Antinoos (Αντίνοος), in lateinischer Form Antinous, (* 27. November zwischen 110 und 115 Bithynion-Klaudiopolis, Bithynien; † 130 im Nil) war ein Günstling und wohl Geliebter des Kaisers Hadrian. Nach seinem Tod wurde er zum Gott erklärt und verehrt. Viele seiner Bildnisse sind bis in die heutige Zeit erhalten geblieben. Von der Renaissance bis heute wurde vor allem die Kunst um Antinoos vielfach rezepiert.
Leben und Legenden
Über Antinoos ist nur wenig bekannt. Fest steht, dass er wohl irgendwann zwischen 110 und 115[1] im nordwestkleinasiatischen Bithynion-Klaudiopolis geboren wurde. Auf einer der Reisen Hadrians, der als „Reisekaiser“ in die Geschichte einging, wurde der Imperator auf den hübschen Jüngling aufmerksam. Hadrian strebte zeit seines Lebens einem griechischen Ideal nach. Dazu gehörte in der Vorstellung der Römer auch die Liebe von älteren Männern zu jungen Knaben. Hierbei übernahm der Mann die Rolle des Mentors und Lehrers des Knaben in alles Lebensbereichen. Wie so oft, wurden diese Beziehungen später immer mehr auf die sexuelle Komponente, die zweifelsohne auch dazu gehörte, reduziert. Hinzu kam, dass der Kaiser selbst in seiner Ehe mit seiner Frau Vibia Sabina unzufrieden war[2]. Heute ist nicht mehr genau zu klären, ob das erste Treffen der beiden schon bei Hadrians Aufenthalt in Bithynien 121 oder erst 123/124 stattfand[3]. Von da an begleitete Antinoos den Kaiser auf all seinen Reisen.
Trotzdem ist auch darüber sehr wenig bekannt. Der zeitgenössische Dichter Pankrates aus Alexandria berichtet von einer Begebenheit in der libyschen Wüste. Hier soll Hadrian einen Löwen im letzten Moment mit einem Speer niedergestreckt haben, bevor dieser Antinoos angefallen hätte. An der Stelle, wo das Blut des Löwen in den Sand tropfte, soll die Antinoosblume, der Rosenlotus (Antinóeios), gesprossen sein. Ob auch nur Teile der Begebenheit der Wahrheit entsprechen oder nur der späteren Ausschmückung des Lebens gedient haben, ist nicht mehr feststellbar. Auch die Umstände des frühen Todes von Antinoos sind mit Legenden durchwirkt. Fest steht, dass der Junge am oder kurz vor dem 30. Oktober 130 in den Nil fiel[4] und vor den Augen seines väterlichen Freundes ertrank. Die späteren Historiker Cassius Dio und Aurelius Victor berichten, dass die Umstände des Todes unklar waren. Nach eigenem Bekunden Hadrians war der Tod des Antinoos ein Unfall. Doch in Wahrheit habe er sich für den Kaiser geopfert, um diesem mit dem Opfer ein langes und glückliches Leben zu sichern. Denn Antinoos soll von einem Astrologen erfahren haben, dass sein Freitod dem Kaiser seine noch zu erwartende Lebensspanne zu dessen Lebenszeit schenken würde. In der spätantiken Historia Augusta wird dagegen die Ansicht vertreten, dass sich Antinoos in den Suizid flüchtete, um sich den übermäßigen sexuellen Nachstellungen Hadrians entziehen zu können.
Kultische Verehrung und Urteil in der Antike
Sofort nach dem Tod, möglicherweise noch am selben Tag, begann der tief trauernde Hadrian mit der Würdigung seines jungen Begleiters. An der Stelle des Unglücks am rechten Nilufer in Mittelägypten ließ er die Stadt Antinoupolis nach hellenistischem Vorbild errichten.[5] Die Stadt und deren Bewohner erhielten ganz außergewöhnliche Privilegien und Gunstbeweise des Kaisers[6]. In der Stadt wurde wahrscheinlich auch der Grabbau für den Liebling das Kaisers errichtet.[7]; Über den Bau berichtet die Hieroglypheninschrift eines sich heute in Rom befindlichen Obelisken.[8] Ursprünglich stand der Obelisk wahrscheinlich auch in Antinoupolis und symbolisierte nach altägyptischen Glauben die Stätte der Wiedergeburt des Toten.
