Magical Girl

Genre von Anime und Manga
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 25. Juni 2021 um 18:06 Uhr durch Don-kun (Diskussion | Beiträge) (Einzelnachweis ergänzt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Magical Girl (japanisch 魔法少女 mahō shōjo auch 魔女っ子 oder 魔女っ娘, majokko, je dt. „magisches Mädchen“) bezeichnet sowohl ein Genre von Animes und Mangas, als auch dessen Heldinnen. Diese sind gewöhnliche Schulmädchen, die magische Fähigkeiten erlangen, um damit das Böse zu bekämpfen und die Welt zu retten. Magical-Girl-Produktionen richten sich vorwiegend an weibliches, jugendliches Publikum (Shōjo). Sie sind allerdings nicht auf diese Zielgruppe beschränkt, sondern erreichen beispielsweise auch männliches, erwachsenes Publikum.[1]

Moe-Anthropomorphismus des Opera-Browsers als Magical Girl

Motive und Konzepte

Allgemeine Charakteristika

Das Genre ist ein Untergenre der Fantastik beziehungsweise der Fantasy. Es kann als komplexere, weibliche Variante der amerikanischen Superhelden-Comics verstanden werden.[2][3] Hauptzielgruppe sind in Japan Mädchen zwischen vier und zwölf Jahren, zu den Lesern und Zuschauern gehören aber zunehmend auch Männer bis Mitte Vierzig.[4][5]

Das Magical Girl als Hauptfigur(en) der Werke des Genres gehört zu den wichtigsten Archetypen in Anime und Manga.[6] Es ist geprägt nicht durch inhaltliche Kategorien der Erzählung, sondern durch die Ausarbeitung der Charaktere:[7] Hauptfigur ist ein Mädchen – oder eine Gruppe – das meist Schülerin zwischen 8 und 16 Jahren ist und sich mit Hilfe eines magischen Gegenstands wie einem Zepter verwandeln kann. In dieser anderen Gestalt bekämpft sie meist die Kräfte des Bösen. In ihrem Alltag ist sie aber eher durchschnittlich, naiv, faul, tollpatschig oder schlecht im Sport, jedenfalls fällt sie nicht besonders positiv auf. Gruppen von Magical Girls, die seit Sailor Moon vorkommen, entstanden aus der Übernahme dieses Konzepts aus Super-Sentai-Serien wie Power Rangers. Sowohl die zunächst eher als durchschnittlich gezeichneten Charaktere als auch die Vielfalt innerhalb einer Gruppe von Heldinnen und damit vielfältige Identifikationsangebote erleichtern die Identifikation bei den Rezipientinnen.[5][2][7] Das Leben der Protagonistinnen mit zwei Identitäten, der alltäglichen und der magischen, zwischen denen durch eine Verwandlung gewechselt wird, kann neben den magischen Fähigkeiten als ein definierendes Merkmal des Genres angesehen werden.[8][3]

Das Magical Girl ist auf seinen Abenteuern auch selten ohne Unterstützung in Form eines kleinen, übernatürlichen Wesens wie beispielsweise einer Fee oder Katze,[1] die als Berater, Trainer und als Helferfigur bei der Erlangung der Kräfte und oft auch den Verwandlungen spielt. Die nach der Verwandlung beginnenden Kämpfe finden oft in sekundären, magischen Welten statt. Nach dem Ende des Kampfes kehren die Protagonisten in ihre, die „reale“ Welt zurück. Die Verwandlungssequenzen können auch als Repräsentanz dieser Erwachsenwerdung der Protagonistin gesehen werden. Die im Kampf eingesetzten Kräfte werden oft nicht weiter oder nur rudimentär erklärt, bisweilen werden plötzlich neue Kräfte in Form eines deus ex machina eingeführt.[2] Bisweilen stammen die Kräfte aus einer vergessenen Vergangenheit, Identität oder früherem Leben der Heldin.[3]

