Johann Sebastian Bach

deutscher Komponist des Barock
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Johann Sebastian Bach (* 21. März 1685 (JK) in Eisenach; † 28. Juli 1750 in Leipzig) war ein deutscher Komponist des Barock und ein auch zu seiner Zeit berühmter Organist und Cembalist. Er gilt heute als einer der größten Tonschöpfer überhaupt, der die spätere Musik wesentlich beeinflusst hat und dessen Werke im Original und in zahllosen Bearbeitungen weltweit präsent sind.

Johann Sebastian Bach im Jahre 1746, mit Rätselkanon. Ölgemälde von Elias Gottlob Haussmann
Bachs selbstentworfenes Wappen

Bedeutung

Zu seinen Lebzeiten fand Bachs kompositorisches Schaffen keine große Beachtung, verglichen etwa mit dem seiner Zeitgenossen Georg Friedrich Händel oder Georg Philipp Telemann. Europaweit bekannt war Bach zu Lebzeiten vor allem als Orgel- und Cembalovirtuose sowie als Meister der Improvisation (siehe auch Musikalisches Opfer). Ferner hatte er einen ausgezeichneten Ruf als Orgelgutachter. Daneben beherrschte Bach, wie viele damalige Musiker, auch die Violine und leitete Aufführungen seiner Werke häufig von der Bratsche aus.

Bachs heutige Berühmtheit hat ihre Wurzeln zum einen in der Tatsache, dass seine Werke (zusammen mit denen von Heinrich Schütz und Georg Friedrich Händels Opern und Oratorien) die einzigen waren, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in großem Umfang von einem Barockkomponisten überliefert waren. Zum anderen übte seine konsequente Anwendung des Kontrapunktes, verbunden mit der Affektwirkung seiner Melodik und der kühnen Harmonik, auf spätere Komponisten eine große Wirkung aus. Seit dem 19. Jahrhundert schätzen kirchliche Kreise Bachs geistliche Musik vor allem wegen ihrer starken Religiosität.

Die weite Verbreitung und Rezeption von Bachs Werken nahm ihren Anfang in der Wiederaufführung der Matthäuspassion durch Felix Mendelssohn Bartholdy im Jahre 1829 und wurde gefördert durch die erste Gesamtausgabe seiner Werke (1851-1899), an der Johannes Brahms mitwirkte. Sowohl Mendelssohn als auch Brahms trugen zudem Bach'sche Klavierwerke öffentlich vor. Philipp Spittas zweibändige Biografie (1873-1879) machte das erst im 19. Jahrhundert so richtig entstehende Konzertpublikum erstmals umfänglich mit J. S. Bachs Leben und Wirken bekannt. Im Laufe des späten 19. und des 20. Jahrhunderts wurde Bach für Pianisten und Klavierschüler wieder, was er schon für Ludwig van Beethoven und Robert Schumann gewesen war: ein stetes musikalisches Lebenselixier. Die Pflege von J. S. Bachs Kirchenmusik wurde vor allem von seinen Nachfolgern im Amt des Thomaskantors in Leipzig vorangebracht. Im 20. Jahrhundert nahmen sich die großen Symphonieorchester und ihre berühmten Dirigenten sowie namhafte Solisten immer mehr des Instrumentalwerkes an.

Lebensstationen

Wohnorte von J. S. Bach
  
 

Kindheit in Eisenach

Johann Sebastian Bach war das jüngste von acht Kindern des Haußmanns (Stadtpfeifers) und Hoftrompeters Johann Ambrosius Bach und dessen Frau Elisabeth Bach, geborene Lämmerhirt.

Zur Geburt Bachs galt an seinem Geburtsort Eisenach noch der Julianische Kalender. So wird sein Geburtsdatum in der Regel mit dem örtlich gültigen Datum, dem 21. März 1685, angegeben, sein Todesdatum hingegen nach dem in Leipzig gültigen Gregorianischen Kalender. Will man Bachs Geburtsdatum mit anderen Daten dieser Zeit vergleichen, ist zu berücksichtigen, dass er nach dem damals in anderen Gebieten schon meist verwendeten Gregorianischen Kalender erst am 31. März 1685 geboren wurde.

Bach wurde am Montag, dem 23. März, in der Georgenkirche getauft. Seine frühe Kindheit verbrachte er in Eisenach, wo er durch den Cousin seines Vaters, den Organisten der Eisenacher Georgenkirche Johann Christoph Bach, auch erstmalig mit Kirchen- und Orgelmusik in Kontakt gelangte. Im Alter von acht Jahren kam Bach auf die Lateinschule des Eisenacher Dominikanerklosters.

Seine Mutter starb am 3. Mai 1694. Am 27. November 1694 heiratete sein Vater die Witwe Barbara Margaretha Bartholomäi, geborene Keul, starb aber nur wenige Monate danach, am 20. Februar 1695. Johann Sebastian zog mit seinem Bruder Johann Jacob zu seinem älteren Bruder Johann Christoph Bach (1671-1721) nach Ohrdruf.

 
Schulmatrikel des Lyzeums Ohrdruf
J. S. Bach ist der 4. Schüler in der zweiten Liste

Beim Bruder in Ohrdruf

In Ohrdruf besuchte Johann Sebastian das Lyzeum bis zur Prima und bekam damit eine bessere Schulausbildung, als seine Vorväter vorweisen konnten. In der Secunda waren sein Vetter Johann Ernst Bach und sein lebenslanger Freund Georg Erdmann seine Mitschüler.

Der vierzehn Jahre ältere Bruder Johann Christoph, der in Ohrdruf Organist war, übernahm seine weitere Erziehung und musikalische Ausbildung. Von ihm lernte Bach das Spielen auf den Tasteninstrumenten. Zu seinem Lebensunterhalt trug seine Tätigkeit als Chorsänger bei.

Am 19. Januar 1700 verließ Georg Erdmann Ohrdruf und reiste nach Lüneburg. Kurz danach, am 15. März, folgte ihm Johann Sebastian nach.

Mettenchorsänger in Lüneburg

Bach und Erdmann wurden in Lüneburg Freischüler des Michaelis-Klosters. Sie sangen als Diskantisten im Mettenchor. Georg Böhm war zu dieser Zeit Organist an der Johanniskirche. Sein Einfluss auf Bachs frühe Orgelwerke und Klaviersuiten lässt sich stilkritisch vermuten, doch nicht belegen. Im Jahre 2006 im Altbestand der Weimarer Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek entdeckte Abschriften von Orgelwerken Johann Adam Reinckens und Dietrich Buxtehudes legen allerdings nahe, dass sie der 13-jährige Johann Sebastian Bach für den Orgelunterricht bei Georg Böhm verfertigt hat. Der Nekrolog erwähnt, dass Bach in Celle Musik im französischen Stil kennenlernen konnte. Belegt ist seine Fußwanderung nach Hamburg zu dem berühmten Organisten von St. Katharinen Johann Adam Reincken, bei dem er sich im Orgelspiel weiterbildete.

Zwischen Ostern 1702, als Bach seine Schulzeit in Lüneburg beendet hatte, und 1703 lassen sich Bachs Spuren nicht mehr genau verfolgen. Aus einem späteren Brief ergibt sich, dass er sich im Juli um die vakante Organistenstelle in Sangerhausen bewarb und beim dortigen Rat bevorzugter Kandidat war, dass aber der Herzog von Sachsen-Weißenfels sich über dessen Votum hinwegsetzte.

Organist in Mühlhausen

Nachdem Bach am 24. April 1707 in Mühlhausen vorgespielt hatte, trat er dort an der Kirche Divi Blasii am 1. Juli seinen Dienst als Organist an. Sein Gehalt betrug 85 Gulden, dazu kamen Naturalien und Einkünfte aus den Nebenkirchen. Wie schon in Arnstadt fällt auf, dass er eine wesentlich höhere Bezahlung als sein Vorgänger und sein Nachfolger erzielte. Diese Verhältnisse erlaubten es ihm nun, eine Familie zu gründen. Am 17. Oktober 1707 heiratete er in Dornheim bei Arnstadt Maria Barbara Bach.