Sofort nach dem Tod des jungen Mannes begann auch seine Verehrung als Gottheit oder zumindest als Heros. Vor allem im griechisch geprägten Osten des römischen Reiches konnten sich Antinoos-Kulte durchsetzen. Das hatte verschiedene Gründe. Schon seit dem hellenistischen Zeitalter wurden Menschen nach ihrem Tod als Gottheit verehrt. In den westlichen Provinzen des Imperiums gab es solche Verehrungen vor allem der Kaiser auch, doch konnten sie sich dort nie in gleicher Weise etablieren. Zum anderen wollten viele griechische Städte dem griechenfreundlichen Kaiser damit schmeicheln. Antinoos wurde mit Göttern wie Dionysos verschmolzen oder gleichgesetzt. In Ägypten war die Identifizierung mit Osiris von besonderer Bedeutung. Allein der Tod durch Ertrinken in den heiligen Fluten des Nils beinhaltete für die Ägypter eine automatische Erhöhung. Auch der Gott Osiris war der ägyptischen Mythologie zufolge im Nil ertrunken. Somit war die nun folgende Verehrung als OSIRANTINOOS auch nicht überraschend. Als hoher Gott soll er Gebete erhört und Kranke geheilt haben.
In vielen Städten des Reiches begann man schon kurz nach dem Tode des Antinoos mit der Errichtung von Tempeln und der Stiftung von Priesterämtern für den toten Kaiserliebling. Ähnlich den Panhellenischen Spielen, den Panathenäen, den Ptolemäen wurden sportliche und musische Wettkämpfe mit religiösem Hintergrund, die Antinóeia, veranstaltet. Zu Zentren der Verehrung entwickelten sich neben Antinoupolis und seiner Heimatstadt Bithynion-Klaudiopolis[9] die Städte Alexandria, Mantineia in der griechischen Landschaft Arkadien und Lanuvium. Dort wurden alle vier Jahre die Großen Antinoos-Spiele ausgetragen. Im ganzen Reich fanden sich ehrende Inschriften, neben Rom beispielsweise in Lanuvium und Tibur.[10] In vielen Orten wurden Statuen errichtet und Münzen mit dem Portrait des Verstorbenen geprägt. Der Philosoph Numenios von Apamea schrieb dem Kaiser eine Consolatio[11] und die Dichter Mesomedes[12], Athenaios[13] und Pankrates verfassten Gedichte auf Antinoos. Außerdem ist ein weiteres Gedicht eines unbekannten Dichters überliefert.[14] Wohl der Höhepunkt der Verehrung war die Benennung des Sternbildes Antinoos nach dem jungen Bithynier.
Der zeitliche Höhepunkt der Antinoosverehrung war in den Jahren von seinem Tod bis zum Todesjahr Hadrians 138. Was die Zeitgenossen des Kaisers von dessen schon fast obzessiven Verehrung dieses eigentlich unbedeutenden Mannes hielten ist nicht überliefert. Doch scheint die Verehrung zum Teil echt gewesen zu sein. Im Ostteil des Reiches sah man in Antinoos wegen des vermeintlich erlittenen Opfertodes für den väterlichen Freund als Held. Ganz anders sahen ihn die frühen Christen. Weder der angebliche Opfertod noch die mysteriösen Todesumstände wurden bei ihnen thematisiert. Doch gingen sie sehr kritisch, ja polemisch mit ihm ins Gericht. Zum einen sahen sie in ihm einen von Menschen geschaffenen unseligen (infelix) Mythengott, zum anderen den Buhlknaben des Kaisers, der sich diesem für dessen homosexuellen Praktiken zur Verfügung gestellt hatte. Antinoos wurde, vor allem bei den Kirchenlehrern des 4. Jahrhunderts, zu einem Symbol für die moralische Verdorbenheit und Vielgötterei der Römer. Dennoch werten spätere christliche Autoren den Opfertod dennoch noch positiv und stellen ihn sogar auf eine Stufe mit der Selbstlosigkeit eines Jesus Christus.
