Entwurf zu Abschnitt 3 des Artikels Spannungsabfall
Spannungsabfall an elektrischen Leitungen
In der Energietechnik dienen elektrische Leitungen der Energieübertragung vom einspeisenden Netz zum Netzanschlusspunkt der Verbraucher. In der Regel weichen Eingangsspannung am Netzeinspeisepunkt und Betriebsspannung am Verbraucher voneinander ab. Die Differenz ihrer reellen Effektivwerte wird Spannungsabfall an elektrischen Leitungen[1] genannt, welche energetische Übertragungsverluste bedingt, sodass die am Verbraucher ankommende Leistung geringer ist als die von der Einspeisequelle abgegebene. Damit am Betriebsmittel die für den ordentlichen Betrieb notwendige Leistung ankommt, müssen Spannungsabfälle an den Leitungen somit in Grenzen gehalten werden. Dies wird bei der Leitungsverlegung durch entsprechende Kabel- und Leitungsdimensionierung unter Berücksichtigung der materialabhängigen Leitungsbeläge mithilfe der untenstehenden Näherungsformel erreicht. Für die allgemeine mathematische Behandlung, die auch lange elektrische Leitungen von Hochspannungsnetzen mit einschließt, muss der endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit elekromagnetischer Wellen Rechnung getragen werden und daher auf die allgemeinen Leitungsgleichungen der Leitungstheorie zurückgegriffen werden.
Elektrisch kurze Leitungen
In Niederspannungsnetzen mit elektrisch kurzen Leitungen (z.B. Freileitungen [2] unter 100 km und Erdkabel unter ca. 50 km) können Ableitungsbeläge und Kapazitätsbeläge der Leitungen vernachlässigt werden, sodass sich das in der Abbildung dargestellte vereinfachte Leitungsmodell ergibt.
In der Abbildung bezeichnen und den Wirkwiderstand bzw. den induktiven Blindwiderstand der gesamten Leitung (d.h. der Hin- und Rückleitung), bzw. die reellen Effektivwerte von Einspeise- bzw. Betriebsspannung und die Stromstärke des Betriebsstroms.
Der Spannungsabfall an den Leitungen ist per definitionem gegeben durch
und der Zusammenhang zwischen komplexer Spannungsdifferenz , Leitungsimpedanz und komplexer Betriebsstromstärke gemäß ohmschen Gesetz durch
wobei bzw. die Komponenten der orthogalen Zerlegung von parallel bzw. senkrecht zur Betriebsstromstärke sind.
Anmerkung: Bei ohmsch-induktiven Lasten ist die Einspeisespannung stets größer als die an der Last anliegende Betriebsspannung , d.h. es gilt stets . Bei ohmsch-kapazitiven Verbrauchern kann sich jedoch auch eine Spannungserhöhung, d.h. ein negativer Spannungsabfall ergeben. Beachte ferner, dass Spannungsabfall und Betrag der komplexen Spannungsdifferenz i.Allg. ungleich sind, d.h. . Man kann den Spannungsabfall jedoch aus der komplexen Spannungsdifferenz mithilfe einer weiteren orthogonalen Zerlegung von gewinnen.
Längs- und Querspannungsabfall
Ohne Beschränkung der Allgemeinheit werde der Betriebsspannungszeiger parallel zur reellen Achse gelegt. Definiert man nun und , so erhält man, wie in den Zeigerdiagrammen dargestellt, eine orthogonale Zerlegung von in Komponenten parallel bzw. senkrecht zur Betriebsspannung
- .
Die vorzeichenbehafteten reellen Koeffizienten bzw. heißen Längsspannungs- bzw. Querspannungsabfall. Offenbar gilt hiermit .
Mit erhält man nach Ausmultiplizieren von unter Verwendung der eulerschen Formel den Längsspannungsabfall als Realteil zu [3]
und den Querspannungsabfall als Imaginärteil zu
- .
Längsspannungsabfall als Näherungsgröße
Rotiert man die beiden Zeiger und wie durch die gestrichelten Kreisbögen angedeutet so, dass sie parallel liegen, dann lässt sich der an der Leitung tatsächlich verursachte Spannungsabfall als Abstand ihrer Zeigerspitzen deuten. Den Zeigerbildern ist ferner zu entnehmen, wie gut der Spannungsabfall sowohl bei ohmsch-induktiver als auch bei ohmsch-kapazitiver Last durch den leichter zugänglichen Längsspannungsabfall genähert wird. Anschaulich lasst sich unter Beachtung seines Vorzeichens aus den Längen der waagerechten Katheten der farblich hinterlegten Dreiecke zusammensetzen. Verwendet man noch folgende Beziehungen für die Leitungsbeläge und , so ergibt sich die im folgenden Abschnitt angegebene Näherungsformel, wobei die Symbole unten erklärt werden.
