Nordirlandkonflikt

Identitäts- und Machtkampf zwischen den Bevölkerungsgruppen in Nordirland
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Der Nordirlandkonflikt (engl. The Troubles (auf protestantischer Seite) bzw. Civil War (auf katholischer Seite)) beherrschte die nordirische Politik der Jahre 1969-1998. Obwohl sich in diesem Konflikt mehr oder weniger zwei verschiedene Konfessionen gegenüberstehen, hat der Konflikt keinen religiösen Hintergrund. Der Grund für den Nordirland-Konflikt ist der Kampf der irischen Bevölkerung um die Unabhängigkeit von Großbritannien und der Kampf der Beteiligten um politische Macht.

Obwohl die Zahl der aktiv Beteiligten am Nordirlandkonflikt klein ist und die paramilitärischen Organisationen, welche für sich in Anspruch nahmen, die Bevölkerung zu vertreten, in der Regel nicht repräsentativ sind, berührte der Konflikt täglich die Leben der meisten Menschen in Nordirland und breitete sich gelegentlich bis Großbritannien oder die Republik Irland aus. Fast viertausend Menschen, größtenteils Zivilisten, starben in Folge der Gewalt. Heute sind die politischen und sozialen Einstellungen vieler Menschen durch den Konflikt geprägt.

Vorgeschichte

Für den Konflikt von Bedeutung sind die Eroberung Irlands durch die Normannen/Engländer ab 1169 und besonders die systematische Besiedelung der nördlichen Provinz Ulster durch Engländer und Schotten ab 1609. Diese Besiedelung, Plantation of Ulster genannt, führte innerhalb relativ kurzer Zeit zur Enteignung der irischen Bevölkerung zugunsten der neuen Siedler. In der Folge kam es immer wieder zu Aufständen seitens der katholischen Iren. Diese brachten allerdings keine Verbesserung, sondern hatten nur eine weitere Entrechtung der Katholiken zur Folge.

So wurden im Jahre 1695 zum Beispiel die sogenannten Strafgesetze (Penal Laws) erlassen. Diese richteten sich in unterschiedlichem Maße gegen alle Konfessionen außer der Anglikanischen. 1801 wurde das Unionsgesetz (Act of Union) erlassen, welches Irland in das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Irland eingliederte und das irische Parlament auflöste.

Mit dem Erstarken des Nationalismus im 19. Jahrhundert in Europa bilden sich auch in Irland nationalistische Gruppierungen, die für eine Loslösung von der Union und für ein unabhängiges Irland eintraten. Die Home-Rule-Bewegung, geführt von Charles Stewart Parnell, setzte sich für die politische Autonomie der Insel ein. Der liberale britische Premierminister William Gladstone griff die Idee auf, scheiterte aber zwei Mal (1886 und 1895) im britischen Parlament mit seinen Gesetzesentwürfen zur Home-Rule. Besonders die Protestanten in der Provinz Ulster wehrten sich massivst gegen die Autonomiebestrebungen.

Nach dem Scheitern der Home-Rule-Bewegung gründete der irische Politiker und Journalist Arthur Griffith 1905 die Sinn Féin. Am 24. April 1916 (Ostersonntag) kam es zu einem Aufstand in Dublin, in dessen Folge das Postamt besetzt und eine Provisorische Regierung Irlands ausgerufen wurde. Dieser sogenannte Osteraufstand wurde aber bereits nach fünf Tagen durch britische Truppen niedergeschlagen und die Anführer hingerichtet. Die Sinn Féin und die ihr nahestehende Irisch-Republikanische Armee (Irish Republican Army, IRA) erhielten durch die Empörung in der Bevölkerung über die Hinrichtungen großen Zulauf.

Die Teilung Irlands (1921)

Bei den Unterhauswahlen 1918 gewann Sinn Féin 80% der irischen Mandate, weigerte sich jedoch die Vertretung im Londoner Parlament zu übernehmen. 1919 wurde der Dáil Éireann gegründet, das erste irische Parlament seit 1801, der einseitig die unabhängige irische Republik ausrief. Das britische Parlament erklärte den Dáil umgehend für illegal und in der Folge kam es zum irischen Unabhängigkeitskrieg (1919 bis 1921).

Ab Juli 1921 nahm der britische Premierminister David Lloyd George Verhandlungen mit der Sinn Féin, unter Vorsitz von Arthur Griffith und Michael Collins, auf. Ende 1921, wurde nach fünfmonatigen Gesprächen ein Unabhängigkeitsvertrag unterzeichnet, der sogenannte anglo-irische Vertrag. Irland erhielt den Status eines Freistaats innerhalb Großbritanniens. Sechs der neun Grafschaften Ulsters stimmten in einer Volksabstimmung aber für den Verbleib bei Großbritannien.

Diese Grafschaften, mit überwiegend protestantischer Bevölkerung, erhielten bereits 1920, unter dem Government of Ireland Act, als Nordirland, eine eigenständige politische Einheit mit eigenem Parlament und eigener Verfassung. Der irische Freistaat betrachtete die Teilung nur als vorübergehend, diese blieb allerdings bis heute aufrecht.

Nordirland hat circa 1,7 Millionen Einwohner von denen 40% katholisch, 20% presbyterianisch und 15% Mitglieder der Anglikanischen Kirche sind (Zahlen 2001). Die Enttäuschung bei der katholischen Bevölkerung in Nordirland ist groß, die Diskriminierung der Katholiken dort verstärkt sich.

Die einen verstehen sich nun als pro-britische Unionisten; sie sind meist Protestanten. Die anderen sehen sich als pro-irische Nationalisten oder Republikaner; sie sind meist Katholiken.