Darstellung in der antiken Kunst
Obwohl es eher unüblich war, dass Personen, die nicht zum Kaiserhaus gehörten, in so überragender Weise gewürdigt wurden, gibt es von Antinoos noch heute sehr viele überlieferte Bildnisse. Das ist vor allem deshalb so besonders, da die Hauptverehrungszeit des Jünglings kaum zehn Jahre, von seinem Tod bis zum Tode Hadrians, betrug. Es ist unklar, ob es schon Antinoosbildnisse zu seinen Lebzeiten gab, alle überlieferten Bildnisse sind jedenfalls nach seinem Tod entstanden. Allein aus dem Bereich der Freiplastik sind etwa 100 Bildnisse überliefert. Hinzu kommen etwa 250 Münzportraits und weiter Bildnisse der Kleinkunst (Gemmen und Kameen). Obwohl Antinoos keine öffentlichen Ämter bekleidet hatte und somit nur als Privatperson gelten konnte, haben seine Bildnisse nicht den Charakter von Privatporträts. Neben der hohen Anzahl ist auch die ikonografische Bandbreite der Werke überraschend. Auch hier gibt es nur Entsprechungen bei den römischen Kaiserporträts. Die verschiedenen Bildnistypen sowohl in Form von Plastiken sowie in numismatischer Form vereinigten in sich verschiedene Aspekte der kaiserlichen Propaganda.
Plastik
Die Bildnisse des Antinoos sollten stilbildend für Portraits junger Männer des 2. Jahrhunderts werden. Viele im Verlauf des Jahrhunderts enstandenen Plastiken beziehen sich auf die Antinoosbildnisse. Auch deshalb ist die eindeutige Identifizierung nicht immer sicher. Das Gesicht wirkt weich und ist ein wenig Füllig. Die Lippen sind voll, der Mund aber nicht sehr groß. Die Nase ist sehr gerade, die Augenbrauen geschwungen. Besonders auffällig sind die bis in den Nacken fallenden Locken. Auf den ersten Blick wirken sie chaotisch, doch erkennt man bei genauerem Hinsehen eine strenge Ordnung. Anhand der Haare lassen sich zwei leicht voneinander abweichende Stile unterscheiden, der „Typus Mondragone“ und der „Ägyptisierende Typus“.
Sind sich die Portraits alle recht ähnlich, gab es für den Körper verschiedene, zum Teil sehr unterschiedliche Varianten. Es wird vermutet, dass das Urbild, von dem die Kopien abstammen, auf einer Statue des „strengen Stils“ der griechischen Frühklassik basiert. Womöglich ist dieses Urbild der sogenannte „Tiberapoll“.[15] Vom klassischen Vorbild wurden für manche Statuen beispielsweise Standmotiv, Kopfwendung und die Proportionalisierung, vor allem die des Rumpfes, übernommen. Doch enthalten die Bildnisse ebenso Elemente die für die hadrianische Zeit üblich sind. Die Formen sind breiter und voller, die Frontalansicht wird mehr betont und der Oberkörper ist gerade aufgerichtet. Somit entsprechen die Bildnisse dieses Typs den klassizierenden Tendenzen der zeitgenössischen Bildhauerkunst. Man strebte die Verbindung des klassischen Idealbildnisses von jugendlicher Schönheit mit naturalistischen Details an. Wohl am Auffälligsten ist das bei den Portraits. Bildeten griechische Künstler der Klassik im Allgemeinen keine echten Portraits, sondern idealisierte Bilder ab, verbinden sich hier diese Vorstellungen von einer idealen Schönheit mit den realen Portraitzügen des Antinoos.
