----->Nichttödliche Waffe#Juristische_Behandlung<-----
Begriffe und Definition
Es gibt verschiedene Definitionen zu dem Begriff, die von unterschiedlichen Herausgebern abhängig von Wirkungsprinzipien, Funktionsweisen und Zielen zum Einsatz festgelegt worden sind. Im englisch-amerikanischen Bereich wird der Begriff non-lethal weapon, im französischsprachigen Bereich der Begriff arme non létale, beides wörtlich übersetzt Nichtletale Waffe verwendet. Im deutschen Sprachraum bürgert sich zunehmend der Begriff Nichtletale Wirkmittel ein.[1][2] Der englischsprachige und deutschsprachige Begriff finden die gleiche Abkürzung: NLW. Die deutsche Definition ist die umfassendere Definition des Begriffes im Vergleich zur USA bzw. NATO-Definition. Diese Wortwahl Wirkmittel ist dem Umstand geschuldet, dass der Begriff Waffe im deutschen Sprachraum als Gerät, Instrument, Vorrichtung ... zum Angriff auf einen Gegner, ..., zur Zerstörung von Bauwerken, technischen Anlagen usw. NLW unzureichend beschreibt, da zum Beispiel Sperrvorrichtungen oder Lautsprecher nicht erfasst sind. Da eine letale Wirkung von NLW nicht mit vollständiger Sicherheit auszuschließen ist, hat sich international auch der Begriff less lethal weapon, übersetzt: weniger tödliche Waffe, verbreitet.[3][4]
Vereinte Nationen
Weniger tödliche Waffen: Waffen, die für den Einsatz gegen Einzelpersonen oder Gruppen von Einzelpersonen ... bestimmt sind und die bei bestimmungsgemäßer Verwendung ein geringeres Risiko haben, Tod oder schwere Verletzungen zu verursachen als Schusswaffen. Weniger tödliche Munition kann auch von herkömmlichen Schusswaffen abgefeuert werden...[5]
USA
Nichtletale Waffen sind Waffen, die explizit so konstruiert und hauptsächlich eingesetzt werden um Personal oder Material handlungsunfähig zu machen und gleichzeitig die Zahl der Todesfälle, bleibende Verletzungen von Personal und ungewollte Sach- und Umweltschäden zu minimieren. [6]
NATO
Nichtletale Waffen sind Waffen, die ausdrücklich entworfen und entwickelt wurden, um Personen mit einer geringen Wahrscheinlichkeit von Todesfällen oder bleibenden Verletzungen handlungsunfähig zu machen oder abzuwehren oder Ausrüstung mit minimalen unerwünschten Schäden oder Auswirkungen auf die Umwelt funktionsunfähig zu machen.[7]
Deutschland
Nichtletale Wirkmittel sind Wirkmittel, das ausschließlich zu dem Zweck entwickelt und eingesetzt wird, eine erforderliche Wirkung auf Personen oder Material zu erzielen und dabei die Wahrscheinlichkeit tödlicher oder bleibender Verletzungen gering zu halten sowie unbeabsichtigte Begleitschäden oder Umweltschäden möglichst zu vermeiden. Nichtletale Wirkmittel erfüllen als erforderliche Wirkung folgende funktionale Fähigkeiten:
- Festsetzen und Markieren von Einzelpersonen,
- Warnen, auf Distanz halten, Stoppen, Beeinträchtigung der Handlungsfähigkeit, Zutrittsverwehrung, Entfernen aus Räumen sowie Trennen von Einzelpersonen und Personengruppen,
- Lenken von Bewegungen und Zerstreuen von Personengruppen,
- Warnen, Markieren, auf Abstand halten, Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit, Herbeiführen der Funktionsunfähigkeit, Verwehren der Zufahrt und Stoppen von Fahrzeugen, einschließlich des Warnens und Abfrage der Identität von Seefahrzeugen,
- Absperren, Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Herbeiführen der Funktionsunfähigkeit von Infrastruktur und
- Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit beziehungsweise Herbeiführen der Funktionsunfähigkeit von Ausrüstung, Waffen und Gerät. [8]
Geschichte
Es ist schwierig, einen historischen Abriß der Entwicklung von NLW zu erstellen. Immer schon gab es Waffen, die mehr oder weniger tödlich wirkten. Der Schlagstock ist damit eine der ältesten Waffen der Menschheit.
