Altgriechische Phonologie

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Die altgriechische Phonologie ist die Lehre von der Phonologie (bzw. Aussprache) des Altgriechischen.

Wegen der Menge an Zeit, die seitdem vergangen ist, kann die ursprüngliche Aussprache des Altgriechischen, wie aller antiken Sprachen, nie mit hundertprozentiger Sicherheit ermittelt werden. Ihre linguistischen Rekonstruktionen sind in der Vergangenheit immer wieder stark umstritten gewesen. Dennoch hat mittlerweile eine gute Annäherung herausgebildet, über die nun allgemein Konsens herrscht. Sie ist nicht identisch mit der etablierten Aussprache des Altgriechischen in deutschsprachigen Schulen.

Vokale

Im Altgriechischen wurde zwischen langen und kurzen Vokalen unterschieden. Soweit rekonstruiert enthielt der attische Dialekt, der als klassische Form des Griechischen gilt, fünf kurze und sieben lange Vokale. Ihre exakte Aussprache zu einer bestimmten Zeit zu rekonstruieren ist schwierig, doch das nachstehende Schema von W. Sidney Allen (1968) ist gemeinhin akzeptiert.

Kurze Vokale
  Vorne Hinten
  ung. ger. ung. ger.
Geschlossen [i] [[Iota|ι / Vorlage:Polytonisch]] [y] [[Ypsilon|υ / Vorlage:Polytonisch]]    
Mitte [e] ε     [o] ο
Offen [a] [[Alpha|α / Vorlage:Polytonisch]]


Lange Vokale
  Vorne Hinten
  ung. ger. ung. ger.
Geschlossen [] [[Iota|ι / Vorlage:Polytonisch]] [] [[Ypsilon|υ / Vorlage:Polytonisch]]    
Halbgeschlossen [] ει     [] ου
Halboffen [ɛː] η     [ɔː] ω
Offen [] [[Alpha|α / Vorlage:Polytonisch]]

Bei den a-, i- und y-Lauten wurde die Länge also nicht in der Schrift unterschieden, die Kürze- bzw. Längezeichen wurden erst in der Neuzeit eingeführt und wurden und werden auch nur sporadisch und wenn, dann auch lediglich im sprachwissenschaftlichen Kontext, nie im Schulunterricht, verwandt. Bei den e- und o-Lauten gab es je ein kurzes und zwei lange Phoneme, die auch unterschiedlich geschrieben wurden. Die kurzen Vokale wurden mit Epsilon und Omikon wiedergegeben, es wird angenommen, dass sie eher halbgeschlossen ([e], [o]) waren, es ist jedoch auch gut möglich, dass sie die halboffenen Allophone [ɛ] und [ɔ] hatten. Bei den Langvokalen wurde zwischen den offenen Lauten [ɛː] und [ɔː] (geschrieben mit Eta und Omega) sowie die geschlossenen Lauten [] und [] unterschieden. Der Laut [ɛː] könnte unter Umständen auch noch offener ausgesprochen worden sein, also [æ:]. Die langen halbgeschlossenen Vokale [] und [] hatten eine komplexe Geschichte. In einigen Fällen haben sie sich aus den Diphthongen [ei] und [ou] entwickelt, worauf auch die Schreibweisen ει und ου hinweisen. Jedoch sind sie auch durch eine Ersatzdehnung der kurzen Laute [e] und [o] entstanden, um einen in ausgefallen Konsonanten wieder auszugleichen. Zum Beispiel gehen λυθείς (lytheis) und λύουσι (lyousi) auf *λυθεντς (*luthents) und *λυοντσι (*luontsi) zurück. In einem noch anderen Fall hat sich [] aus einer Kontraktion von <εε> und [] aus einer aus <εο>, <οε> oder <οο> entwickelt, wobei die unkontrahierten Formen in anderen Dialekten erhalten sind. Als die ursprünglichen Diphthonge ihre diphthongische Aussprache verloren und, wahrscheinlich in vorklassischer Zeit zu [] und [] wurden, stellten die Schreibungen <ει> und <ου> eine recht einfache Methode der schriftlichen Wiedergabe dar, unabhängig von ihrem Ursprung. Wo die Schreibungen ει und ου mit einem ehemaligen Diphthong übereinstimmen, werden sie „echte Diphthonge“ genannt, in anderen Fällen „unechte Diphthonge“.

