In einer Schlacht bei Radkersburg sollen ein innerösterreichisches Aufgebot, niederösterreichische Truppen und kroatische Hilfstruppen im Jahr 1416 oder 1418 osmanische Streiftrupps besiegt haben. Die Historizität der Schlacht ist nicht belegt.
Angebliche Türkeneinfälle in Krain, Steiermark und Kärnten
Historisch zweifelsfrei belegt sind sogenannte Türkeneinfälle in Krain (Slowenien), Steiermark und Kärnten nicht vor 1469, dennoch hielten sich lange Zeit auch Überlieferungen vermeintlich früherer Angriffe osmanischer Türken. Unmittelbar nach ihrem Sieg über ein ungarisch-französisches Kreuzfahrerheer bei Nikopolis sollen osmanisch-türkische Vorausabteilungen bei Gegenangriffen durch das damals zu Ungarn gehörende Kroatien und durch Bosnien hindurch schon 1396 bis nach "Petau" (bzw. Betov) vorgestoßen sein, das behauptete allerdings allein Johannes Schiltberger. Obwohl es für einen solchen Angriff keine anderen deutschen, österreichischen, südosteuropäischen oder türkischen Belege jener Zeit gibt, identifizierte Joseph von Hammer-Purgstall "Petau" später mit Pettau in der Untersteiermark (heute Ptuj, Slowenien). Vermutlich war aber nur Požega in Kroatien oder Peterwardein in Ungarn (heute Novi Sad, Serbien) gemeint; diese Orte hatten die Osmanen 1396 tatsächlich angegriffen. Den Tiefpunkt der ungarischen Macht nutzten auch bosnische Herzöge aus und bemächtigten sich weiter Teile Dalmatiens. Nur wenige Jahre später brach auch das Reich der Osmanen nach ihrer Niederlage gegen die Mongolen 1402 bei Ankara zwischenzeitlich zusammen. Während sich der neue Sultan Mehmed I. zunächst in Thronfolgekämpfen gegen vier Brüder behaupten musste, fiel König Sigismund von Ungarn in Bosnien und Dalmatien ein. Der bosnische König Tvrtko II. rief die osmanischen Türken zu Hilfe (den Sandschakbey von Üsküb, Saruhanli Pasha Yiğit Bey) und gemeinsam stießen Bosnier und Türken nach Ungarn, Kroatien und Dalmatien vor. Schon 1408 sollen eigenmächtig agierende Streiftrupps aus dem Heer von Mehmeds Bruder Süleyman erstmals auch bis Mötting in Krain vorgestoßen sein, doch auch dafür gibt es keinen zweifelsfreien Beleg.
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Unter Sultan Bayezid I. fielen Osmanen angeblich 1396 erstmals in die Steiermark ein
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In die Regierungszeit Sultan Mehmeds I. fällt der angebliche Türkeneinfall von 1418
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Unter Sultan Murad II. sollen die Osmanen 1429 und/oder 1431 in Krain eingefallen sein
Im Mai 1415 stießen osmanisch-türkische Vorausabteilungen (erneut) bis Dalmatien, Istrien und Krain vor. Auf dem Karst lagerten sie unmittelbar an der Grenze des (formal zum Heiligen Römischen Reich gehörenden) Patriarchats von Aquileia. Die Stadt Udine in Friaul beriet daraufhin Verteidigungsmaßnahmen gegen einen möglichen Einfall der Türken und suchte militärische Unterstützung sowohl bei der Republik Venedig als auch bei Sigismund, der (seit 1411) auch römisch-deutscher König war (seit 1419 auch römisch-deutscher Kaiser). Diesbezügliche Briefe zwischen dem Rat der Stadt und dem Patriarchen sind belegt. Während die Venezianer angeblich zunächst den osmanischen Vormarsch sogar unterstützt haben sollen, unternahm Sigismund von Ungarn aus eine Gegenoffensive gegen Bosnien, doch Anfang August 1415 besiegten Bosnier und Türken die Ungarn bei Doboj. Türkische Streiftrupps bedrohten daraufhin noch im selben Monat erneut Krain, Istrien und Friaul. Krain stand damals unter der Herrschaft des habsburgischen Herzogs Ernst I. von Steier(mark) und Kärnten. Ebenso wie Mehmed hatte sich auch Ernst zunächst in einem Bürgerkrieg gegen seine Brüder und die habsburgische Nebenlinie Herzog Albrechts sowie gegen die Grafen von Cilli und König Sigismund behaupten müssen. Um Aquileia bzw. Friaul, Istrien und Dalmatien rivalisierte Sigismund wiederum vor allem mit der Republik Venedig. Die Venezianer führten inzwischen in der Ägäis einen Seekrieg gegen die Osmanen und besiegten im Mai 1416 die osmanische Marine bei Gallipoli. Nach einem vorläufigen Waffenstillstand mit Venedig im Juli 1416 verlegten sich die Osmanen zunächst wieder auf Angriffe an ihren nördlichen Landesgrenzen.