Die ersten weniger tödlichen Geschosse tauchten in den 1880er Jahren auf, als die Polizei in Singapur improvisiert abgesägte Besenstiele auf Randalierer schoss. [9]
Der Einsatz von Tränengas im Ersten Weltkrieg erfolgte oft in Kombination mit tödlichen Gasen als "Maskenbrecher". Somit ist dieses klar nicht als Entwicklungsbeginn von NLW anzusehen.
Der Beginn der gezielten Entwicklung von NLW ist an dem Zeitpunkt anzusetzen, zu dem das Ziel, tödliche Wirkung weitgehend auszuschalten, erstmals systematisch konzeptionell angestrebt wurde. [10]
Forschung zu NLW hat es bereits in den 1920er Jahren in den USA gegeben, zu praktischem Einsatz sind die Ergebnisse jedoch nicht geführt worden.
Der systematische Beginn ist eher in den 1930er Jahren zu setzen. Beispiele sind dazu Konzepte der Aufstandsbekämpfung durch Kolonialtruppen in den britischen Kolonien mit dem Ziel, dort möglichst wenig, aber effektive Gewalt anzuwenden oder der Einsatz von ersten Wasserwerfern durch die Polizei bei den gewalttätigen Demonstrationen in dieser Zeit in deutschen Metropolen. Dort wo Schusswaffen zum Einsatz kamen, waren Tote zu beklagen und schädigten das Image des Staates ("Berliner Blutmai 1929", "Altonaer Blutsonntag 1932").[11]
In den 1960er Jahren setzte die Bereitschaftspolizei in Singapur, Malaysia und Hongkong weiter entwickelte Holzgeschosse ein. In den USA wurden zu diesem Zeitpunkt während der großen Bürgerrechts- und Antikriegsdemonstrationen erstmalig Gummigeschosse eingesetzt.[12]
In den 1970er Jahren wurden erstmals Gummigeschosse und Tränengas in größerem Rahmen zur Aufstandsbekämpfung durch britische Truppen in Nordirland angewendet.[13][14]
In den 1970er Jahren begann in den USA die Entwicklung von Distanz-Elektroimpulsgeräten, später auchTaser genannt. Diese Waffen sollten aus der Distanz heraus Personen handlungsunfähig machen ohne sie zu töten. Ihr Wirkprinzip war anders als das der elektrischen Viehtreiber, die zwar auch in den USA durch Polizeikräfte eingesetzt wurden, aber nicht distanzfähig waren. Mit Explosivmunition zum Verschuss der Kontaktnadeln betrieben, wurden sie zunächst als Schusswaffen eingeordnet.
Zwischen 1987 und 1993 protestierten palästinensische Zivilisten während der ersten Intifada gegen die israelische Besatzung. Palästinensische Jugendliche verbrannten Autos und bewarfen Truppen der israelischen Streitkräfte mit Steinen. Israelische Truppen versuchten, NLW (Tränengas und Gummigeschosse) einzusetzen, der Erfolg war jedoch auf Grund der veralteten Technik begrenzt. Als die israelischen Truppen zu Schusswaffen griffen, untergruben die daraus resultierenden zivilen Opfer die internationale Unterstützung für die Politik der israelischen Regierung.
Mit dem Ende des kalten Krieges und dem Aufkommen neuer Konfliktbilder in den 1990er Jahren trat ein neues Bedrohungsspektrum auf: Nicht-internationale bewaffnete Konflikte, oftmals in failed states, deren Stabilität durch militärische Stabilisierungskräfte im Rahmen internationaler Mandate wiederhergestellt werden sollte. Dieses betraf vor allem Szenare in Ballungsräumen z.B. mit der Durchmischung von bewaffneten gewaltausübenden Personen und nicht bewaffneten friedlichen Demonstranten in Auseinandersetzungen mit den Ordnungskräften. Ein konzeptioneller Ansatz von NLW sollte daher drei Ziele verfolgen:
- Gewährleistung der Auftragserfüllung
- Sicherheit friedlicher unbeteiligter Nichtkombattanten
- Sicherheit der eigenen eingesetzten Kräfte
1996 wurde innerhalb der US-Streitkräfte das U.S. Marinecorps als Federführer mit der Entwicklung von Konzepten und Umsetzungen zu NLW-Technologien beauftragt.[16]
Anfang der 1990er Jahre begann auch die NATO, etwas später die Bundeswehr und in ihrem Auftrag die Fraunhofer - Gesellschaft zu NLW zu forschen.