Häufig erhielten die Statuen die Attribute von Gottheiten, mit denen Antinoos identifiziert oder verschmolzen werden sollte. Neben Dionysos und Osiris waren das desweiteren beispielsweise Apollon, Hermes und Vertumnus.
Numismatik
Seit 133/34 wurden in verschiedenen Städten des griechischen Ostens Münzen mit dem Portrait des Antinoos geprägt. Aus dem Westen des Reiches, selbst aus der Stadt Rom sind keine Antinoosprägungen bekannt. Datieren kann man die Münzen relativ genau, da in Ägypten das lokale Datum auf die Münzen geprägt wurde. Die letzten Prägungen sind für das Todesjahr des Kaisers belegt. Somit kann man sagen, dass maximal fünf Jahre lang Antinoosmünzen geprägt wurde. Auch hier sieht man einmal mehr, wie groß der Schmerz Hadrians oder die echte Verehrung des Jünglings im Osten gewesen sein musste, da in so kurzer Zeit 250 verschiedene Münzen geprägt wurden. Normalerweise wurden auf der Vorderseite nur Kaiser, Angehörige des Kaiserhauses oder Götter portraitiert. Antinoos war hier eine besondere Ausnahme, die allerdings durch die Apotheose gerechtfertigt werden konnte.
Die Antinoosprägungen hatten einzelne Zentren. Dazu gehörten die Landschaften Arkadien in Griechenland, Bithynien in Kleinasien und Alexandria in Ägypten. Besonders hochwertige Münzen wurden in Smyrna geprägt. Die Prägungen erfolgten durchgängig in Bronze. Es lassen sich drei verschiedene Gruppen unterteilen. Erstens gab es große Münzen mit fein gearbeiteten Bildnissen, die schon fast Medaillencharakter hatten. Die zweite Gruppe waren kleinere, normale Münzen. Die Dritte waren sehr kleine Münzen von schlechter Qualität. Im Allgemeinen zeigten Münzen auf dem Avers das Kopf- oder Brustbild des Antinoos. Inschriftlich wird er auf den Münzen als Heros oder Gott bezeichnet. Die Münzen aus Alexandria und Tarsos verzichteten auf diese Inschrift. Sie kennzeichneten die Göttlichkeit des Verstorbenen mit einer Hem-Hem-Krone oder einem die göttliche Natur des Abgebildeten symbolisierenden Stern.
Die Uniformität der Vorderseite wurde duch eine variabelere Reversdarstellung ergänzt. Im kleinasiatischen Kyme prägte man auf die Rückseite Athena Promachus, in Tarsos Dionysos auf einem Panther reitend, einen einzelnen Panther oder den lokalen Flussgott Kydnos. Nikopolis zeigt die Ansichten von Gebäuden und Stadttoren oder einen Stier, den auch Mytilene prägen ließ. In Arkadien findet man ein Pferd auf dem Revers, in Delphi einen Dreifuß. Seltener sind direkte Bezüge zu Antinoos. In seiner Geburtsstadt sieht man ihn neben einem laufenden Rind als Antinoos-Hermes, in Tarsos als Dionysos-Osiris.
Die Prägungen sollten nicht zuletzt auch den Kaiser freundlich stimmen und ihm der Loyalität der einzelnen Städte versichern. Für die Eigenpropaganda ließen sich auf den Prägungen mehrerer Städte auch die Stifter der Prägungen erwähnen. Neben Münzen wurden auch Tessera aus Blei geprägt.
Schon in der Antike schätzte man offenbar die Münzen des medaillenähnlichen Typs. Es sind antike Umarbeitungen zu kleinen Sonnenuhren und Taschenspiegeln bekannt. Auch wohl als Spielsteine verwendete Münzen mit stark abgeschliffener Rückseite sind bekannt. Es sind auch Münzabdrücke in Ton überliefert. Diese Terrakotta-Appliken wurden als Votivtafeln oder zur Verziehrung von Holzsarkophagen benutzt. Noch heute sind diese Münzen begehrte Sammlerstücke.
