Die kleine Klosterkirche Serrabone (Serra bona, katalanisch guter Berg) liegt in den französischen Pyrenäen (Region Roussillon) in 600 Metern Höhe, 40 km südwestlich von Perpignan.
Das Jahr 1000
Um das Jahr 1000 herum ist hier im Roussillon eine neu erwachte Freude am Bauen zu beobachten. Die entscheidenden Ursachen dieser Erneuerung müssen in der außergewöhnlichen religiösen Begeisterung gesucht werden, die den Süden Frankreichs damals erfasst hatte.
Als kurze Stichworte lässt sich folgendes dazu sagen: Im 8. und 9. Jahrhundert war es Karl dem Großen noch einmal gelungen, ein zusammenhängendes Reich zu schaffen. Aber schon unter seinen Nachfolgern zerfiel es in mehrere Teile und anschließend kamen sehr dunkle Zeiten für die westeuropäische Bevölkerung - vor allem durch die Invasionen fremder Heerscharen und deren Zerstörungen. Im 10. Jahrhundert erwachte dann allmählich das romanische Mittelalter. Über die Anfänge um die Jahrtausendwende ist nicht viel bekannt, da dieser Zeitabschnitt nur sehr unzugänglich dokumentiert ist. Doch wir wissen, dass diese Jahre nicht mehr ausschließlich von den Wirren der Anarchie bestimmt wurden. Vor allem starke Veränderungen in der Landwirtschaft und im Handel regten die Entstehung der romanischen Kultur an und ermöglichten ihr Aufblühen.
Die Jahrzehnte vor und nach dem Jahr 1000 erlebten eine schreckliche Zeit. Fast überall gab es auf Grund klimatischer Bedingungen mehrere Jahre lang schlechte Ernten, welche Zeiten des Hungers nach sich zogen. Kannibalismus war keine Seltenheit, Seuchen und Epidemien schienen kein Ende nehmen zu wollen, und so weckte die Lawine des Schreckens, die auf das Volk niederging, alten Aberglauben. Die Geistlichen führten natürlich alles auf göttliches Wirken zurück und predigten Buße angesichts dieser angeblichen Strafe Gottes.
Das Leben war ein einziger Kampf ums Überleben. Eine latente Angst bewegte die Menschen, eine Unruhe über die Ausbreitung des Bösen auf allen Seiten, eine Besorgnis, die auch auf die Heilige Schrift zurückgeführt werden konnte, und zwar auf die Apokalypse, in der die Ankunft des Teufels und das Ende der Welt angekündigt wurden (Minne-Sève, Viviane: Romanische Kathedralen und Kunstschätze in Frankreich. Eltville 1991, S. 11).
Nach der äußerst symbolbehafteten Zeitenwende im Jahr 1000, als der Weltuntergang nicht kam, atmete man allgemein langsam auf. Das christliche Abendland sammelte sich auch allmählich gegen den Islam, der im Jahr 1076 in Gestalt der Türken die heiligen Stätten in Jerusalem entweiht hatte. 1095 fand der erste Kreuzzug statt, der die Standesunterschiede und andere gesellschaftliche Grenzen kurzfristig vergessen ließ.
Die Bedeutung der Klöster
Der Kampf gegen das Heidentum wurde damals nicht nur auf den Kreuzzügen, sondern auch regional geführt, denn die Evangelisierung war noch nicht in alle abgelegenen Gebiete vorgedrungen, schon gar nicht hier in den Pyrenäen. Die Kirche war in dieser unruhigen Zeit der einzige verlässliche Zufluchtsort; ihre Heiligen waren die Beschützer, deren Hilfe erfleht und deren Grabstätten besonders verehrt wurden.
Und im Schoß der Kirche kam den Klöstern eine gewichtige Rolle zu. Denn eben jene Mönche verstanden die Landbewohner besser, denn sie hatten das Leben hier auf dem Lande selber gewählt und die damit verbundenen Schwierigkeiten. Die bäuerliche Bevölkerung bewunderte den Mut, die Ausdauer und den Einfallsreichtum jener Mönche, wenn die als Einsiedler einer völlig unzugänglichen und unwirtlichen Gegend wie hier in Serrabonne ihren Lebensunterhalt abtrotzten. Und es waren eben Mönche, die in großem Umfang zu tiefgreifenden Veränderungen auf dem Lande zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert beitrugen. Sie führten die Erschließung von Neuland durch, die Abholzung von Wäldern und den Ackerbau.