Während der Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater am 23. Oktober 2002 wurde während einer Befreiungsaktion durch die Sicherheitskräfte ein Narkosewirkstoff eingesetzt. Von den 850 Geiseln konnten 721 gerettet werden. 139 verstarben. Die Ursachen sind umstritten. Bislang wurde die genaue Zusammensetzung des eingesetzten Narkosestoffes nicht veröffentlicht. [17]
Ethische und rechtliche Behandlung sowie politische Diskussion
Ethik
Die ethische Betrachtung des Themenbereichs NLW erfolgt aus Sicht auf den Einsatz von Gewalt in kriegerischen Auseinandersetzungen (bewaffnete internationale und nicht-internationale Konfikte) sowie den Einsatz staatlicher Gewalt im Inneren (z.B. durch Polizei- oder Justizkräfte). Ableitungen daraus werden in rechtliche Normen und Vorschriften, z.B. im Humaninitären Völkerrecht, früher Kriegsvölkerrecht genannt, im Waffenrecht oder in Dienstanweisungen für Behörden umgesetzt. Während das Humanitäre Völkerrecht international bindend ist, sind in einzelnen Ländern ethische Betrachtungen abhängig vom sozio-kulturellen Hintergrund des Landes im engen Kontext mit den rechtlichen Rahmenbedingungen zu betrachten.
In der Abwägung zwischen dem Einsatz potentiell hochwahrscheinlich tödlicher Waffen und NLW spielt dabei der ethische Grundsatz der "Wahl des kleineren Übels" eine wesentliche Rolle. Dieser bereits von Aristoteles entwickelte und später von Thomas Aquin und anderen Philiosophen fortgeschriebene Grundsatz besagt, daß von Handlungsalternativen, deren Ausgang mit einem Übel verbunden ist, diejenige auszuwählen ist, die das kleinere Übel bedeutet.[18]
Recht
Im Humanitären Völkerrecht, das den Einsatz von Streitkräften in bewaffneten Konflikten regelt, wurde diese Betrachtung weiter geschärft. Allerdings ist dieses nicht nur auf NLW spezifiziert, sondern allgemein für die Anwendung von militärischer Gewalt formuliert. Unter anderem gelten folgende Regeln:
- Verbot des Einsatzes von biologischen Waffen, mit der Auswirkung des Verbots auf biologischer Basis aufgebauter NLW
- Verbot des Einsatzes von Waffen die überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden hervorrufen, mit der Auswirkung u.a. auf schmerzbereitende NLW
- Verbot des Einsatzes von Waffen die unterschiedslos gegen Ziele wirken (d.h. nicht auf Ziele unterscheidbar oder auf Ziele begrenzbar)
- Verbot des Einsatzes chemischer Waffen, die auch nur vorübergehend kampfunfähig machen. Auswirkung ist ein Verbot von Tränengas im Einsatz bei international bewaffneten Konflikten
- Verbot von Laserwaffen, die mit dem ausschließlichen Ziel der Erblindung von Personen konstruiert worden sind
- Verbot des Einsatzes, der Herstellung und Lagerung von Antipersonenminen mit der Auswirkung auf selbstauslösende NLW
- Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel, auch Exzessverbot genannt
Im Recht zur Anwendung von unmittelbaren Zwang durch Einsatzkräfte in Deutschland findet der Grundsatz Anwendung beispielsweise durch
- die Forderung nach Angemessenheit der gewählten Mittel (körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt),
- die Verhältnismäßigkeit der gewählten Maßnahme zu der jeweilig abzuwehrenden Bedrohung sowie
- die Vorschrift der Androhung des Einsatzes von Unmittelbarem Zwang, sofern dieses möglich ist.
Politische Diskussion
Die öffentliche politische Diskussion befasst sich überwiegend mit dem Einsatz von NLW durch Polizeikräfte. In geringerem Umfang wird auch der Einsatz durch Streitkräfte im Rahmen nicht-internationaler bewaffneter Konflikte thematisiert. Hier läßt sich, auch im internationalen Vergleich die Argumentation schlagwortig zusammenfassen:
Befürworter von NLW
- Schliessen einer Fähigkeitslücke der Einsatzkräften zwischen Beobachten, Warnen, verbaler Aufforderung, körperlicher Gewalt einerseits und tödlichen Waffen auf der anderen Seite
- Befähigung von Einsatzkräften dazu, wirkungsvoll mit einer reduzierten Wahrscheinlichkeit eines letalen Ausgangs unmittelbaren Zwang durchzusetzen und Bedrohungen auszuschalten
- Befähigung von Einsatzkräften zum Einsatz von Wirkmitteln mit Abstandsfähigkeit (z.B. mehr als Armlänge Abstand zur Abwehr von Messerangriffen)
- Erhöhung des Selbstschutzes von Einsatzkräften
Gegner von NLW
- Reduzierung der Eskalationsschwelle, d.h. NLW würden in Handlungssituationen eher eingesetzt als letale Waffen. Damit würden Einsatzkräfte eher zu Gewalt greifen.
