Sealand

nicht anerkannte Mikronation in englischem Gewässer
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Nationales Motto: E mare libertas
(Latein: Freiheit aus dem Meere)
Landessprache Englisch
Regierungschef Paddy Roy Bates (selbst ernannter Fürst von Sealand)
Staatsoberhaupt Michael Bates
Fläche 611 m²
Bevölkerung

-Gesamt (2006)


< 10
Gründungsdatum Unabhängigkeitserklärung am 2. September 1967
Währung Sealand Dollar ('SX$', 'SXD'?) gekoppelt an USD
Zeitzone UTC
Nationalhymne E Mare Libertas
Internet TLD keine
Ländervorwahl keine
Karte von Sealand
Sealand und die 3- und 12-Meilen-Zonen

Sealand bzw. das Fürstentum Sealand (engl.: Principality of Sealand) ist eine sogenannte Mikronation, die Anspruch auf eine ehemalige britische Seefestung knapp 10 km vor der Küste von Suffolk, England, sowie eine Zwölfmeilenzone im Umkreis als Hoheitsgewässer erhebt.

Am 2. September 1967 von Paddy Roy Bates ausgerufen, fordert Sealand seine Anerkennung als legitimer und souveräner Staat. Trotz einer hohen Bekanntkeit, vor allem als häufig gewähltes Fallbeispiel in völkerrechtlichen Diskussionen, wird Sealand international nicht als Staat anerkannt und liegt innerhalb der britischen Hoheitsgewässer, seit diese auf eine Zwölfmeilenzone ausgedehnt wurden.

Lage und Größe

Sealand liegt auf Vorlage:Koordinate Text Artikel, hat eine Länge von 47 Metern und eine Breite von 13 Metern. Die zwei hohlen Betonsäulen, auf denen die Festung ruht, haben einen Durchmesser von acht Metern. Innen befinden sich je sieben Stockwerke mit je ca. 50 Quadratmeter Fläche.

Bevölkerung

Die Bevölkerung besteht aus seiner Hoheit, seinen Angehörigen und einigen Freunden. Tatsächlich hält sich die Bevölkerung jedoch nicht dauerhaft in Sealand auf. Schätzungsweise maximal 10 Personen. In den letzten Jahren bewohnt Roy von Sealand aus gesundheitlichen Gründen ein Haus in England. Vermutlich ist daher die meiste Zeit über nur ein Wachmann auf der Plattform.

Geschichte

Roughs Tower

Die Station Roughs Tower ist eine von insgesamt sieben Maunsell Forts, die das britische Militär im Zweiten Weltkrieges zur Abwehr von See- und Luftangriffen errichtete. 1942 als schwimmender Ponton in England gebaut, ließ man ihren Sockel im Februar 1943 plangemäß vor der südenglischen Küste auf die Sandbank Rough Sands absinken. Als HM Fort Roughs diente sie dann der Royal Navy.

Nach Kriegsende verlor diese Art der Verteidigung ihre Bedeutung. Daher zog das Militär, ebenso wie auch von den anderen Festungen, 1956 die Besatzung von Roughs Tower vollständig ab und überließ die Station sich selbst.

Gründung

Mitte der 60er Jahre erkannten die Betreiber einiger englischer Piratensender eine Gelegenheit, das damals geltende Rundfunkmonopol der staatlichen BBC zu umgehen, indem sie ihre Sender auf die verwaisten Festungen verlegten. Diese lagen teilweise außerhalb der britischen Hoheitsgewässer – damals drei nautische Meilen von der Küste – in internationalen Gewässern. Paddy Roy Bates, bereits wegen Betriebs des Piratentensenders Britain's Better Music Station (BBMS) und damit wegen Verstosses gegen das britische Rundfunkgesetz vorbestraft, beabsichtigte es ihnen gleichzutun.

Datei:Sealand prince.jpeg
Roy und Joan Bates

Am 2. September 1967 besetzte er mit Hilfe einiger Gefolgsleute die Plattform Roughs Tower und erklärte sie zum unabhängigen Fürstentum Sealand. Sich selbst und seine Frau, eine ehemalige Miss England, proklamierte er zu uneingeschränkten Herrschern: Fürst Roy und Fürstin Joan von Sealand.

