Crooner

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Der Begriff Crooner bezeichnet einen (männlichen) Vokalisten, der einen Gesangsstil pflegt, wie er ursprünglich in den 1920er Jahren von Sängern der populären Musik, zuerst in den USA, entwickelt wurde.

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Rudy Vallee


Ursprüngliche Bedeutung

Das englische Verb to croon impliziert eine „säuselnde“, „schmachtende“ Vortragsweise. Im Gegensatz zum heutigen Verständnis des Wortes verband man mit dieser Implikation in den Roaring Twenties unbedingt eine Tenorstimme. Das liegt daran, dass der damalige Inbegriff der „romantischen“, „gefühlvollen“ männlichen Gesangsstimme von Enrico Caruso verkörpert wurde.

Technische Voraussetzungen

Eine unabdingbare Voraussetzung für den crooning-Stil ist die Möglichkeit der elektrischen Verstärkung der menschlichen Stimme. Zwar war das Kohlemikrofon schon seit Ende des 19. Jahrhunderts in seiner technischen Entwicklung begriffen (beteiligt waren daran unter anderen David Edward Hughes, Emile Berliner, Thomas Alva Edison und Georg Neumann), doch fand es seinen festen Platz in der populären Musik erst nach dem Ersten Weltkrieg. Nur durch diese damals sehr moderne Technik konnten Sänger mit vergleichsweise wenig ausgebildeter Stimme oder geringer Projektion ihre sotto voce vorgetragenen Songs in großen Sälen überhaupt hörbar machen.

Der frühe Crooning-Stil

 
Bing Crosby

Das crooning der 1920er Jahre fand seine unbestrittenen Stars in der Troika von Al Jolson, Rudy Vallee und Bing Crosby. Gerade bei Letzterem sollte der heutige Hörer bedenken, dass Crosbys Stil der damaligen Zeit so gut wie nichts mit der Klanglichkeit seiner späteren Karriere zu tun hat. Dass der Sänger von „White Christmas“ dieselbe Person sein sollte wie derjenige, der Songs der Tin Pan Alley in ihren ursprünglichen, für moderne Ohren sehr sentimentalen Versionen popularisierte, ist schwer nachvollziehbar.

Jolson, Vallee und Crosby dominierten die Popmusik im weißen Amerika des Jazz Age so vollständig, dass über dieses Phänomen sogar parodistische Songs geschrieben wurden. Dass diese Musik nur im oberflächlichsten Sinne Jazz-Elemente enthielt, war dem breiten Publikum kaum bewusst– bekanntlich verkörperte Jolson 1927 im ersten bedeutenderen Tonfilm einen Jazz Singer, obgleich seine stilistische Heimat eindeutig im Musical- und Vaudeville-Bereich lag.

Auch in Europa fand der Stil seine Nachahmer. Im Deutschland der Zwischenkriegszeit übernahmen die meisten populären Schlagersänger zumindest in Ansätzen diese Ästhetik; heute noch bekannte Exponenten sind etwa Harry Frommermann von den Comedian Harmonists oder Willy Fritsch. In der Gegenwart verkörpert Max Raabe mit großem Erfolg diesen Typus des Crooners.

Die falsetto craze der 1930er Jahre

Aufgrund des kommerziellen Erfolgs dieses Stils beim weißen Publikum übernahmen auch schwarze Musiker, die dem Jazz wesentlich enger verbunden waren, das crooning, was man sogar in einigen Aufnahmen von Louis Armstrong aus dieser Zeit hören kann (z.B. im Vokal-Chorus des durch sein Trompetensolo berühmten West End Blues). Schwarze Sänger waren es auch, die die „Tenorlastigkeit“ des Stils noch übersteigerten und dadurch in den frühen 1930er Jahren eine kurzfristige Mode der Falsett-Stimmen auslösten. In der Big Band von Jimmie Lunceford übernahm z.B der Saxophonist Dan Grissom diese Gesangsparts; auch in Andy Kirks Twelve Clouds Of Joy gab es zahlreiche Vokal-Arrangements in dieser Machart. Inwieweit solchen Interpretationen eine parodistische Motivation zugrundeliegt– was man beim Hören der Aufnahmen mit einigen Jahrzehnten Abstand durchaus vermuten könnte– ist kaum mehr nachprüfbar.

Stilwandel durch Frank Sinatra

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Der junge Frank Sinatra

Das crooning im modernen Sinne ist untrennbar verbunden mit dem Namen Frank Sinatras. Er wurde 1940 der boy singer des Tommy Dorsey-Orchesters und revolutionierte mit seiner Bariton-Stimme die Ästhetik des männlichen Gesangs in der Popularmusik. Sinatras neues crooning wirkte auch dadurch so aufreizend auf sein junges weißes Publikum, weil er in relativ starkem Maße jazzmäßig phrasierte und artikulierte. In der Folge passte sogar Bing Crosby, der ursprünglich Sinatras Idol gewesen war, seinen Gesang an das neue Stimmideal an.

Im Lauf der vierziger und fünfziger Jahre verfeinerte Sinatra seinen Stil zu dem Konglomerat jazziger roots und gewisser Zugeständnisse an den jeweiligen Zeitgeschmack, mit dem er weltberühmt wurde. Erst mit dem Aufkommen des Rock'n'Roll relativierte sich Sinatras Dominanz unter den männlichen Sängern; dennoch blieb der von ihm geprägte Sound bis heute eine wichtige Inspiration für viele populäre Sänger, darunter z.B. Dean Martin, Sammy Davis Jr., Tony Bennett und Bobby Darin.

In einem gewissen Ausmaß wirkte Sinatras Erfolg auch wieder zurück in den engeren Bereich des Jazz, wo Sänger wie Billy Eckstine oder Johnny Hartman Elemente der Stilistik ihres weißen Kollegen übernahmen. Der Saxophonist Lester Young bezeichnete Sinatra in den späteren Jahren seiner Karriere als seinen wichtigsten künstlerischen Einfluß, von Miles Davis sind ähnliche Aussagen überliefert.

Hieran mag wiederum bemerkenswert sein, dass Young von Marvin Gaye als entscheidende Inspiration genannt wird, als er seinem Soul-Gesang eine stark vom crooning geprägte Färbung zu geben begann (Klappentext zu What's Going On, 1970/71).

Elemente des älteren und des modernen crooning finden sich bei etlichen, stilistisch recht verschiedenen Sängern, denen gemeinsam ist, dass sie über eine weniger „volltönende“, technisch etwas unausgebildete Tenorstimme verfügen und sie über dem Umweg über ihr Hauptinstrument zum Gesang kamen: z.B. dem (weißen) Jazz-Trompeter Chet Baker, seinem (schwarzen) Pianistenkollegen Nat „King“ Cole oder dem brasilianischen Gitarristen João Gilberto.

Gegenwärtig (2006) wird der Stil von Künstlern wie Harry Connick, Michael Bublé, Tom Gäbel oder Juliano Rossi gepflegt.Oder Saxophonisten wie HWPDie ganze Welt des Saxophons!