- Die Wirkung verschiedener unterschiedlicher NLW ist zwar nicht tödlich, aber immer noch mit schwerwiegenden Folgen versehen.
- Letale Auswirkungen lassen sich nicht vollständig und mit absoluter Sicherheit ausschließen.
- In den Händen von totalitären Regimen können NLW zur Folterung von politischen Gegnern oder gegen unliebsame Demonstrationen missbraucht werden.
- Unterlaufen von Rüstungsexportbeschränkungen
Anlass für das Aufkommen der Diskussion sind oftmals Vorkommnisse nach dem Einsatz von NLW oder gegensätzliche Positionen im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Einführung von NLW.
Technologien Nichtletaler Wirkmittel
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Elektrodistanzimpulsgerät
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Wasserwerfer der Polizei
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Schallkanone (LRAD)
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Reizstoffgranate
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Blendgranate
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Impulsmunition
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Schlagstock
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Mikrowellenstrahlentechnik
Wirkmittel gegen Personen
Repellentien
Repellentien oder Repulsivstoffe sind wohl die unterste Eskalationsstufe der NLW. Sie verbreiten einen für Menschen sehr unangenehmen Gestank und werden verwendet, um Örtlichkeiten gegen das Betreten oder den Aufenthalt von Menschen zu sperren. Die Stoffe sind meist über mehrere Wochen sesshaft. Bekannte Vertreter dieser Gruppe sind die synthetisch hergestellten Wirkstoffe des Analdrüsensekrets der Skunks ((E)-2-Butenylmercaptan, 3-Methylbutanthiol). Teilweise werden Zubereitungen eingesetzt, die ursprünglich als Repellentien gegen Hunde oder Katzen gedacht waren, zum Beispiel das in Neuseeland entwickelte Skunk Shot.
Reizstoffe
Chemische Reizstoffe werden verwendet, um Menschenansammlungen zu zerstreuen oder Personen aus Gebäuden oder Verstecken zu treiben. Reizstoffe können die Sicht behindern und Schmerzen zufügen. Bei Einsatz von Aerosolen setzt sich der Benutzer der Gefahr aus, selbst vom Aerosol getroffen zu werden. Deshalb verwenden staatliche Einsatzkräfte häufig Tropfenstrahlwaffen statt Spraywaffen.
- Tränengas, die volkstümliche Bezeichnung für die Gruppe der Augen-Rachen-Reizstoffe wie Chloracetophenon (CN), 2-Chlorbenzyliden-malonsäuredinitril (CS) oder Dibenzoxazepin (CR)
- Pfefferspray und Pulver von Capsaicinoiden („OC“)
Wasserwerfer
Wasserwerfer sind Fahrzeuge, die unter Hochdruck stehendes Wasser gezielt verspritzen können. Ihre Reichweite beträgt bei einem Druck von 15 bar über 60 Meter. Der Wasserstrahl spült Hindernisse regelrecht fort und kann bei Menschen mitunter schwerwiegende Verletzungen verursachen. Es können dem Wasser Reizstoffe zugesetzt werden.
Narkosestoffe
Mit Narkosestoffen sollen Angreifer betäubt und somit außer Gefecht gesetzt werden. Bekannt ist der Einsatz von Fentanylderivaten.
Materialzerstörung
Mikroorganismen
Mikroorganismen könnten zum Beispiel dazu genutzt werden, radarabweisende und tarnende Lackierungen auf Fahrzeugen zu zerstören.
Acetylen-Granaten
Der Wirkstoff Acetylen zerstört Dieselmotoren, wenn diese das Acetylen-Luftgemisch ansaugen.