Organist in Arnstadt

Eine Stadt mit Bach-Tradition

 
Bachkirche in Arnstadt
 
Autograph der Choralbearbeitung „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ BWV 739 aus Bachs Arnstädter Zeit

Am 9. August 1703 erhielt Bach ohne weiteres Probespiel seine Bestallung als Organist der Neuen Kirche in Arnstadt.
Hier waren bereits vor ihm Mitglieder der Bachfamilie als Musiker tätig gewesen. Johann Sebastians Großvater Christoph Bach (1613-1661) war Hof- und Stadtmusikus und dessen Bruder Heinrich Bach (1615-1692) war Organist an der Liebfrauenkirche und der Oberkirche gewesen. Letzterer war der Großvater von J. S. Bachs erster Ehefrau Maria Barbara Bach. In Arnstadt lebte auch die Witwe seines Onkels Johann Christoph Bach (1645-1695) und deren Sohn, Johann Ernst Bach (1683-1739). Johann Ernst vertrat Bach während dessen Reise nach Lübeck und erhielt Bachs Amt nach dessen Übersiedlung nach Mühlhausen.

Für ein ungewöhnlich hohes Gehalt von 50 Gulden und 30 Gulden für Kost und Logis war Bach an der Neuen Kirche offiziell nur für das Orgelspiel, nicht für die Figuralmusik zuständig. Ab einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt wurde er dennoch zur Zusammenarbeit mit dem Chor des Lyzeums verpflichtet.

Erste überlieferte Orgel- und Klavierwerke

Im Oktober 1705 erhielt er für eine Reise nach Lübeck zu Dietrich Buxtehude einen Urlaub über vier Wochen, den er allerdings eigenmächtig auf über drei Monate ausdehnte. Obwohl er für einen Vertreter gesorgt hatte, wurde er am 21. Februar 1706 deswegen und wegen „Nachlässigkeit im Dienst“ vom Konsistorium der Gemeinde gerügt.

Diese Reise zu Buxtehude bescherte Bach wertvolle musikalische Eindrücke. Buxtehudes Abendmusiken, Orgel- und Klavierwerke sowie dessen unvergleichliches Orgelspiel bildeten einen Ansporn für den jungen Organisten und Komponisten.
Die ersten erhaltenen Orgel- und Klavierwerke Bachs lassen den Einfluss Buxtehudes erkennen. Dazu gehören Choralvorspiele wie beispielsweise Wie schön leuchtet der Morgenstern (BWV 739) und Präludien, Toccaten, Partiten und Phantasien.

Auf 1706 wird Bachs Capriccio sopra la lontananza del fratello dilettissimo datiert, das er zum Abschied von seinem Bruder Johann Jacob Bach komponierte, der sich als Feldmusiker in der schwedischen Armee verdingt hatte.

In allen Biographien wird darüber berichtet, dass Bach mehrmals Konflikte mit dem Arnstädter Konsistorium hatte. Dies betraf sein Verhalten den Chormitgliedern gegenüber, seine Urlaubsübertretung und seine Art, Orgel zu spielen. So wurde er ermahnt, bei der Begleitung der Choräle im Gottesdienst die Gemeinde nicht durch befremdliche Zwischenspiele, Verzierungen und Modulationen zu verwirren. Zitat: Halthen Ihm vor daß er bißher in dem Choral viele wunderliche variationes gemachet, viele frembde Thone mit eingemischet, daß die Gemeinde darüber confundiret worden. Die Choralbearbeitung zu Herr Jesu Christ, dich zu uns wend (BWV 726) mit ihren überraschenden Ausweichungen, ihrer vor allem in der damaligen mitteltönigen Orgelstimmung scharf klingenden Chromatik und den aufrauschenden Zwischenspielen macht die Verwirrung der Gemeinde verständlich.

Ein anderes Mal kam die Klage, dass er eine „frembde Jungfer“ (seine Cousine zweiten Grades Maria Barbara Bach) auf die Chorempore mitgenommen habe.
Der Enge dieser Verhältnisse hoffte Bach in Mühlhausen zu entgehen.

Hörbeispiel „Herr Jesu Christ, dich zu uns wend“

  Orgelchoral „Herr Jesu Christ, dich zu uns wend“   
 

Herr Jesu Christ, dich zu uns wend, Orgelchoral BWV 726

Organist in der Freien Reichsstadt Mühlhausen

Quodlibet: ein musikalischer Spaß der Bachfamilie

Mehrfach wird von Treffen der weitverzweigten Bach-Familie berichtet. Bei solchen Zusammenkünften, beispielsweise bei Hochzeitsfeiern, wurde gemeinsam gesungen und musiziert, oft mehrstimmig aus dem Stegreif. Im sogenannten Quodlibet (BWV 524 ) zeichnete Bach wahrscheinlich 1707, spätestens 1708 ein solches Durcheinander von Liedern auf, bei dem man Fehler nicht nur in Kauf nahm, sondern sie auch gerne provozierte und sich über sie amüsierte. Der Titel Quodlibet ist nicht original. Es ist nur ein Fragment davon erhalten und weist einen Text auf, der voller Anspielungen ist. Nicht alles darin ist so verständlich wie „Große Hochzeit, große Freuden, Große Degen, große Scheiden“. Möglicherweise erklang dieses Quodlibet bei Bachs Hochzeit mit Maria Barbara.

Ratswechselkantaten und Probespiel in Weimar

 
Bachs eigenhändiger Namenszug auf dem Deckblatt der Kantate „Gott ist mein König“, 1708
Er schreibt sich italienisch als
Gio. Bast. Bach
(= Giovanni Bastiano Bach)

Auftragsgemäß komponierte Bach zum Ratswechsel am 4. Februar 1708 die festliche Kantate Gott ist mein König (BWV 71), die als einzige aus dieser Zeit als Druck erhalten ist. Kurz darauf konnte er eine kostspielige Erweiterung und Reparatur der Orgel durchsetzen.

Im Juni 1708 reiste Bach im Zusammenhang mit dem Abschluss der Renovierungsarbeiten an der dortigen Orgel nach Weimar und spielte vor dem Herzog Wilhelm Ernst. Dieser bot ihm die Stelle als Hoforganist und Kammermusiker mit einem Gehalt von 150 Gulden zuzüglich Naturalien an. Zudem hatte ein großer Stadtbrand in Mühlhausen zu einer Verteuerung der Lebenshaltungskosten geführt. Die Aussicht auf eine wesentlich bessere finanzielle Situation war offenbar ausschlaggebend dafür, dass Bach schon am 25. Juni 1708 – kaum ein Jahr nach seinem Amtsantritt – in Mühlhausen um seine Entlassung bat. Sein Nachfolger wurde Johann Friedrich Bach. Der Stadt Mühlhausen blieb Johann Sebastian Bach aber weiterhin verbunden. Jeweils für den Februar 1709 und 1710 bekam er Aufträge für Ratswechselkantaten, die ebenfalls auf Kosten des dortigen Rates gedruckt wurden, aber verschollen sind.

Hoforganist und Kammermusiker in Weimar

 
Christian Richter (um1660):
Schlosskirche Weimar
Bachs Wirkungsstätte

Bach siedelte in der ersten Julihälfte 1708 mit seiner schwangeren Gattin nach Weimar über. Am 29. Dezember desselben Jahres wurde das erste Kind, Catharina Dorothea, getauft. Während der Weimarer Zeit folgten noch fünf Kinder: Wilhelm Friedemann (* 22. November 1710), die Zwillinge Maria Sophia und Johann Christoph (* 23. Februar 1713, beide starben bald darauf), Carl Philipp Emanuel (* 8. März 1714) und Johann Gottfried Bernhard (* 11. Mai 1715).

Freie und liturgisch gebundene Orgelwerke

Ein Großteil von Bachs Orgelwerk entstand während der Weimarer Zeit, darunter seine Passacaglia und zahlreiche Toccaten, Präludien und Fugen. Hier begann er sein Orgel-Büchlein, das als Sammlung von 164 Choralvorspielen angelegt war, von denen er aber nur 44 vollendete.
Neben seinem Dienst in der Wilhelmsburg des Herzogs Wilhelm Ernst stand Bach auch in enger Verbindung mit dessen Neffen Ernst August, der im Roten Schloss wohnte und 1709 Mitregent geworden war. Dessen Bruder Johann Ernst war Schüler Johann Gottfried Walthers. Von ihm stammen Vorlagen für Bachs Klavier- und Orgeltranskriptionen BWV 592, 595, 982, 984 und 987.