Die Laute [y] und [] (wie deutsches ü) hatten ursprünglich den Lautwert [u] und []. Es ist schwer, mit Genauigkeit zu sagen, wann sich diese Lautverschiebung (bzw. Vorderung) ereignete. Er ereignete sich auch nicht in allen griechischen Dialekten, wurde aber von der Koiné als Standard übernommen.

In nachklassischer Zeit durchlebten die griechischen Vokale zahlreiche Änderungen, die schrittweise zu dem neugriechischen System mit nur fünf Vokalphonemen führte. Während oder kurz nach der klassischen Periode verschoben sich sowohl [] und [] und wurden zu [] bzw. []. [] (ει) fiel mit dem ursprünglichen [] zusammen, wogegen [] den Platz des ursprünglichen [] einnahm, das sich bereits vorher zu [/ verschoben hatte (siehe oben). Die Tatsache, dass <υ> und <ου> niemals verwechselt wurden, lässt darauf schließen, dass sich die Verschiebung von <υ> vor der von <ου> ereignete oder, dass die Lautverschiebungen parallel ereigneten. Die Entrundung von [y] zu [i] ereignete sich in byzantinischen Zeiten. Auch die Unterscheidung zwischen langen und kurzen Vokalen wurde aufgegeben, so dass am Ende nur noch die Phoneme [a], [ɛ], [i], [ɔ] und [u] übrigblieben.

Diphthonge

Im Altgriechischen gab viele von Diphthonge. Alle waren schließende Diphthonge, sie endeten entweder auf [] oder //, wie in einem halbvokalischen Auslaut. Der erste Teillaut konnte entweder lang oder kurz sein, was die nacchstehende Tablle zeigt (in der ersten Zeile einer Zelle ist die Aussprache in IPA angegeben, darunter sein klassische Schreibweise):

  Vorderer Auslaut Hinterer Auslaut
Kurzer erster Laut [ai̯], [oi̯], [yi̯], ([ei̯])
αι, οι, υι, (ει)
[au̯], [eu̯], ([ou̯])
αυ, ευ, (ου)
Langer erster Laut [/aːi̯], [ɛːi̯], [ɔːi̯]
Vorlage:Polytonisch, ηι, ωι
(Vorlage:Polytonisch)
[ɛːu̯], ([ɔːu̯])
ηυ, (ωυ)

Diese Diphthonge entwickelten sich während und nach der klassischen Periode (und ihrer teilweisen Übernahme in der Koiné) verschieden. Zwei davon, ει und ου, wurden bereits früh monophthongiert (siehe oben). Die restlichen Diphthonge, die zuvor auf ι geendet hatten, wurden kurz darauf auch zu Monophthongen. Dies geschah früh, noch während oder kurz nach der klassischen Periode. Hierbei veränderten sich diejenigen Diphthonge mit langem Anlaut (Vorlage:Polytonisch, <ηι> und <ωι>) dahingehend, daß der i-Laut verstummte und nurnoch der Anlaut übrig blieb: Vorlage:Polytonisch, <η>, <ω>. Das Iota wurde (später) nurnoch durch ein bloßes Iota sub- bzw. adsprichtum widergegeben.