Ein oft wiederkehrendes Thema des Magical-Girl-Genre ist unschuldige Liebe, entweder auf platonischer Ebene zwischen den Magical Girls oder als Konzept und Quelle der magischen Kräfte der Mädchen.[9] Auch Aufopferungsbereitschaft oder gar das Bemuttern ist ein wichtiges Motiv. Während es in älteren Serien noch in Bezug auf das eigene Lebensumfeld stattfindet, wird es später auf die gesamte Welt übertragen, die es zu retten gilt.[4] In jüngerer Zeit wird in einigen Texten als Gegenstück zum traditionellen Magical Girls das Dark Magical Girl beschrieben: Durch Eifersucht auf die Heldin und der Suche nach Anerkennung getrieben. Das Dark Magical Girl ist meist durch seine traumatische Vergangenheit (z. B. physische- oder emotionale Gewalt oder sogar sexuelle Übergriffe) geprägt und ist deshalb abweisend, distanziert und unhöflich sowie einsam.[10][11][6] „Magical Boys“, die als männliches Äquivalent der Mädchen auftreten, sind eher selten. Einige treten als Helfer der Magical Girls auf. In D.N.Angel ist der Protagonist ein Magical Boy.[2]

Transformation

Typisch für Magical Girl sind sich wiederholende Verwandlungssequenzen (henshin) sowie das Spiel mit den sich daraus ergebenden mehreren Identitäten.[12] Diese sind im Anime mehr als im Manga von hohem Wiedererkennungswert und stellen einen Wendepunkt in einem Handlungsbogen dar.[2][7] Die Verwandlung von Schulmädchen zum Magical Girl wird oft mit Hilfe eines Transformationsobjekts durchgeführt und durch magische Worte begleitet. Die Transformation geschieht unabhängig von Situation und Zeit, so werden Heldinnen beispielsweise nie während ihrer Transformation von ihren Gegnern angegriffen. Die Verwandlungssequenz (auch Magical-Girl-Transformation) wiederholt sich mit jeder Verwandlung und stellt eine Folge von Veränderungen während der Verwandlung dar. Oft zeigt sie das Mädchen und einzelne Körperteile des Mädchens (z. B. Augen, Oberkörper, Arme, Beine) vor oder nach der Verwandlung und endet in einer dynamischen, Signatur-Pose der Heldin in voller Magical-Girl-Montur. Manche Transformationen enthalten kurze Nacktaufnahmen der Heldin, wobei primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale oft durch Hände, Haare, Blütenblätter, oder ähnliches verdeckt werden. Die magische Atmosphäre wird durch Themensong, Glitzer, Blumen und sonstige feminine Aspekte geschaffen. Selten gibt es auch Sequenzen, die die Rückverwandlung von Magical Girl in Schulmädchen zeigen. Meistens wird stattdessen aber Gebrauch von sofort Transformationen gemacht, die die Verwandlung in einer einzigen Sequenz darstellen.[13] In den Verwandlungsszenen kann auch ein Einfluss des Tokusatsu-Genres gesehen werden, in dem mit umfangreichem Einsatz an Spezialeffekten Kämpfe gegen Monster inszeniert werden.[5] Insofern sind Transformationen an sich nicht nur für Magical Girl charakteristisch, doch werden sie in diesem Genre in anderer Weise eingesetzt: verwandeln sich in an Jungen gerichtete Serien meist Maschinen und Waffen, sind es bei Magical Girl die Körper selbst. Und danach ausgetragene Kämpfe oder Konfliktbewältigungen sind stärker auf friedliche Lösungen ausgerichtet.[14]

