Endphaseverbrechen

nationalsozialistische Verbrechen der letzten Wochen und Monate des Zweiten Weltkrieges
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Dieser Artikel behandelt, Kriegsverbrechen begangen durch deutsche staatliche Organe und Zivilpersonen in der Endphase des Zweiten Weltkrieges.

Die Gestapokommandos und SS-Führungen wurden im Januar 1945 von den Gestapoleitstellen auf Anweisung des Reichsführers SS Heinrich Himmler und des Gestapo-Chefs Heinrich Müller vom Berliner Reichssicherheitshauptamt angewiesen, "umstürzlerische" Betätigung deutscher Linker und ausländischer Arbeiter vorzubeugen. "Die Betreffenden sind zu vernichten", hieß es in Befehlen dazu.

So wurden folgende Aktionen durchgeführt:

Dies entsprach dem Nachkriegs- und Überlebenskonzept des Nationalsozialismus. Die Befehlshaber, Kommandeure und "Unterführer" wollten den feindlichen Armeen nur "verbrannte Erde" hinterlassen (Politik der Verbrannten Erde). - Außerdem sollten keine Demokraten, Kommunisten, Sozialdemokraten, "widerspenstige" Pfarrer und sonstige Dissidenten übrigbleiben, damit der Neuaufbau schwer fallen sollte. - Auch die Spuren der Nazi-Verbrechen (zum Beispiel die Gaskammern in Auschwitz, die Konzentrationslager im Reich) sollten verwischt werden.

Gestapo-Chef Heinrich Müller : "Wir werden nicht den gleichen Fehler machen, der 1918 begangen wurde; wir werden unsere innerdeutschen Feinde nicht am Leben lassen."

Beispiele

Beispiele für Kriegsendphasenverbrechen in Deutschland sind (alphabetisch nach Ort):