Die kurz anleutenden Diphthongen (<αι>, <οι> und <υι>) veränderten sich hingegen eigenständig: [ai̯] verschob sich zunächst zunächst zu [ɛː] und fiel nach der Aufgabe der langen und kurzen Vokale mit ε [ɛ] zusammen. Die Tatsache, daß das Eta nunmehr ganz anders, [i], ausgesprochen wird, läßt darauf schließen, daß sich die Verschiebung von [ɛː] zu [] vor der genannten Verschiebung von Alpha und dem letztlichen Zusammenfall von Lang- und Kurzvokalen ereignete. <οι> und <υι> verschoben sich dagegen beide zu [y] und später auch zusammen mit dem einfachen <υ> zu [i].

Die übrigen hinteren Diphthonge (αυ, ευ, ηυ) veränderten sich dahingehend, dass der Auslaut während der hellenistischen Zeit konsonantisch wurde, was direkt zu den neugriechischen Lauten [av], [ev] und [iv], die sich jedoch vor stimmlosen Konsonanten und am Wortende zu [af], [ef] bzw. [if] quasi-auslautverhärten, führte. ωυ war selten und erschien nicht im klassischen Attischen (jedoch sehr wohl im Ionischen). Da es, ausgrund seiner Seltenheit, auch nicht von der Koiné übernommen wurde, erscheint der Digraph auch im heutigen Griechischen nicht mehr.

Konsonanten

Verglichen mit den Vokalen bleib das Inventar an Konsonanten im Griechischen relativ gleich über die Zeit, zumindest, was die reine Anzahl an existierenden Lauten betrifft. In jedem Falle wird jedoch trotzdem angenommen, dass viele Laute sich mit der Zeit radikal verändert haben, so wurde ein ganzes Spektrum von Plosiven zu Frikativen.

Plosive

Von all den folgenden Lauten wird angenommen, dass sie im attischen Griechisch Plosive waren. Antike Grammatiker (beginnend mit Aristoteles) nennen sie allesamt Vorlage:Polytonisch (áphona).

Traditioneller Name Phonetische Beschreibung Bilabial Alveolar Velar
Ψιλά Psilá , Tenues stimmlos /p/ π /t/ τ /k/ κ
Μέσα Mésa, Mediae stimmhaft /b/ β /d/ δ /ɡ/ γ
Δασέα Daséa, Aspiratae aspiriert und stimmlos // φ // θ // χ

Alle Mediae wurden später zu Frikativen ([v], [ð], [ɣ] ~ [ʝ]) und alle Aspiratae zu stimmhaften Frikativen ([f], [θ], [χ] ~ [ç]). Dies sind auch ihre Lautwerte im modernen Griechisch. Es wird davon ausgangen, dass diese Veränderungen während des Altertums, im Wesentlichen während der Zeit der Koiné, stattfanden, höchstwahrscheinlich jedoch nach dem klassischen Attischen. Die Veränderungen begannen wahrscheinlich mit der Verscheibung des stimmhaften velaren Lautes [g] nach [ɣ], bzw. [ʝ] (im dritten Jahrhundert vor Christus) und endeten während der ersten Jahrhunderte nach mit den Aspiranten. Deshalb wird in (alt-)griechischen Transkriptionen auch bis heute „ph“ statt „f“ geschreiben.

Im Falle der Labialen müssen die Veränderungen über die Zwischenschritte der bilabialen Frikative [β] und [ɸ], da die modernen Lautwerte nicht bilabial, sondern labiodental sind.

Andere Konsonanten

Außer den Plosiven beinhaltet das klassische Altgriechische zwei Nasale (/m/ und /n/), zwei Liquide (/l/ und /r/) und zwei Frikative (/h/ und /s/), die in einzelnen Abschnitten separat behandelt werden. Antike Grammatiker klassifizierten die Nasale, Liquide und /s/ als Vorlage:Polytonisch (hemíphona), womit sie wahrscheinlich meinten, dass sie, im Gegensatz zu den Vorlage:Polytonisch (áphona), in der Aussprache ohne vokalische Aussprachehilfe ausgedrückt werden konnten.

