Völkermord an den Herero und Nama

durch die deutsche Kolonialmacht im südwestlichen Afrika von 1904 bis 1908 begangener Völkermord
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Der Herero-Aufstand von 1904 in Namibia, dem damaligen Deutsch-Südwestafrika kostete Zehntausende das Leben.

Herero
Hendrik Witboi

Am 11. Januar 1904 erhoben sich die Herero zu einem Aufstand gegen die Besatzer, weil dem Hirtenvolk durch die Ausbreitung der Siedler immer weniger Weidegrund zur Verfügung stand. Etwa 150 deutsche Siedler wurden ermordet, die Schutztruppe der Kolonie von 766 Mann war den Aufständischen nicht gewachsen. Ein Expeditionskorps unter Generalleutnant Lothar von Trotha mit etwa 15.000 Mann wurde aus Deutschland entsandt.

Militärische Probleme auf Seiten der Deutschen

Das Deutsche Reich war auf einen Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika völlig unvorbereitet. Zu Beginn des Kriegs gegen die Herero im Januar 1904 bestand die Schutztruppe aus 4 Kompanien, 1 Geschützbatterie und einer Reihe zumeist kleinerer Stationsbesatzungen mit insgesamt 769 deutschen und 132 eingeborenen Soldaten. Verstärkung aus dem Schutzgebiet erhielt die Schutztruppe durch 1.141 Reservisten, Angehörigen der Landwehr, Landsturmpflichtigen und Kriegsfreiwilligen. Desweiteren konnten noch die Hilfstruppen der Baster, Witbois und Bethanier aufgeboten werden. Mit diesen Kräften war es nicht möglich, den Aufstand der Hereros niederzuwerfen.

Die Herero konnten nach Schätzungen etwa 5.000 bis 7.000 Krieger ins Feld führen. Die erfolgreiche Verteidigung aller größeren Stationen wie Okahandija und Omaruru und deren Entsetzung aus eigener Kraft war daher schon ein großer Erfolg für die Deutschen und für den weiteren Verlauf des Krieges von entscheidender Bedeutung. Auch nach dem Eintreffen von Verstärkungen aus Deutschland reichten die zur Verfügung stehenden Kräfte für einen vollständigen militärischen Erfolg nicht aus, zumal starke Kräfte bei der Sicherung der deutschen Stationen und Siedlungen sowie der Verkehrswege gebunden waren. Es zeigte sich als besonderer Nachteil, dass Deutschland nicht über eine ständige Eingreiftruppe verfügte, welche für einen Einsatz in Übersee ausgebildet und ausgerüstet war. So bestanden die aus der Heimat eintreffenden Verstärkungen großteils aus schnell aufgestellten Verbänden von Freiwilligen der verschiedensten Truppenteile, welche völlig unvorbereitet nach Afrika in Marsch gesetzt werden mussten. Trotz größter Hingabe und Opferbereitschaft der deutschen Soldaten war daher die Leistungsfähigkeit der neu eintreffenden Verbände begrenzt. Fehlende Ausbildung (zum Beispiel bezüglich den besonderen Anforderungen an die Gesundheitsvorsorge auf einem afrikanischen Kriegsschauplatz) und mangelnde Erfahrung führten zu teilweise schweren Verlusten, sowohl im Gefecht als auch durch Krankheiten wie beispielsweise Typhus.