Zuvor hatten auch schon Jack Moore und seine Tochter die Station für ihren Piratensender Radio Caroline auserkoren. Als sie jedoch von der Besetzung durch Bates hörten und kurz darauf einen Versuch unternahmen, mit ein paar Männern auf der Station zu landen, wurde ihr Boot mit Benzinbomben und angeblich auch Gewehrschüssen zum Abdrehen gezwungen.

Im Spätjahr 1968 unternahm schließlich auch die Royal Navy einen Versuch, die Besetzer von Rough Towers wieder loszuwerden. Nachdem der selbsternannte Fürst jedoch mehrere Schüsse in Richtung der Landungsboote abgefeuert hatte, verzichtete die Navy auf eine gewaltsame Einnahme. Nach Ende der dreißigjährigen Geheimhaltungsfrist sind in Großbritannien inzwischen Dokumente bekannt geworden, die zeigen, dass die Pläne zu Rückeroberung der Festung durch den Premierminister zurückgestellt wurden. Man befürchtete, dass dabei Soldaten ihr Leben lassen könnten und scheute die Probleme, auch für das Bild in der Öffentlichkeit, die sich daraus ergeben würden. Stattdesssen erhob man wegen der Schüsse Anklage gegen Paddy Roy Bates vor einem englischen Gericht. Das örtliche Gericht in Chelmsford, Essex, erklärte sich jedoch am 25. November 1968 für nicht zuständig, da sich der Vorfall in internationalen Gewässern, also außerhalb des britischen Territoriums ereignet habe.

In den folgenden 15 Jahren forderten die britischen Behörden die Besetzer von Sealand immer wieder dazu auf, Abgaben, Sozialversicherungsbeiträge, Rundfunkgebühren und anders zu zahlen. Bates verweigerte dies jedoch regelmäßig und berief sich dabei auf die richterliche Entscheidung, dass Sealand kein Teil des Vereinigten Königreichs sei.

Im September 1975 verkündete Fürst Roy eine Verfassung für das Fürstentum.

Putsch

Als sich Fürst Roy im August 1978 für einige Tage in Salzburg aufhielt, erklärte ihn der Deutsche Alexander Achenbach, der zuvor zum Außenminister und Regierungschef auf Lebenszeit ernannt worden war, für abgesetzt. Mit einigen seiner Freunde hielt er kurzzeitig sogar Fürst Roys Sohn Michael in seiner Gewalt. Der gegen den Fürsten erhobene Vorwurf lautete, dieser habe in Salzburg Verhandlungen über den Verkauf des Staatgebietes an ein Wirtschaftskonsortium geführt und damit gegen die Verfassung verstoßen. Bates engagierte daraufhin kurzerhand mehrere gut bewaffnete Männer, eroberte die Festung mit einem Hubschrauber zurück und setzte die Putschisten als Kriegsgefangene auf Roughs Tower fest.

Deutschland und die Niederlande intervenierten sofort bei der britischen Regierung für eine sofortige Freilassung der Gefangenen. Diese verweigerte ihre Unterstützung jedoch mit dem Hinweis, dafür nicht zuständig zu sein und verwies auf die Gerichtsentscheidung von 1968. Roy von Sealand entschied, gemäß der Genfer Konvention die niederländischen Kriegsgefangenen freizulassen. Den Anführer Achenbach jedoch, der außer der deutschen ja auch die sealandische Staatsbürgerschaft besaß, verurteilte der Fürst, eine lebenslangen Gefängnisstrafe auf Roughs Tower abzusitzen. Daher sah sich die Bundesrepublik Deutschland gezwungen, einen Konsularbeamten zu entsenden, um über die Freilassung des deutschen Staatsangehörigen zu verhandeln. Nachdem der Putsch unblutig niedergeschlagen werden konnte, ließ der Fürst Gnade walten und gestattete dem Verurteilten nach einigen Wochen schließlich die Rückkehr nach Deutschland.

Achenbach wirft hingegen dem Fürsten weiterhin Verfassungsbruch vor und betrachtet ihn seit 1978 als gewaltsamen Besatzer von Sealand. In der Bundesrepublik errichtete er daher eine Exilregierung und ernannte den Niederländer Dr. A. Oomen als Syndikus zum neuen Staatsoberhaupt.

Reaktionen

 
Sealand aus der Luft

Ungeachtet der Gerichtsentscheidung von Essex aus dem Jahr 1968 betrachtet Großbritannien Roughs Tower weiterhin als Eigentum des Verteidigungsministeriums. Die Station wird lediglich zur Zeit nicht genutzt.