Norm für Niederspannungsnetze
Näherungsformel
Gemäß DIN VDE 0100–520:2012–06 Anhang G kann der Spannungsfall im Bereich von Niederspannungsnetzen in elektrischen Leitungen für praktische Anwendungen in Näherung und unter Vernachlässigung des Querspannungsabfalles nach folgender Formel berechnet werden:
Dabei sind
- … Längsspannungsabfall an der Leitung ( ist Effektivwert)
- … Gerade Länge der Kabel- und Leitungsanlage
- … Koeffizient:
- bei dreiphasigen Drehstromkreisen mit symmetrischer Belastung. ist der Abfall der Spannung zwischen Außen- und Neutralleiter (gleich Außenleiterspannung ).
- bei einphasigen Wechselstromkreisen (Hin- und Rückleitung)
- Anmerkung: Dreiphasige Stromkreise, die vollkommen unsymmetrisch belastet werden (nur ein Außenleiter belastet sowie der Neutralleiter), verhalten sich wie einphasige Stromkreise. Bei der üblicherweise symmetrischen Belastung (alle drei Außenleiter gleich belastet) fließt kein Leiterstrom im Neutralleiter, daher gibt es dort keinen Spannungsfall.
- … Spezifischer elektrischer Widerstand der Leiter im ungestörten Betrieb.
- Dabei wird als spezifischer elektrischer Widerstand der Wert für die im ungestörten Betrieb vorhandene Temperatur genommen oder 1,25-mal der spezifische elektrische Widerstand bei 20 °C, oder 0,0225 Ω·mm2/m für Kupfer und 0,036 Ω·mm2/m für Aluminium.
- … Querschnitt der Leiter
- … Leistungsfaktor; falls nicht bekannt, wird ein Wert von 0,8 angenommen (entsprechend )
- … Belag der Leitung mit Blindwiderstand; falls nicht bekannt, wird ein Wert von 0,08 mΩ/m angenommen
- … Stromstärke im Leiter (Effektivwert)
Der relative Spannungsfall bezogen auf die Netzspannung ergibt sich zu:
- .
Anmerkung: In Kleinspannungsstromkreisen müssen die Grenzwerte für den Spannungsfall nur bei Stromkreisen für Leuchten (nicht z. B. für Klingel, Steuerung, Türöffner) eingehalten werden (vorausgesetzt, dass die ordnungsgemäße Funktion dieser Betriebsmittel überprüft wird).
Grenzwerte
- Nach der Niederspannungsanschlussverordnung[4] § 13 Absatz (4), früher der AVBEltV, darf der Spannungsfall zwischen dem Hausanschlusskasten und dem Stromzähler nicht mehr als 0,5 % betragen.
- Nach TAB 2007 soll der Spannungsfall zwischen dem Hausanschluss und dem Zähler folgende Werte nicht überschreiten:
bis 100 kVA | 0,5 % |
100–250 kVA | 1,0 % |
250–400 kVA | 1,25 % |
über 400 kVA | 1,5 % |
- Nach DIN VDE 0100-520 sollte gemäß Tabelle G.52.1 der Spannungsfall in Verbraucheranlagen zwischen dem Hausanschluss und Verbrauchsmitteln (Steckdosen oder Geräteanschlussklemmen) nicht mehr als 3 % für Beleuchtungsanlagen und 5 % für andere elektrische Verbrauchsmittel betragen.
- Nach DIN 18015 Teil 1 soll der Spannungsfall zwischen dem Zähler und den Steckdosen oder Geräteanschlussklemmen nicht mehr als 3 % betragen.
- Nach IGVW SQP4[5] soll der Spannungsfall in der Veranstaltungstechnik zwischen Übergabepunkt (i. d. R. Steckdose) und am weitesten entfernten Betriebsmittel nicht über 5 % liegen.
Als Grundlage gilt die Netzspannung, die nach DIN IEC 38 für Europa auf 230/400 V festgelegt ist, sowie die Nennstromstärke der Überstromschutzeinrichtungen, beispielsweise 63 A oder 16 A.
- ↑ Internationales Elektrotechnisches Wörterbuch – IEV. IEV-Nummer 614-01-20.
- ↑ A.J. Schwab: Elektroenergiesysteme Erzeugung, Übertragung und Verteilung elektrischer Energie, Springer 2015, ISBN 978-3-662-46856-2
- ↑ A. Böker, A., H. Paerschke, E. Boggasch: Elektrotechnik für Gebäudetechnik und Maschinenbau, 2. Auflage, Springer Vieweg 2019, ISBN 978-3-658-20970-4
- ↑ Text der Niederspannungsanschlussverordnung
- ↑ IGVW - SQP4: Mobile elektrische Anlagen in der Veranstaltungstechnik Website der Interessensgemeinschaft Veranstaltungswirtschaft. Abgerufen am 4. September 2020.