Joachim Ringelnatz

deutscher Schriftsteller, Kabarettist und Maler (1883–1934)
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 22. September 2006 um 01:09 Uhr durch 217.86.103.253 (Diskussion) (Leben und Werk). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Joachim Ringelnatz (* 7. August 1883 in Wurzen bei Leipzig; † 17. November 1934 in Berlin; eigentlich Hans Bötticher) war ein Schriftsteller und Maler und gilt als einer der bekanntesten deutschen Lyriker des 20. Jahrhunderts.

Leben und Werk

Ringelnatz ist vor allem durch zahlreiche humoristische Gedichte (bzw. komische Lyrik) bekannt geworden, unter anderen um den tragischen Helden Kuttel Daddeldu, einem Seemann mit großem Herzen, der regelmäßig im Hafen Schiffbruch erleidet. Der spätere Dichter fuhr in jungen Jahren als Schiffsjunge und Matrose selbst zur See. Danach absolvierte er in Hamburg eine kaufmännische Lehre, arbeitete als Hausmeister in einer Pension in England, war Lehrling in einer Dachpappenfabrik, Angestellter in einem Münchner Reisebüro.

1908 trug er in dem Schwabinger Künstlerlokal »Simplicissimus« erstmals eigene Verse vor und wurde zum »Hausdichter« der Wirtin Kathi Kobus. In der Nähe eröffnete er ein Zigarrengeschäft, das er wegen des ausbleibenden geschäftlichen Erfolgs nach neun Monaten aber wieder schließen musste. Von den im Künstlerlokal verkehrenden Schwabinger Prominenten (unter ihnen Frank Wedekind) wurde er zu eigenen Veröffentlichungen angeregt, die aber alle nur kleine Auflagen erreichten. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich als Bibliothekar bei der gräflichen Familie Yorck von Wartenburg in Schlesien und im Elternhaus des Balladendichters Börries von Münchhausen in Hannover sowie als Fremdenführer auf einer Burg.

Den Ersten Weltkrieg machte er als Kriegsfreiwilliger zuerst als Maat und zuletzt als Leutnant und Kommandant eines Minensuchbootes mit. Das Pseudonym Joachim Ringelnatz gab sich der Künstler selbst vermutlich nach dem seemännischen Ausdruck "Ringelnass" für das glückbringende Seepferdchen, möglicherweise aber geht es jedoch auf seine Zeit 1918 als Leutnant bei der Batterie Seeheim zurück, wo er Ringelnattern fing (dargestellt im 14. Kapitel seines autobiographischen Romans "Als Mariner im Krieg").

 
Joachim Ringelnatz: Hafenkneipe, 1933

Große Popularität erlangte Ringelnatz durch unkonventionelle und spielerische Lyrik. Die Mischung aus Seemannsgarn, Moritaten, Nichtsnutz-Erkenntnissen, bitterer Zeitkritik und sanfter Verzweiflung traf das Lebensgefühl der 1.-Weltkriegs-Generation. Ringelnatz' tiefer Ernst wurde über die spaßigen Dichtungen jedoch vielfach nicht wahrgenommen.

Seinen Durchbruch als Dichter und Vortragskünstler erreichte er 1920 mit seinem Gedichtbändchen "Turngedichte", das bei dem Verlag Alfred Richard Meyer oder Munkepunke erschien. An diesen großen Erfolg knüpfte er 1923 mit dem Gedichtband Kuttel Daddeldu an. Im Februar 1932 zog er nach Berlin-Westend. Seine damalige Stammkneipe, die "Westend-Klause" am Steubenplatz, kann heute noch bewundert werden. Ringelnatz erhielt im Februar 1933 Auftrittsverbot, seine Veröffentlichungen wurden beschlagnahmt und seine Gemälde aus der Berliner Nationalgalerie als "entartete Kunst" entfernt. Schwer erkrankt, konnte er seine Heilbehandlung nicht mehr finanzieren und verstarb im November 1934 in seiner Wohnung in Berlin Am Sachsenplatz (heute Brixplatz).

Ringelnatz' Frau, Leonharda Pieper, gab seinen Nachlass mit heraus. Sein Kosename für sie war Muschelkalk. Er hat ihr auch etliche Gedichte gewidmet, so diese Zeilen aus dem Gedicht Ansprache eines Fremden an eine Geschminkte vor dem Wilberforcemonument: "Mein richtiges Herz. Das ist anderwärts, irgendwo/ Im Muschelkalk."

Nach dem Dichter ist der Cuxhavener Joachim-Ringelnatz-Preis für Lyrik benannt.

Werke

  • 1910 Gedichte
  • 1911 Was ein Schiffsjungen-Tagebuch erzählt
  • 1912 Die Schnupftabakdose. Stumpfsinn in Versen und Bildern von Hans Bötticher und Richard Seewald
  • 1913 (digitale Rekonstruktion: Ein jeder lebt's : Novellen UB Bielefeld)
  • 1920/1923 Joachim Ringelnatzens Turngedichte
  • 1920 Kuttel Daddeldu oder das schlüpfrige Leid
  • 1921 Die gebatikte Schusterpastete
  • 1922 Die Woge. Marine-Kriegsgeschichten
  • 1923 Kuttel Daddeldu (digitale Rekonstruktion: Kuttel Daddeldu. Neue Gedichte der erweiterten Ausgabe, digitale Rekonstruktion einer Ausgabe von 1924/ UB Bielefeld)
  • 1924 ...liner Roma... Mit 10 Bildern von ihm selbst
  • 1924 Nervosipopel. Elf Angelegenheiten
  • 1927 Reisebriefe eines Artisten
  • 1928 Allerdings (digitale Rekonstruktion: UB Bielefeld)
  • 1928 Als Mariner im Krieg (unter dem Pseudonym Gustav Hester)
  • 1928 Matrosen. Erinnerungen, ein Skizzenbuch, handelt von Wasser und blauem Tuch
  • 1929 Flugzeuggedanken
  • 1931 Mein Leben bis zum Kriege (Autobiographie)
  • 1931 Kinder-Verwirrbuch mit vielen Bildern
  • 1932 Die Flasche und mit ihr auf Reisen
  • 1932 Gedichte dreier Jahre (digitale Rekonstruktion: UB Bielefeld)
  • 1933 103 Gedichte (digitale Rekonstruktion: UB Bielefeld)
  • 1934 Gedichte, Gedichte von einstmals und heute
  • 1935 Der Nachlaß
  • 1939 Kasperle-Verse

Literatur

  • Helga Bemmann: Joachim Ringelnatz: Leben und Werk des Dichters, Malers und Artisten. Propyläen-Verlag, 1996. ISBN 3-549-05596-X
  • Herbert Günther: Joachim Ringlnatz. 8. Auflage. Rowohlt-Verlag, 2001. ISBN 3-499-50096-5
Wikisource: Joachim Ringelnatz – Quellen und Volltexte
Commons: Joachim Ringelnatz – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien