Computerlinguistik

Schnittstelle zwischen Sprachwissenschaft und Informatik
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In der Computerlinguistik wird untersucht, wie natürliche Sprache mit dem Computer verarbeitet werden kann. Die praktische Aufgabe der Computerlinguistik besteht darin, Computerprogramme zu entwickeln, die bestimmte, an Sprache geknüpfte Leistungen erbringen. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Die Unterstützung des Computerbenutzers bei der Textverarbeitung, z.B. die Korrektur von Tipp- und Rechtschreibfehlern, die Prüfung von Sätzen auf grammatische Richtigkeit, die Silbentrennung.
  • Die Suche nach Textstellen, und zwar nicht nur oberflächlich, so wie die Wörter eingegeben worden sind, sondern ihrer Bedeutung nach.
  • Die Unterstützung von Autoren beim Verfassen von Texten, z.B. das Finden des treffenden Ausdrucks oder der richtigen Terminologie.
  • Die Unterstützung beim Übersetzen von Texten in eine andere Sprache oder gar die vollständig automatische Übersetzung.
  • Die Interaktion des Benutzers mit dem Computer in natürlicher Sprache, so dass Computer auch Personen zugänglich sind, die sich mit den speziellen Befehlen nicht auskennen.
  • Die Umsetzung von gesprochener Sprache in geschriebene und von geschriebener Sprache in gesprochene, z.B. bei telefonischen Auskunftsdiensten oder Lesegeräten für Blinde.
  • Die Aufbereitung von sprachlich vorliegenden Daten, z.B. die Verschlagwortung von Literatur, die Anfertigung von Registern und Inhaltsverzeichnissen, die Herstellung von Zusammenfassungen und Abstracts.
  • Die Auffindung von Information in großem Stil, von Literaturangaben bis hin zu direkter Beantwortung von Fragen auf der Basis großer Datenbanken.
  • Schließlich auch Sprachlernprogramme, wie z. B. Vokabeltrainer und andere Übungsprogramme.

Einige der Probleme, die man dabei lösen muss, sind:

  • Bestimmen der Wortbedeutung. Die gleiche Wortform kann je nach Kontext eine andere Bedeutung aufweisen. Man muss die für den Kontext zutreffende Bedeutung auswählen. Auf der anderen Seite braucht man Formalismen zur Repräsentation von Wortbedeutungen.
  • Syntaktische Mehrdeutigkeit: In einigen Fällen lässt sich ein Satz auf mehrere Arten analysieren und deuten. Die Richtige auszuwählen erfordert semantische Information über den Sprechakt und die Intention der Sprecher.
  • Manche Sätze sind nicht wörtlich zu verstehen: Z.B. erwartet man auf die Frage "Können Sie mir bitte das Salz reichen?" nicht die Antwort "Ja" oder "Nein". Ein anderes Beispiel: Falls ein Kurs im letzten Jahr nicht angeboten wurde, dann ist die korrekte Antwort auf die Frage "Wieviele Studenten haben den Kurs im letzen Jahr bestanden? " nicht "keine", sondern "Der Kurs wurde im letzten Jahr nicht angeboten".

Ob und wie sich diese Aufgaben maschinell lösen lassen, ist nicht nur vom Stand der Computertechnologie her vorgegeben, sondern hängt natürlich sehr von den Eigenschaften der Sprache ab. Mehr noch: Man wird zwar nach Verfahren streben, die auf alle Sprachen anwendbar sind, die Details müssen aber für jede einzelne Sprache gesondert ausgearbeitet werden. Ein Trennprogramm, das gut ist für das Englische, wird kaum für das Deutsche taugen, weil hier die Prinzipien der Worttrennung andere sind. Im Unterschied zur Informatik, die sich allgemein mit dem Programmieren von Computern befasst, liegt das Anwendungsfeld der Computerlinguistik also in den sprachspezifischen Teilen von Computerprogrammen.

Eine Wissenschaft definiert sich freilich nicht nur durch ein Anwendungsfeld sondern, auch durch ein theoretisches Interesse. Computer sind Automaten, die Symbole (im Grunde lauter Nullen und Einsen) nach bestimmten Regeln manipulieren. Ebenso wie die Zahlen sind aber auch Sprachen - freilich sehr vielschichtige - Symbolsysteme. Es liegt daher nahe, Computerprogramme zu entwerfen, welche die Operationen, die der Mensch mit den Wörtern einer Sprache vollzieht, zumindest teilweise, simulieren. Man kann so sprachwissenschaftliche Hypothesen mit dem Computer prüfen. Die Computerlinguistik ist in diesem Sinne eine Linguistik, welche die Computersimulation als methodisches Mittel einsetzt, um unser Wissen über menschliche Sprachen zu vertiefen.

Letztlich wirft dieser Ansatz allerdings mancherlei psychologische und philosophische Fragen auf. Der Computer ist eine Maschine; die Sprache ist etwas Geistiges. Wie weit kann man das Rechnen mit Sprache treiben? Werden Computer eines Tages denken bzw. funktioniert der menschliche Geist wie eine Symbolmaschine? Das Faszinierende an der Computersimulation von Sprachverhalten ist gerade das Ausloten ihrer Grenzen. Ein Erkenntnisinteresse, aus dem heraus man auch Computerlinguistik studieren kann, ist es herauszufinden, was menschliche Kommunikation von Computerprogrammen unterscheidet. Diese Erkenntnis ist sehr wichtig für den Platz, den wir Computern in der Gesellschaft einräumen wollen.