  • Aachen, 25. März 1945: Franz Oppenhoff, nach der Einnahme Aachens durch die US-Armee von den Amerikanern als Oberbürgermeister eingesetzt, wird vor seinem Haus von einem nationalsozialistischen Kommando des Werwolf ermordet.
  • Bremen, Frühjahr 1945: 15 Deportierte aus dem Dorf Meensel-Kiezegem/Belgien kommen im KZ Neuengamme/Nebenlager Bremen-Blumenthal ums Leben. Am 1. August und 11. August 1944 wird das Dorf von SS und belgischen Faschisten überfallen, viele Dorfbewohner werden deportiert, darunter 22 nach Blumenthal zur Zwangsarbeit im Stahlwerk. 61 Einwohner werden ins KZ Neuengamme deportiert. Auf der AG Weser sterben 15 von ihnen. In Bremen gibt es schon im März 1944 Evakuierungslisten der SS, nach denen alle Zwangsarbeiter (nicht nur der KZ-Außenlager) in größere Sammelpunkte getrieben werden sollten, um von dort beim Anrücken der Alliierten in Marsch gesetzt zu werden. Kein Gefangener sollte lebend in die Hände der Befreier fallen. Im ersten Quartal 1945 sind einem Arztbericht vom März 1945 zufolge in den sieben Bremer Neuengamme-Außenkommandos 515 KZ-Häftlinge ums Leben gekommen, verhungert, an Entkräftung verstorben, erfroren, erschlagen, 249 alleine im Kommando Schützenhof namentlich belegt, 55 im Kommando Blumenthal, 203 im Kommando Farge, 68 Tote im Lager Rießpott/Osterort. Bei einem Transport von 100 KZ-Häftlingen am 11. Januar 1945 aus diesem Außenlager kommen drei Häftlinge lebend in Neuengamme an. Der Todesmarsch von 2.500 bis 3.000 Häftlingen beginnt am 9. April 1945 in Farge und führt über Neuengamme an die Lübecker Bucht, wo die Überlebenden zusammen mit anderen Opfern der Evakuierungsmärsche auf die „Cap Arcona“, „Thielbeck“ und „Athen“ verladen werden. (Die Schiffe wurden durch britische Bomben versenkt, die Insassen kamen zumeist ums Leben). Ein Teil der Transportunfähigen wurde im Kriegsgefangenenlager Sandbostel mit Flecktyphus und Ruhr zurückgelassen. Alleine in Brillit (Kreis Rotenburg) wurden über 300 Tote begraben.
  • Celle, 8. April 1945: Während der Bombardierung des Celler Güterbahnhofs befand sich dort auch ein Häftlingstransport. Die flüchtenden Überlebenden wurden verfolgt und in einem beispiellosen Akt der Barbarei von SS-Leuten erschossen. Zusätzlich beteiligten sich SA und Polizei, sowie Zivilpersonen an diesem Massaker. Augenzeugen verglichen den Anblick der flüchtenden Häftlinge mit einer Hasenjagd. Daher wird dieses grausige Kapitel der Celler Stadtgeschichte auch als "Celler Hasenjagd" bezeichnet.
  • Düsseldorf, 16. April 1945: Versuch einiger Düsseldorfer Bürger, darunter der stellvertretende Polizeipräsident Franz Jürgens, die Obernazis der Stadt festzusetzen, um Düsseldorf kampflos den amerikanischen Truppen zu übergeben. Der Versuch scheitert. Die Bürger werden - bis auf zwei, die fliehen können - nach Urteil eines Standgerichts und auf Befehl des Gauleiters Florian erschossen. Das Mordurteil des Standgerichts wurde später vom Bundesgerichtshof bestätigt.
  • Hagen, Donnerkuhle : An einem Morgen Ende März/Anfang April 1945 wurden zwölf sowjetische Zwangsarbeiter aus dem „Erweiterten Polizeigefängnis“ auf dem Gelände der Hasper Klöckner-Werke in Begleitung von Gestapo-Beamten und Klöckner-Werkswachleuten abgeführt und elf von ihnen in einem Waldgelände oberhalb der Dickenbruchstraße am Rand von Bombentrichtern erschossen. Ein Gefangener entfloh.
12. April 1945: Gestapo erschießt in der Donnerkuhle bei Hagen zwölf Gefangene aus Hagener Gefängnissen, es waren acht deutsche und vier sowjetische Gefangene. Unter den deutschen Häftlingen befanden sich zwei „fahnenflüchtige“ Wehrmachtsangehörige, ferner Bürger aus Altena, Düsseldorf, Wermelskirchen und Wuppertal. (aus: „Der Hagener Gestapoprozeß 1746/1996“, Essen 1996).
  • Hagen-Rummenohl/Sterbeckerhammer, 5. April 1945: 118 Zwangsarbeiter des Stalag VI A in Hemer aus Montenegro/Jugoslawien werden auf Befehl des Gauleiters Albert Hoffmann "abgeführt". Ziel (so die Akten im Lüdenscheider Stadtarchiv) "unbekannt". Später gehören 107 Jugoslawen, die erst kurz zuvor angekommen waren, zu den Mitte April 1945 von den US-Truppen befreiten rund 23 000 Kriegsgefangenen. Wenn es sich um die Häftlinge von Sterbeckerhammer handelte, so ist von mindestens elf auf Befehl Hoffmanns Ermordeten auszugehen.
  • Hannover, 6. April 1945: Angehörige der Gestapo-Dienstelle in Ahlem treiben vorwiegend sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter auf den Seelhorster Friedhof in Hannover und bringen 154 Menschen um. Am 2. Mai werden „belastete Nazis“ von der US-Armee gezwungen, das Massengrab auszuheben: 526 Leichen werden entdeckt. 386 werden in einem Trauerzug zum Maschsee gefahren und am Nordufer bestattet. [1]
  • Hemer, 10./11. April 1945: Acht Gefangene werden in Hemer von der Dortmunder Gestapo, die sich nach Hemer abgesetzt hatte, erschossen, Am 14. April 1945 befreien Teile der 9. US-Armee das Stalag VI A in Hemer und damit 22 000 Gefangene. 23 500 sowjetische Opfer aus diesem Lager sind in Hemer begraben (vor allem auf dem Duloh-Friedhof).
  • Herne, Ende März 1945: Verbringung von Gefangenen nach Dortmund. Dort vermutlich Exekution im Rombergpark
  • Herten, 29. März 1945: Acht russische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene werden im Hertener Wald von der SS erschossen und in Bombentrichter verscharrt. Gauleiter Albert Hoffmann soll dafür verantwortlich sein.
 