Erste überlieferte weltliche Kantate

Am 21. und 22. Februar 1713 befand sich Bach in Weißenfels anlässlich der Feierlichkeiten zum Geburtstag des Herzogs Christian von Sachsen-Weißenfels. Möglicherweise wurde dort die Jagdkantate BWV 208 aufgeführt, Bachs früheste bekannte weltliche Kantate. Kirchenkantaten sind aus der früheren Weimarer Zeit nur wenige überliefert.

Gegen Ende des Jahres 1713 wurde Bach nach der Aufführung einer Probekantate die Organistenstelle an der Liebfrauenkirche in Halle angeboten. Der Grund für Bachs Interesse an der Stelle ist nicht bekannt. Er erhielt am 14. Dezember seine Bestallung vom Kirchenkollegium, zögerte aber mit der Vertragsunterzeichnung und schickte erst am 19. März 1714 eine endgültige Absage mit der Begründung, dass die Besoldung nicht seiner Erwartung entspräche.

Konzertmeister in Weimar

 
Bach als Konzertmeister in Weimar(?)
 
Denkmal gegenüber Bachs Wohnhaus in Weimar

Am 2. März 1714 wurde Bach in Weimar zum Konzertmeister ernannt. Obwohl er in der Hierarchie immer noch unter dem Kapell- und dem Vizekapellmeister stand, bekam er mit 250 Gulden ein erheblich höheres Gehalt als beide.

Neue Aufgaben

Mit dem neuen Amt war die Pflicht verbunden, alle vier Wochen eine Kirchenkantate auf den jeweiligen Sonntag zu komponieren. Als erste erklang am 25. März (Palmsonntag und gleichzeitig Mariä Verkündigung) die Kantate Himmelskönig, sei willkommen (BWV 182). Ihr folgten in regelmäßigen Abständen noch mindestens 20 weitere Werke, die den Grundstock der späteren Leipziger Kantatenjahrgänge bildeten.

Schließlich sah sich Bach nach einer neuen Stelle um und fand sie am Hof des Fürsten Leopold von Anhalt-Köthen, dessen Schwester sein Dienstherr Ernst August am 24. Januar 1716 geheiratet hatte. Der Grund für diesen Schritt kann nur gemutmaßt werden. Am 1. Dezember 1716 war der erste Kapellmeister Johann Samuel Drese gestorben. Eine Nachfolgeregelung wurde zunächst nicht getroffen, aber Dreses Sohn Johann Wilhelm hatte eine gewisse Vorrangstellung, da er als Vizekapellmeister schon längere Zeit die Amtsgeschäfte seines Vaters versehen hatte. Damit wäre für Bach ein Aufstieg zum Kapellmeister langfristig blockiert gewesen.

Bach unterschrieb am 5. August 1717 den Vertrag für seine neue Stelle in Köthen, ohne vorher um seine Entlassung in Weimar gebeten zu haben. Als er dies nachholen wollte, erhielt er seine Demission nicht, sondern wurde am 6. November wegen seiner „Halßstarrigen Bezeügung“ in der Landrichterstube arretiert. Am 2. Dezember wurde er aus Haft und Dienstverhältnis in Ungnade entlassen.

In den Herbst 1717 wird eine 1739 erstmals erwähnte und von Forkel ausführlich dargestellte Begebenheit datiert, nach der Bach an den Hof nach Dresden reiste, wo ein Wettstreit mit dem berühmten Orgelvirtuosen Louis Marchand stattfinden sollte. Dazu kam es nicht, weil Marchand an dem festgelegten Tag in der Frühe abgereist war, angeblich, weil er den Vergleich scheute. Diese Begebenheit ist ein typisches Beispiel dafür, dass schon kurz nach Bachs Tod ihn glorifizierende Anekdoten gepflegt wurden, oft ausgelöst durch ungenaue Erinnerungen seiner Söhne und Schüler. Bach selbst schätze nach Carl Philipp Emanuel Bachs Zeugnis die mündliche und schriftliche Weitergabe solcher Anekdoten keineswegs.

Beziehungen zu Johann Georg Pisendel

Wichtiger als ein Zusammentreffen mit Marchand, dessen Werke er schätze, waren für Bach seine Beziehungen zum Dresdner Musikdirektor Johann Georg Pisendel (1687-1755). Stilkritische Vergleiche von Bachs und Pisendels Solowerken für Violine legen nahe, Pisendel habe Bach zur Komposition der 6 Sonaten und Partiten angeregt. Bereits 1709 hatten beide einige Zeit miteinander in Weimar verbracht und seither Kompositionen ausgetauscht. Durch Pisendel konnten Bach Vivaldis Kompositionen vermittelt worden sein. Pisendel kehrte nämlich am 27. September 1717 aus Italien, wo er kurzzeitig Vivaldis Schüler gewesen war, nach Dresden zurück, und Bach verließ die Stadt Anfang Oktober. Ein Zusammentreffen und ein künstlerischer Austausch sind also anzunehmen.

Fürstlicher Kapellmeister in Köthen

 
Das Fürstliche Residenzschloss zu Cöthen

Ab Dezember 1717 war Bach Kapellmeister und Directore derer Cammer-Musiquen in Köthen. Bach schätzte den jungen, musikalischen Herzog Leopold von Anhalt-Köthen und stand ihm offenbar auch persönlich nahe, was man z.B. daran sieht, dass sowohl Leopold als auch seine Geschwister August Ludwig und Eleonora Wilhelmine Taufpaten von Bachs am 15. November 1718 geborenem Sohn Leopold August waren. Das Kind starb kaum ein Jahr später.

Eine Kapelle „Avec plusieures Instruments

Bach konnte in Köthen für eine hervorragende Kapelle komponieren. Fürst Leopold hatte bis zu 17 Musiker angestellt, die zum Teil aus der 1713 aufgelösten Kapelle des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. stammten. Acht Instrumentalisten hatten Solistenqualitäten und den Rang des „Cammermusicus“. Der Herzog stattete seine Kapelle mit guten Instrumenten aus und schickte Bach zum Kauf eines neuen Cembalos 1719 nach Berlin. Dort konnte Bach den Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg kennen lernen. Für ihn stellte er 1721 ältere und neuere Instrumentalsätze zu den Six Concerts Avec plusieures Instruments“ zusammen, die später „Brandenburgische Konzerte“ genannt wurden (BWV 1046-1051).

Tod der Ehefrau und neue Heirat

 
Clavier-Büchlein vor Anna Magdalena Bachin Anno 1722, Deckblatt
 
Sonata 1ma á Violino Solo senza Baßo di JSBach
Adagio
Autograph 1720

Als Bach 1720 nach einer zweimonatigen Reise des Hofs aus Karlsbad zurückkehrte, musste er erfahren, dass seine Gattin Maria Barbara nach kurzer Krankheit gestorben und schon am 7. Juli bestattet worden war. Am 3. Dezember 1721 heiratete er Anna Magdalena, die jüngste Tochter des fürstlichen Hof- und Feldtrompeters zu Sachsen-Weißenfels Johann Kaspar Wilcke, die 1720 als Sopranistin an den Köthener Hof gekommen war.

Auch aus dieser Ehe entstammen zahlreiche Kinder, von denen die meisten aber schon im Kindesalter starben: Christiana Sophia Henrietta (* Frühjahr 1723; † 29. Juni 1726), Gottfried Heinrich (* 26. Februar 1724), Christian Gottlieb (getauft 14. April 1725; † 21. September 1728), Elisabeth Juliana Friederica (getauft 5. April 1726), Ernestus Andreas (* 30. Oktober 1727; † 1. November 1727), Regina Johanna (10. Oktober 1728; † 25. April 1733), Christiana Benedicta (* 1. Januar 1730; † 4. Januar), Christiana Dorothea (* 18. März 1731; † 1732), Johann Christoph Friedrich (* 21. Juni 1732), Johann August Abraham (* 5. November 1733; † 6. November 1733), Johann Christian (* 5. September 1735), Johanna Carolina (getauft 30. Oktober 1737), Regina Susanna (getauft 22. Februar 1742).

Unterrichtswerke, virtuose Instrumentalkompositionen und Kantaten

Als Beitrag zur musikalischen Erziehung seiner Kinder hatte Bach am 22. Januar 1720 das Clavierbüchlein für den ältesten Sohn Wilhelm Friedemann begonnen, das unter anderem die zweistimmigen Inventionen und dreistimmigen Sinfonien enthält. Das 1722 angelegte Clavierbüchlein vor Anna Magdalena Bachin enthält die Frühfassungen der Französischen Suiten. Neben dem Wohltemperierten Klavier und den sechs Violinpartiten und -sonaten sind dies die sicher auf die Köthener Zeit datierbaren autografen Instrumentalkompositionen.