Während im Zweiten Weltkrieg Nordirland einen wirtschaftlichen Aufschwung durch die Rüstungsindustrie (Schiffbau, Flottenstützpunkte, Luftwaffenbasen) erlebt, kommt es ab 1945 zu einem Niedergang, besonders in den großen Städten Belfast und Derry. Den katholischen Bevölkerungsteil trifft es besonders hart.

Die Unruhen

Eine Eskalation erlebte der Konflikt am 12. August 1969. An diesem Tag stürmten in der nordirischen Stadt Londonderry ("Derry") Protestanten den katholischen Stadtteil Bogside und provozierten die katholischen Bewohner indem sie den 280. Jahrestag der Befreiung Derrys von den Katholiken feierten. Die katholische Bevölkerung verbarrikadierte sich und lieferte sich Straßenschlachten mit den Prostestanten. Nach zwei Tagen der Unruhen rief der nordirische Premierminister die britische Armee zu Hilfe, nachdem die nordirische Polizei und paramilitärische Einheiten nicht in der Lage gewesen waren die Unruhen zu beenden. Nach dem Einsatz der Armee beruhigte sich die Lage rasch. Großbritannien wurde somit gezwungen sich aktiv an dem Konflikt zu beteiligen und zu vermitteln, nachdem es seit der Unabhängigkeit Irlands den Konflikt praktisch der lokalen Regierung überlassen hatte. Die IRA spielte zu diesem Zeitpunkt noch keine Rolle. Sie war zwar bereits um 1913 gegründet worden, konnte sich aber bis zu diesem Zeitpunkt nicht als schlagkräftige Organisation formieren. Erst durch die Zwischenfälle im Jahr 1969 erhielt die IRA genügend Zulauf und Unterstützung, so dass sie ab dem Jahr 1970 schließlich zu einem ernstzunehmenden Gegner in einer Art von Guerillakrieg wurde.

Besonders in Belfast leben viele Katholiken in Arbeitervierteln mit hoher Arbeitslosigkeit, auch bei Jugendlichen. Es kommt zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen, zum Niederbrennen ganzer Straßenzüge und zur Vertreibung vieler Menschen aus ihren Häusern. Ghettos entstehen, in denen fast nur Protestanten oder nur Katholiken leben. Die Polizei wird der Situation nicht mehr Herr, die Armee wird gerufen (z.B. im Konflikt um die Holy Cross-Grundschule). Schulen haben entweder protestantische oder katholische Schüler. Das britische Mehrheitswahlrecht und die Wahlkreisziehung begünstigt unionistische gegenüber republikanischen Kandidaten. Häufige Kontrollen, Hausdurchsuchungen und die Politik der Internierung verdächtiger Menschen schüren die Gewalt. Geld für die Untergrundarmee IRA kommt aus den Vereinigten Staaten, wo viele Irischstämmige leben. Der wirtschaftliche Niedergang (weniger Auslandsinvestitionen, Emigration) verstärkt sich, führt erneut zu höherer Arbeitslosigkeit. Bis zu 4.000 Tote sind zu beklagen.

Die Verhandlungen

Die Vertreter von SF und SDLP ringen nun mit UUP und DUP um eine Lösung in Nordirland. Langjährige Verhandlungen müssen die legitimen Interessen der Unionisten wie der Republikaner berücksichtigen; die Republik Irland und England stecken ihr Territorium ab. London fordert Dublin auf, vom Verfassungsziel einer Wiedervereinigung Irlands abzugehen. Mit dem Karfreitagsabkommen von 1998 wird dies erreicht; Englands Zugeständnis ist eine Reform der Polizei und eine stärkere Beteiligung der SF an der Verwaltung Nordirlands. Volksabstimmungen zeigen, daß die Bevölkerung der Gewalt müde ist; das Leben in Nordirland beginnt sich zu normalisieren.

Die aktuelle Situation in Nordirland

Am 28. Juli 2005 erklärte die IRA den bewaffneten Kampf für beendet. Radikale Splittergruppen beider Seiten sind nach wie vor gewaltbereit. Bei Ausschreitungen in Dublin im Rahmen des Nordirlandkonflikts wurden am letzten Februarwochenende 2006 25 Menschen verletzt, gefolgt von einer anschließenden Entschuldigung des Sinn-Fein-Chefs. Immer wieder kommt es zu Vorfällen, die direkt oder indirekt mit paramilitärischen Organisationen zu tun haben. Auch die Spannungen zwischen den beiden Konfessionsgruppen enden nicht nur bei den Paraden des Öfteren in Gewaltakten. So wurde zum Beispiel der katholische 15-jährige Michael McIlveen im Mai 2006 von protestantischen Jugendlichen mit Baseballschlägern zu Tode geschlagen.

Die Konfliktparteien

irische / nationalistische (katholische) Seite

Die Nationalisten streben eine Loslösung von Großbritannien und eine Vereinigung mit der Republik Irland an.

unionistische / loyalistische (protestantische) Seite

Die Unionisten wollen Teil des Königreichs bleiben.

Britische Regierung

Die Nordirlandminister der britischen Regierung regieren Nordirland, wenn dieses nicht dazu in der Lage ist.

Das Ziel einer Vereinigung mit Nordirland war in der Verfassung festgeschrieben. Im Zuge des Karfreitagsabkommens verzichtete Irland nach einem Volksentscheid auf diesen Anspruch; der Passus wurde gestrichen.

Siehe auch

Geschichte Irlands, Geschichte Nordirlands, Ulster

Literatur