finden waren Mogul-Lokomotiven schließlich auf allen Kontinenten. Ihr Bau endete mit wenigen Ausnahmen bereits vor dem Zweiten Weltkrieg, lediglich in Großbritannien wurden noch bis Mitte der 1950er Jahre in größerem Umfang Mogul-Lokomotiven beschafft.

Tenderlokomotiven dieser Achsfolge wurden ebenfalls in großem Umfang beschafft. Sie wurden vor allem im Rangierdienst, auf Nebenbahnen und im Vorortverkehr eingesetzt.

Mogul-Schlepptenderlokomotiven ausgewählter Länder

Deutschland

Die erste Lokomotivreihe dieser Achsfolge in Deutschland war die ab 1892 beschaffte Preußische G 5.1. Bis 1910 folgten über 2000 weitere Mogul-Lokomotiven alleine für die Preußischen Staatsbahnen, überwiegend als Güterzuglokomotiven verschiedener Bauformen, mit der P 6 aber auch als Personenzuglokomotive. Mit Bayern, Elsaß-Lothringen und Mecklenburg beschafften weitere Länderbahnen Mogul-Lokomotiven, in Baden, Württemberg, Oldenburg und Sachsen fanden sie jedoch keinen Eingang in den Bestand. Die Lübeck-Büchener Eisenbahn als größte verbliebene Privatbahn orderte ebenfalls Lokomotiven dieser Achsfolge.

Bayern

Elsaß-Lothringen

Preußen

Mecklenburg

Lübeck-Büchener-Eisenbahn

  • LBE G 5, Baujahr 1906 bis 1909, 3 Stück
  • LBE G 6, Baujahre 1913 bis 1919, 6 Stück

Deutsche Reichsbahn

 
Die DR-Baureihe 24 war die letzte in Deutschland beschaffte Mogul-Baureihe

Die Deutsche Reichsbahn nahm in ihr Programm der Einheitsdampflokomotiven auch eine Mogul auf, die DR-Baureihe 24. Sie sollte vor allem auf den langen Nebenbahnen des deutschen Ostens Personen- und Güterzüge bespannen. 95 Stück wurden zwischen 1928 und 1940 beschafft. Nach dem Krieg verteilte sich der Bestand auf die Deutsche Bundesbahn (DB), die Deutsche Reichsbahn (DR) in der DDR und die polnische Staatsbahn (PKP). Die letzten Maschinen der Baureihe wurden 1976 bei der PKP ausgemustert. Die von der Reichsbahn übernommenen Länderbahnbauarten wurden teilweise bereits vor dem Zweiten Weltkrieg ausgemustert. Nach Ende des Krieges verschwanden die verbliebenen Mogul-Lokomotiven der Länderbahnen bei der Deutschen Bundesbahn (DB) wie auch der Deutschen Reichsbahn relativ rasch, lediglich die letzten Exemplare der Bayerischen G 3/4 H blieben als nunmehrige DB-Baureihe 54.15–17 noch bis 1966 im Bestand der DB.

Italien

Mit den Reihen FS 600, FS 625 und FS 640 beschaffte die italienische Staatsbahn Ferrovie dello Stato über 500 Mogul-Lokomotiven. Die Reihe 640 war dabei mit ihren 1850 mm großen Treibrädern eine der wenigen explizit für den Einsatz vor Schnellzügen entwickelte Mogul-Lokomotiven.

Österreich-Ungarn

 
1895 gelieferte kkStB 60.01

In Österreich wurden Mogul-Lokomotiven ab 1893 sowohl von den großen Privatbahnen als auch von den k.k. Staatsbahnen (kkStB) beschafft, insgesamt über 800 Stück. Mit der StEG 39 war darunter auch eine für den Schnellzugdienst vorgesehene Reihe, die übrigen österreichischen Mogul-Reihen waren für den Güterzug- und Personenzugdienst vorgesehen. Durch die Verstaatlichung kamen alle von Privatbahnen beschafften Mogul-Lokomotiven bis 1909 in den Bestand der kkStB. Die Nachfolgebahnen der kkStB nach 1918 übernahmen die meisten Exemplare und setzten sie noch bis in die 1960er Jahre ein. In Ungarn fand die Achsfolge dagegen, abgesehen von einigen nach 1918 übernommenen früheren kkStB-Lokomotiven, keine Verbreitung. Folgende Reihen wurden zwischen 1893 und 1915 beschafft:

