Wolf Biermann

deutscher Liedermacher und Lyriker
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Wolf Biermann (* 15. November 1936 in Hamburg) ist ein deutscher Liedermacher.

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Wolf Biermann

Jugend in Hamburg und Übersiedlung in die DDR

Biermanns Vater, ein Hamburger Werftarbeiter, der im kommunistischen Widerstand organisiert war, wurde 1943 im KZ Auschwitz ermordet. Er hatte Schiffe der Kriegsmarine sabotiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat Wolf Biermann den Jungen Pionieren bei und vertrat 1950 die Bundesrepublik Deutschland beim 1. Deutschlandtreffen der FDJ in der DDR. Wolf Biermann war eines der wenigen Arbeiterkinder, die das Heinrich-Hertz-Gymnasium in Hamburg besuchten.

Nach seinem Schulabschluss 1953 siedelte er als Siebzehnjähriger auf Veranlassung von Margot Honecker, die ihn aus gemeinsamen Kindertagen kannte, in die DDR über. Bis 1955 lebte er in einem der POS angeschlossenen Internat in Gadebusch bei Schwerin, dann begann er ein Studium der politischen Ökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zwischen 1957 und 1959 war er als Regieassistent am Berliner Ensemble tätig. Bis 1963 studierte er Philosophie und Mathematik an der Humboldt-Universität.

1960 lernte Biermann Hanns Eisler kennen, der ihn maßgeblich prägte. Biermann begann, Gedichte und Lieder zu schreiben. 1961 gründete er das Ost-Berliner "Arbeiter- und Studententheater" (b.a.t.). Seine Inszenierung des Stückes "Berliner Brautgang", das vom Mauerbau handelt, wurde verboten, und noch vor der Premiere 1963 musste das Theater geschlossen werden. Über Biermann wurde ein befristetes Auftrittsverbot verhängt, das ein halbes Jahr währte. Seinen ersten Gastspielauftritt in der Bundesrepublik hatte Biermann 1964. 1965 erschien seine erste LP und der Lyrikband Die Drahtharfe (Verlag Klaus Wagenbach) in der Bundesrepublik, im Dezember wurde er im Osten mit einem totalen Auftritts- und Publikationsverbot belegt. Weitere Veröffentlichungen in der Bundesrepublik folgten, die unter der Hand auch in der DDR verbreitet wurden. Im September 1976 konnte Biermann in Prenzlau in einer Kirche seit langem auch in der DDR wieder auftreten.

Ausbürgerung aus der DDR

1976 beschloss das Politbüro der SED, Wolf Biermann entweder zu einer Ausreise nach Westdeutschland zu bewegen oder aber gegen seinen Willen auszubürgern. Zu Beginn jenes Jahres hatte er gegenüber dem Journalisten Reginald Rudorf selbst die Möglichkeit in Erwägung gezogen, in die Bundesrepublik überzusiedeln, um von dort aus für die Menschen in der DDR aktiv zu werden. Nachzulesen in der April-Nummer 1976 der Zeitschrift pardon. Als Vorwand diente schließlich ein Konzertauftritt Biermanns am 13. November 1976 in Köln bei einer Veranstaltung der IG Metall, in dem er die DDR kritisierte. Biermann wurde ausgebürgert und durfte nicht mehr in die DDR zurückkehren. Zur Begründung zitierten DDR-Medien eine DKP-Stellungnahme. Die Ausbürgerung Biermanns war ein einschneidendes und prägendes Erlebnis für die Dissidenten-Szene der DDR. Gab es nach dem Machtantritt Erich Honeckers 1971 Hoffnung auf eine (leichte) gesellschaftliche Liberalisierung und (etwas) Meinungsfreiheit, wurden diese Hoffnungen durch das repressive Vorgehen 1976 wieder zerstört. Nicht wenige Dissidenten änderten ihre Haltung zur DDR nach der Ausbürgerung Biermanns von einer solidarischen Kritik hin zu radikaler Distanz zur DDR. Viele, auch sehr berühmte Personen in Ost und West, protestierten gegen Biermanns Ausbürgerung. Das gab jedoch der DDR-Führung nur wieder einen neuen Anlass für weitere Schikanen (die Unterschriftenlisten hatten sie ja jetzt in der Hand), was weitere Künstler aus der DDR vertrieb. 1977 kamen so auch Biermanns frühere Gefährtin, die bekannte ostdeutsche Schauspielerin Eva-Maria Hagen, und ihre Tochter aus früherer Ehe Catherina (besser bekannt als Nina Hagen) in die Bundesrepublik Deutschland. Gerulf Pannach und Christian Kunert von der verbotenen Band Renft und der Schriftsteller Jürgen Fuchs wurden vom MfS noch im November 1976 verhaftet und nach 9 Monaten Haft und unter Androhung von langen Haftstrafen zur Ausreise gezwungen, ebenso die Schauspielerin Katharina Thalbach. Zahlreiche Proteste gab es auch im Westen, sogar in den Reihen SED-naher Kommunisten. In der DKP-Hochburg Marburg unterzeichneten mehrere Dutzend DKP-Mitglieder die Protesterklärung von Gernot Brehm, Markus Fußer, Hagen Kühn, Wolfgang Niclas, Helmuth Schütte, Günter Platzdasch, Andreas Rommelspacher u.a., die auch auf dem ersten Cover der Biermann-LP des Kölner Konzerts abgedruckt wurde.