Das Genre behandelt darüber hinaus die Entwicklungen des kindlichen Körpers, sowie der Psyche während der Pubertät. So soll der Zielgruppe die Möglichkeit gegeben werden sich mit den Problemen der Heldinnen zu identifizieren und ihre Reifung mitzuverfolgen.[9] Dazu wird zum einen der Wunsch nach Selbstinszenierung behandelt, indem die monotone Schuluniform gegen das knallige Magical-Girl-Outfit getauscht wird.[7][9] Doch ist das Kostüm der Alltagskleidung, insbesondere japanischen Mädchenschuluniformen, jedoch oft so ähnlich, dass es erstaunen kann, dass ein Magical Girl mit einer so geringen Verkleidung im Alltag nicht erkannt wird. Diese Ähnlichkeit kann die Identifikation der Rezipientinnen, die die obligatorische Schuluniform tragen müssen, noch erleichtern.[7] Andererseits wird auch das körperliche Reifen während der Pubertät behandelt, indem die Heldinnen nach getaner Verwandlung gereifte Körper und Styling Elemente erwachsener Frauen wie Stöckelschuhe und Make-Up aufweisen.[9] Doch sind die Protagonistinnen nach der Verwandlung meist zwar fraulicher, aber nicht gänzlich erwachsen und erotisiert in knapper, aufreizender Kleidung.[4] Auch psychisch verändert sich die Heldin: So ist sie zumeist zu Beginn ihrer Geschichte kindisch, sogar tollpatschig und auf unterhaltsame Tätigkeiten mit ihren Freundinnen fokussiert. Während die Heldinnen zunächst Angst vor ihren magischen Kräften haben, lernen sie im Laufe der Handlung selbstsicherer mit ihren Kräften umzugehen und das Schicksal des Universums ohne Klagen auf ihren Schultern zu tragen. Die geistige Entwicklungen des Magical Girls wird oft auch durch die Veränderungen ihres Outfits visualisiert, die immer aufwändiger und prächtiger werden und spiegelt sich auch in ihren ständig wachsenden magischen Fähigkeiten wieder.[9] Die Verwandlungssequenzen können auch als Repräsentanz dieser Erwachsenwerdung und charakterlichen Weiterentwicklungen der Protagonistin gesehen werden.[2][3] Jedoch ist die Transformation und Reifung der Figuren meist nur vorübergehend und sie fallen dann wieder zurück in ihren vorherigen Status, ohne innerhalb der Geschichte wirklich erwachsen zu werden.[15]

Emanzipation

Das Genre beschreibt die Geschichten junger Mädchen, die zu Großem auserkoren sind, sich furchtlos Herausforderungen stellen und gegen das Böse kämpfen – ein Narrativ, das in Form von Superheldencomics (z. B. Spiderman, Batman, oder Iron Man) vorwiegend Jungen vorbehalten war. Für die Heldinnen ist ihre Weiblichkeit die Voraussetzung, um ein Magical Girl zu werden und magischen Kräfte zu erlangen.[16][4] Dabei erwächst durch die Transformation zum einen große Macht und dadurch Empowerment, auf der anderen Seite sind die dafür nötigen Gegenstände in der Regel „typisch weiblich“ und binden die Figuren damit umso fester an die ihr zugeschriebene Rolle.[4] Männliche Charaktere sind in der Regel nur im Kontext von unterstützenden Partnern, oder Gegnern vorhanden, denen gegenüber sich die Heldin beweisen muss. Dies wird weiter durch Handlungen unterstrichen, in denen das Magical Girl ihren Partner beschützen, oder aus der Gewalt ihrer Gegner befreien muss.[16]

Aber nicht nur der Konflikt zwischen Mädchen und Jungen wird durch das Magical-Girl-Genre behandelt, auch der Konflikt mit erwachsenen Bezugspersonen (z. B. der Mutter) wird behandelt. Dazu wird betont, dass die Kraft der Magical Girls in seiner Jugend liegt. In manchen Produktionen verliert das Magical Girl sogar seine Kräfte sobald es erwachsen wird. Weiters sind die Gegnern der Magical Girls in der Regel erwachsen aussehende Charaktere – oftmals Hexen die durch ihre kurvige Körperform und ihr starkes Make-up charakterisiert sind.[16][9] Sugawa Akiko stellt fest, dass Magical Girls im Gegensatz zu westlichen Heldinnen viele als weiblich konnotierten Eigenschaften behalten oder gar besonders betonen. Sie sind fürsorglich und werden oft als besonders niedlich dargestellt. So seien sie zudem weniger bedrohlich für Männer.[5]

Historische Entwicklung

Als erster Magical-Girl-Anime gilt Mahōtsukai Sally. Die auf dem gleichnamigen Manga von Mitsuteru Yokoyama basierende Produktion wurde von 1966 bis 1968 ausgestrahlt. Sowohl Manga als auch seine Anime-Adaption wurden durch die US-Sitcom Verliebt in eine Hexe inspiriert und handelt von einer Magierin, die aus dem Magischen Königreich auf die Erde gekommen ist.[5][17][3] Den ersten Magical-Girl-Manga gab es schon davor: Himitsu no Akko-chan von Fujio Akatsuka erschien zwischen 1962 und 1965 und erzählt von einem Mädchen, das durch eine gute Tat magische Kräfte verliehen bekam.[5][3][18] Beide Serie begründeten verschiedene Typen von Magical Girls: Die von außen auf die Erde kommende und Wunder bringende Hexe und das wohltätige Mädchen, das mit Magie belohnt wird und weitere gute Taten tut.[5][4] Mit ihnen wurde die Figur der Hexe auch erstmals in den japanischen Medien positiv besetzt – durch westlichen Einfluss. Die japanische Berghexenfigur Yamauba spielt bis heute keine Rolle in der Populärkultur, auch nicht bei Magical Girls.[4] Die Ursprünge des Genres werden von einigen Autoren auch im damaligen Shōnen-Manga mit Superhelden gesehen, wie Golden Bat und Astro Boy.[2]

