Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung

Organ der EU
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Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung, kurz OLAF nach der französischen Bezeichnung Office Européen de Lutte Anti-Fraude, ist ein Amt der Europäischen Kommission. Seine Aufgabe ist die Bekämpfung der Kriminalität, die die finanziellen Interessen der Europäischen Union (EU) belastet. Dies umfasst sowohl die internationale organisierte Kriminalität, beispielsweise in den Bereichen Schmuggel Zoll, EU-Subventionen und Steuerhinterziehung, soweit die Finanzen der EU betroffen sind, als auch das Vorgehen gegen Betrug und Korruption von Bediensteten der EU.

OLAF-Logo

Aufgaben

  • Aufdeckung und Verfolgung von Betrug im Zollbereich
  • Aufdeckung der missbräuchlichen Verwendung von EU-Subventionen
  • Steuerhinterziehung (soweit sie sich auf den EU-Haushalt auswirkt)
  • Bekämpfung von Korruption und schwerem Fehlverhalten, einschließlich der Auswirkungen von Interessenskonflikten, innerhalb der EU-Institutionen
  • Sonstige Gesetzesverstöße, die die EU finanziell schädigen

Öffentlich bekannt wurde OLAF bisher eher als Kämpfer gegen Zigarettenschmuggler und Zollbetrüger (alles Fälle, bei denen OLAF den Behörden der Mitgliedstaaten assistiert oder sie koordiniert) denn als Speerspitze gegen Korruption in der EU-Kommission. OLAF erklärt das mit seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Vertraulichkeit der Ermittlungen und weist auf die Tatsache hin, dass nur etwas über 50 der mehr als 500 jährlichen OLAF-Fälle Korruption in den EU-Behörden betreffen.

Geschichte

OLAF wurde 1999 unter dem Eindruck einer Serie von Korruptionsaffären in der EU-Kommission (z.B. die Cresson-Affäre) auf Druck des Europaparlaments gegründet. Nicht zuletzt durch die Enthüllungen des Whistleblowers und damaligen EU-Beamten Paul van Buitenen waren die Unzulänglichkeiten von OLAFs Vorgängerorganisation UCLAF deutlich geworden. UCLAF (Unité de coordination de la lutte anti-fraude) war als eine weisungsabhängige Abteilung in der Europäischen Kommission organisiert, was die Bekämpfung von Unregelmäßigkeiten und Korruption innerhalb der EU-Institutionen behinderte.

Organisation

OLAF wird von einem Generaldirektor geleitet - seit 1. März 2000 ist das der deutsche Staatsanwalt Franz-Hermann Brüner, der am 14. Februar 2006 für ein zweites], fünfjähriges Mandat von EU-Kommission ernannt wurde. Wie die Nachrichtenagentur AFP meldete war Brüner bei der Diskussion um eine zweite Amtszeit allerdings "für das Europaparlament nur die zweite Wahl". Auch der Ministerrat bevorzugte einen anderen Kandidaten, so eine Pressemeldung der EU-Kommission. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, soll sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso für ihren Landsmann eingesetzt haben.

OLAF hat alles in allem knapp 400 Bedienstete, davon sind rund 160 Mitarbeiter mit Ermittlungen befasst. Für interne Untersuchungen innerhalb der EU-Kommission und anderer EU-Einrichtungen sind etwa 30 OLAF-Ermittler abgestellt.

OLAF untersteht, soweit es nicht die Ermittlungen betrifft, dem Vizepräsidenten für Verwaltung, Audit und Betrugsbekämpfung der Europäischen Kommission und ist der Kommission als Generaldirektion angegliedert. Seine Ermittlungen betreibt OLAF unabhängig. Auch wenn daher keine direkte Einflussmöglichkeit der Kommission auf die Ermittlungen besteht, ist es ihr durch die Organisationsform aber durchaus möglich, Druck auszuüben. In seinem Sonderbericht 2005 hat der Europäische Rechnungshof hier keine Probleme festgestellt: "Die Zwitterstellung des Amtes, das in seinen Untersuchungen zwar unabhängig, jedoch bezüglich seiner anderen Funktionen der Kommission unterstellt ist, hat die Unabhängigkeit der Untersuchungsfunktion nicht gefährdet".