Im Westen setzte Biermann seine Karriere fort. In seinen Liedern kritisiert er immer wieder die DDR und brach nach eigenem Eingeständnis mit seiner sozialistischen Überzeugung, obwohl er vorher stets dafür eingetreten war, wirklichen Sozialismus oder Kommunismus anstelle von Stalinismus aufzubauen. Für einen Besuch bei dem todkranken Robert Havemann erhielt Biermann im April 1982 unter Auflagen eine einmalige Genehmigung zur Einreise in die DDR.

1989 wurde Wolf Biermann mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg vor der Höhe und 1991 mit dem Mörike-Preis und dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet. 1993 zeichnete ihn die Stadt Düsseldorf mit dem Heinrich-Heine-Preis aus. Am 17. Mai 1998 erhielt er den Deutschen Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung und 2006 den Joachim-Ringelnatz-Preis für Lyrik.

2006 trennte sich Biermann nach über dreissigjähriger Zusammenarbeit von seinem Verlag Kiepenheuer & Witsch, um zu Hoffmann und Campe zu wechseln. Ausschlaggebend sei das Buch Lichtjahre - Eine kurze Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis heute von Volker Weidermann. Biermann sah sich auf der drei Seiten langen Passage über ihn nicht angemessen dargestellt.

Unklarheiten in Hinblick auf das Überraschende seiner Ausweisung aus der DDR brachte ein Artikel des Nachrichtenmagazines "Der SPiegel" (Nr. 32 vom 05.08.2002, Seite 135) in dem es heißt, auf der Ausstellung "Klopfzeichen" in Leipzig sei ein zersägter Schreibtisch von Biermann zu sehen. Wörtlich heißt es in dem Artikel: "Als der Liedermacher Wolf Biermann 1976 von der DDR ausgebürgert wurde, zersägte er seinen Arbeitstisch. Eine Hälfte ließ er im Osten, die andere Hälfte nahm er mit gen Westen. Nun fügt sich in Leipzig wieder zusammen, was einst auseinandergerissen wurde..."

Diskographie

  • Wolf Biermann zu Gast bei Wolfgang Neuss, 1965
  • Chausseestraße 131, 1968
  • Warte nicht auf beßre Zeiten, 1973
  • aah - ja!, 1974
  • Liebeslieder, 1975
  • Es gibt ein Leben vor dem Tod, 1976
  • Der Friedensclown, 1977
  • Das geht sein' sozialistischen Gang, 1977 (Doppel-CD mit Livekonzert vom 13. November 1976)
  • Trotz alledem!', 1978
  • Hälfte des Lebens, 1979
  • Eins in die Fresse, mein Herzblatt, 1980 (Live-Doppel-CD)
  • Wir müssen vor Hoffnung verrückt sein, 1982
  • Im Hamburger Federbett, 1983
  • Die Welt ist schön...*, 1985
  • Seelengeld, 1986 (Doppel-CD)
  • VEBiermann, 1988
  • Gut Kirschenessen * DDR - ca ira!, 1989
  • Nur wer sich ändert, 1991
  • Süsses Leben - Saures Leben, 1996
  • Brecht, Deine Nachgeborenen, 1999 (Live-Doppel-CD)
  • Paradies uff Erden - Ein Berliner Bilderbogen, 1999
  • Großer Gesang vom ausgerotteten jüdischen Volk, Lesung von Yitzak Katzenelson 2004 (Live-Doppel-CD)
  • Das ist die feinste Liebeskunst - Shakespeare-Sonette, 2005
  • Hänschen - klein ging allein..., 2005, Sonder-CD/Live-Mittschnitt eines Konzertes vom 05. Dezember 2004, im Verein Erkenntnis durch Erinnerung e. V. (Freier Träger der Gedenkstätte Bautzner Straße Dresden) bzw. der Stiftung Sächsische Gedenkstätten (nicht im Handel erhältlich)

(alle CDs ausschließlich erhältlich im Zweitausendeins-Versand)

Zitate

„Jetzt bin ich vom Regen in die Jauche gekommen.“ (Wolf Biermann kurz nach seiner Ausbürgerung aus der DDR)

„DDR-Bürgerrechtler waren es, solche wie Reinhard Schult, Bärbel Bohley, Katja Havemann, Angelika Barbe, und Hans Schwenke und Ingrid Koeppe, die 1990 mit einem Hungerstreik in einem von uns besetzt gehaltenen Bürobunker in der Magdalenenstraße den Plan einer totalen Vernichtung der Akten des MfS vereitelten. Auch diesen Oppositionellen verdankt es sich, daß es überhaupt eine Behörde geben kann, die Täter- und Opfer-Akten ordnet, auswertet, analysiert und den Betroffenen zur Einsicht bereitstellt. Aber inzwischen spielen solche Menschen kaum noch eine Rolle im Kader der Gauckbehörde.

Mir graut bei dem Gedanken, daß Mielkes Mannen immer noch an belastendes Material rankommen könnten, an Beweismaterial, das solche Karrierekünstler und davongekommenen Täter wie Stolpe und Gysi, wie Schalck-Golodkowski und Markus Wolf lieber manipuliert, gesäubert oder ganz vernichtet haben wollen.“[1]

Quellen

  1. Wolf Biermann in seiner Rede zur Verleihung des Nationalpreises am 17. Mai 1998 in Berlin. Berliner Zeitung vom 23. Mai 1998, S. M1