Neuzeitliche Rezeption
Fast parallel zur Wiederentdeckung der antiken Kunst in der Renaissance kam es auch zur Wiederentdeckung des Antinoos. Von Beginn an stand nicht das Interesse an der Person oder am Mythos des Bithyniers im Mittelpunkt, sondern explizit die Beschäftigung mit der Darstellung in der Kunst. Positiv für diese Entwicklung war, dass es ausgerechnet im Bereich der Plastik und der Münzen, also den beiden Gebieten, mit denen die Erforschung der antiken Kunst begann, viele überlieferte Artefakte gab. Zudem wurde auch schon früh festgestellt, dass der Antinoostypus ein besonders klassisches Beispiel der antiken Kunst darstellt. Im Überschwang wurden sogar des öfteren Statuen als Antinoos identifiziert, die eigentlich eine Gottheit darstellten. Zwei der wichtigsten Antinoos-Portraits, die besonders wichtig für die Betrachtung der Antinoos-Rezeption waren, sind die sogenannten Antinoos von Belvedere aus den Vatikanischen Museen und Kapitolinischer Belvedere aus denm Kapitolinischen Museen in Rom.
Der Antinoos von Belvedere wurde erstmals 1543 erwähnt, es ist demnach anzunehmen, dass er nur wenig zuvor gefunden wurde. Ulisse Aldrovandi berichtete 1556, dass die Statue auf dem Esquilin, in der Nähe von Santa Martino gefunden wurde. Michele Mercati hingegen berichtet in den 1580er Jahren, man hbae die Statue in einem Garten beim Castel Santa Angelo gefunden. Bei der ersten Erwähung durch Nicolaus de Palis wird ein Kaufpreis des Vatikans von 1000 Dukaten angegeben. Die Skulptur wurde wegen seiner Ästhetik hoch geschätzt und im Belvedere-Hof aufgestellt. Daher auch der Name der Statue. Schon 1545 wurde eine erste Abgußform gefertigt. Andere Deutungen wie die des Genius eines Prinzen konnten sich nicht durchsetzen. In der Folgezeit gehörte die Statue zum universellen Kanon in der Beschäftigung mit Antiken. In nahezu allen wichtigen Werken der Frühen Neuzeit wurde auch über sie berichtet. Künstler wie Gian Lorenzo Bernini, François Duquesnoy und Nicolas Poussin studierten an der Skulptur die antiken Fertigkeiten. Die Königshäuser von England, Spanien und Frankreich ließen sich Kopien aus Bronze oder Marmor fertigen. Auch Johann Joachim Winckelmann schäzte die Statue aufgrund ihrer Schönheit, wenngleich er etwa an Beinen und Nabel einige Schönheitsfehler zu bemängeln hatte. Er deutete die Statue fälschlicherweise als Meleager. Dochauch die Deutung als Antinoos war, auch wenn sie für die Erforschung des Antinoos-Portraits immens wichtig war, letztlich falsch. Ennio Quirino Visconti deutete die Statue im frühen 19. Jahrhundert als Darstellung des Merkur. Diese Deutung war überzeugend und hat bis heute Bestand. Nachdem in einem Grab in Andros eine vergleichbare Statue gefunden wurde, nannte man diesen Statuentyp Hermes Andros-Farnese.
Nicht weniger rezipiert wurde der Kapitolinische Antinoos, auch Antinous Albani genannt. Sie bafand sich mindestens seit 1733 in der Sammlung des Kardinals Alessandro Albani. In einem Bestandskatalog wunde vermerkt, dass die Statue zu den höchsten Kunstwerken der Antike zähle. 1750 berichtet Pierre-Jean Mariette, dass die Statue wohl in den letzten 30 Jahren seit ihrer Auffindung fast vergessen worden wäre, wenn man in ihr nicht ein Idealbild zum Studium der Proportionen erkannt hätte. Oft wurde der Kapitolinische Antinoos mit dem Antinoos von Belvedere in Sachen Ästhetik und Stil verglichen. Duquesnoy und Poussin studierten auch diesen Antinoos eingehend. Das Urteil beim Vergleich beider Statuen war sehr unterschiedlich. Winckelmann äußert sich in seinen Werken mehrfach und eingehend zu verschiedenen Antinoos-Darstellungen, nicht jedoch zum Kapitolinischen Antinoos. Nur nebenbei in einem Brief gab er an, die Statue angesehen vom Kopf nicht zu schätzen. Ebenso wie der Antinoos von Belverdere wurde auch diese Statue häufig repliziert. Unter anderem fand sich eine Kopie am französischen Königshof. Vor allem kursierten jedoch verkleinerte Nachbildungen in ganz Europa. Wie auch beim Kapitolinischen Antinoos konnte Ennio Quirino Visconti jedoch nachweisen, dass es sich gar nicht um die Darstellung des Antinoos, sondern erneut um die des Hermes handelte.