Akustische Mittel
LRAD (Long Range Acoustic Device)
Bei einem LRAD handelt es sich um einen sehr starken Piezolautsprecher. Zum einen dient es zur zivilen oder militärischen Kommunikation über mittlere Distanzen, zum Beispiel zur Hilfeanforderung. Mit einer Maximallautstärke von 146 dB kann es aber auch als Schallmittel dienen, die Menschen, die mit ungeschützten Ohren in den schmalen Abstrahlwinkel treten, vertreiben, ihnen aber auch irreparable Hörschäden zufügen kann. Abgesehen von der militärischen Verwendung wird LRAD heute vor allem auf Schiffen zur Abwehr von Piratenangriffen eingesetzt. Die Geräusche reichen ca. 500–1000 m weit.
Risiko aller akut wirksamen akustischen Mittel: Eine Überdosierung (zu hoher Schalldruckpegel, zu lange Einwirkzeit) führt zu dauerhaften irreparablen Schäden des Gehörs (Lärmschwerhörigkeit, Gehörlosigkeit).
Schockgranate
Im weiteren Sinn kann zu den akustischen Waffen auch die Schockgranate gezählt werden, wenn bei ihr auch die Blendungswirkung hinzu tritt. Die Wirkung von Infraschallwaffen konnte in keiner veröffentlichten Studie bestätigt werden.
Schockgranaten (auch Blendgranate, englisch stun grenades, auch flash-bangs genannt) sind Handgranaten, Gewehrgranaten oder mit großkalibrigen Flinten verschossene Munition, die durch einen Blitz-Knall-Satz (meist ein Gemisch aus Aluminium-Pulver und Kaliumperchlorat) der Zielperson vorübergehend durch Schreckreaktion, Blendung und Schwerhörigkeit (bis hin zum Knalltrauma) die Orientierung nehmen soll (Knallschreck).
Es gibt auch den Einsatz als Ablenkungsmittel. Hier besteht jedoch ein hohes Risiko, dass Brände ausgelöst werden. So müssen von den Einsatzkräften immer Feuerlöscher mitgeführt werden.
Schockgranaten werden vor allem bei der Lösung von Szenarien verwendet, bei denen Personen während eines Zugriffs mit Schusswaffen bedroht werden können. Durch die Zündung der Granate soll die Aufmerksamkeit der zu ergreifenden Person kurzzeitig abgelenkt, und seine Orientierung vorübergehend eingeschränkt werden, um Polizeibeamte und Geiseln nicht mehr als nötig zu gefährden. Auch der vorauszusehende Fluchtweg einer Person kann mit solchen Blitz-Knall-Sätzen vermint sein.
Typische Gefahren: Detoniert solch eine Granate neben dem Kopf-Hals-Bereich einer am Boden liegenden Person, kann es zu schweren Verletzungen kommen. In mehreren Fällen sind auch eine lebenslange Hörschädigung oder Taubheit dokumentiert. Ein Fall eines toten Demonstranten wird auf eine Schockgranate zurückgeführt.[28]
Infraschall
Sehr tieffrequenter Schall dringt in die meisten Gebäude und Fahrzeuge ein. Die oft wiederholte Behauptung, mit Infraschall könnten Effekte wie Magenschmerzen, Durchfall oder Erbrechen erzeugt werden, ist aber haltlos.[29]
Optische Mittel
Eine Blendwaffe (englisch Dazzler) ist eine nicht-tödliche Energiewaffe, die intensives sichtbares Licht oder UV-Strahlung verwendet, um menschliche Gegner zu blenden oder orientierungslos zu machen. Eine Blendgranate oder Schockgranate, auch Flashbang, ist eine Granate, die mit einem lauten Knall (ca. 170–180 dB) und sehr hellem Licht (6–8 Millionen Candela) explodiert. Personen, die sich in der Nähe des Explosionsbereiches aufhalten, werden dabei kurzzeitig orientierungslos, da Seh- und Hörwahrnehmung stark beeinträchtigt werden.
Geschosse und Wurfstücke
Gummigeschosse
Sogenannte Gummigeschosse sollen starke Schmerzen zufügen, aber die Zielperson nicht schwer verletzen. Zu dieser Munition gehören: Rubber Rocket Projectile, ein flossenstabilisiertes Gummigeschoss, Stingball oder Hornet's Nest, Granaten und Flintenmunition, die ein Schrot aus Gummikugeln verschießt. Die Projektile enthalten teilweise Reizstoffe der CS- oder OC-Gruppe, oder werden zusammen mit diesen verschossen.