Daneben sind noch einige Geburtstags- und Neujahrskantaten überliefert, jedoch nicht für alle in Frage kommenden Feiertage. Es gilt als sicher, dass Bach für den Hof eine beträchtliche Zahl an Konzerten und anderen Instrumentalkompositionen geschrieben haben muss, die aber weitgehend verschollen oder aber in späteren Bearbeitungen als Cembalokonzerte oder Kantatensätze erhalten sind.

Suche nach einer neuen Stelle

Hamburg

Im September 1720 wurde die Organistenstelle zu St. Jakob in Hamburg frei, um die sich Bach bewarb. Er wurde auch vom Hamburger Rat zum Probespiel zugelassen, sagte aber dann doch ab, wahrscheinlich, weil die Übernahme der Stelle mit einer beträchtlichen Kaufsumme verknüpft war. Zuvor hatte er im Beisein Johann Adam Reinckens an der berühmten Orgel der Katharinenkirche ein denkwürdiges Konzert gegeben, über das die Quellen anekdotisch berichten.

Berlin

Möglicherweise ist die Widmung der „Brandenburgischen Konzerte“ vom 24. März 1721 für den Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg im Zusammenhang mit Bachs Suche nach einer neuen Stelle zu sehen.

Aus unbekannten Gründen schien sich Fürst Leopold in der Folgezeit von Bachs Ensemblemusik immer mehr abzuwenden. Vielleicht bezieht sich die berühmte Stelle in Bachs Brief vom 20. Oktober 1730 an seinen Jugendfreund Georg Erdmann auf diese Änderung im Musikgeschmack des Fürstenhauses, wobei er ungerechterweise der Gattin des Fürsten die Hauptschuld gibt: „Daselbst [in Köthen] hatte einen gnädigen und Music so wohl liebenden als kennenden Fürsten; bei welchem [ich] auch vermeinte meine Lebenszeit zu beschließen. Es musste sich aber fügen, dass erwehnter Serenissimus sich mit einer Berenburgischen Princeßin vermählete, da es denn das Ansehen gewinnen wollte, als ob die musicalische Inclination [= Neigung] bey besagtem Fürsten in etwas laulicht werden wollte, zumahln da die neüe Fürstin schiene eine amusa zu sein.“ Dies wird dadurch bestätigt, dass nach Bachs Weggang von Köthen sein Posten nicht wieder besetzt wurde.

Leipzig

Durch den Tod Johann Kuhnaus am 5. Juni 1722 wurde in Leipzig die Stelle des Thomaskantors frei. Nach einem ersten Probespiel am 14. Juli wurde von den Bewerbern, zu denen Johann Friedrich Fasch (Kapellmeister am Hofe zu Anhalt-Zerbst) und Christian Rolle (Musikdirektor in Magdeburg) zählten, Georg Philipp Telemann gewählt. Da Telemann aufgrund einer Gehaltserhöhung in Hamburg blieb, wurde eine zweite Kantoratsprobe anberaumt, bei der neben Bach Georg Friedrich Kauffmann aus Merseburg, der freiwillig zurücktrat, Johann Christoph Graupner (Kapellmeister in Darmstadt) und Balthasar Schott (Organist an der Neuen Kirche zu Leipzig) kandidierten.

Bach führte am 7. Februar 1723 als Probestück die Kantaten Jesus nahm zu sich die Zwölfe, BWV 22, und „Du wahrer Gott und Davids Sohn“, BWV 23, auf. Gewählt wurde Graupner, der aber ablehnen musste, weil ihm vom hessischen Landgrafen die Entlassung verweigert wurde. Somit wurde Bach „als dritte Wahl“ Thomaskantor, ein Amt, das er bis zu seinem Tode behielt.

Den Titel eines Fürstlich Köthenischen Kapellmeisters durfte Bach weiter führen, und er lieferte noch bis zum Tod des Fürsten 1728 Musik zu den Festtagen des Fürstenhauses.

Thomaskantor und städtischer Musikdirektor in Leipzig

 
Photographie der Thomasschule von 1902
Bachs Familie wohnte im linken Drittel des Hauses

Ende Mai 1723 nahm Bach seinen Dienst in Leipzig auf. Als Kantor und Musikdirektor war er für die Musik in den vier Hauptkirchen der Stadt verantwortlich. Dazu zählte die Vorbereitung einer Kantatenaufführung an jedem Sonntag und an den Feiertagen. Außerdem unterlag ihm der Musikunterricht in der Thomasschule. Die Internatsschüler waren verpflichtet, als Chorsänger die Gottesdienste mitzugestalten. Sein Deputat als Lateinlehrer, das mit seiner Stelle traditionell verbunden war, übertrug er gegen eine Geldzahlung einem Lehrer der Schule.

Musik für die Kirche

Gleich nach seiner Ankunft fing Bach an, Kantaten für die jeweils anstehenden Aufführungen zu komponieren oder zu überarbeiten. Bei dieser systematischen Arbeit muss in den ersten beiden Jahren im Schnitt ungefähr ein Werk pro Woche entstanden sein, danach verlangsamte sich das Tempo. Insgesamt sind zwei vollständige Jahrgänge überliefert, der Nekrolog berichtet von drei weiteren (siehe Bachkantate). Insgesamt sollen in dieser Zeit ca. 300 Kantaten entstanden sein.

Für Weihnachten 1723 schrieb Bach die zweite Fassung des Magnificat in Es-Dur mit den weihnachtlichen Einlagesätzen (die erste Fassung erklang ohne die später erstellten Einlagesätze schon am 2. Juli 1723 zu Mariae Heimsuchung), für den Karfreitag 1724 sein bis dahin umfassendstes Werk, die Johannespassion, für Weihnachten 1724 ein Sanctus. Wohl Anfang 1725 begegnete Bach dem Textdichter Christian Friedrich Henrici alias Picander, der schließlich den Text für die Matthäuspassion lieferte, die 1727 oder 1729 uraufgeführt wurde.

Die Aufführungsbedingungen hatten sich in diesen ersten Leipziger Jahren insgesamt verschlechtert. Bach sah sich daher gezwungen, in einer Eingabe an den Rat der Stadt Leipzig vom 23. August 1730 seine Vorstellungen von der vokalen und instrumentalen Ausstattung einer „wohlbestallten Kirchen Music“ zu dokumentieren. Dieser „höchstnöthige Entwurff“ ist heute eine wichtige Quelle für die historische Aufführungspraxis seiner Werke.

Bach bemühte sich in dieser Zeit, den Titel eines Hofkompositeurs in Dresden zugesprochen zu bekommen, da er unzufrieden war mit der Bezahlung, den hohen Lebenshaltungskosten und der Leipziger Obrigkeit, die Bachs Schaffen nicht in Bachs Sinn förderte, wie sich einem Brief von 1730 entnehmen lässt: „Da aber nun (1) finde, daß dieser Dienst bey weitem nicht so erklecklich als mann mir Ihn beschrieben, (2) viele accidentia dieser station entgangen, (3) ein sehr theurer Orth u. (4) eine wunderliche und der Music wenig ergebene Obrigkeit ist, mithin fast in stetem Verdruß, Neid und Verfolgung leben muß, als werde genöthiget werden mit des Höchsten Beystand meine Fortun anderweitig zu suchen.“.