Es folgten weitere Serien in den 1970er Jahren, drunter Majokko Megu-chan, aus der die Bezeichnung „Majokko“ („kleine Hexe“ oder „Hexenmädchen“) für die Protagonistinnen des Genres entstand. Die Serien des Jahrzehnts brachten mehr Fokus auf Freundschaft zwischen Mädchen und die Figuren wurden stärker als selbstständige Charaktere porträtiert, was einen Einfluss der wachsenden Frauenbewegung zeigt.[5] Auf Seiten der Anime-Produktion wurde das Genre in dieser Zeit von Tōei dominiert und folgten mit aus einer fremden Welt kommenden Hexen dem Vorbild von Sally.[5][4] In der Regel erschien sowohl ein Anime als auch ein Manga zu der Geschichte und meist brachte eine neue Serie auch eine neue Variation des Themas, eine andere Rolle, Kräfte oder Hintergrundgeschichte der Protagonistin ein.[3] Die Bezeichnung „mahō shōjo“ („Magical Girl“) wurde zum ersten Mal 1980 in Tōeis Produktion Mahō Shōjo Lalabel genutzt.[19] Ab den 1980ern traten weitere Studios hinzu, bei denen Serien entstanden, die auch ein männliches Publikum fanden. Darunter die Werke Mahō no Princess Minky Momo (1982) und Mahō no Tenshi Creamy Mami (1983). Beide verwandelten sich in erwachsene Frauen, wenn sie ihre Kräfte einsetzen.[5][14] Letztere Serie war die erste in einer Reihe von explizit als „Magical Girl“ bezeichneten Animes.[19] Viele dieser Serien aus den 1980er Jahren entstanden beim Studio Pierrot und kamen durch Sponsoring für Spielzeuge, insbesondere magische Zepter, zustande, die mit den Serien beworben wurden. Entsprechend standen diese Serien stärker in der Tradition von Akko-chan, da für die Verwandlung die den Erhalt der Magie ein Artefakt nötig wird, das dann auch vermarktet werden kann. Das Motiv des gewöhnlichen Mädchens, das magische Kräfte erhält, setzte sich in Folge als vorherrschend durch.[14][4]

Die Entwicklung zu selbstständigeren Protagonistinnen setzt sich fort und an die Stelle der früher trotz magischer Kräfte eher passiven, überfemininen Mädchen traten von männlichen Charakteren autonome Figuren, die weniger an weibliche Stereotype gebunden waren, ohne Weiblichkeit aufzugeben.[2] Seine Hochphase erlebte das Genre 1991 mit der Veröffentlichung von Sailor Moon von Naoko Takeuchi. Der Manga und seine Anime-Adaption revolutionierten das Magical-Girl-Genre und führten erstmals eine Gruppe von Magical Girls ein, die gemeinsam dem Bösen und ihren Alltagsproblemen gegenüberstehen. Inspiriert durch Tokusatsu- und Super-Sentai-Serien entstand eine heute für das Magical-Girl-Genre charakteristische Transformationssequenz, in der sich das einfache Schulmädchen in ein Magical Girl verwandelt. Die Geschichte von Sailor Moon verband zudem die beiden Typen aus Akko-chan und Sally: Die Protagonistin ist sowohl eine Schülerin aus dem Alltag, die magische Kräfte für gute Taten erhält, als auch eine magische Prinzessin eines fremden Reiches.[5][3][4] Damit zählt die Serie zu den bedeutendsten Werken des Genres im klassischen Sinne und kam 1998 als erster auf den deutschen Markt. Zur Verbreitung der Magical-Girl-Anime im deutschen Sprachraum trug vor allem der deutsche Fernsehsender RTL II bei. So erfolgte die Erstausstrahlung der Sailor-Moon-Anime-Adaption am 13. Oktober 1995 auf ZDF, ab der zweiten Staffel übernahm RTL II aber die Ausstrahlung der insgesamt 200 Episoden. RTL II verschaffte auch weiteren Magical-Girl-Animes wie Wedding Peach (2001), Doremi (2001) und Kamikaze Kaito Jeanne (2001) zur deutschen Ausstrahlung. ProSieben zeigte 2003 Card Captor Sakura.[20] Dennoch blieb das Genre, anders als in Japan, eine auf wenige Serien beschränkte Ausnahmeerscheinung.[4]