Das möglicherweise bedeutendste Werk der Rezeption war der Antinoos-Jonas in der Chigi-Kapelle in der Kirche Santa Maria del Popolo in Rom, die Raphael ab 1513 errichtete. Für die Kirche schuf Lorenzo Giovanni di Ludovico nach Vorgaben des Raphael auch eine Statue des Antinoos, die er nach antikem Vorbild mit einer anderen Person verschmolz. Raphael wählte allerdings keine antike Gottheit, sondern die christliche Figur des Jonas und christianisierte somit die Figur des Antinoos. Jonas war nun nicht mehr der alte, bärtige Prophet, sondern ein junger, etwas labil wirkender Mann, der gerade dem Tode entronnen war. Er sitzt nackt, nur leicht mit einem Gewand bedeckt auf einem Fisch. Das Portrait ist ohne jeden Zweifel antiken Antinoos-Portraits nachempfunden. Da fast alle Antinoosbildnisse erst später ausgegraben wurden, mußten sich die beiden Künstler wohl vom damals schon bekannten Antinoos-Farnese inspirieren lassen haben, der zu dieser Zeit Teil der Chigi-Sammlung war und sich heute im Nationalmuseum Neapel befindet.
1734 wurde in der Nähe der Villa Hadriana ein Relief Villa Albani genanntes Relif ausgegraben. Sofort seit der Auffindung galt es in Fachkreisen als besonders herausragendes Kunstwerk. Zusammen mit dem Kopf Mondragone, einem Antinoos-Portraits, befand er das Relief als die Ehre und die Krone der Kunst dieser sowohl als aller Zeiten[16]. Das Relief zeigt besonders individueele Züge des Antinoos. Dem entgegen ist der Kopf Mondragone ein Beispiel der besondern idealisierten Darstellung. Der Kopf gehörte wahrscheinlich zu einem kolossalen Kultbild des Antinoos. Er wurde hier mit Hem-Hem-Krone als Dionysos-Osiris gezeigt. Der Kopf wurde um 1720 gefunden und erstmals in der Villa Mondragone bei Frascati ausgestellt. Hiernach erhielt er auch seinen Namen. Winckelmann beschrieb den Kopf als nach dem vaticanischen Apollo und dem Laokoon das Schönste, was uns übrig ist[17]. Winckelmann erkannte beide Werke als hadrianisch und als auf klassisch-griechischen Vorbildern beruhend.
Von der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bis zum Ende des 19. Jahrhundert waren Büsten und Statuetten zumeist aus Bronze weit verbreitet. Viele dieser verkleinerten, sich am jeweiligen zeitgenössischen Geschmack orientierenden, Nachschöpfungen sind aus moderner Sicht nicht anders als kitschig zu bezeichnen.