Weltliche Musik

 
Zimmermannisches Caffee-Hauß (rechts)
Ort der „Musikalischen Concerten, oder Zusammenkünffte
Collegium musicum

1729 übernahm Bach die Leitung des 1701 von Telemann gegründeten Collegium musicum, die er bis 1741, vielleicht sogar bis 1746, behielt. Mit dieser studentischen Instrumentalkapelle - es gab noch weitere in Leipzig - führte er deutsche und italienische Instrumental- und Vokalmusik auf, außerdem schrieb er dafür etliche seiner weltlichen Kantaten, wie z. B. Hercules am Scheidewege, die er „Dramma per la Musica“ oder „Dramma per Musica“ nannte und die strukturell der Oper nahestehen. In der Bauernkantate und der Kaffeekantate zeigt sich, dass er auch im humoristischen Genre schreiben konnte. Letztere wurde höchstwahrscheinlich im „Zimmermannischen Caffee-Hauß“ aufgeführt, in dem er mit dem Collegium musicum konzertierte. Wöchentlich einmal, während der Leipziger Messe sogar zweimal, wurden hier oder im dazugehörigen Kaffehausgarten abends solche „Musikalischen Concerten, oder Zusammenkünffte“ abgehalten. Sie gelten als Nachweis des erwachenden, bürgerlichen Verlangens nach hochstehender musikalischer Unterhaltung in Leipzig.
Dem dienten auch die vielen Cembalokonzerte für bis zu vier Solisten, die zum größten Teil als neue Arrangements meist eigener Violin- oder Oboenkonzerte und Instrumentalsätze aus Kantaten, aber auch aus fremden Vorlagen (z. B. Vivaldi) entstanden. Als Solisten standen neben Bach selbst seine Söhne und Schüler zur Verfügung.

Klavier- und Orgelwerke für Schüler, Kenner und Liebhaber

In seiner gesamten Leipziger Zeit war Bach ein gesuchter Lehrer. Oft lebten die Schüler in seinem Haushalt. Ziel des Unterrichts war, Musiker heran zu bilden, die als Instrumentalisten und Komponisten den vielfältigen Aufgaben bei Hof, in der Kirche und im beginnenden bürgerlichen Musikleben gewachsen waren. Bachs Unterricht trug vor allem bei seinen Söhnen reiche Früchte.
Für diesen Unterricht verwendete Bach ältere und neuere eigene Kompositionen. Viele davon fasste er zusammen und veröffentlichte sie als Clavierübung I, II, III und IV.

Huldigungskantaten und Festmusiken
 
Das Apelische Haus
 
Aufführung von BWV 215
Tod Gottfried Reiches

Bereits in Weimar und in Köthen hatte Bach Huldigungskantaten für die Fürstenhäuser in Weimar, Weißenfels und Köthen sowie Festmusiken in Form von Kantaten zu verschiedenen Anlässen komponiert. In Leipzig entstanden weitere derartige Werke, wobei Bach häufig ältere Vorlagen verarbeitete. Die Festmusiken und Huldigungskantaten galten beispielsweise dem Umkreis der Universität und der Thomasschule sowie den Kurfürsten Friedrich August I. und II. von Sachsen, die gleichzeitig als August II. und III. Könige von Polen waren. Auch weitere Adlige und reiche Bürger wurden mit solchen musikalischen Ehrungen bedacht.
Diese Kantaten wurden meist im Freien aufgeführt und mussten daher in Chor und Instrumentalkapelle stark besetzt sein. Das war vor allem gewährleistet, nachdem Bach das Collegium musicum übernommen hatte. Zur Verstärkung standen ihm die Musiker der musicalischen Stadt Compagnie zur Verfügung.

Über die Aufführung eines derartigen Werkes, nämlich der Kantate „Preise dein Glücke, gesegnetes Sachsen“ (BWV 215) zu August III. Krönungsjubiläum am 5. Oktober 1734, gibt es umfangreiche Aufzeichnungen in der städtischen Chronik. Da die königliche Familie in Leipzig keine eigene Residenz besaß, wurde sie in dem bürgerlichen Apelischen Stadtpalais untergebracht.
Aus der Chronik:

Gegen 9 Uhr Abends brachten Ihro Majt. die allhiesigen Studierenden eine allerunterthänigst Abend Music mit Trompeten und Pauken, so Hr. Capell Meister Joh. Sebastian Bach Cant. zu St. Thom. componieret. Wobey 600. Studenten lauter Wachs Fäckeln trugen, und 4. Grafen als Marschälle die Music aufführten.

Im weiteren wird der Weg des Zuges bis zu des Königs Logis beschrieben (Fortsetzung im rechts abgebildeten Dokument). Am Tag darauf starb der 1. Trompeter Gottfried Reiche, der Senior der Musikalischen Stadt Compagnie, „weil er vorher ...wegen des Blasens große Strapazzen gehabt, und auch der Fackel Rauch ihm sehr beschwerlich gewesen.

Auch in dieser Kantate verwendete Bach ältere Kantatensätze. Einer der Sätze fand Eingang in die später vollendete Messe in h-Moll.

Parodien: Umarbeitungen von weltlichen Kantaten für kirchliche Zwecke

Etliche seiner Huldigungskantaten arbeitete Bach kurz nach ihrer Entstehung in geistliche Werke um. Diesem Parodieverfahren ist das Weihnachtsoratorium von 1734/1735 zu verdanken, das Himmelfahrtsoratorium von 1735 und das Osteroratorium. Durch Parodierung geistlicher Kantaten entstanden die sogenannten Lutherischen Messen, ebenso die Urfassung der h-Moll-Messe von 1733 (die sogenannte Missa), die nur das Kyrie und das Gloria umfasste. Nach Einreichung dieses Werks beim kurfürstlichen Hof in Dresden erhielt Bach am 19. November 1736 die ersehnte Nachricht, sich Compositeur bey Dero Hoff-Capelle nennen zu dürfen, allerdings nicht den erhofften Ruf, fortan in der Residenzstadt Dresden zu wohnen und zu wirken.

Reise nach Mühlhausen 1735

Im Mai 1735 unterstützte Bach die Bewerbung seines Sohnes Johann Gottfried Bernhard um die frei gewordene Stelle des Organisten an der Kirche Beatae Mariae Virginis in Mühlhausen. Bach hielt sich vom 6. bis 20 Juni 1735 in Mühlhausen auf, wo der Sohn in Anwesenheit des Vaters sein Probespiel absolvierte. Am 16. Juni 1735 wurde Johann Gottfried Bernhard zum Organisten gewählt. Gelegentlich seines Aufenthaltes wurde Johann Sebastian Bach gebeten, die reparaturbedürftige Orgel der Marienkirche zu begutachten. Er empfahl den Orgelbauer Zacharias Hildebrandt für die auszuführenden Arbeiten. [1]

Auf der Rückreise hielt sich Bach für zwei Tage in Weißensee auf, wo er am 22. Juni 1735 die von Conrad Wilhelm Schäfer reparierte Orgel zu St. Peter und Paul prüfte. [2]

Ob Bach sofort wieder nach Leipzig zurückkehrte oder noch andere Städte besuchte ist nicht bekannt. Seine Anwesenheit in Leipzig ist erst wieder ab Anfang August belegt. Am 3. August wurde die Namenstagskantate (wahrscheinlich BWV 207a) für Friedrich August II. aufgeführt [3].

Die letzten Jahre

Die großen kontrapunktischen Instrumentalwerke und die Endfassung der h-Moll-Messe
 
Autograph des Endes der unvollendeten letzten Fuge aus der Kunst der Fuge mit C. Ph. E. Bachs Zusatz:
NB ueber dieser Fuge, wo der Nahme BACH im Contrasubject angebracht worden, ist der Verfaßer gestorben.

In den 1740er Jahren scheint sich Bach weitgehend von Neukompositionen für die Kirche und für das Collegium musicum zurückgezogen haben.

Im Mai 1747 besuchte er auf Einladung Friedrichs des Großen, in dessen Hofkapelle Carl Philipp Emanuel Bach angestellt war, Potsdam und Berlin und improvisierte auf den dortigen Pianoforti und Orgeln. Er versprach, ein ihm vom König vorgegebenes Thema in einer Fuge auszuführen und in Kupfer zu stechen. Aus diesem Versprechen wurde das Musikalische Opfer, eine Sammlung von zwei Fugen (drei- und sechsstimmig), zehn Kanons und einer Triosonate, alle über das gleiche Thema.

Einige canonische Verænderungen über das Weynacht-Lied: Vom Himmel hoch da komme ich her vor die Orgel mit 2. Clavieren und dem Pedal“ lautet der Titel eines Variationenwerkes, das Bach zu seinem Eintritt 1747 in die von Lorenz Christoph Mizler gegründete „Correspondierende Societæt der musikalischen Wissenschaften“ einreichte. Es gilt als bedeutendes, kontrapunktisches Spätwerk Bachs.

Ein weiterer kontrapunktischer Werkzyklus ist die Kunst der Fuge, deren erste Reinschrift Bach 1742 abschloss, die er aber danach bis 1749 umfassend ergänzte und überarbeitete. Die Sammlung von einfachen Fugen, Gegenfugen, Spiegelfugen, Fugen mit mehreren Themen und Kanons stellt ein Kompendium der Techniken der Fugenkomposition dar.