Nach dem Erfolg von Sailor Moon entstanden viele weitere Werke des Genres.[3][5] Die Gesamtzahl und Häufigkeit der Serien im klassischen Stil des Genres nahm jedoch ab 2000 wieder ab, was auch an der durch den demografischen Wandel schwindenden Zielgruppe kleiner Mädchen liegt.[14] Doch setzte eine Entwicklung zu mehr inhaltlicher Vielfalt einschließlich anspruchsvollerer Themen ein.[3][5] 2004 erschien die Serie Mahō Shōjo Lyrical Nanoha, die die gleichen stilistischen Mittel verwendet wie bisherige Magical-Girl-Serien, jedoch physische Gewalt zeigt und sich an älteres männliches Publikum richtet. Puella Magi Madoka Magica, ebenfalls von Akiyuki Shimbō, greift das Genre auf, stellt es jedoch mit seiner düsteren Handlung und erwachsenen Themen auf den Kopf.[21][22][5] In Serien wie Little Witch Academia lebt dagegen das Thema der jungen Hexe wieder auf.[5]

Rezeption

Mit der größeren Popularität des Genres in den 1980er und 1990er Jahren wurde es zu einem wichtigen Faktor in der Weiterentwicklung von Shōjo-Manga.[7]

Neben die ursprünglich vorherrschende weibliche Zuschauer- und Leserschaft vor allem im Kindesalter traten ab den 1980er Jahren auch ältere, männliche Rezipienten. Dies kam für die Macher der Animeserien zunächst überraschend, waren die Geschichten doch für Mädchen als Zielgruppe gemacht. Doch in der wachsenden Anime- und Manga-Fankultur fanden sich zunehmen auch viele Jungen und Männer, die die Niedlichkeit der Protagonistinnen und die Abwechslung einer eher friedfertigen Konfliktlösung schätzen, die sich auch in eine Welt magischer, niedlicher Mädchen wünschen. In diesem Sinne stehen die männlichen Konsumenten von Magical Girl auch oft in Verbindung mit dem Begriff Moe, der besondere Zuneigung zu fiktiven Charakteren auf Grund bestimmter Eigenschaften und besonders Niedlichkeit bezeichnet.[14]

Auseinandersetzung mit Geschlecht und Sexualität

Das Genre dreht sich um junge, feminine Kämpferinnen und wurde in westlichen Ländern immer wieder für seine feministische Botschaft gelobt. Diese Ansicht wird durch Studien unterstützt, die zeigen, dass weibliche Fans in ihrem Konsum der Magical-Girl-Produktionen vor allem auf individuelle Eigenschaften der Heldin fokussiert sind und dadurch positive Selbstwahrnehmung und Ermächtigung erfahren. Andererseits argumentieren einige, dass die von Magical Girls ausgehende Fixierung auf Weiblichkeit traditionelle Geschlechterrollen verfestigt, anstatt sie aufzulösen. So könnten Elemente wie klassisch weibliche Transformationsobjekte und die femininen Kostüme der Mädchen die Botschaft senden, dass nur die, die traditionelle Weiblichkeit leben, Macht erlangen können. Weiters könnte die Fixierung auf die Jugend der Heldinnen und der enge Zusammenhang zwischen Jugend und magischen Kräften Altersdiskriminierung vermitteln.[23][24] Gegen die These, moderne Frauenbilder seien bewusst Teil der moderneren Werke des Genres, spricht Stefan Köhn mit einer Analyse, die auf die Einflüsse finanzieller Interessen in der Animeproduktion hinweist und die mächtigeren, selbstständigeren Protagonistinnen auf eine Verschmelzung der beiden klassischen Magical-Girl-Linien mit den Kampf-Motiven des Shōnen-Manga zurückführt – beides im Ringen um die Aufmerksamkeit von Zielgruppen erfolgsversprechende Konzepte. Dennoch habe das Ergebnis in Form der modernen Magical Girls fraglos auch den Zeitgeist getroffen.[4]