In Gebrauch sind auch modifizierte Claymore-Minen, die gerichtet Gummikugeln verschießen.[30]
Neben diesen aus Hartgummi bestehenden Projektilen (engl. rubber bullet) existiert auch noch Stahlmunition, welche eine Gummibeschichtung haben (rubber coated bullet bzw. Gummimantelgeschoss).[31]
Sandgeschosse
Die Sandgeschosse bestehen zum Teil aus gepresstem Sand und sollen ein geringeres Verletzungsrisiko als Gummigeschosse haben. Da es in der Vergangenheit wiederholt Todesfälle mit Gummigeschossen gegeben hat, könnten die Sandgeschosse als Alternative eingesetzt werden.[32]
Bean Bag
Bean Bags (auch Power Punch) sind Geschosse, die in einem Beutel – meist aus Nylon – Schrot enthalten. Diese Geschosse sollen ihre Wucht an der Körperoberfläche auf das Ziel übertragen, jedoch nicht in den Körper eindringen. Eine Person soll umgerissen werden oder Schmerzen erleiden, jedoch keine schweren Verletzungen davontragen. Beanbags gibt es in den verschiedensten Kalibern, sie werden aber meistens aus Flinten verschossen.
Eine Variation ist die hydro-kinetische Munition. Hier ist der Beutel nicht mehr mit Schrot, sondern mit einer Flüssigkeit gefüllt. Diese Munition soll auch auf kürzere Distanzen nicht in den Körper eindringen.
Als Risiken für alle „nichttödliche“ kinetische Munition geben die Hersteller selbst an: Platzwunden, Verrenkungen, Abschürfungen, Rippenbrüche, Gehirnerschütterung bis hin zu schwerem Schädel-Hirn-Trauma, Augenverlust, Beschädigung von Organen unter der Hautoberfläche (allgemein), Riss von Herz, Nieren oder Leber, innere Blutungen und Tod.
Steinsalz
Es gibt Munition für Schrotgewehre, die statt Bleikugeln Steinsalz enthält. Die Salzkörner dringen zwar in die Haut und evtl. in tieferliegendes Gewebe ein; das Salz wird resorbiert, wodurch die Wunden in der Regel zwar sehr schmerzhaft, aber nicht tödlich sind. Zudem verheilen diese meist ohne Narbenbildung.
Elektroschockwaffen
- Hauptartikel: Elektroimpulswaffe
Elektroschockpistole
Elektroschockpistolen sind unter ihren Handelsnamen Taser oder dem ehemaligen Hersteller Stinger bekannt. Bei diesen Waffen werden zwei Nadeln verschossen, die im Idealfall in die Haut des Opfers eindringen. Durch zwei dünne Kabel, die mit der Waffe verbunden sind, wird nun eine Serie von Stromstößen abgegeben, die den Gegner kampfunfähig machen sollen. Die Reichweite liegt bei mehreren Metern.
Elektroschockprojektil
Das Elektroschockprojektil wird mit einer Handfeuerwaffe abgefeuert. Es soll nicht in den Körper der Zielperson eindringen, versetzt ihr jedoch einen kräftigen elektrischen Schlag. Ein Beispiel für ein solches Geschoss ist das in der Produktion eingestellte Wireless eXtended Range Electronic Projectile.
Shock Rounds sind Geschosse, die mit piezoelektrischem Material gefüllt sind. Sie vereinen die Risiken von Wuchtgeschossen und elektrischen Schockwaffen.[33]
Elektroschocker / Stun Gun
Ein Elektroschocker (im US-Sprachgebrauch Stun Gun) hat zwei Elektroden mit hoher Leerlaufspannungen, wobei die durchschnittlich abgegebene Stromstärke gering ist.
Unter gewissen Rahmenbedingungen dürfen Elektroschocker in Österreich wie auch in Deutschland legal erworben werden.
Nicht-tödliche Strahlenwaffen
ADS (Active Denial System)
Das Active Denial System ist eine Anti-Personen-Mikrowellenwaffe. Bei höherer Strahlungsintensität und ausreichender Einwirkzeit sind Mikrowellenwaffen aufgrund der Hitzeeinwirkung auf der Haut potentiell tödlich.