Die geistliche Autorität der Klöster hatte aber auch territoriale Konsequenzen. In Katalonien wurde es Sitte, kurz vor seinem Tod einer Kirche oder einem Kloster ein Drittel der zukünftigen Ernte zu vermachen, - ein Akt, der häufig den Lebensunterhalt der Familie gefährdete. Man verstand diese Gabe als Almosen zur Rettung seiner Seele und die Klöster unterstützen natürlich diese Illusion - denken Sie an das, was ich in Fontenay dazu gesagt habe. Die Nutzung dieser Gaben wurde dem Ermessen der Mönche überlassen, die solche Spenden vor allem für die Restaurierung oder die Errichtung von religiösen Gebäuden nutzten. So entstanden viele Kirchen des romanischen Mittelalters (Minne-Sève, Viviane: Romanische Kathedralen und Kunstschätze in Frankreich. Eltville 1991, S. 12).
Geschichte des Klosters Serrabonne
Über die Geschichte der Klosters Serrabonne während der gesamten Periode des Mittelalters ist nur wenig bekannt, weil sein Archiv schon vor langer Zeit verschwunden ist. Die Kirche Sainte-Marie de Serrabona, wie sie vollständig heißt, ist zum Teil noch die Kirche, die bereits im Jahr 1069 erwähnt wurde.

Die erste Erwähnung einer Marienkirche an diesem Ort stammt aus dem Jahre 1069. Auf Initiative der Garfen von Cerdagne wurde 1082 damit begonnen, ein Kloster zu errichten. 1130-40 wurde die Kirche erheblich erweitert, und zwar um den Chor, das Querschiff, ein Seitenschiff und eine Kreuzganggalerie im Süden. Nach der Errichtung des Glockenturms wurde die heutige Kirche 1151 geweiht. Das Kloster wird - statt eines Kreuzgangs - begrenzt durch eine kleine Galerie, da das Gelände nichts anderes zulässt.
Die Kirche ist ein Beispiel für einen eigenständigen romanischen Bautyp des Roussillon : den Langhaussaal (in seinen Anfängen mit einer flachen Decke anstelle des heutigen Tonnengewölbes), der später im gesamten Süden größte Verbreitung fand.

Große Beachtung verdient im Inneren der Kirche eine freistehende Sängertribüne aus rosafarbenem Marmor. Die Kapitelle zeugen von hoher Kunstfertigkeit - die Bildhauer haben vermutlich zuvor an der benachbarten Abtei Saint-Michel-de-Cuxa gearbeitet.
Von der gesamten Klosteranlage steht nur noch die Kirche. Später, im 14. Jh. gab es in dieser Gegend einen starken Bevölkerungsrückgang um ein Drittel - und Ende des 16. Jhs. lebte hier fast niemand mehr. Bereits 1593 wurde durch päpstliche Anordnung die Tätigkeit der Augustiner beendet und die Kirche dem Bischof von Solsona in Katalonien (das Roussillon gehörte damals zu dieser nordspanischen Region) unterstellt.
Ab 1789 traten im Gebäude Symptome von Verwitterung zutage: um das Gewölbe zu stützen, musste auf der Empore eine Mauer errichtet werden, die das Kirchenschiff in zwei Abschnitte unterteilte. Im Januar oder Februar 1819 stürzte der westliche Bereich der Kirche ein. 1902 und 1922 wurde grundlegend restauriert: alles, was nicht zur ursprünglichen Konzeption gehörte, wurde rigoros abgerissen. Die Westfassade wurde erst 1966/68 originalgetreu wiederaufgebaut.
Heute ist das Kloster umgeben von einem verwilderten botanischen Garten mit den typischen Pflanzen der Pyrenäen.