In seiner Betrachtung der Psychologie und Sexualität von Otaku stellt Tamaki Saitō das schöne, kampfende Mädchen in den Mittelpunkt. Zu einer der „Abstammungslinien“ dieser schönen, kämpfenden Mädchen zählt er das Magical Girl und dessen wichtigstes Werk Sailor Moon auch als einen wesentlichen Vertreter archetyptischer kämpfender Mädchen in Manga und Anime.[25]

LGBT-Repräsentation

Vor allem in der LGBT-Gemeinschaft (lesbisch, schwul, bisexuell, transgender) finden Magical-Girl-Produktionen wegen ihrem Fokus auf gleichgeschlechtliche Beziehungen Anklang. Zwar sind die Beziehungen der Magical Girls untereinander nicht ausdrücklich sexueller Natur, sie enthalten jedoch oft romantische Elemente. Aufgrund dessen waren sie laut vieler Angehöriger der LGBT-Gemeinschaft augenöffnend für ihre sexuelle Orientierung. Einige Magical-Girl-Produktionen kommen sogar gänzlich ohne männliche Charaktere aus und zeigen eine pseudo-lesbische Utopie, in der Frauen ohne Männer zusammenleben. Auch gleichgeschlechtliche Paare oder Cross-Dressing werden in Werken des Genres auf nicht sexualisierte Weise, als üblicher Teil der Realität dargestellt und normalisiert.[24]

Sexualisierung Minderjähriger

Das klassische Magical-Girl-Genre zeigt minderjährige Schulmädchen beim Kampf um Gerechtigkeit. Dabei tragen sie in der Regel Schuluniformen mit kurzen Miniröcken. Eine Sexualisierung, die von vielen Konsumenten, aber auch der Medienforschung kritisiert wird.[23][26] Die Darstellung von Nacktheit in der Transformationsszene wurde von Go Nagai mit der an Männer gerichteten Serie Cutie Honey eingeführt, deren erwachsene Protagonistin bei ihren Verwandlungen ihre Kleidung verliert. Solche Szenen wurden später auch in die Verfilmungen weiterer Magical-Girl-Serien übernommen. So auch bei Sailor Moon, das in der Manga-Vorlage keine Nacktheit zeigte. In diesem Fall beschuldigte die Zeichnerin Naoko Takeuchi die männlichen Animatoren, für die Änderungen verantwortlich zu sein.[3] Einige Produktionen treiben diese Tendenz weiter und zeigen in Form von Fan-Service die Unterwäsche oder die Beine der Mädchen. Manche Transformationssequenzen zeigen weiters Nahaufnahmen der sekundären Geschlechtsmerkmale der Heldin. Tatsächlich zeigen Studien, dass männliche Fans sexuelle Anziehung zu Heldinnen von Animationsserien, wie beispielsweise Sailor Moon empfinden. Diese Sexualisierung Minderjähriger, genauso wie das Verlangen nach derartigen Darstellungen, werden in Japan als Lolicon bezeichnet und sind Anlass für Kritik. Andererseits zeigen Studien eine deutliche Diskrepanz männlicher und weiblicher Blickweisen. So werden Eigenschaften, die von männlich-identifizierenden Personen als „sexy“ eingestuft werden, durch jungen Mädchen oftmals als „niedlich“ wahrgenommen. Bisherige Forschung auf dem Gebiet der Rezeption wurde bisher vorwiegend durch männliche Forscher basierend auf Einschätzungen männlicher Konsumenten und Kritiker durchgeführt und die eigentliche Zielgruppe minderjähriger Mädchen wurde außer Acht gelassen.[23][26]