Oberst Leutwein, Gouverneur und bis zu seiner Ablösung durch General von Trotha auch Befehlshaber der Schutztruppe, war sich der begrenzten eigenen Möglichkeiten bewusst. Zudem waren ihm als Landeskenner die fast unüberwindlichen Schwierigkeiten für den Einsatz ausreichender Kräfte in dem weiten, nahezu unerschlossenen Land bekannt. In richtiger Einschätzung der Lage plante Leutwein eine politische Lösung des Konflikts, welche durch militärische Mittel vorzubereiten war. Dagegen forderte die deutsche Öffentlichkeit in völliger Verkennung der schwierigen Situation vor Ort eine rasche und gründliche Niederwerfung der Hereros. General von Trotha war gewillt, der öffentlichen Forderung nachzukommen. Dabei unterlief ihm eine verhängnisvolle Fehleinschätzung der Lage. Von Trotha war der Überzeugung, mittels eines konzentrischen Angriffes aller verfügbarer Truppen die Hereros zu einer Entscheidungsschlacht stellen und den Aufstand mit einem Schlag militärisch beenden zu können. Von Trotha unterschätzte die örtlichen Schwierigkeiten für eine solch umfassende Bewegung, die militärischen Fähigkeiten der Hereros und die Bedeutung der auf deutscher Seite kämpfenden eingeborenen Hilfstruppen.

Weiterer Verlauf des Aufstands

Ein konzentrischer Angriff auf die im Raum Waterberg lagernden Herero führte am 11. August 1904 zur Schlacht am Waterberg, bei der von Trotha sein Ziel, die Vernichtung der waffentragenden Hereros, jedoch nicht erreichte. Es gelang einem Großteil des Hererovolkes zunächst, nach Osten in die wasserarme Omaheke-Steppe zu entkommen. Die Verfolgung der Hereros nach der Schlacht am Waterberg blieb ebenfalls erfolglos.

Die Vernichtungs-Proklamation

Am 2. Oktober 1904 gab von Trotha in einer Proklamation den Befehl zur völligen Vernichtung der Herero:

"Ich, der große General der Deutschen Soldaten sende diesen Brief an das Volk der Herero. Die Herero sind nicht mehr Deutsche Untertanen. Sie haben gemordet und gestohlen, haben verwundeten Soldaten Ohren und Nasen und andere Körperteile abgeschnitten, und wollen jetzt aus Feigheit nicht mehr kämpfen. Ich sage dem Volk: Jeder, der einen der Kapitäne an eine meiner Stationen als Gefangen abliefert, erhält tausend Mark, wer Samuel Maharero bringt, erhält fünftausend Mark. Das Volk der Herero muss jedoch das Land verlassen. Wenn das Volk dies nicht tut, so werde ich es mit dem Groot Rohr dazu zwingen. Innerhalb der Deutschen Grenzen wird jeder Herero mit und ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber oder Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück, oder lasse auf sie schießen. Dies sind meine Worte an das Volk der Herero. Der große General des mächtigen Deutschen Kaisers."
(Quelle: Bundesarchiv Potsdam, Akten des Reichskolonialamtes, 10.01 2089 Bl.7, Abschrift Kommando Schutztruppe 1 Nr. 3737, Osombo-Windhuk, 2.10.1904; zitiert nach: Gunter Spraul: Der Völkermord an den Herero. Untersuchungen zu einer neuen Kontinuitätsthese; in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 12/1988, S. 713-739, hier S. 728)

Gemäß dieser Vorstellung machten die Deutschen keine Gefangenen und ignorierten Friedensangebote der Herero. Nachdem die deutschen Truppen die Wasserstellen besetzt hatten, verdurstete zwei Drittel des gesamten Volkes in der Omaheke. Die Überlebenden wurden ähnlich dem britischen Vorgehen im Burenkrieg in Konzentrationslagern interniert und zu Zwangsarbeit missbraucht. Während dieser Zeit starb rund die Hälfte der Gefangenen.

Tote durch den Aufstand

Die Zahl der Herero vor dem Krieg wurde vom deutschen Missionar Jakob Irle auf insgesamt 80.000 geschätzt, andere zeitgenössische Quellen geben etwas niedrigere Zahlen an. 1911 wurde die Zahl der Herero bei einer Volkszählung auf etwa 15.000 festgelegt, so daß man von etwa 65.000 Getöteten ausgehen kann. Von den 20.000 Nama, die sich im Herbst 1904 unter ihren Anführern Hendrik Witboi und Jakob Morenga gegen die Kolonialmacht erhoben, überlebten weniger als die Hälfte.

