Das Oxford Manual, mit vollem französischen Titel Manuel des lois de la guerre sur terre beziehungsweise englisch The Laws of War on Land („Die Regeln des Landkrieges“), war ein Regelwerk, das in 86 Artikeln Vorschriften zur Landkriegsführung zusammenfasste. Es wurde vom Genfer Juristen und Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz Gustave Moynier verfasst und vom Institut de droit international (Institut für Völkerrecht) auf dessen sechster Sitzung am 9. September 1880 in Oxford einstimmig angenommen. Das Manual baute im wesentlichen auf gewohnheitsrechtlich etablierten Regeln auf, wie sie beispielsweise im Lieber Code von 1863 und in der Deklaration der Brüsseler Konferenz von 1874 enthalten waren. Es war vor allem als Grundlage für die nationale Gesetzgebung zum Kriegsrecht in den damaligen Staaten gedacht, da die Mitglieder des Instituts die Zeit für eine entsprechende internationale Vereinbarung noch nicht als gekommen ansahen. Insofern hatte es selbst keinen völkerrechtlich bindenden Charakter. Es bildete jedoch eine wichtige Grundlage für spätere Abkommen in diesem Bereich wie beispielsweise die Haager Konventionen von 1899 und 1907, die Genfer Konventionen zur Behandlung der Kriegsgefangenen sowie der Zivilbevölkerung von 1929 beziehungsweise 1949 und die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut von 1954.
Das Oxford Manual definierte und bestätigte eine Reihe von grundlegenden Prinzipien der Kriegsführung. So enthielt es unter anderem ein Verbot des Einsatzes giftiger Substanzen zur Kriegsführung, ein Verbot der Heimtücke, das Gebot zur Vermeidung unnötigen Leidens und ein Verbot der Tötung eines ausser Gefecht gesetzten oder sich ergebenden Gegners und damit des Befehls, dass kein Pardon gegeben wird. Darüber hinaus formulierte es diverse Regeln zur Behandlung der Zivilbevölkerung. Für Bombardierungen führte es den Grundsatz ein, dass religiöse, kulturelle oder wissenschaftliche Einrichtungen sowie Krankenhäuser und andere Gebäude von großer Bedeutung für die Allgemeinheit so weit wie möglich zu verschonen sind. Hinsichtlich der Behandlung von verwundeten und erkrankten Soldaten übernahm das Manual die Regeln der ersten Genfer Konvention von 1864. Für die Internierung von Kriegsgefangenen galt, dass Kriegsgefangenschaft weder eine Strafmaßnahme noch einen Akt der Vergeltung darstellen würde, und dass Kriegsgefangene dementsprechend menschlich zu behandeln wären.
Auf seiner 27. Sitzung, die erneut in Oxford stattfand, nahm das Institut de droit international am 9. August 1913 unter dem Titel Manuel des lois de la guerre maritime („Die Regeln des Seekrieges“), englisch Manual of the Laws of Naval War, ein ebenfalls zum Teil als Oxford Manual bezeichnetes Regelwerk an, das analog zum Manual von 1880 Vorschriften zur Seekriegsführung enthielt. Dieses Manual umfasste 116 Artikel und einen Zusatzartikel. Es unterschied sich in einem wesentlichen Punkt vom Oxford Manual von 1880. Dieses basierte größtenteils nicht auf existierenden Verträgen, sondern sollte das Fehlen verbindlicher völkerrechtlicher Abkommen ausgleichen, indem es als Vorlage für nationale Gesetze gedacht war. Das Manual zur Seekriegsführung von 1913 war hingegen größtenteils eine Zusammenfassung der Regeln, die durch mehrere der Haager Abkommen von 1907 bereits geltendes Völkerrecht waren.
Das Oxford Manual von 1913 übernahm zum einen einige wesentliche Prinzipien aus dem Oxford Manual von 1880, gegenebenfalls mit einer entsprechenden Adaptation an den Seekrieg. So wurde das Verbot der Tötung eines ausser Gefecht gesetzten oder sich ergebenden Gegners ergänzt um ein Verbot des Versenkens sich ergebender gegnerischer Schiffe, solange die Besatzung das Schiff nicht verlassen hat. Verboten war des Weiteren der Einsatz von Torpedos, die beim Verfehlen ihres Ziels nicht wirkungslos wurden, sowie von Kontaktminen in offenen Gewässern, die nicht zum Hoheitsgebiet einer der beteiligten Konfliktparteien zählen. Die Regeln enthielten darüber hinaus eine Verpflichtung, nach dem Ende des Krieges soweit wie möglich alle Minen zu entfernen. Der Zusatzartikel regelte, mit Bezugnahme auf das Haager Abkommen über die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges von 1907, die Zahlung von Kompensationen bei Verstößen gegen die Regeln des Manuals.
Literatur
- Dietrich Schindler, Jirí Toman (Eds.): The laws of armed conflicts: a collection of conventions, resolutions, and other documents. 3. revidierte Ausgabe. Sijthoff & Noordhoff International Publishers, Alphen aan den Rijn 1988, ISBN 9-02-473306-5 (S. 36-48 und S. 858-875)
Weblinks
- International Humanitarian Law - Oxford Manual 1880 Volltext des Oxford Manual von 1880 (englisch)
- International Humanitarian Law - Oxford Manual 1913 Volltext des Oxford Manual von 1913 (englisch)