Territoriale Besonderheiten in Südwestdeutschland nach 1810

Beschreibung territorialer Besonderheiten in Südwestdeutschland, die nach 1810 Bestand hatten
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Hier entsteht gerade ein Artikel über ehemalige Exklaven im heutigen Baden-Württemberg.

Das Gebiet des heutigen Landes Baden-Württemberg war im Mittelalter in Hunderte kleiner und kleinster Territorien aufgeteilt. Neben verschiedenen Herzogtümer, Fürstentümern oder Grafschaften unterschiedlicher Größen bestanden noch eine Vielzahl von Reichsstädten, geistlichen Territorien, Besitzungen der Reichsritterschaft u.v.m. Die Zersplitterung wurde noch weiter durch die Tatsache verstärkt, dass viele Herrschaften kein zusammenhängendes Territorium bildeten, allein Vorderösterreich bestand aus Dutzenden verstreut liegenden Gebietsteilen.

Anfang des 19. Jahrhunderts wurden diese Gebiete infolge der napoleonischen Kriege in mehreren Abschnitten zu größeren Herrschaften zusammengefasst, so dass am Ende im fraglichen Gebiet nur noch die Territorien von Württemberg, Baden und Hohenzollern sowie einige hessische Exklaven bestanden.

Die wichtigsten Schritte auf diesem Weg waren:

  • der Reichshauptdeputationsschluß von 1803, durch den die meisten Reichsstädte und geistlichen Gebiete denjenigen Fürsten zugesprochen wurden, die von den französischen Annexionen links des Rheins betroffen waren, wobei diese Maßnahmen in der Mehrzahl bereits 1802 durchgeführt worden waren;[1]
  • der Pressburger Friede von 1805, bei dem die vorderösterreichischen Gebiete auf die Verbündeten Frankreichs aufgeteilt wurden;[2]
  • die Rheinbundakte von 1806, in dem sich 16 süd- und westdeutsche Fürsten unter der Protektion Frankreichs vom Reich lossagten und zugleich ihr Gebiet auf Kosten der übrigen Fürsten vergrößerten;[3]
  • ein Vertrag über Gebietsaustausche zwischen Baden und Württemberg desselben Jahres;[4]
  • die 1810 auf französische Veranlassung zwischen Hessen, Baden, Württemberg und Bayern vereinbarten Verträge über wechselseitige Gebietsabtretungen.[5][6][7]

Die beteiligten Staaten verfolgten dabei deutlich sichtbar das Ziel, nicht nur große, sondern auch zusammenhängende Gebiete zu schaffen. Beispielsweise tauschte Baden 1806 seine erst kurz zuvor erworbenene Stadt Biberach an der Riß, die nicht mit dem übrigen Staatsgebiet zusammenhing, gegen württembergische Gebiete im Schwarzwald ein, und 1810 trat Württemberg (nicht ganz freiwillig) die Landgrafschaft Nellenburg an Baden ab, wodurch die badischen Besitzungen um den Bodensee herum zu einer geschlossenen Einheit wurden.

Da sich Württemberg und Bayern in ihrem Grenzvertrag auf eine einzige, durchgehende Grenzlinie verständigten und Badens West- und Südgrenze weitgehend durch den Rhein bestimmt war, gab es an diesen Grenzen keinerlei wechselseitige Gebietseinschlüsse. Insbesondere Baden- und Württemberg regelten jedoch ihre Grenzangelegenheiten durch den Austausch individueller Herrschaftsrechte, so dass etliche territoriale Besonderheiten bestehen blieben; nach 1810 bestanden im Bereich der südwestdeutschen Staaten noch über 30 Exklaven und, als territoriale Kuriosität, Kondominien. Die meisten dieser Gebietseinheiten bestanden aus einzelnen Dörfern.

Einige wenige dieser Exklaven und Kondominien wurden im Laufe der folgenden Jahrzehnte durch Verträge der beteiligten Staaten aufgelöst, die meisten blieben bestehen. Nach der Entstehung des Landes Baden-Württemberg 1952 entfielen alle Grenzen zwischen Baden, Württemberg und Hohenzollern und damit auch die Exklaven. Deren Zugehörigkeit zum jeweiligen, vormals badischen, württembergischen oder hohenzollernschen Landkreis blieb jedoch zunächst unangetastet, so dass die Verwaltungsgrenzen des neuen Bundeslandes noch lange von den überkommenen historischen Verhältnissen geprägt war. Erst die Kreisreform 1973 beseitigten die letzten dieser Spuren.