Während sich die Terminologie der áphona und hemíphona sich mehr auf die Buchstaben denn auf die Phoneme bezog, standen die Buchstaben ψ, ξ und ζ jeweils für Konsonantenverbindungen und wurden als διπλά diplá („Doppelbuchstaben“), wurden also jeweils mit Hemíphona gekoppelt, wahrscheinlich, weil sie alle /s/ als Element enthielten. Die Aussprache des ζ ist nicht ganz klar. In Sachen Metra wurde es als Doppelkonsonant behandelt, sprich, es bildete harte Silben (siehe unten), aber es ist unklar, ob es für [zd] oder [dz], oder vielleicht zu verschiedenen Zeiten für jeweils eins von beiden stand. Während der Klassik verschob es sich zu [z]. Die anderen beiden diplá wurden im klassischen Attisch wahrscheinlich [pʰs] und [kʰs] ausgesprochen (im alten Alphabet wurden sie <φσ>, bzw. <χσ> geschrieben), aber die Aspiration des ersten Lautes war phonologisch irrevant.

Dies sind der bilabiale Nasal /m/, geschrieben als μ, und der alveolare Nasal /n/, geschrieben als ν. Je nach phonetischer Umgebung wurde das Phonem /n/ beim Sprechen auf vier verschiedene Arten realisiert:

  • Vor den Labialen /b/, /p/ und // ändert es seinen Lautwert zu [m] und wird mit µ geschrieben. So z. B.: |ἐμβαίνω, ἐμπάθεια, ἐμφαίνω (embaíno, empátheia, emphaívo). Das Gleiche geschieht auch, wenn darauf ein /s/, wie in ἔμψυχος (émpsychos) folgt.
  • Vor dem Nasal /m/ wird er assimiliert, doch es geschieht eine Gemination und sie werden gemeinsam als verlängerter bilabialer Nasal /m/ ausgesprochen und als µµ geschrieben, z. B. ἐμμένω (emméno)
  • Vor den Velaren /g/, /k/ und // wurde das Phonem /n/ als [ŋ] ausgesprochen und mit γ geschrieben. So, z. B.: Vorlage:Polytonisch (eŋgýs, eŋkaléo, eŋchéo). Das gleiche geschieht, wenn auf den Laut /s/ folgt, wie in συγξηραίνω (syŋxeraíno), dies tritt jedoch seltener auf. Die Schreibung γγ steht nicht für die Gemination und wird nicht [ɡː] ausgesprochen.
  • In allen anderen Fällen wird das Phonem /n/ ganz normal als [n] ausgesprochen.

Sofern möglich geht das Phonem /n/ Geminationen ein, ohne assimiliert zu werden, wie zum Beispiel in dem Wort Vorlage:Polytonisch (ennéa). Künstliche Gemination zu metrischen Zwecken findet sich teilweise auch, z.nbsp;B. in der Form Vorlage:Polytonisch (énnepe).

Altgriechisch hat die Liquide /l/ und /r/, die mit λ, bzw. ρ geschrieben werden.

Das λ stand wahrscheinlich für ein „klares“ l wie im heutigen Griechischen oder Deutschen. Steht /n/ vor dem /l/, findet eine Gemination statt und die Kombination wird // ausgesprochen, wie in συλλαμβάνω (syllambáno), dem *συνλαμβάνω (* synlambáno) zugrunde liegt.

Das ρ stnd wahrscheinlich für einen alveolar gerollten Laut, [r], wie im Italienischen oder heutigen Griechischen und teilweise noch im hoch- und höchstalemannischen Dialektkontinuum, eher nicht wie im Englischen, Französischen oder (nichtschweizerischen) Deutschen. Am Wortanfang wird das ρ teilweise mit Spiritus asper geschrieben (Vorlage:Polytonisch), wahrscheinlich, um ein stimmloses oder aspiriertes Allophon von /r/ darzustellen, wahrscheinlich (r̥]] oder [rʰ], woher wohl auch die traditionelle Transkription „rh“ rührt. Die gleiche Rechtschreibung wird teilweise verwendet, wenn eine Gemination von /r/, wie in „συρρέω“ (syrréo), das deshalb teilweise auch Vorlage:Polytonisch (syrrhéo) geschrieben wird, auftritt, was die Transkription zu „rrh“ verschiebt. Dieses Beispiel zeigt auch, dass /n/ von einem folgenden /r/ assimiliert wird, was zur Gemination führt.