Ergebnisse und Fälle

Wie die deutsche Nachrichtenagentur dpa im Juli 2006 berichtete, liefen Ende des Jahres 2005 Untersuchungen in 452 Fällen. Dabei gehe es um mögliche Schäden zu Lasten der EU-Steuerzahler in Höhe rund zwei Milliarden Euro. Im Jahr 2005 habe OLAF 203 Millionen Euro in die EU-Kassen zurückgeholt, ein Jahr davor seien es 198 Millionen Euro gewesen.

  • Die finanziell spektakulärsten OLAF-Untersuchungen sind die Verfahren gegen Tabakkonzerne wegen Schmuggels von Zigaretten in die EU. Aufgrund der OLAF-Erkenntnisse verklagte die EU drei Unternehmen vor US-Gerichten. Ein Tabakkonzern hat sich 2004 gütlich mit der EU geeinigt und zahlt insgesamt 1,25 Mrd Dollar.
  • Der politisch brisanteste OLAF-Fall war die Eurostat-Affäre um schwarze Kassen beim Luxemburger EU-Statistikamt, die die Kommission Prodi im Jahr 2003 in Bedrängnis brachte. Bei diesen Untersuchungen geriet auch OLAF selbst ins Kreuzfeuer.

Kritik an OLAF

Sowohl von manchen EU-Parlamentariern als auch von Mitgliedern des ehemaligen OLAF-Überwachungsausschusses wurde immer wieder der Vorwurf erhoben, es gebe keine rechtliche Kontrolle für OLAF. Der Europäische Gerichtshof hat jedoch in einer Reihe von Fällen entschieden, die OLAF-Opfer vor Gericht gebracht hatten. Am 6. April 2006 unterlag OLAF zum ersten Mal: in der Sache "Camos-Grau" (T-309/03) bekam der Kläger 10.000 Euro Schadenersatz.

Der Europäische Rechnungshof hat in seinem Sonderbericht über OLAF im Juli 2005 eine Reihe von Kritikpunkten an der Arbeit von OLAF aufgezeigt.

Das Europäische Parlament veranstaltete kurz darauf eine Anhörung über OLAF.

OLAF und die Medien

OLAF's Verhältnis zu den Medien wurde im März 2004 schwer belastet, als die belgische Polizei die Wohnung und das Büro des Brüsseler Stern-Korrespondenten Hans-Martin Tillack durchsuchte und Unterlagen beschlagnahmte. Der belgische Untersuchungsrichter hatte - auf Antrag von Olaf - ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen einer möglichen Korruptionsstraftat eröffnet. Ein Verfahren gegen Tillack wurde bis heute nicht eröffnet.

Tillack wurde mit allen Klagen, die er im Anschluss an die belgische Durchsuchungsaktion eingelegt hat, abgewiesen. Er hat daraufhin Klage gegen Belgien beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingelegt. Tillacks Klagen gegen OLAF beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg blieben bislang ohne Erfolg (siehe Pressemitteilung des Gerichtshofs). Ein endgültiges Urteil steht noch aus. In der selben Sache kritisierte der Europäische Bürgerbeauftragte OLAF in einem Sonderbericht an das Europäische Parlament.

Die Durchsuchungsaktion löste unter anderem eine Diskussion über Pressefreiheit in Belgien und in der EU aus.

Siehe auch

Literatur

  • Neuhann, Florian: Im Schatten der Integration. OLAF und die Bekämpfung von Korruption in der Europäischen Union. Baden-Baden: Nomos-Verlag 2005 ISBN 3-8329-1479-X.

EU-Selbstdarstellung

Untersuchungsberichte

Der Amtschef Brüner

OLAF und der Fall Tillack