Fandom

Cosplay

Cosplay, das Verkleiden als Charaktere aus Anime oder Manga, spielt im Bereich Magical Girls eine große Rolle. Auch männlich aussehende Personen sind vom Cosplayen als Magical Girl nicht ausgeschlossen. Das „Crossplay“ eines Charakters des anderen Geschlechts ist ein traditioneller Teil der Verkleidungspraxis. Dabei kann Crossplay ernsthaft, oder aber als Element der Komik oder Kunst durchgeführt werden und zum Beispiel in einem Magical Girl mit Minirock und Schminke, aber behaarten Beinen und bärtigem Kinn resultieren. In Japan werden solche Männer in Mädchen-Schuluniformen als „Lady Beards“ bezeichnet oder, im speziellen Fall von Sailormoon-Crossplay, als „Sailor Suit Ojisans“. Einer der bekanntesten Crossplayer machte in den frühen 2000ern auf der Anime Central in Amerika sein Debüt, wo er als „Sailor Bubba“, einer Sailor-Moon-Variante mit Ziegenbart und kurzen gelben Zöpfchen auftrat.[9]

Merchandise

Die meisten Magical-Girl-Produktionen werden zusammen mit Merchandising vermarktet, das nicht nur auf junge Mädchen, sondern auch auf älter werdende und männliche Fans ausgelegt ist. Das Merchandise kann von Spielfiguren, Stofftieren und Nachbildungen der Transformationsobjekte bis hin zu Postern und menschengroßen Kissen der Magical Girls gehen. So bietet Sailor Moon-Merchandise beispielsweise Replikas der Kristalle, aber auch Dessous. Das erste Beispiel für Magical-Girl-Merchandise ist die Merchandise-Linie zu Himitsu no Akko-chan.[9] Die Auswertung der Serien in möglichst vielen Produkten oder der Lizenzverkauf stellt einen erheblichen Teil der Einnahmen beziehungsweise der Finanzierung insbesondere von Animeproduktionen dar. Daher spielt die kommerzielle Verwertbarkeit auch im kreativen Prozess bereits eine große Rolle und spätere Verwerter wie Spielzeugproduzenten gehören zu den Sponsoren, die im Produktionskomitee den Entstehungsprozess mitlenken.[4]

Westliche Produktionen

Die westliche Kultur behandelte Mädchen mit übernatürlichen Kräften lange nur im Kontext von Besessenheit und thematisierte die Instabilität ihrer Persönlichkeit als Grund für die Besitznahme ihres Körpers durch böse Geister. Die Rolle weiblicher Heldinnen war erwachsenen Frauen vorbehalten, deren starke Sexualisierung durch enge, erotische Kleidung, männliche Konsumenten zufriedenstellen sollte und darauf ausgelegt war, sie von männlichen Superhelden abzugrenzen. So konnten wegen ihrer erwachsenen Protagonistinnen weder Wonder Woman noch Xena – Die Kriegerprinzessin oder Lara Croft als Magical Girls bezeichnet werden. Westliche Produktionen, die in die Definition des Magical-Girl-Genres fallen, sind beispielsweise die Fernsehserie Sabrina – Total Verhext!, Buffy – Im Bann der Dämonen oder der italienische Comic W.i.t.c.h.[5] Im Trickfilmsegment können zudem Jem, bereits in den 1980ern erschienen, und Powerpuff Girls zu den Magical-Girl-Serien gezählt werden.[3]