Isenschnibber Feldscheune
  • Isenschnibbe bei Gardelegen, April 1945: Massaker in einer Scheune bei Isenschnibben bei Gardelegen. 1017 KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter, darunter 63 jüdische Häftlinge, werden dabei von NSDAP-Aktivisten wie Walter Biermann und Arno Brake ermordet. 24 Stunden vor der Befreiung durch die US Army wurden die Häftlinge am Ende eines Todesmarsches in eine steinere Scheune eingepfercht und diese anschließend in Brand gesteckt. Bei einem ersten Versuch konnten die Gefangen das Feuer austreten, doch beim zweiten Versuch wurde mit Maschinengewehren auf alles geschossen, was sich bewegte. Zusätzlich warf man Handgranaten in die Scheune.
  • Kassel, Karfreitag 1945: Es werden 12 Gefangene des Zuchthauses Kassel-Wehlheiden (unter ihnen ein Wehrmachtsdeserteur) von der Gestapo liquidiert. Am Tag zuvor ermorden Gestapo und Polizei italienische Zwangsarbeiter, die am Bahnhof Wilhelmshöhe aus einem bombardierten Güterzug Lebensmittel erbeutet hatten.
  • Leipzig, 12. April 1945: 53 deutsche und ausländische Häftlinge aus zwei Leipziger Gefängnissen werden am Stadtrand ermordet. Am nächsten Tag werden 32 deutsche, französische, österreichische und tschechoslowakische Polizeihäftlinge in einer Leipziger Wehrmachts-Kaserne ermordet.
  • Lippstadt, 17. Dezember 1944: Verhaftungen in Lippstadt; drei Tage später Verbringung der Gefangenen nach Herne, von dort Ende März 1945 nach Dortmund zur Exekution im Rombergpark/Bittermark.
  • Lüdenscheid, 4. Februar 1945: Exekution von mindestens 14 sowjetischen Gestapo-Häftlingen im Arbeitserziehungslager Hunswinkel bei Lüdenscheid. Die Lüdenscheider Bürger Paul Anton Weber und Alex Usseler werden nach Dortmund gebracht und dort im März/April 1945 ermordet. Am 9. April 1945 findet die Exekution von drei deutschen Soldaten (Alex Kamp, Fritz Gass, Heini Wiegmann) in Lüdenscheid statt, denen Fahnenflucht vorgeworfen wurde. Ihre Leichen werden zur "Abschreckung" öffentlich zur Schau gestellt. Noch eine halbe Stunde vor Einmarsch der US-Truppen tötete ein Zahlmeister der Wehrmacht den als Gegner des NS-Regimes bekannten Friseur Hermann Massalsky, weil er Soldaten zur Desertion aufgefordert hatte.
  • Lünen, November 1944: Verhaftungen in Lünen, Betroffene werden später in Dortmund getötet.
  • Meinerzhagen, 29. März 1945 (Gründonnerstag): Verhaftungen in Meinerzhagen; die Opfer werden später in Dortmund ermordet: Vier unbekannte Russinnen und Ernst Hollweg, Jakob Junglas, Friedrich Wilhelm Kessler sowie Fritz Müller, Arbeiter beim Wehrwirtschaftsführer Hans Joachim Fuchs (Fa. Otto Fuchs), der auch für ihre Verhaftung gesorgt hatte.
  • Meschede, 22. März: 80 Ausländer, vor allem sowjetische Zwangsarbeiter, werden aus dem Lager Suttrop und aus der Sauerlandhalle in Warstein abgeholt und auf einer Wiese zwischen Eversberg und Meschede erschossen (siehe Warstein). In Fulmecke (nahe Waldstraße) werden die Ermordeten zwei Jahre später bestattet, nachdem sie auf der Kuhweide gefunden wurden.
  • Mörfelden (Hessen): Wenige Kilometer südlich von Mörfelden werden am Rhein am 21. März 1945 die sechs Arbeiter Georg Eberhardt, Cerry Eller, Johann Eller, Nikolaus Lerch, Jakob Schuch (alle Nierstein) und Rudolf Gruber (Oppenheim) ermordet, weil sie beabsichtigt hätten, Unruhe zu stiften. Vor der Hinrichtung wurden die Opfer grausam misshandelt. Der Arzt Dr. Zimmermann schreibt nach der Obduktion von körperlichen Misshandlungen und "die linke Hand des Schuch bei Faustschluß festverkrampft". Als letztes Zeichen des Widerstandes hatte Jakob Schuch noch einmal die linke Faust erhoben.
  • Neuss, Anfang Mai 1945: Der Neusser Bürger Heinrich Glassmacher, Maat auf dem Minensucher "M 612", wird mit zehn weiteren jungen Matrosen in Soderborg/Dänemark auf Anweisung der Marineleitung erschossen. Unter Führung von Glassmacher hatten die Matrosen das Auslaufen des Schiffes verhindert, um den Kampf nicht weiter fortzusetzen.
 