Ebenfalls in Bachs letzte Jahre fällt die Vollendung der h-Moll-Messe unter Verwendung der Missa von 1733, des Sanctus von 1724 und anderer älterer Kompositionen.

Krankheit und Tod
 
Abkündigung vom 31. Juli 1750

In seinen letzten Jahren litt Bach an einer Augenkrankheit. Auch über motorische Störungen im rechten Arm und damit in der Schreibhand wird berichtet. Ab 1749 sind überhaupt keine Schriftstücke von ihm mehr erhalten. Die letzte bekannte Unterschrift stammt vom 6. Mai 1749. Seine Frau Anna Magdalena oder sein Sohn Johann Christian unterschrieben für ihn seitdem alle Dokumente. Das von Natur aus schlechte Sehvermögen ließ so stark nach, dass sich Bach von dem schon damals umstrittenen Okulisten (Starstecher) John Taylor operieren ließ, der vom 4. bis zum 7. April 1750 in Leipzig weilte. Komplikationen erforderten eine Nachoperation. Kurzzeitig konnte Bach wieder sehen, ihn traf aber einige Tage vor seinem Tod ein Schlaganfall. Bach starb am 28. Juli 1750.
Im hauptsächlich von Carl Philipp Emanuel Bach und Johann Friedrich Agricola verfassten, 1751 fertiggestellten und 1754 veröffentlichten Nekrolog heißt es zu Bachs Krankheit und Tod:

„Sein von Natur etwas blödes Gesicht, welches durch seinen unerhörten Eifer in seinem Studieren [...] noch mehr geschwächt worden, brachte ihm, in seinen letzten Jahren, eine Augenkrankheit zu Wege. Er wollte dieselbe [...] durch eine Operation heben lassen. Doch diese [...] lief sehr schlecht ab. Er konnte nicht nur sein Gesicht nicht wieder brauchen; sondern sein, im übrigen gesunder Cörper, wurde auch zugleich dadurch, und durch hinzugefügte Medicamente, und Nebendinge, gäntzlich über den Haufen geworfen: so daß er darauf ein völliges halbes Jahr lang, fast immer kränklich war. Zehn Tage vor seinem Tod schien es sich gähling mit seinen Augen zu bessern: so daß er einsmals des Morgens ganz gut wieder sehen, und auch das Licht wieder vertragen konnte. Allein wenige Stunden darauf, wurde er von einem Schlagflusse überfallen; auf diesen folgte ein hitziges Fieber, an welchem er [...] am 28. Julius 1750, des Abends nach einem Viertel auf 9 Uhr, im sechs und sechzigsten Jahre seines Alters, auf das Verdienst seines Erlösers sanft und seelig verschied.“

Die neuere Bachforschung hält es allerdings auch für möglich, dass eine zunehmende Zuckererkrankung die Ursache für Bachs nachlassendes Sehvermögen und den Schlaganfall war.

Nach zweimaliger Umbettung befindet sich sein Grab heute in der Leipziger Thomaskirche.

Probleme der Biographik

Aussagen Bachs über sich, seinen Lebensweg und seine Werke sind sehr spärlich. Es lag nicht im Selbstverständnis eines Musikers seiner Generation, darüber viele Worte zu machen. Die meisten Schriftstücke von seiner Hand lassen die uns heute interessierende Persönlichkeit nur erahnen. Erhalten geblieben sind Briefe, Eingaben, Gesuche und Empfehlungsschreiben, Zeugnisse und Prüfungsberichte, Orgelgutachten, Urkunden, Quittungen, Widmungen und Titelseiten sowie Anmerkungen, Mitteilungen und Aufstellungen verschiedenster Art.

Erst Briefe aus der Leipziger Zeit geben Einblick in Bachs intime Lebensbezirke, so etwa der Brief vom 28. Oktober 1730 an seinen Jugendfreund Georg Erdmann, die diktierten Briefe vom 24. und 26. Mai 1738 an die Familie Klemm und die Briefe vom 6. Oktober 1748 und 2. November 1748 an seinen Großvetter Johann Elias Bach.

Einen zahlenmäßig wesentlich größeren Umfang haben die fremdschriftlichen und gedruckten Dokumente zur Lebensgeschichte von 1685 bis 1750 und die Dokumente zum Nachwirken von 1750 bis 1800.

All diese Dokumente sind zugänglich in Supplement-Bänden zur „Neuen Ausgabe sämtlicher Werke“ Bachs.

Bach in seiner äußeren Biographie, zumal in seinen Tätigkeiten zu erfassen, gelingt mit diesen Dokumenten wesentlich leichter als in seiner inneren Biographie. Deshalb entstanden schon zu Bachs Lebzeiten Anekdoten, die das auszugleichen suchten und immer noch wirksam sind.

Eine große Hilfe, Bach nahe zu kommen, sind die von Werner Neumann herausgegebenen und kommentierten „Bilddokumente zur Lebensgeschichte Johann Sebastian Bachs“ als Supplement zu Johann Sebastian Bach, Neue Ausgabe sämtlicher Werke. Darin werden auch alle greifbaren Varianten von Bachbildnissen vorgestellt und kritisch besprochen.

Nach Bachs Tod lebte seine Gestalt weiter in den gemalten, gezeichneten und gestochenen Portraits und in der mündlichen und schriftlichen Tradierung durch seine Söhne, Schüler, Freunde und Gegner.
Sehr bald wurde Bach für musiktheoretische und ästhetische, musikhistorische und politische Anliegen vereinnahmt. Oft sagte die Sicht auf Bach mehr über die Intentionen des Schreibenden als über Bach selbst aus.
Auch die Bach-Biographien von Forkel und Spitta über Schweitzer und Wolff bis hin zu den populärwissenschaftlich und romanhaft Schreibenden unserer Tage müssen daraufhin kritisch überprüft werden.
Das geschieht unter anderem in wissenschaftlichen Untersuchungen zu Einzelfragen von Bachs Leben und seinem geschichtlichen und musikgeschichtlichen Umfeld, oft veröffentlicht in Periodika, Forschungsberichten und Aufsatzsammlungen, die zu überblicken nicht mehr möglich ist.

Musikalisches Schaffen

Überblick

Bach – ein Autodidakt im Komponieren

Glaubt man Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel Bach, dann betrachtete sich Bach im Komponieren als Autodidakt. Es gab keinen verbürgten Kompositionsunterricht. Der Unterweisung bei seinem Bruder in Ohrdruf „mag wohl einen Organisten zum Vorwurf gehabt haben u. weiter nichts“ (C. Ph. E. Bach 1775). Später wäre Bachs Aufenthalt bei Buxtehude eine mehrmonatige Gelegenheit gewesen, unterrichtet zu werden, doch gibt es dazu keinerlei Belege.
Dass Bach als Autodidakt zum bedeutenden Komponisten reifte, war möglich, weil er von Jugend auf die Werke der unterschiedlichsten Komponisten durchstudierte und aus ihnen lernte. Das geschah durch Hören, Lesen, Abschreiben, Transkribieren, Bearbeiten und Nachahmen der Musik sowie durch die Übernahme von kompositorischen Mitteln, Formen und Gattungen. C. Ph. E. Bach dazu (1775):

„Der seelige hat durch eigene Zusätze seinen Geschmack gebildet. [...] Blos eigenes Nachsinnen hat ihn schon in seiner Jugend zum reinen u. starcken Fughisten gemacht. [...] Durch die Aufführung sehr vieler starcken Musiken, [...] ohne systematisches Studium der Phonurgie hat er das arrangement des Orchesters gelernt.“

In Bachs vielfältigem Werk treffen sich Einflüsse aus der Musik Mittel-, Nord- und Süddeutschlands bzw. Österreichs sowie Frankreichs und Italiens. Zu beachten ist dabei, dass sich die regionalen Traditionen gegenseitig beeinflusst haben. So werden in den deutschen Traditionen auch italienische und französische Gattungen und Stilmittel weitergegeben. Daher ist es bei manchen Komponisten schwer, sie zuzuordnen.