Einzelnachweise

  1. a b Andrea Ossmann: Phänomen Manga. Die Entstehungsgeschichte japanischer Comics und ihre Bedeutung für deutsche Verlage und Bibliotheken. Hrsg.: Diplomarbeit an der Fachhochschule Stuttgart – Hochschule der Medien. 2004, S. 49 f.
  2. a b c d e f g h Kristin Eckstein: Shojo Manga. Universitätsverlag Winter Heidelberg, Heidelberg 2016, S. 36–38.
  3. a b c d e f g h i j k l Jason Thompson: Manga. The Complete Guide. New York 2007, Del Rey, ISBN 978-0-345-48590-8, S. 199f. (englisch)
  4. a b c d e f g h i j k l m Stephan Köhn: Magical Girl als alternative Gender-Räume im Anime. In: Japanische Populärkultur und Gender. Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-658-10062-9, S. 53, 58–62, 67 f.
  5. a b c d e f g h i j k l m n o p Sugawa Akiko: Children of Sailor Moon: The Evolution of Magical Girls in Japanese Anime. In: Nippon.com. 26. Februar 2015, abgerufen am 23. Januar 2021 (englisch).
  6. a b Marc Hairston: Miyazaki's View of Shojo. In: Masami Toku (Hrsg.): International perspectives on shojo and shojo manga : the influence of girl culture. New York 2015, ISBN 978-1-317-61075-5, S. 101.
  7. a b c d e f Dinah Zank: Girls only!? - Japanische Mädchenkultur im Spiegel von Manga und Anime. In: ga-netchû! Das Manga Anime Syndrom. Henschel Verlag, 2008. S. 150f.
  8. Patrick Drazen: Anime Explosion! - The What? Why? & Wow! of Japanese Animation S. 123. Stone Bridge Press, 2002.
  9. a b c d e f g h J. Berndt, K. Nagaike, F. Ogi: Shōjo Across Media: Exploring „Girl“ Practices in Contemporary Japan. Hrsg.: Springer International Publishing. 2019, doi:10.1007/978-3-030-01485-8.
  10. Rise of the Dark Magical Girls. Anime News Network, abgerufen am 23. Januar 2021 (englisch).
  11. Henderson: The Problem with the Dark Magical Girl Genre. In: Anime Feminist. 9. März 2017, abgerufen am 24. Januar 2021 (amerikanisches Englisch).
  12. Ga-netchû! Das Manga-Anime-Syndrom S. 267. Henschel Verlag, 2008.
  13. Yarbrough: Releasing The Power Within: Exploring The Magical Girl Transformation Sequence With Flash Animation. 2014.
  14. a b c d e Patrick W. Galbraith: The Moé manifesto : an insider's look at the worlds of manga, anime, and gaming. Tokyo 2014, ISBN 978-4-8053-1282-7, S. 47 f., 50 f., 55 f., 61 ff., 114 f.
  15. Tamaki Saitō: Beautiful Fighting Girl. University of Minnesota Press, Minneapolis 2011, ISBN 978-0-8166-7657-6, S. 118.
  16. a b c N’Donna Rashi Russell: Make-Up!: The Mythic Narrative and Transformation as a Mechanism for Personal and Spiritual Growth in Magical Girl (Mahō Shōjo) Anime. Hrsg.: University of Victoria. 2017 (uvic.ca [PDF] Masterarbeit).
  17. Patricia Duffield: Witches in Anime. Hrsg.: Animerica Extra. 3. Auflage. Nr. 11, Oktober 2000.
  18. Masanao Amano: Manga Design. Taschen Verlag, Köln 2004, ISBN 3-8228-2591-3, S. 30.
  19. a b Aihara Ruriko: '80s &'90s 魔女っ子おもちゃブック ['80s & '90s Majokko Toy Book]. Hrsg.: Graphicsha. 2020, ISBN 978-4-7661-3346-2.
  20. Sumi-Chan: 100 Jahre Anime - Magical Girls: Die 80er- und 90er-Jahre. In: Sumikai. 26. Februar 2012, abgerufen am 24. Januar 2021 (deutsch).
  21. Jonathan Clements, Helen McCarthy: The Anime Encyclopedia: A Century of Japanese Animation. 3. Auflage. Stone Bridge Press, 2015, ISBN 978-1-61172-909-2, Eintrag: Puella Magi Madoka Magica.
  22. Jonathan Clements, Helen McCarthy: Lyrical Nanoha. In: Stone Bridge Press (Hrsg.): The Anime Encyclopedia: A Century of Japanese Animation. 3. Auflage. 2015, ISBN 978-1-61172-909-2.
  23. a b c Musings II: Magical Girls, or, Empowerment VS Sexism. In: Japan Powered. 8. November 2015, abgerufen am 24. Januar 2021 (amerikanisches Englisch).
  24. a b Kumiko Saito: Magic, Shōjo, and Metamorphosis: Magical Girl Anime and the Challenges of Changing Gender Identities in Japanese Society. In: The Journal of Asian Studies. Band 73, Nr. 1, Februar 2014, ISSN 0021-9118, S. 143–164, doi:10.1017/S0021911813001708.
  25. Tamaki Saitō: Beautiful Fighting Girl. University of Minnesota Press, Minneapolis 2011, ISBN 978-0-8166-7657-6, S. 90.
  26. a b Akiko Sugawa-Shimada: Shōjo in Anime: Beyond the Object of Men’s Desire. In: Shōjo Across Media. Springer International Publishing, Cham 2019, ISBN 978-3-03001484-1, S. 181–206, doi:10.1007/978-3-030-01485-8_8.