Die Rothenburgstraße ist eine parallel zur Schloßstraße in Steglitz verlaufende Straße. Sie verbindet die Zimmermannstraße im Nordosten mit der Straße Am Fichtenberg im Südwesten. Sie liegt somit östlich des Botanischen Gartens. Die Straße verläuft entlang der ehemaligen Preußisch-Königlichen Blindenanstalt, der jetzigen "Johann-August-Zeune-Schule für Blinde und Berufsfachschule Dr. Silex" - Förderzentrum "Sehen", welches laut Wunsch seines Direktors Thomas Kohlstedt "die zentrale Anlaufstelle für alle Blinden und Sehbehinderten in Berlin" darstellen soll.[1]


Namenspatron
Mit dem Straßennamen wurde Friedrich Ernst Rothenburg, (* 20. Januar 1766 in Berlin; † 1. Dezember 1833 ebenda) geehrt. Rothenburg, der mit Johann August Zeune befreundet war, unterstützte die Arbeit mit Blinden. Per Testament verfügte Rothenburg, dass sein Vermögen, welches sich auf etwa 80.000 Taler belief, zugunsten der Blindenanstalt an Zeune ging. Ihren Namen hat die Straße vor 1878 erhalten.
Bebauung
Ursprünglich gehörte das Land um die Rothenburgstraße etwa ab 1800 der Steglitzer Gemeinde. Mit der Parzellierung des Geländes, die im Jahre 1878 abgeschlossen war, entstanden Grundstücke, die man zum Teil als Parkanlagen bezeichnen kann, entlang der Rothenburgstraße, die sich in unmittelbarer Nähe zur Schloßstraße befindend dennoch in eine ruhige Villengegend verwandelte.
Beginnend im Nordosten an der Zimmermannstraße befinden sich rechts und links der Rothenburgstraße bis zur Grunewaldstraße vorwiegend Häuser aus der Gründerzeit. Diese zeichnen sich durch reiche Schmuckelemente an der Häuserfassade oder über dem Eingangsportal aus.
Einen ungewöhnlichen Eindruck hinterlassen die Stützsäulen der Balkons an den Häusern der Rothenbachstraße 6/7, da diese aus Ziegeln gemauerten Säulen sich von oben nach unten verjüngen.
Nachdem die Rothenburgstraße die von Steglitz in Richtung Dahlem Dorf führende Grunewaldstraße gekreuzt hat, ändert sich der Bebauungscharakter. Beidseitig der Straße sind niedrige Bebauungen mit Hausgärten anzutreffen, die dann in Flächen übergehen, welche für den Gemeindebedarf verwendet werden. Insbesondere wird das südwestliche Eckgrundstück Rothenburgstraße/Grunewaldstraße als öffentliche Grünanlage und Kinderspielplatz vor der "Schwarzschen Villa" genutzt.
Am südwestlichen Ende der Straße, wo die Rothenburgstraße in die Straße Am Fichtenberg mündet, befinden sich auf der südlichen Seite nochmals vorwiegend Gründerbauten.
Sehenswürdigkeiten
Entlang der Rothenburgstraße befinden sich mehrere denkmalgeschützte Bauwerke.
Lehrgarten der TU-Berlin
An der Rothenburgstraße 12 befindet sich eine von Paul Baumgarten im Jahre 1909 errichtete Villa. Ursprünglich gehörte das Land um die Rothenburgstraße der Steglitzer Gemeinde. Nach der Parzellierung im Jahre 1878 ging die Rothenburgstraße 12 an den Bankier Henoch, dessen Frau den Villenbau beauftragte. Die weiträumige Freifläche wurde vom Lenné-Schüler Gustav Meyer gestaltet. Im Jahre 1922 ging das Grundstück an die Deutsche Erdöl-AG und ab 1925 an deren Generaldirektor Dr. Middendorf. Nach dessen Enteignung durch die Nationalsozialisten im Jahre 1934 wurde das Gelände durch die SS genutzt. Nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs befand sich das Grundstück in amerikanischer Nutzung. Im Jahre 1950 wurde das Grundstück an das Land Berlin übergeben, welches es nunmehr der TU-Berlin zur Nutzung überließ.[2]
Die Villa wird seitdem als Bestandteil des hier gelegenen Forschungs- und Lehrgartens des Instituts für Ökologie und Biologie der TU-Berlin genutzt. Der Lehrgarten dient hier als "Freiland-Labor" und wird zur Unterstützung derjenigen Lehrveranstaltungen genutzt, welche Pflanzenkenntnisse vermitteln. Dies betrifft die Fachgebiete Ökosystemkunde Pflanzenökologie beziehungsweise Tierökologie und die Bioklimatologie. Im Lehrgarten sind die wichtigsten Bäume, Stauden und Sträucher mit Schrifttafeln versehen. Der Lehrgarten ist als Gartendenkmal ausgewiesen.