Die nachfolgende Liste führt alle Exklaven und Kondominien auf, die auf dem Gebiet Baden-Württembergs noch nach 1810 bestanden. Baden-Württemberg selbst besitzt noch heute neben der Exklave Büsingen am Hochrhein in der Schweiz zwei Exklaven und eine Enklave, die durch den komplizierten Grenzverlauf bei der hessischen Ortschaft Ober-Laudenbach entstehen.

Hessische Exklaven

  • Wimpfen (seit 1930 Bad Wimpfen) mit dem Teilort Hohenstadt, zwischen Baden und Württemberg gelegen, war bis 1802/03 Reichsstadt und gelangte dann an Hessen-Darmstadt. Am 26. November 1945 verfügten die amerikanischen Besatzungsbehörden, dass die Stadt fortan vom benachbarten badischen Landkreis Sinsheim verwaltet werden solle, durch einen Bürgerentscheid wechselte die Stadt zum 1. Mai 1952 in den ebenfalls benachbarten, württembergischen Landkreis Heilbronn. (Nähere Einzelheiten siehe im Artikel zu Bad Wimpfen.)[8]
  • Helmhof: 1223 schenkte König Heinrich VII. der Stadt Wimpfen Waldbesitz im Forstwald. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich am Waldrand eine kleine Ansiedlung, der Helmhof, der teils auf (Neckar-)Bischofsheimer, teils auf Wimpfener Markung lag. Mit dem Übergang Wimpfens an Hessen wurde der Wimpfener Anteil am Helmhof zu einer hessischen Enklave innerhalb Badens. Gemeinderechtlich noch immer zu Bad Wimpfen gehörend, wechselte der Helmhof mit diesem 1945 in den Landkreis Sinsheim. Der Bürgerentscheid in Bad Wimpfen, der dessen Wechsel in den Landkreis Heilbronn brachte, war mit der Bedingung verknüpft, dass keine neuen Exklaven entstehen durften. Daher wurde der Helmhof zum 1. April 1952 der Stadt Neckarbischofsheim zugeschlagen.[9]
  • Finkenhof: Ähnlich wie der Helmhof war der Finkenhof ein Besitz der Reichsstadt Wimpfen, der zu einer Enklave innerhalb Badens wurde. Analog zum Helmhof gelangte der Finkenhof nach dem Landkreiswechsel Bad Wimpfens am 1. April 1952 zur Gemeinde Hochhausen, mit der zusammen er am 1. Januar 1972 nach Haßmersheim eingemeindet wurde.
  • Zimmerhöferfeld: Das Zimmerhöferfeld war ein unbewohntes, im Besitz Bad Wimpfens befindliches Flurstück nördlich von Bad Rappenau, das am 1. April 1952 nach Bad Rappenau umgemeindet wurde.
  • Kürnbach wurde zunächst durch die Herren von Sternenfels beherrscht, die Lehnsleute der Grafen von Katzenelnbogen waren. Ein Teil des Dorfs wurde um 1320 an Württemberg verpfändet, die übrigen Teile wurden an die Landgrafen von Hessen vererbt, deren darmstädtische Linie ihren Teil 1598 einzog. 1810 gelangte der württembergische Anteil am Dorf im Zuge eines Gebietsaustausches an Baden. [5] Kürnbach war somit ein badisch-hessisches Kondominat, das an Württemberg grenzte. 1905 gab Hessen-Darmstadt seinen Gebietsanteil im Austausch gegen die badische Enklave Michelbuch auf.[10]