Die Beschäftigung mit Antinoos und seiner Beziehung zu Hadrian endete jedoch nicht mit der Beschäftigigung mit der antiken Kunst und ihrer Nachschöpfung und Neuinterpretation. Auch Romane wurden verfasst. Ulrich Stöwers Roman „Antinous, Geliebter! Ein Schicksalsjahr für Kaiser Hadrian“ wurde erstmals 1967 veröffentlicht, Erst Sommers Roman „Antinoos“ erstmals 2005. George Taylors Roman „Antinous. Historischer Roman aus der römischen Kaiserzeit“ stammt aus dem Jahr 1880. Georg Ebers „Der Kaiser“ (1890) und Marguerite Yourcenars „Ich zähmte die Wölfin“ (1951) behandeln die Beziehung der Beiden auch ausführlich. Für 2007 ist ein Film über Hadrian, der auch dessen Beziehung zu Antinoos behandeln soll, angekündigt. Regisseur von „Memoirs of Hadrian“, der auf dem Roman von Marguerite Yourcenar basiert, ist John Boorman.
In den letzten Jahren rückte Antinoos wieder besonders in den mittelpunkt der Forschung. Vom 3. Dezember 2004 bis zum 1. Mai 2005 fand eine von der Antikensammlung Berlin organisierte Austellung „Antinoos - Geliebter und Gott“ im Pergaomonmuseum statt. Am Henry Moore Institute in Leeds fand vom 25. Mai 2006 bis zum 27. August 2006 eine große Ausstellung unter dem Titel „Antinous: the face of the Antique“ statt.
Literatur
- Ch. W. Clairmont: Die Bildnisse des Antinous. Ein Beitrag zur Portraitplastik unter Kaiser Hadrian. Schweizerisches Institut in Rom 1966.
- Hugo Meyer: Antinoos. Die archäologischen Denkmäler unter Einbeziehung des numismatischen und epigraphischen Materials sowie der literarischen Nachrichten. Ein Beitrag zur Kunst- und Kulturgeschichte der hadrianisch-frühantoninischen Zeit. Fink, München 1991, ISBN 3-7705-2634-1.
- Hugo Meyer (Hg.): Der Obelisk des Antinous, 1994
- Annika Backe: Antinoos: Geliebter und Gott. Staatliche Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin 2005, ISBN 3-88609-495-2
- Michael Zahrnt: Antinoopolis in Ägypten. Die hadrianische Gründung und ihre Privilegien in der neueren Forschung, in ANRW II 10,1 669ff.
Weblinks
Referenzen
- ↑ Der Kleine Pauly nennt das Jahr 110; Annika Backe (siehe Literatur) einen Zeitraum zwischen 111 und 115; zum 27. November als Geburtsdatum: Inscriptiones Latinae Selectae 7212
- ↑ Hermann Bengtson: Römische Geschichte, C.H. Beck, 7. Auflage, München 1995, Seite 299
- ↑ Backe, S. 4
- ↑ Backe, S. 4
- ↑ Pausanias 8,9,7
- ↑ Michael Zahrnt: Hadrian, in: Manfred Clauss: Die römischen Kaiser. 55 historische Portraits von Caesar bis Iustinian, C.H. Beck, München 1997, S. 133f.; zu den Privilegien siehe auch Zahrnt (Literaturliste)
- ↑ Zum Grab Nils Hannestad: Über das Grabmal des Antinoos. Topographische und thematische Studien im Canopus-Gebiet der Villa Adriana, in: Analecta Romana Instituti Danici 11 (1982), S. 69−108
- ↑ Zum Obelisken siehe H. Meyer (1994, siehe Literaturliste)
- ↑ Pausanias 8,9,7; Supplementum epigraphicum Graecum 31, 1060; Inscriptiones Latinae Selectae 7212
- ↑ CIL VI,1851; XIV 3535 und andere
- ↑ Suda 3,481,21
- ↑ Suda 3,367,9
- ↑ 15,677
- ↑ PIR² A 737; dazu W.D. Lebek: Ein Hymnus auf Antinoos, in Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 12 (1973), S. 101-137
- ↑ Backe, S. 13
- ↑ Zitat nach Backe, S. 21
- ↑ Zitat nach Backe, S. 22
Personendaten | |
---|---|
NAME | Antinoos |
ALTERNATIVNAMEN | Antinous |
GEBURTSDATUM | 110 oder 111 |
GEBURTSORT | Claudiopolis |
STERBEDATUM | 130 |
STERBEORT | im Nil |