Preußisch-Königliche Blindenanstalt
Der Gebäudekomplex an der Rothenburgstraße 14/15 gehört zur Johann-August-Zeune-Schule für Blinde. Die am 13. Oktober 1806 auf Grund einer Order von Friedrich Wilhelm III. gegründete Preußisch-Königliche Blindenanstalt hatte ihren Sitz zunächst in der Gipsstraße in Berlin-Mitte und war die erste deutsche Blindenschule und die dritte in Europa neben Paris (1784) und Wien (1804). Ihr Gründer und Direktor war Johann August Zeune. 1874 erwarb die Blindenanstalt das Grundstück in der Rothenburgstraße und errichtete darauf das noch heute vorhandene Schul- und Verwaltungsgebäude von 1877.
Zum Komplex der Blindenschule gehört auch das hier befindliche, ursprünglich bereits 1891 gegründete und in Deutschland einmalige Blindenmuseum. Nach mehreren Unterbrechungen ist es seit 1983 wieder hier angesiedelt und bietet blinden und sehenden Menschen Exponate "zum Anfassen".
Ebenfalls hier angesiedelt ist das "Blindenhilfswerk Berlin eV". Dieser Verein wurde im Jahre 1886, damals noch als "Verein zur Beförderung der wirtschaftlichen Selbständigkeit der Blinden" gegründet. Die Blindenwerkstatt ermöglicht hier den blinden Menschen, eine produktive Tätigkeit, vorwiegend auf den Gebieten der Möbel- und Korbflechterei sowie des Besen- und Bürstenbindens. Zur Werkstatt gehört auch das Wohnhaus in der Rothenburgstraße 15 mit den auf die speziellen Bedürfnisse Blinder eingerichteten Wohnungen samt Clubraum und Saal.
Die Blindenschule und das Blindenhilfswerk feiern somit im Jahr 2006 ihr 200- beziehungsweise 120-jähriges Bestehen.
Als ehemalige Schülerin der Blindenschule gründete Betty Hirsch (1873-1957) im Jahre 1914 hier gemeinsam mit dem Augenarzt Dr. Paul Silex auf dem Gelände der Rothenburgstraße 14 die "Kriegsblindenschule Dr. Silex". Zur Zeit des Nationalsozialismus musste Betty Hirsch wegen ihrer jüdischen Herkunft die Schule abgeben und Deutschland verlassen. Die damals begonnene Arbeit wird in der jetzigen "Johann-August-Zeune-Schule für Blinde und Berufsfachschule Dr. Silex" - Förderzentrum "Sehen" fortgesetzt.[3] Über Betty Hirsch informiert eine "Berliner Gedenktafel" an der Außenwand des Blindenmuseums.
Weiterhin arbeitete und lebte hier auf dem Schulgelände der als Erfinder der Punktschrift-Steno-Maschine bekannt gewordene Oskar Picht (1871-1945), der in den Jahren von 1920 bis 1933 als Direktor der Blindenbildungsanstalt amtierte.
Finanzamt Steglitz
Das Gebäude an der Rothenburgstraße 16/17 wurde nach Plänen des Architekten Hans Heinrich Müller ursprünglich als Steuerverwaltungsgebäude (Finanzamt) mit Dienstwohnungen im Jahre 1911 erbaut. Eine der Wohnungen bewohnte der Architekt in seiner Zeit als Gemeindebaumeister von Steglitz bis zur Abschaffung dieses Amtes mit der Einführung des Groß-Berlin-Gesetzes im Jahre 1920. Zwischenzeitlich wurde der Verwaltungsbau von der Veranlagungskommission des Kreises Teltow genutzt. Mittlerweile hat das Landesschulamt Berlin hier eine Außenstelle, während das Finanzamt Steglitz schräg gegenüber seinen über das Grundstück der Rothenburgstraße 22 zugänglichen Hauptsitz im Büroneubau an der Schloßstraße belegt hat. Den Eingangstürbogen des alten Finanzamts schmückt ein Mosaik mit dem preußischen Adler und der Inschrift "Kgl. Einkommensteuer-Veranlagungs-Kommission". Somit befand sich hier die nach dem preußischen Einkommensteuergesetz von 1891 zuständige "besondere Veranlagungskommission", deren Mitglieder einerseits von der Regierung ernannt und andererseits von den kommunalen Vertretungen gewählt wurden. Den Vorsitz einer solchen "Einkommensteuerveranlagungskommission" hatte der Landrat oder ein von der Regierung ernannter Kommissar inne.[4]
Auguste-Victoria-Lyzeum