Badische Exklaven

  • Schluchtern: Der Ort wurde durch die Herren von Weinsberg 1430 an die Kurpfalz verpfändet, ein Jahr später verkauft. 1803 fiel der Ort kurzzeitig an das Fürstentum Leiningen, von dort 1806 an Baden, während die umliegenden Gebiete an Württemberg fielen, so dass Schluchtern nun eine badische Enklave in Württemberg war. Mehrere Anläufe beider Seiten, den Ort an Württemberg zu übertragen, blieben ohne Ergebnis.[11] Erst nach der Bildung Baden-Württembergs wurde Schluchtern zum 1. April 1956 vom badischen Landkreis Sinsheim an den württembergischen Landkreis Heilbronn übertragen.[12] Am 1. Januar 1970 vereinigte sich Schluchtern mit seinem Nachbarort Großgartach zur neuen Gemeinde Leingarten. Großgartach war selbst zeitweilig ein Kondominium zwischen Baden und Württemberg gewesen, der badische Anteil wurde jedoch 1806 an Württemberg abgetreten.[4]
  • Tepfenhard (in W)
  • Adelsreute (in W)
  • Büsingen am Hochrhein: Die Gemeinde gehörte einst zur vorderösterreichischen Landgrafschaft Nellenburg. Seit 1535 wurde dort, wie in die übrigen Dörfer der Umgebung, die Vogtei durch eine Schaffhauser Familie ausgeübt. Nach langwierigen Streitigkeiten um die Entführung des Vogts Eberhard Im Thurn verlor Schaffhausen seine Rechte an Büsingen und konnte es im Gegensatz zu den anderen Dörfern des Reiats später nicht in seinen Besitz bringen.[13] Büsingen verblieb daher bei Nellenburg, kam 1805 an Württemberg[14] und 1810 an Baden[5]. Im 20. Jahrhundert schlugen zahlreiche Bemühungen Büsingens, der Schweiz beizutreten, fehl.[15] Büsingen ist daher noch immer eine baden-württembergische Exklave innerhalb der Schweiz, gehört jedoch seit 1967 zum schweizerischen Zollgebiet.[16]
  • Michelbuch ist ein unbewohntes Waldstück zwischen Neckarsteinach und Hirschhorn, das bis 1904 eine badische Enklave innerhalb Hessens bildete. Es wurde im Austausch gegen den hessischen Kondominatsanteil Kürnbach an Hessen abgetreten; aufgrund der damaligen vertraglichen Bestimmungen ist es noch heute ein gemeindefreies Gebiet.
  • Ober-Laudenbach: Der Grenzverlauf zwischen Baden-Württemberg und Hessen um den Heppenheimer Stadtteil Ober-Laudenbach herum ist sehr kompliziert. Die den Ort durchquerende Straße gehört zum Gebiet der baden-württembergischen Gemeinde Laudenbach, wodurch der größte Teil Ober-Laudenbachs von Hessen abgetrennt wird und eine Enklave in Baden-Württemberg bildet. Innerhalb dieser Enklave gibt es eine weitere Enklave, die wiederum zu Baden-Württemberg gehört. Ferner besteht südlich des Orts eine kleine baden-württembergische Exklave in Hessen. Der Ursprung dieses kuriosen Grenzverlaufs liegt im Jahr 1485, als Laudenbach an das Bistum Worms verkauft wurde und aus Versehen einige Gebiete vergessen wurden. Diese schlossen sich später dem Amt Lindenfels an und gelangten so 1802 an Hessen, während Laudenbach zugleich an Baden fiel.[17]
  • Wangen (zw Hz/W, bei Jettkofen)
  • Dichtenhausen (in Hz)
  • Widdern (Kondominat mit W, in W)
  • Edelfingen (Kondominat mit W, in W)

Württembergische Exklaven

  • Hohentwiel (in B)
  • Bruderhof (in B)
  • Deubach, mit Sailtheim/Hofstetten? (in Ba)
  • Bowiesen (zw Ba/By)
  • Jettkofen (eigentlich keine, bei Hz)
  • Wirnsweiler (in Hz)
  • Mägerkingen/Mariaberg/Bronnen/Hausen (in Hz)

Hohenzollerische Exklaven

  • Thalheim (in B)
  • Thiergarten (in B)
  • Igelswies (in B)
  • Tautenbronn (in B)
  • Mühlhausen, bei Aach-Linz? (in B)
  • Wilflingen (in W)
  • Beuron/Bärenthal (zw B/W)
  • Langenenslingen/Billafingen (in W), Warmtal Kondominat?
  • Burgau (Kondominat mit W in W)
  • Achberg (zw W/By)

Bahnhöfe: Basel Badischer Bahnhof, Schaffhausen, Jestetten

Quellen

  1. Wortlaut des Reichsdeputationshauptschlusses
  2. Wortlaut des Pressburger Friedensvertrags
  3. Wortlaut der Rheinbundakte
  4. a b Wortlaut des Tauschvertrags von 1806
  5. a b c Wortlaut des Grenzvertrags zwischen Württemberg und Baden
  6. Wortlaut des Grenzvertrags zwischen Baden und Hessen
  7. Wortlaut des Grenzvertrags zwischen Bayern und Württemberg
  8. Böttger, Annemieke: Baden, Hessen oder Württemberg? Bad Wimpfen, die Stadt, um die drei Länder warben. – In: Schönes Schwaben, 16/17, 2002 (4), Seiten 48–51.
  9. http://www.neckarbischofsheim.de/html/helmhof.html
  10. http://www.bahnbruecken.de/ortsverzeichniskarlsruhe.html#Kürnbach
  11. Geschichte von Schluchtern
  12. Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1956, Seite 7
  13. http://www.buesingen.de/buesingeneinst/imthurn.html
  14. Artikel 8 des Pressburger Friedens
  15. http://www.buesingen.de/buesingeneinst/nicht.ch.html
  16. Staatsvertrag über die Einbeziehung Büsingens in das schweizerische Zollgebiet
  17. http://domfree.de/wernerschaab/Homepage/Woichwohne/kleinstaaterei.html