Kenntnis vom musikalischen Einfluss auf Bach hat man aus verschiedenen Quellen:

  • aus Bachs Abschriften und Erwerbungen von Werken anderer Komponisten
  • aus Bachs Transskriptionen und Bearbeitungen
  • aus schriftlichen und mündlichen Erwähnungen durch Bach und seinen Umkreis
  • aus Berichten und Rezensionen des 18. Jahrhunderts
  • durch stilkritische Untersuchungen der Musikwissenschaft an den Werken Bachs und seiner Schüler

Mitteldeutsche Einflüsse durch:

Johann Christoph Bach I, Johann Pachelbel, Johann Kuhnau, Johann Ludwig Bach, Johann Gottfried Walther, Johann Georg Pisendel, Silvius Leopold Weiss, Johann Friedrich Fasch

Norddeutsche Einflüsse durch:

Johann Adam Reincken, Dietrich Buxtehude, Nicolaus Bruhns, Georg Böhm

Süddeutsch-österreichische Einflüsse durch:

Johann Jakob Froberger, Johann Caspar Kerll, Johann Caspar Ferdinand Fischer, Johann Joseph Fux

Italienische Einflüsse durch:

Giovanni Pierluigi da Palestrina, Girolamo Frescobaldi, Arcangelo Corelli, Giovanni Legrenzi, Giovanni Bassani, Giuseppe Torelli, Alessandro Marcello, Tomaso Giovanni Albinoni, Antonio Vivaldi, Benedetto Marcello, Nicola Antonio Porpora, Francesco Durante, Giovanni Alberto Ristori, Giovanni Battista Pergolesi

Französische Einflüsse durch:

André Raison, François Dieupart, François Couperin, Louis Marchand, Nicolas de Grigny,

Manche berühmte Musiker, die Bach teilweise persönlich kannte, sind schwer zuzuordnen. Sie hatten selbst unterschiedlichste Musik verarbeitet und Bach mit ihren Werken beeinflusst, so etwa Jan Dismas Zelenka, Johann Mattheson, Georg Philipp Telemann, Reinhard Keiser und Georg Friedrich Händel.

Ob Bach auch Anregungen seiner Söhne Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel aufnahm, ist nicht gesichert, aber zu vermuten. Dass manche Kompositionen der beiden ältesten Bachsöhne als Werke des Vaters galten und umgekehrt, deutet darauf hin.

Die musikalischen Gattungen

Bach konnte sich im Rahmen seiner Ämter an den verschiedenen Wirkungsstätten unter dem Einfluss der oben genannten Komponisten nach und nach die unterschiedlichsten Gattungen, Kompositionsstile und Musizierweisen aneignen. Diesem Ziel galten auch Bachs wenige Reisen.

Mit Ausnahme der Oper komponierte Bach Werke in allen zu seiner Zeit verbreiteten musikalischen Gattungen:

Vokalmusik

  • Geistliche Kantate und weltliche Kantate (Concerto, Cantata, Serenata, Dramma per Musica)
  • Motette, Messe, Magnificat, Passion, Oratorium
  • Choral, Geistliches Lied
  • Vokale Kammermusik

Instrumentalmusik

Der „Clavier“- Komponist, „Harmonist“, Kontrapunktiker und Komponist funktionaler Musik

Bachs Werke sind großenteils funktional gebunden, beispielsweise als Kantoren- und Organistenmusik für die Kirche, Instrumentalmusik für den Hof und das Bürgertum oder Lehrwerke für den Unterricht. Die Qualität der Ausführung übersteigt aber in den meisten Fällen das damals Übliche.
Einige Werke überschreiten den tradierten Formenkanon weit. Das ist vor allem der Fall bei den vom eigenen, überragenden instrumentalen Können geprägten Orgel- und Klavierwerken und bei den großen kontrapunktischen Sammelwerken.

Bach galt den Zeitgenossen zurecht als bedeutender „Harmonist“, der die Möglichkeiten der Tonarten und deren Eigenschaften durch den gesamten Quintenzirkel ausschöpfte wie vor ihm keiner. Kritik erfuhr er wegen der Nähe seiner vokalen Kirchenmusik zur Oper und - nur scheinbar im Widerspruch dazu - wegen der Textbehandlung und instrumentalen Stimmführung der Solopartien.

Die Fülle der vokalen Kirchenmusik

Bachs kirchliche Werke sind geprägt von seiner tiefen protestantisch-lutherischen Religiosität. Von ihm sind rund 250 Kantaten überliefert, davon ca. 200 Kirchenkantaten. In seinen Kantaten und Passionen griff Bach häufig auf populäre Choräle des evangelischen Kirchengesangbuches zurück. Eine größere Anzahl seiner Werke, vor allem aus der frühen Schaffenszeit, gilt als verschollen.

Bach schrieb wahrscheinlich fünf Passionen. Die Johannes- und Matthäuspassion sind die einzigen erhaltenen authentischen Passionen. Es ist anzunehmen, dass unter den drei anderen verschollenen Werken die Lukaspassion und die Markuspassion waren. Bei der fünften verschollenen Passion vermuten Forscher eine umgearbeitete einchörige Variante der Matthäus-Passion.

Besonders bekannte Werke

Hörbeispiel aus „Wohltemperiertem Klavier“

  Fuga a 3 voci (7KB) aus Bachs Wohltemperiertem Klavier   
 

Takte 1 bis 9 aus der c-Moll-Fuge aus dem 1. Teil des Wohltemperierten Klaviers von J. S. Bach

Verzeichnisse der Bach'schen Werke

Johann Sebastian Bachs musikalische Werke sind im „Bach-Werke-Verzeichnis“ (BWV) katalogisiert. Ein neueres, aber weniger gebräuchliches Verzeichnis ist das „Bach-Compendium“ der Musikwissenschaftler H.-J. Schulze und Christoph Wolff.

Folgende Wikipedia-Artikel befassen sich ebenfalls mit systematischen Überblicken über Bachs Werk:

Einfluss auf Musiktheorie, Spieltechnik und Instrumentenbau

Neben seiner Wirkung als Musiker und Komponist hatte Bach auch Einfluss auf die praxisbezogene Musiktheorie, die später vor allem in den Schriften Johann Philipp Kirnbergers erfasst wurde. Vermutlich angeregt durch die verschiedenen Temperierungen von Andreas Werckmeister komponierte Bach sein Wohltemperiertes Klavier, dessen Popularität später der wohltemperierten Stimmung zum Durchbruch verhalf. Bach ging es darin - wie es Kirnberger beschrieben hat - unter anderem darum, die von der Temperierung abhängige Vielfalt tonartbezogener Affekte darzustellen und zu lehren.

Siehe auch: Kirnberger-Stimmung und Die Kunst des reinen Satzes in der Musik

Daneben wird Bach häufig als Mitbegründer der Spieltechnik mit dem Daumen als vollwertigem Spielfinger bei den Tasteninstrumenten genannt. Diese Technik erweiterte das Ausdrucksvermögen der Kompositionen bis in den virtuosen Bereich hinein, ermöglichte aber auch ein elegantes, vielstimmiges Legatospiel. „Er hatte sich eine eigene Fingerordnung ausgesonnen, daß es ihm nicht schwer fiel, die größten Schwierigkeiten mit der fließensten Leichtigkeit herauszubringen...Man ... weiß, daß es dabey hauptsächlich auf den Gebrauch des Daumens ankömmt, ..." (aus Johann Adam Hiller: Mein Leben)

Siehe auch: Carl Philipp Emanuel Bach, „Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen“

Zudem setzte sich Bach für die Weiter- und Neuentwicklung von Musikinstrumenten ein. Auch das war auf eine Erweiterung der kompositorischen Mittel ausgerichtet. Die Viola pomposa ist seine Erfindung. Bei den Tasteninstrumenten interessierten ihn besonders klangliche Neuentwicklungen. Er beschäftigte sich zum Beispiel mit deren Temperierung, bei den Orgeln mit deren Klangdisposition und mechanischen Qualitäten. Ein Beispiel ist Bachs „Disposition der neüen reparatur des Orgelwercks ad D: Blasii“ (Mühlhausen 1708).

Bach war ein geschätzter und gut bezahlter Orgelinspektor, der in seinen Gutachten kein Blatt vor den Mund nahm. Dabei arbeitete er auch mit Gottfried Silbermann zusammen. Ihn forderte und förderte er in der Entwicklung des Pianofortes, das in Bachs späten Jahren nach einem Bericht seines Schülers Johann Friedrich Agricola „von ihm völlige Gutheißung erlangte“.