Nebenan, in der Rothenburgstraße 18 steht das in den Jahren 1911/12 ebenfalls von Müller errichtete Gebäude des Auguste-Victoria-Lyzeums, einer höheren Mädchenschule in Steglitz. Nach der Errichtung des Gebäudes zog die Mädchenschule von ihrem seit 1904 genutzten Standort in der Plantagenstraße hierher. Über die Namen "Kaiserin-Auguste-Viktoria-Lyzeum", "Auguste-Viktoria-Schule", "Steglitzer Oberschule für Mädchen" entstand hier im Jahre 1951 die "4. Oberschule Wissenschaftlicher Zweig" und seit 1956 die Fichtenbergschule. Im Jahre 2004 konnte somit deren Nachfolger, die jetzige Fichtenberg-Oberschule (Gymnasium) auf eine 100-jährige Geschichte verweisen. Das Gebäude wird auch durch die Rothenburg-Grundschule genutz. Die Fassade wird durch einen Erker mit der Inschrift "Lyzeum I und Studienanstalt" geschmückt. Aus der unmittelbaren Nähe zur Blindenanstalt ergab sich die Besonderheit, dass die Fichtenbergschule seit 1980 nunmehr auch eine Zweigstelle auf dem Gelände der Blindenschule zur Integration sehbehinderter Jugendlicher in den gymnasialen Unterricht unterhält.[5]
Zeunepromenade und Matthäuskirchgemeinde
Gegenüber der nach dem Erfinder der Blindenschrift Louis Braille benannten Braillestraße beginnt die Zeunepromenade, welche anlässlich der 100-Jahrfeier der Königlichen Blindenanstalt, deren Leiter Zeune 40 Jahre lang war, im Jahre 1906 ihren Namen erhielt. Diese seit 2003 gepflasterte Gasse führt von hier steil aufwärts zur Lepsiusstraße und wird im Winter gerne zum Schlittenfahren genutzt. Die Zeunepromenade führt dann weiter über den 68 Meter hohen Fichtenberg in Richtung Botanischer Garten und weiter bis zur Grunewaldstraße.
An der Rothenburgstraße 31a-33 befinden sich denkmalgeschützte Nebengebäude der hier im Jahre 1880 eingeweihten Steglitzer Matthäuskirche. Hierzu gehört das 1897 erbaute Pfarrhaus mit Wohnungen für beide Pfarrer der Gemeinde und den Kirchendiener in der Rothenburgstraße 32. Außerdem wurden hier der Konfirmandensaal und die Küsterei errichtet.[6] Nebenan, auf der Rothenburgstraße 33 befindet sich eine 1903 von Robert Poseck errichtete Villa.
Verkehrsanbindung
Die Rothenburgstraße hat keine direkten Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs. Sie liegt aber als westliche Parallelstraße zur Schloßstraße direkt an der Bundesstraße 1, die im 19. Jahrhundert als Verbindung vom Berliner Schloss zur Sommerresidenz, dem Schloss Sanssouci in Potsdam, als erste gepflasterte Straße (Chaussee) ausgebaut worden war.
Durch die Einrichtung einer Bahnstation der Vorortbahn entlang der Berlin-Potsdamer Eisenbahn, dem jetzigen S-Bahnhof Rathaus Steglitz, ist die Straße nun auch per S-Bahn erreichbar. Zusätzlich liegt die Endstation der U-Bahnlinie 9 ebenfalls nicht weit vom S-Bahnhof Rathaus Steglitz, womit auch eine Anbindung an das U-Bahnnetz gegeben ist.
Durch die die Rothenburgstraße querende Grunewaldstraße und dank des naheliegenden Busbahnhofs können auch Buslinien schnell erreicht werden.
Quellen
- ↑ Onlineartikel "Integration als Ziel: Die älteste Blindenschule Deutschlands" des Goethe-Instituts Kyoto vom Juli 2006 (zwischenzeitlich offline)
- ↑ Zum Standort Rothenburgstraße
- ↑ Artikel des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf eV
- ↑ Museumsführer der Bundesfinanzakademie
- ↑ Geschichte der Fichtenberg-Oberschule
- ↑ Chronik der Matthäuskirchgemeinde
Weblinks
- Einträge in der Berliner Landesdenkmalliste:
- zum Wohnhaus in der Rothenburgstraße 12
- zur Königliche Blindenanstalt Steglitz
- zum Schul- und Verwaltungsgebäude der Königlichen Blindenanstalt
- zum ehemaligen Finanzministerium
- zum Auguste-Victoria-Lyzeum
- zur Villa von Robert Poseck
- zum Forschungs- und Lehrgarten der TU Berlin
- zur Ev. Matthäuskirche
- Johann-August-Zeune-Schule für Blinde - Homepage der Blindenschule