Ehenichtigkeit (Kirchenrecht)
Die Eheannullierung ist ein Vorgang des katholischen Kirchen-, speziell des Sakramentenrechts. Die kirchliche Rechtsprechung untersteht der Glaubenskongregation, bis 1908 Inquisition genannt. Die Eheungültigkeitserklärung ist die kirchenrechtswirksame Feststellung, dass eine katholische Ehe durch das Fehlen eines ihrer konstitutiven Wesensmerkmale von Anfang an ungültig war.
Diese Feststellung wird auf Antrag eines oder beider Ehepartner durch das diözesane Kirchengericht, das Offizialat, mittels Befragung der Beteiligten und ggfs. weiterer Zeugen vorbereitet und dann mit bischöflicher Autorität ausgesprochen. Das Verfahren ist geheim und weicht deutlich von den staatlichen Rechtsverfahren ab.
Das Verfahren besteht aus einer Kirchengerichtsakte, der die Stellungnahmen der Kläger, Richter, der Zeugen, der Gutachter und die des Beklagten beigefügt werden. Einen Verhandlungstermin, an dem Kläger Beklagte, Richter, Zeugen, Gutachter zusammentreffen, gibt es in der Regel nicht.
Der mit dem Verfahren überzogene Beklagte steht oft unkundig da bei der Eröffnung eines Kirchenprozesses; seine Kenntnisse von stattlichen Rechtsprozessen kann er hier nicht anwenden. Insbesondere kann er Akten nur zu bestimmten Phasen des Prozesses einsehen, er kann z. B. selbst keine Fragen oder Rückfragen an die Zeugen stellen. Er hat in der Regel kein Antragsrecht.
Er wird diesem Verfahren ausgesetzt, ohne daß er die Rechtspraxis und Methoden kennt. Selbst in finanzieller Notlage wird ihm keine Unterstützung durch einen Kirchenanwalt gewährt. Die Anwaltswahl ist eingeschränkt auf ein oder zwei vom Kirchengericht genannte Personen in jeder Diözese.
Die Zeugen werden persönlich und einzeln, ohne Beisein von anderen durch den verhandlungsführenden Richter - auch in Ihren Privaträumen - befragt. Auf die Auswahl der Fragestellungen und Nachfragen hat der Beklagte keinen Einfluß. Als Zeugen treten in der Regel die nahen Verwandten des Klägers auf, denen das Kirchenrecht große Kenntnis der Vorgänge unterstellt.
Das katholische Kirchenrecht kennt keine Annullierung oder Scheidung einer Ehe. Sondern trifft im Klagefall die Feststellung, daß mindestens ein Ehebeteiligter die Ehe schloss, ohne die Absicht zu haben, sie im katholischen Sinn zu führen. Dabei wird in der Regel die Täuschung durch einen Ehepartner festgestellt. Das führt zur Unrechtmäßigkeit der kirchlichen Ehe nach katholischem Eherecht.
Sie hat zur Folge, dass die Beteiligten nach der staatlichen Scheidung frei sind, eine neue, kirchlich gültige Ehe einzugehen. Bis dahin geborene Kinder bleiben, auch nach Fetstellung einer nicht gültig geschlossenen Ehe aus kirchenrechtlicher Sicht ehelich.
Die Wesensmerkmale der kirchlichen Ehe sind verletzt und die Ehe daher ungültig, wenn
- einer der Partner sich schon bei der Eheschließung außereheliche Beziehungen vorbehielt
- einer der Partner schon bei der Eheschließung zum Geschlechtsakt körperlich oder psychisch unfähig war
- einer der Partner die Zeugung von Kindern von Anfang an und dauernd ausschloss
- die Ehe durch äußeren Zwang zustande kam
- das Bestehen der Ehe an eine heimliche Bedingung geknüpft war, z.B. einen Erbfall
- die Ehe nicht nach der kirchlich vorgeschriebenen Form oder mit bischöflicher Dispens von der Formpflicht geschlossen wurde (sofern einer der Partner katholisch und zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht aus der Kirche ausgetreten war).
Eine "Geschichte der Eheannullierungen" ist bis heute nicht geschrieben, obwohl im ganzen Mittelalter die fürstlichen Privat- und Staatsverhältnisse durch Eheschließungen und Ehescheidungen geregelt wurden. Dort galten die heute dargestellten Kriterien zur Eheannullierung nie, sondern es wurde mit kirchlicher Rechtsprechung katholische Machtpolitik betrieben.
siehe auch
- Ehehindernis (Kirchenrecht)
- Ehebandverteidiger (Kirchenrecht)
- Formmangel (Kirchenrecht)
- Impotentia coeundi (Definition und Kirchenrecht)
- Offizial (Kirchenrecht)
- Römische Rota (Kirchenrecht)
- Eherecht (staatliches Recht)
- Nichtigerklärung (Ehe) (staatliches Recht)