Reisen

 

Reisen von 1701 bis 1721
    

Reisen von 1723 bis 1747

Nachwirkung und Rezeption

Tradierung durch Söhne und Schüler

Nach Bachs Tod bestand zunächst kaum ein Verlangen, seine Werke weiterhin aufzuführen. Das Andenken an ihn pflegten hauptsächlich seine von ihm unterrichteten Söhne, die selbst Komponisten geworden waren:

Während seiner gesamten Schaffenszeit war Bach als Instrumental- und Kompositionslehrer tätig, insgesamt 81 Schüler sind nachweisbar. Die Schüler lebten, oft über lange Zeit, im Haushalt der Familie und nahmen später wichtige Kapellmeister- und Kantorenposten ein. Sie waren es, die neben seinen Söhnen Bachs Namen und musikalischen Nachlass auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts lebendig erhielten. Bekannte Schüler Bachs waren Johann Ludwig Krebs und (nach Ernst Ludwig Gerber und Friedrich Wilhelm Marpurg, aber zweifelhaft) Johann Philipp Kirnberger, der Bachs Kompositionslehre und Wohltemperierte Stimmung weitergab. Dadurch wurden zwar etliche Kompositionen Bachs zu Lehrwerken für spätere Komponisten (z. B. den jugendlichen Ludwig van Beethoven), wurden aber dennoch in den ersten achtzig Jahren nach Bachs Tod kaum öffentlich aufgeführt.

Einwirkung auf die Wiener Klassiker

Haydn und Mozart meinten zunächst Carl Philipp Emanuel Bach, wenn sie von Bach sprachen. Ihnen, vor allem Joseph Haydn, war dieser entscheidender Anreger auf dem Weg zu einem eigenen Stil. Johann Sebastian Bach trat erst spät in ihr Bewusstsein.

Ab April 1782 lernte Wolfgang Amadeus Mozart im Hause Gottfried van Swietens neben Werken von Händel auch Werke von Bach kennen. Mozart studierte vor allem Bachs Klavierfugen durch und eignete sich systematisch deren Kompositionstechniken an.
1789 hörte Mozart bei einem Besuch in der Thomaskirche Bachs Motette „Singet dem Herrn ein neues Lied“. Außergewöhnlich beeindruckt, vertiefte er sich in diese und andere Partituren Bachs. Die Spuren dieser Begegnung sind eine spontan komponierte Gigue und vermehrt polyphone Setzweisen in Mozarts späterem Schaffen.

Ludwig van Beethoven studierte bereits als Kind Klavierwerke J. S. Bachs. Sein Bonner Lehrer Christian Gottlob Neefe schrieb 1783 in Cramers Magazin der Musik über ihn: „Er spielt sehr fertig und mit Kraft das Clavier, ließt sehr gut vom Blatt, und um alles in einem zu sagen: Er spielt größtentheils das wohltemperirte Clavier von Sebastian Bach ...“
Beethoven setzte sich besonders in seinen späten Werken mit auf Bach fußenden polyphonen Techniken, vor allem mit der Fuge auseinander, so z. B. in der Klaviersonate op. 110 und in den Diabelli-Variationen sowie in seinen Streichquartetten op. 127, op. 130, op. 131, op. 132 und op.133 („Große Fuge“). Besonders mit der „Großen Fuge“ schlug Beethoven einen weiten Bogen in die Zukunft.

Wiederbelebung im 19. Jahrhundert

Felix Mendelssohn Bartholdy gebührt das Verdienst, mit der Wiederaufführung der Matthäus-Passion in einer verkürzten Fassung am 11. März 1829 J. S. Bach fast achtzig Jahre nach seinem Tod wieder einer breiten Öffentlichkeit ins Bewusstsein gerückt zu haben. Er gab damit einen enormen Anstoß für die Publizität der Bach'schen Musik.

Die um 1810 geborene Generation romantischer Komponisten erlebte Bach'sche Kompositionen als poetische Musik und nahm sie sich vielfältig zum Vorbild. Für Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847), Robert Schumann (1810-1856) und Frédéric Chopin (1810-1849), ja selbst für Franz Liszt (1811-1886) waren Bachs Werke eine wichtige Voraussetzung für das eigene Schaffen.

F. Mendelssohn Bartholdy, Fr. Chopin, und Fr. Liszt waren es neben Adolf Henselt, Ferdinand Hiller, Ignaz Moscheles, Clara Schumann und Sigismund Thalberg und vielen Lisztschülern, die Klavierwerke Bachs in ihre Konzertprogramme aufnahmen. Besonders das Konzert für drei Klaviere d-Moll (BWV 1063) und das Solokonzert d-Moll (BWV 1054) wurden häufig aufgeführt und machten das bürgerliche Konzertpublikum mit dem Instrumantalwerk Bachs bekannt. All das war freilich weit entfernt von einer historischen Aufführungspraxis. Die Musical Times schreibt im Januar 1848 in einem Nachruf auf Mendelssohn:

"Never shall we forget the triumphant cadence with which he concluded BACH’s concerto for three harpsichord’s, following MOSCHELES and THALBERG. He alone knew the style: it was the pedal solo of an organ fugue in double octaves. What gigantic power he put into these things!"
(„Niemals werden wir die triumphale Kadenz vergessen, mit der er BACHs Konzert für drei Cembali im Anschluss an MOSCHELES und THALBERG beendete. Er allein beherrschte diesen Stil: es war das Pedalsolo aus einer Orgelfuge in Doppeloktaven. Welche gigantische Kraft er da hinein steckte!“)

Ferdinand David und Joseph Joachim brillierten in ihren Konzerten mit der Chaconne d-Moll aus der Partita d-Moll für Violine senza Basso (BWV 1004). Robert Schumann in einer Besprechung eines Konzertes vom 21. Januar 1840:

„David spielte die Chaconne nicht minder meisterlich und mit der feinen Begleitung Mendelssohns.“

Schließlich war das Publikum ab der Mitte des 19. Jahrhunderts mit Bachs Instrumentalmusik besser vertraut als mit den geistlichen Werken, einschließlich der Passionen.

Johannes Brahms (1833-1897), dessen musikalischer Historismus sich auf J. S. Bach gründete, war maßgeblich an der ersten Gesamtausgabe von Bachs Werken beteiligt. Auf Brahms als „Fortschrittlichen“ berief sich Arnold Schönberg (1874-1951), um sich als Traditionalist in der Nachfolge Bachs und Beethovens zu charakterisieren.

Im öffentlichen Musikleben und in der Musikwissenschaft des 20. und 21. Jahrhunderts

Dennoch erlebten Bachs Kompositionen eigentlich erst im 20. Jahrhundert eine systematische Pflege im öffentlichen Musikleben und in der Forschung.

Die Werke Bachs wurden in den letzten 30 Jahren zunehmend Gegenstand der Historischen Aufführungspraxis. Sie hat vielen Interpreten und Hörern einen neuen Zugang zu seiner Musik ermöglicht.
Einen Anfang dazu hatte bereits 1903 Wanda Landowska mit ihrem ersten öffentlichen Cembalo-Recital gemacht und mit ersten Schallplattenaufnahmen 1923 und der Gründung der "École de Musique Ancienne" im Jahre 1925 den Weg zum "Originalklang" geebnet.

Populäre Adaptionen Bachs

Im 20. Jahrhundert erfuhr das Werk Bachs auch eine Reihe populärer Adaptionen. Viele davon sind trivial und ohne größeren Wert, aber es gab auch ernsthaftere Annäherungen. So von Jacques Loussier mit seinem Projekt Play Bach und von Walter Carlos, der mit seinem Moog-Synthesizer eine völlig neue klangliche Perspektive auf Bachs Werk eröffnete.

Standbilder und Denkmale

 
Johann-Sebastian-Bach-Denkmal auf dem Thomaskirchhof in Leipzig

Literatur

Für eine um Vollständigkeit bemühte Bibliographie siehe Yo Tomitas „Bach Bibliography“

Siehe auch

Commons: Johann Sebastian Bach – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Johann Sebastian Bach – Quellen und Volltexte

frei erhältliche Noten von Werken J.S. Bachs:


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  1. Quellen: Dok. I, Nr. 30, 31 und 90C/S.174
  2. Quelle: BJ 2005, S. 287ff
  3. Quellen: Dok. II, Nr. 367 und 368