HPEM (High Power Elektromagnetic Microwave/High Power Electromagnetics)
Das Funktionsprinzip dieser NLW gegen Material beruht auf dem Elektromagnetischen Impuls. Dabei werden durch elektromagnetische Impulsfelder elektronische Geräte so beeinträchtigt, dass sie nicht mehr funktionsfähig sind. Kraftfahrzeuge können z.B. damit zum Stehen gebracht werden. [34]
Sperrmittel
Dieses sind Mittel, die die Bewegungen von Personen lenken, behindern oder unterbinden. Zum Einsatz kommen Sperren oder auch Personenfangnetze. [35]
Markiermittel
Um z.B. bei gewaltausübenden Gruppen Rädelsführer zu identifizieren werden Markiermittel eingesetzt. Dieses sind Farbstoffe, die aus Schusswaffen verschossen sind und Personen farblich markieren. Diese können dann später eichter identifiziert und festgenommen werden. [36]
Beurteilung der Wirkung bei Konstruktion und Einsatz von NLW
Noch offen! Hier besteht Diskussionsbedarf!
NLW sollen mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Einsatz Tod oder schwere Verletzungen ausschließen sowie nur minimale unerwünschte Schäden an Ausrüstung bzw. Auswirkungen auf die Umwelt verursachen. Beim Entwurf und der Konstruktion von NLW ist dieses ein Aufgabe des Risikomanagements der Wirkung von NLW.
Die Auswirkungen von NLW können auf Grund verschiedener wissenschaftlicher Vorgehensweisen z.B. aus der Ballistik, Toxikologie oder Physiologie beurteilt werden und Risiken identifiziert werden. Dabei müssen Wahrscheinlichkeiten abgeschätzt werden, die den Eintritt jeweiliger Ereignisse und ihr Ausmaß beschreiben. Diese lassen sich in einer Risikomatrix beschreiben.
Im Rahmen der Risikoanalyse sind auch Sicherheitsbestimmungen zu definieren, die beim Einsatz von NLW einzuhalten sind. Die Sicherheitsbestimmungen legen fest, unter welchen Bedingungen NLW eingesetzt werden dürfen. Dieses umfasst z.B. Sicherheitsabstände zu Personen, das Zielen auf bestimmte Körperteile, die Einwirkdauer oder das Untersagen des Einsatzes von NLW in bestimmten Situationen oder an bestimmten Örtlichkeiten. Einsätze von NLW müssen dokumentiert und ausgewertet werden um die Risikoanalyse zu bewerten und ggf. fortzuschreiben.
Literatur
- Handbuch Friedensethik-> Legitimität der Gewaltanwendung in Kriegen
- Nichtletale Waffen im Kriegsvölkerrecht (nicht signierter Beitrag von Sandbaer (Diskussion | Beiträge) 17:20, 4. Jan. 2022 (CET))
- Dieter Schwab Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft
- Studienarbeit zur Ethik: Nächstenliebe im Polizeidienst
- Ethische Betrachtung zu Krieg und Gewaltanwendung
- Volker Eik: Weiche Waffen für Harte Zeiten
- NATIONAL GEOGRAPHIC: Amy McKeever Was „nichttödliche Waffen“ im Körper anrichten
- United Nations High Commissioner for Human Rights (OHCHR) Less Lethal Weapons Guide, New York, 2020
- Philippe Drapella, Arma Suisse: Nicht-letale Waffen, Probleme und Herausforderungen 28. November 2019
- Bunker, R.J. Nonlethal weapons terms and references DIANE Publishing ISBN 9781428991934 1999 https://books.google.de/books?id=aoZYYz1ZieYC
- ICRC-Eve Massingham Conflict without casualties ... a note of caution: non-lethal weapons and international humanitarian law Abgerufen am 6.Januar 2021
- https://de.unionpedia.org/Finaler_Rettungsschuss
- https://www.nato.int/cps/en/natohq/news_135772.htm?selectedLocale=en
- https://www.dw.com/de/taser-f%C3%BCr-die-deutsche-polizei-wie-gef%C3%A4hrlich-sind-elektroschockpistolen/a-49823267
Einzelnachweise
- ↑ Armasuisse: Beschreibung eines Schießplatzes für Nichtletale Wirkmittel
- ↑ Parlament der Republik Österreich: Anfrage zu nicht letalen Wirkmitteln bzw. weniger tödliche Waffen im Bundesheer