Schilderung der Schlacht
Dem Geschichtschreiber Hieronymus Megiser zufolge sollen 20.000 osmanische Türken Anfang Oktober 1418 durch Ungarn hindurch (erneut) in die Steiermark eingefallen sein, die Umgebung von Radkersburg verwüstet und mit der Belagerung bzw. Erstürmung der Stadt begonnen haben. (Einige Streiftrupps seien sogar durch die Steiermark hindurch bis ins Land Salzburg gelangt.) Anderen Angaben zufolge habe dies bereits im Oktober 1416 stattgefunden bzw. es sei 1415 oder eben 1416 zu einem (ersten) Auftauchen der Türken an den Grenzen der Steiermark gekommen. Zum Entsatz des sich verteidigenden Radkersburg habe Herzog Ernst in Graz eilig ein Heer aus Steirern, Kärntnern und Krainern zusammengezogen, zu dem auch 1.000 bzw. 2.000 Kroaten des Grafen Nikolaus von Frankopani und 5.000 bzw. 7.000 von Herzog Albrecht V. entsandte Niederösterreicher gehörten. Insgesamt sei Ernst demnach mit 12.000 Mann den angeblich von Großwesir Ahmed Bey befehligten Türken entgegengezogen. Beide Heere bestanden zu einem Großteil aus Reitern: das österreichische Heer vor allem aus schwergepanzerten Reitern, das osmanisch-türkische Heer eher aus hochbeweglichen, aber nur leichtbewaffneten berittenen Bogenschützen (Akıncı), die normalerweise keine befestigten Städte belagerten.
Nachdem der türkische Befehlshaber im Laufe der Schlacht von Graf Frankopani getötet (erwürgt) worden sein soll, seien die übrigen Türken schließlich zurückgewichen und hätten 12.000 tote Reiter sowie 7.300 tote Fußsoldaten auf dem Schlachtfeld zurückgelassen. Das österreichische Heer verlor angeblich nur 1.500 Reiter und 500 Fußsoldaten, von den Überlebenden soll aber jeder Dritte verwundet worden sein (etwa 3.300 Mann) - 300 tödlich Verwundete sollen kurz nach der Schlacht gestorben sein.
Historisch-kritische Zweifel
Megiser behauptete, Ahmed Bey (bei ihm: Achmat Beg) sei direkt von Sultan Murad II. (bei Megiser: Amurath) entsandt worden, doch weder 1416 noch 1418 regierte Murad schon, sondern noch sein Vater Mehmed I. (bis 1421) - und zu Lebzeiten seines Vaters kämpfte Murad zunächst nur in Asien, noch nicht in Europa. Auch ein Wesir oder Pascha namens Ahmed Bey ist weder unter Mehmed I. noch unter Murad II. überliefert - und offenbar auch kein Beylerbey von Rumelien oder Sandschakbey von Üsküb (Skopje). Hammer-Purgstall nahm daher an, es habe sich vielleicht nur um einen kleineren Überfall unter irgendeinem unbeutenderen Grenzpostenkommandeur namens Ahmed gehandelt. Hammmer-Purgstall reduzierte daher auch die überlieferten Truppenstärken und Verlustzahlen kurzerhand auf ein Zehntel (jeweils eine Null weniger).
Über eine Schlacht gegen die Türken bei Radkersberg berichteten weder Schiltberger noch andere Quellen des 15. Jahrhunderts. Über eine solche Schlacht erzählten erst spätere Autoren und Chroniken des 17. Jahrhunderts. Alle Schilderungen der Schlacht gehen offenbar auf Mediser und Johann Valvasor zurück, wobei selbst Valvasor die von Megiser bemühten Quellen bereits anzweifelte. Keine der von Megiser angeführten Quellen belegte eine Schlacht gegen die Türken oder auch nur einen türkischen Einfall 1416 oder 1418, einige der von ihm angeführten Quellen reichten nicht einmal bis zu jener Zeit. Belegt sind für jene Zeit lediglich
- ein Auftauchen türkischer Vorausabteilungen an den Grenzen von Aquileia und an den Grenzen zur Steiermark
- Briefe der Stadt Udine bzgl. der Sorge vor einem möglichen türkischen Angriff
- eine auch auf das übrige Innerösterreich ausgreifende allgemeine Türkenfurcht sowie
- eine Zusicherung des Grafen Frankopani an Herzog Ernst, im Falle eines Angriffs kroatische Hilfstruppen zu entsenden.
Dennoch wurden Megisers Darstellungen im 18. Jahrhundert auch von Aquilinus Caesar und auch noch im 19. Jahrhundert von Hammer-Purgstall und Joseph von Aschbach nacherzählt, obwohl Hammer-Purgstall zumindest den Umfang und Bedeutung des vermeintlichen Türkeneinfalls von 1418 herunterstufte.
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Als Erfinder der Schlacht bei Radkersburg gilt Hieronymus Megiser
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Johann Valvasor übte lediglich ein wenig Kritik an Megisers Quellen
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Hammer-Purgstall stufte lediglich die Bedeutung der Schlacht etwas herab
Anders als Hammer-Purgstall äußerten einige seiner Zeitgenossen schon Anfang des 19. Jahrhunderts deutlich weitergehende Zweifel; seit Ende des 19. Jahrhunderts überwogen dann offenbar starke Zweifel sowohl an der Schlacht als auch am Türkeneinfall selbst. Einen bedeutenden Anteil an der Widerlegung des Mythos um die Schlacht von Radkersburg hatte der Steiermärker Geschichtsforscher Franz Ilwof.
Johann Genersich (1815)
Folgen
unter Murad Krain 1425 bis 1429 (Levec) statt 1431 (Megiser), 1431 nur Megisers Erfindung (Ilwof)
Literatur
- Münchner DigitalisierungsZentrum: Digitalisierte Ausgabe der Annales Carinthiae des Michael Gothard Christalnick, herausgegeben von Hieronymus Megiser (1612)