Bei der dritten internationalen Konferenz zum Seerecht wurden legale Staatsgründungen nach dem Beispiel Sealands für die Zukunft ausgeschlossen. Der nächste benachbarte Staat muss die Verantwortung für künstliche Konstruktionen im Meer übernehmen. Nach der neu verabschiedeten Konvention sind darüber hinaus künftig alle nicht mehr benötigten Konstruktionen unmittelbar nach Außergebrauchstellung zu entfernen.

Großbritannien hat in Übereinstimmung mit der Konvention der Vereinten Nationen über das Seerecht von 1982 sein Territorium auf eine Zwölfmeilenzone rund um die Küste ausgedehnt. Damit befindet sich die Station nunmehr doch innerhalb britischer Hoheitsgewässer. Allerdings hat auch Sealand rechtzeitig seinen eigenen Anspruch auf eine Zwölfmeilenzone erhoben.

Sealand-Pässe waren mehrfach in Kriminalfälle verwickelt, wie z. B. bei dem Mord an Gianni Versace. Die Regierung von Fürst Roy und die Exilregierung in Deutschland werfen sich gegenseitig vor, Pässe zu fälschen und im großen Stil zu verkaufen.

Aktuelle Ereignisse

Im Jahre 2003 übergab der Fürst Roy von Sealand seinem Sohn, dem Prinzen Michael von Sealand, die Regierungsgewalt als Staatsoberhaupt.

Am 23. Juni 2006 brach ein Feuer auf Sealand aus, das offenbar von einem Generatordefekt verursacht wurde. Von einem Fischer alarmierte britische Feuerwehreinheiten löschten den Brand und brachten einen Sicherheitsmann in ein Hospital in Ipswich. Kurz danach startete die Regierung auf der Sealand-Homepage eine Spendenaktion für den Wiederaufbau Sealands.

Nach ersten Aufräumarbeiten begann nun das englische Unternehmen Church and East, Ltd. im Auftrag der Regierung mit den Wiederaufbau, der eine von offizieller Seite geschätzte Summe in Höhe von bis zu einer Million Dollar in Anspruch nehmen könnte.

Politik

Fürst Roy führte 1995 eine neue Verfassung mit Präambel und sieben Artikeln ein. Diese soll nocheinmal die Unabhängigkeit des Staates bestätigen. Sie schreibt als Staatsform die konstitutionelle Monarchie fest, regelt die Thronfolge und verbietet Waffen; natürlich mit Ausnahme des Fürsten und der Sealand-Wache.

Ansonsten führt sie legislative und judikative Strukturen ein: Danach besteht die Regierung neben dem Souverän und Staatsoberhaupt aus dem Senat, dem Generalstaatsanwalt, der Sealand-Wache und dem Büro des Staatsoberhauptes. Dieses besteht aus den drei Abteilungen Innere Angelegenheiten, Externe Angelegenheiten sowie Post, Telekommunikation und Technologie.

Der Generalstaatsanwalt als Judikative kann angesichts entsprechender Umstände ein Tribunal einberufen. Die letzte Entscheidung verbleibt aber beim Staatsoberhaupt.

Wirtschaft

Roys Sohn Michael wurde Teilhaber von Ryan Lackey, dem Gründer der Firma HavenCo. Diese nutzt Sealand als elektronischen Datenhafen und bietet sicheres Datenhosting auf Sealand an. Ryan Lackey ist aufgrund von Unstimmigkeiten im Unternehmen inzwischen ausgetreten und hat Presseberichten zufolge bekanntgegeben, die Firma würde aufgrund technischer Probleme und zu wenig Kunden nicht mehr lange überleben.

Recht

Datei:Seeland micronation summit1.jpg
Gesandtschaft des Fürstentums von Sealand beim Kunsthappening Gipfeltreffen der Mikronationen in Helsinki, 2003

Roy von Sealand erklärte die Souveränität als einseitige Unabhängigkeitserklärung und beauftragte später die Sealand State Corporation mit der Entwicklung des Landes.