- ↑ https://www.bundeswehr.de/resource/blob/5206902/9eace9594bfc223326537191a17dc551/neu-datenbank-fuer-terminologie-data.mdb Begriff: Nichtletales Wirkmittel in: Offlinedatenbank Terminologie der Bundeswehr, Herausgeber Bundeswehr (MDB-Datei 8,3 MB), Abgerufen am 21.Oktober 2021
- ↑ Begriff Waffe in Duden.de Abgerufen am 5. Januar 2022
- ↑ Definition Less lethal weapon in: United Nations High Commissioner of Human Rights - Less Lethal Weapon GuidanceAbgerufen am 6.Januar 2021
- ↑ Definitions in:MCWP 3-15.8 MTTP for the Tactical Employment of Nonlethal Weapons (NLW) January 2003Abgerufen am 5.Januar 2022
- ↑ Definitions in: NATO policy on non-lethal weaponsAbgerufen am 5.Januar 2022
- ↑ [https://www.bundeswehr.de/resource/blob/5206902/9eace9594bfc223326537191a17dc551/neu-datenbank-fuer-terminologie-data.mdb Begriff: Nichtletales Wirkmittel in: Offlinedatenbank Terminologie der Bundeswehr, Herausgeber Bundeswehr (MDB-Datei 8,3 MB), Abgerufen am 21.Oktober 2021
- ↑ slate.com/news-and-politics: What are rubber bullets?Abgerufen am 5.Januar 2021
- ↑ Davison, Neil Non-lethal Weapons ISBN 9780230233980 Palgrave Macmillan UK 2009
- ↑ Volker Eick, Weiche Waffen für eine Harte Zeit, S.94
- ↑ slate.com/news-and-politics: What are rubber bullets?Abgerufen am 5.Januar 2021
- ↑ CAIN Web Service -A Chronology of the Conflict - 1970
- ↑ BBC: Rubber bullets: Army kept real dangers in Northern Ireland hidden Abgerufen am 6. Januar 2021
- ↑ U.S.Marine Corps, Joint concept for Non-Lethal Weapons, 1998
- ↑ www.tecom.marines.mil: MARINE CORPS TRAINING AND EDUCATION COMMAND Abgerufen am 6. Januar 2022
- ↑ Bundeszentrale für politische Bildung : Vor 15 Jahren- Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater Abgerufen am 12.Januar 2022
- ↑ Ludger Honnefelder, Zur Bestimmung des sittlich Guten bei Thomas von Aquin Schwab in: Dieter, Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft, Verlag Duncker & Humblot, Berlin, 2020, S.95 ff.
- ↑ BMVg R I 3 Zentrale Dienstvorschrift A-2141/1, Humanitäres Völkerrecht in bewaffneten Konflikten, Kapitel 4
- ↑ Definition "Unmittelbarer Zwang" in www.rechtswörterbuch.de Abgerufen am 5. Januar 2022
- ↑ Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (UZwG)Abgerufen am 5. Januar 2022, auch andere gesetzliche Regelungen zur Anwendung des Unmittelbaren Zwangs durch die Bundeswehr oder Vollzugsbeamte der Länder
- ↑ Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages WD 3 037/08 Grenzen der Bewaffnung der Polizei und der Amtshilfe durch die BundeswehrBerlin 2008Abgerufen am 5. Januar 2022
- ↑ SPIEGEL Online: Mögliche Wechselwirkung mit Drogen Todesfälle nach Pfefferspray-Einsatz26. Dezember 2009 Abgerufen am 5. Januar 2022
- ↑ Mirko Smiljanic, Peter Welchering: Nebelwerfer, Pfefferspray, Elektroschock-Pistolen in www.deutschlandfunk.de vom 28.11.2003Abgerufen am 5.Januar 2022
- ↑ Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages -WD 3-3000-044/17 Rechtsgrundlage für den Einsatz von Elektroimpulsgeräten (sog. Tasern) durch die Bundespolizei vom 28.02.2017Abgerufen am 5. Januar 2022
- ↑ National Police Chiefs Council-Conducted energy devices (Taser)- 2020 Abgerufen am 5. Januar 2022
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- ↑ taz.de: Staudamm-Bau wird überprüft vom 29. Oktober 2014. Abgerufen am 30. Dezember 2014.
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- ↑ nationaldefensemagazine.org: Peacekeeping Duties Bolster Demand for Kinder Weapons ( vom 30. Dezember 2014 im Internet Archive) vom Mai 2000. Abgerufen am 30. Dezember 2014.
- ↑ btselem.org: Rubber-coated steel bullets - "rubber bullets" vom 1. Januar 2014. Abgerufen am 30. Dezember 2014.
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- ↑ U.S. AirForce Research Lab: HIGH POWER ELECTROMAGNETICS
- ↑ www.connektar.de: Personenfangnetz
- ↑ Protect-IT.ch: Smartpowder - Täter markieren und identifizieren