Politischer Umgang mit der Vergangenheit in der Bundesrepublik Deutschland

Bundeskanzler Helmut Kohl besuchte Namibia als erster deutscher Kanzler nach 1904. Er versäumte es, bei seinem Besuch als deutscher Kanzler in Namibia, eine Entschuldigung auszusprechen; er verweigerte ein Zusammmentreffen mit Herero-Abgesandten. Bundespräsident Roman Herzog war der Ansicht, daß eine förmliche Entschuldigung keinen Sinn mache, da zu viel Zeit vergangen sei. (Quelle:[1])

Völkerrechtliche Situation

1904 gab es noch kein internationales Gesetz oder eine Vereinbarung bezüglich kolonisierter Nationen. Ehemalige Kolonialregierungen wie Großbritannien, die USA, Frankreich oder Portugal sind heute nicht an der Etablierung solcher Standards interessiert.

Dagegen argumentieren Repräsentanten der Herero, nach der vierten Haager Konvention von 1899 seien Repressalien gegen die Zivilbevölkerung der Verlierer untersagt.

Schadensersatzklagen

2002 wurde vor einem US-Gericht eine Klage von US-Anwälten der Kanzlei Musolino & Dessel im Auftrag der Herero People`s Reparations gegen die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs nach dem Alien Tort Claims Act mit der Forderung auf Schadensersatz in Gesamthöhe von 2 Milliarden Dollar eingereicht, da man hoffte, in den USA höhere Entschädigungen einklagen zu können als in Deutschland. (Quellen: [2] [3]) Die Klage wurde 2004 ohne Angabe von Gründen und ohne einen Vergleich zurückgezogen.

Deutsche Rechtsposition/Aktuelles

Die deutsche Regierung verweigert Ansprüche und verweist darauf, dass sie seit 1990 500 Millionen Euro Entwicklungshilfe für Namibia geleistet habe. Namibia sei damit bei weitem der größte Empfänger der deutschen Entwicklungshilfe. Die Hereros verweisen darauf, dass das Geld mehr anderen Bevölkerungsgruppen zugute komme. Laut Arte-TV vom 03. August 2004 verlangt ein Sprecher der Hereros in Berlin das Eingeständnis der Schuld der Deutschen und ein Bekenntnis zu ihrer kolonialen Vergangenheit. Er verweist auf die Mahnmale des Holocaust und sieht sein Volk benachteiligt, da nirgends die Schlacht am Waterberg erwähnt werde. Das Außenministerium bedauert zwar das Geschehene, aber eine offizielle Verantwortung wird abgelehnt; mit der Begründung, die Geschehnisse von damals haben nicht im Widerspruch mit damals geltendem Völkerrecht gestanden und seien abgesehen davon verjährt.

Deutschland bekennt sich zur Schuld

Am 14. August 2004 nahm die deutsche Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul an einer Gedenkfeier zum 100. Jahrestag in Waterberg teil. Sie war die erste offizielle Vertreterin einer deutschen Regierung, die bei einer Gedenkfeier zu den Ereignissen teilnahm. In einer Rede bekannte sie sich sowohl zur politischen als auch zur moralischen Schuld an dem Völkermord der deutschen Kolonial-Truppen. Entschädigungszahlungen schloss sie aus jedoch will die Regierung die Entwicklungshilfe für das Land in höhe von jährlich mit 11,5 Millionen Euro jährlich fortsetzen. Bei der Gedenkfeier wurden Szenen des Aufstands von anhängehörigen der Heros nachgespielt.

Siehe auch: Genozid, Maji-Maji-Aufstand, Boxeraufstand, Paul von Lettow-Vorbeck

Literatur

  • Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr: 32/2004 Seite 2 Gastkommentar von Uschi Eid
  • Walter Nuhn: Sturm über Südwest, Bernhard & Graefe-Verlag, ISBN 3-76375-852-6