Der Anspruch Sealands, de facto und de jure als eigener Staat anerkannt zu werden, wurde wiederholt von Rechtswissenschaftlern analysiert und von allen Staats- und Völkerrechtlern verneint. Ein Ergebnis ist, dass für die Anerkennung als Staat die Bedingungen der Konvention von Montevideo erfüllt sein müssen: ein zumindest in Grundzügen definiertes Staatsgebiet, dauerhafte Bevölkerung, eine eigene Regierung (Staatsmacht) und die Möglichkeit, in Beziehungen mit anderen Staaten einzutreten. Darüber hinaus darf die Gründung nicht gegen völkerrechtliche Prinzipien verstoßen. Von Sealand wird behauptet, dass diese Kriterien für die Plattform erfüllt werden, wenngleich die permanente Bevölkerung sehr klein sei. Nach übereinstimmender Meinung der Völkerrechtler fehlt es aber sowohl an einem Staatsgebiet, da die Plattform kein natürlicher, sondern ein künstlich geschaffener Teil der Erdoberfläche ist, als auch an einem Staatsvolk, dessen Mitglieder eine „Schicksalsgemeinschaft“ bilden und eine dauerhafte und in der Regel ausschließliche Verbundenheit zu ihrem Staat haben. Die Anerkennung durch andere Staaten habe dagegen nach einer (Minder-)Meinung von Völkerrechtlern auf die Staatsqualität keinen Einfluss (umstritten).

Sealand ist daher nach dem Völkerrecht kein eigener Staat. Pässe, Titel und amtliche Dokumente von Sealand werden nirgendwo anerkannt. Ihr Handel und Gebrauch in betrügerischer Absicht ist in Deutschland nach §§ 132a, 263 StGB strafbar. Die von Sealand verkauften Banknoten sind wertlos.

1976 wollte Achenbach feststellen lassen, dass er durch die Verleihung der Staatsangehörigkeit Sealands die deutsche Staatsangehörigkeit verloren habe. Die zuständige Behörde teilte ihm mit, dass er weiterhin deutscher Staatsangehöriger sei, da Sealand kein Staat sei und er daher keine ausländische Staatsangehörigkeit angenommen habe. Seine Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln hatte keinen Erfolg. Das Gericht stellte fest, dass Sealand weder ein Staatsgebiet noch ein Staatsvolk habe (Urteil vom 3. Mai 1978, Az.: 9 K 2565/77; abgedruckt in DVBl. 1978, S. 510 ff).

Exilregierung

Auf den Web-Seiten der selbsternannten Exilregierung werden zurzeit als Regierung von Sealand außer dem Syndikus Dr. A. Oomen noch Johannes W. F. Seiger – als Premierminister (Ministerpräsident) und Staatsratsvorsitzender – sowie Josef Baier als Außenminister genannt. Außerdem werden auf den Seiten nationalsozialistische Inhalte vermittelt. Unter anderem wird dort behauptet, dass die USA vom Judentum unterwandert seien und es als erwiesen gelte, dass „nur“ eine halbe Million Menschen durch den Holocaust getötet wurden.

Die „Exilregierung“ und die „Kommissarische Reichsregierung“ erkennen sich gegenseitig als Staaten an. Diese „Reichsregierung“ wird von Wolfgang Ebel „geleitet“ und ist eine unter mehreren dieser Art. Alle diese „Reichsregierungen“ erkennen wiederum die Bundesrepublik Deutschland nicht an, mit der Begründung, das Deutsche Reich sei nicht untergegangen. Bemerkenswert dabei ist, dass auf Seiger die Internetadressen der „Exilregierung“ registriert sind, jedoch auch die des „Reichspräsidenten“ der Ebelschen Reichsregierung. (Stand: 10. Dezember 2004)

Post

Sealand-Briefmarken werden zumindest zur Korrespondenz des Regierungsbüros genutzt und auf Sealand gestempelt. Von der königlich britischen Post werden sie nochmals entwertet. Bates gibt als postalische Adresse Sealands ein Postfach in der nächstliegenden englischen Ortschaft an: Principality of Sealand, c/o Sealand Postmaster, Box 3, Felixstowe, Suffolk IP11 9SZ, UK.

Die Adresse der Exilregierung in Deutschland lautet: Fürstentum Sealand, SEALAND HOUSE, Postfach 1128, 14956 Trebbin-Löwendorf

Sealand in der Literatur

Sealand kommt in einem Handlungsstrang des Romans Polyplay von Marcus Hammerschmitt in seiner Eigenschaft als Hosting-Plattform für streng geheime und/oder rechtlich bedenkliche Internet-Inhalte vor.

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