Ehrengräber der Opfer der Penzberger Mordnacht
  • Penzberg (Bayern) Ende April 1945: Angesichts der bevorstehenden Verwüstung der oberbayerischen Bergwerksstadt Penzberg haben Antifaschisten gewaltsam die Verwaltung übernommen, um die Stadt kampflos zu übergeben. Wehrmacht, SS und "Werwölfe" gehen gegen die Antifaschisten vor und ermorden 17 Bürger. Das Verbrechen wurde als Penzberger Mordnacht bekannt.
  • Plettenberg, Anfang März 1945: Zwei Arbeiter aus Plettenberg werden verhaftet, nach Dortmund gebracht und dort exekutiert.
  • Ratingen, 6. April 1945: Mindestens zwölf Personen werden im Kalkumer Wald bei Ratingen von drei Düsseldorfer Gestapobeamten erschossen. Es waren sechs Deutsche, drei Sowjetbürger und drei Niederländer. Kriminalkommissar Dr. Harnischfeger war der Exekutionsleiter. Harnischfeger wurde zum Tode verurteilt, auf lebenslänglich begnadigt und bald entlassen; später wurde er leitender Kriminalkommissar in einer deutschen Großstadt. (siehe "Menschen wie wir" - Mahnmal für die im Kalkumer Wald ermordeten Zwangsarbeiter, hg. vom Stadtarchiv Ratingen 2000).
  • Sandbostel, in den letzten Kriegswochen bis April 1945: 3 000 Insassen des KZ Neuengamme werden in das Strafgefangenen- und KZ-Auffanglager Sandbostel, nördlich von Bremen, gebracht und kommen dort ums Leben.
  • Stein an der Donau (Krems) und Hadersdorf am Kamp, 6. April und 7. April 1945: Der Leiter der Strafanstalt Stein verfügt die Freilassung der Gefangenen; SS, SA und Volkssturm erschießen under dem Vorwand, eine Revolte niederzuschlagen, über 380 Menschen. Am Tag darauf werden 60 Entlassene, die dem Massaker entkommen waren, an der Kampbrücke in Hadersdorf von der SS gestellt und anschließend ermordet.
  • Treuenbrietzen 23. April 1945: 131 italienische Militärinternierte, die als Zwangsarbeiter in einer Munitionsfabrik in Treuenbrietzen arbeiten mussten, werden in einem nahegelegenen Waldstück von Wehrmachtsangehörigen getrieben, wo sie bis auf 4 Überlebende erschossen werden. Die Rote Armee hat am 21. April 1945 Treuenbrietzen befreit und liegt nur wenige 100 m entfernt vom Ort des Massakers.
  • Warstein, Langenbachtal, Eversberg, 20.-22. März 1945: 57 ausländische Zwangsarbeiter aus dem Lager Suttroper Schule in Warstein werden auf Befehl des SS-Generals Dr. Kammler am 20. März erschossen. Am nächsten Tag werden 71 Arbeiter aus dem Lager Sauerlandhalle geholt und erschossen. Am 22. März werden 80 Ausländer aus dem selben Lager abgeholt und bei Eversberg ermordet. Anschließend wird die Sauerlandhalle von der SS angezündet. Französischen Arbeitern gelingt es, tausende eingeschlossene Russen aus der Halle zu befreien. Kammler hatte nach einer Reise nach Berlin verkündet: "Das Fremdarbeiterproblem wird für die deutsche Bevölkerung existenzbedrohend. Wir müssen jetzt Vergeltung üben. Wir müssen die Zahl der Fremdarbeiter dezimieren."
  • Wedel/Holstein, Frühjahr 1945: Zehn Männer aus dem niederländischen Putten kommen im Außenlager Wedel des des KZ Neuengamme ums Leben. Am 2. Oktober 1944 hatten SS und Wehrmacht in Putten eine "Vergeltungsaktion" durchgeführt: 661 Männer wurden aus dem zuvor zerstörten Dorf bei Ammersfoort entführt, nur 49 überlebten die Deportation, alle anderen wurden in Deutschland ermordet, darunter viele im KZ Neuengamme.
  • Wuppertal, Ende Februar/Anfang März 1945: Im Waldstück auf einer Lichtung, nahe dem Schießstandes der Wuppertaler Polizei, werden unter Beihilfe der Wuppertaler Kriminalpolizei sechs Frauen und 24 Männer von der Gestapo erschossen. Es handelte sich um Zwangsarbeiter aus der UdSSR. Die Namen der Erschossenen blieben unbekannt, mit Ausnahme des Namens Helena Matrosova, einer ukrainischen Lehrerin.