Schweiz

In der Schweiz fanden Mogul-Lokomotiven beginnend mit den ab 1886 gelieferten A3T 171–192 der Schweizerischen Nordostbahn (NOB) Eingang in den Bestand der meisten großen Privatbahnen. Bei Tenderlokomotiven war die Achsfolge 1875 erstmals verwendet worden. Bis zur Gründung der SBB beschafften auch die Chemins de fer du Jura bernois, die Chemins de fer de la Suisse Occidentale, die Jura-Simplon-Bahn, die Schweizerische Centralbahn und die Vereinigten Schweizerbahnen insgesamt 161 Mogul-Schlepptenderlokomotiven. Überwiegend waren sie für den Personen- und Güterzugdienst, teils aber auch für Schnellzugdienst vorgesehen.

Die 1902 gegründeten Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) übernahm die von den Privatbahnen beschafften Lokomotiven und orderten weitere Mogul-Lokomotiven:

Die letzten Lokomotiven dieser Achsfolge musterte die SBB 1964 aus.

Vereinigtes Königreich

Die Mogul setzte sich in Großbritannien erst allmählich durch, war dann aber eine weit verbreitete Bauart. Nach den Moguls der Great Eastern, die wenig erfolgreich waren, wurden zunächst nur gelegentlich kleinere Serien beschafft. Infolge eines Streiks in der britischen Lokomotivindustrie beschafften mehrere Privatbahnen 1899 gemeinsam 80 Moguls bei den US-amerikanischen Herstellern Baldwin und Schenectady.[4] In den Folgejahren beschafften mehrere Gesellschaften erste größere Serien, die vor allem als Mehrzwecklokomotiven für den Einsatz vor Personen- und Güterzügen ausgelegt waren. Nach dem Railways Act 1921 beschafften alle vier großen britischen Bahngesellschaften Mogul-Lokomotiven:

British Railways beschaffte neben der Fortführung des Baus von Mogul-Lokomotiven nach den jüngsten LMS- und LNER-Entwürfen ab 1951 umfangreich neue Standardlokomotiven, darunter mit der BR-Standardklasse 4MT 2-6-0, der BR-Standardklasse 3MT 2-6-0 und der BR-Standardklasse 2MT 2-6-0 gleich drei Mogul-Reihen. Bis 1967 wurden alle Lokomotiven dieser Achsfolge ausgemustert.

Vereinigte Staaten von Amerika

Alleine zwischen 1890 und 1910 wurden in den USA rund 11.000 Mogul-Lokomotiven gebaut. Nach 1910 entstanden nur noch wenige neue Mogul-Typen, die letzten Ende der 1920er Jahre.[5] Zuletzt ließ in den USA die Southern Pacific in ihren eigenen Werkstätten in Houston 1929 und 1930 zehn Mogul-Lokomotiven erbauen, die wahrscheinlich die schwersten Exemplare dieser Achsfolge überhaupt waren.[6]

Commons: Mogul-Lokomotiven – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Paul T. Warner: Mogul Type Locomotives, in: The Railway and Locomotive Historical Society Bulletin, No. 100 (April 1959), S. 7-22, hier S. 9
  2. a b G. H. Gaskell: The Origin of Locomotive Class Names, in: The Railway and Locomotive Historical Society Bulletin, No. 87 (October, 1952), S. 83-95, hier S. 89
  3. The Great Eastern Railway Society: ‘No. 527 Class’ 2-6-0 1878–1879, abgerufen am 6. Februar 2022
  4. Paul T. Warner: Mogul Type Locomotives, in: The Railway and Locomotive Historical Society Bulletin, No. 100 (April 1959), S. 7-22, hier S. 21
  5. Paul T. Warner: Mogul Type Locomotives, in: The Railway and Locomotive Historical Society Bulletin, No. 100 (April 1959), S. 7-22, hier S. 22
  6. Paul T. Warner: Mogul Type Locomotives, in: The Railway and Locomotive Historical Society Bulletin, No. 100 (April 1959), S. 7-22, hier S. 17