Bevor die mediae und aspiratae zu Frikativen wurden, hatte das Griechische wahrscheinlich nur zwei Frikative: Den Zischlaut /s/, der mit Sigma (Σ,σ,ς) geschrieben wurde und /h/. Der erstgenannte hatte wahrscheinlich das stimmhaftes Allophon /z/ vor anderen stimmhaften Konsonanten, was in der Rechtschreibung jedoch nicht wurde.

Der Laut /h/ stand nur am Wortanfang. Im Attischen Dialekt wurde er ursprünglich mit Eta geschreiben. Kurz vor oder während der klassischen Zeit verstummte er im Ionischen und Aiolischen, im Attischen blieb er aber länger erhalten. Im Ionischen, wo er früh verstummte, wurde das Eta daraufhin als Vokalbuchstabe verwendet. Als das ionische Alphabet dann von den anderen Regionen übernommen wurde (403 v. Chr. in Athen), musste /h/ allerdings weiterhin wiedergegeben werden. In manchen Inschriften wurde er stattdessen mit der linken Hälfte des (H)eta geschrieben, dies sah am Beispiel Hera so aus: ├ΗΡΑ. Spätere Grammatiker, während der hellenistischen Koiné, veränderten das Symbol zum Spiritus asper (griechisch Vorlage:Polytonisch (daseîa)), den sie nicht länger als einzelnen Buchstaben, sondern als diakritisches Zeichen, das über einem anlautenden Vokalbuchstaben steht. Dementsprechend schufen sie ein weiteres diakritisches Zeichen namens Spiritus lenis (griechisch ψιλή (psilé)), das klarstellen sollte, dass das Wort nicht mit /h/ beginnt. Allgemein wurden die Zeichen erst in der byzantinischen Zeit eingeführt.

Der Buchstabe Digamma (Ϝ, ϝ) wurde in einigen Dialekten für den Laut /w/ im Silbenanlaut verwendet. Dieser Laut verstummte im Attischen und Ionischen vor der klassischen Periode und wurde nur noch als Zahlzeichen für 6 benutzt, wo er später auch durch das Stigma ersetzt wurde). Das /w/ anderer Griechischer Dialekte und von Fremdsprachen wurde üblicherweise mit <β>, später auch mit <ου> geschrieben.

Doppelte Konsonanten

Gemination existierte im Altgriechischen, sprich doppelte Konsonanten wurden gelängt, wie auch, zu metrischen Zwecken im modernen zyprischen Dialekt. Doppelkonsonanten erscheinen nicht am Wortanfang und -ende. φ, θ und χ werden nicht in der Rechtschreibung verdoppelt, als Ersatz werden die Buchstabenkombinationen πφ, τθ, und κχ benutzt, vergleiche auch die Doppel-Rho-Regel weiter oben.

Ein doppeltes Sigma der meisten antiken Dialekte (und in der Kioné) — σσ — wurde im Attischen generell durch ein doppeltes Tau – ττ – ersetzt. Einige Wissenschaftler haben vermutet, dass dies für eine Affrikate ([] oder [ts]) steht, doch es gibt keinen direkten Beweis dafür.

Silben

Im Altgriechischen ist die Unterscheidung zwischen langen und kurzen Silben sehr wichtig, da sie das das Grundelement des klassischen Versmaßes war. Eine lange Silbe ist eine Silbe, die entweder einen langen Vokal oder einen Diphthong beinhaltet oder auf einen Konsonanten endet. Falls ein Konsonant zwischen zwei Silben steht innerhalb eines Wortes, gehört er im Regelfall zur zweiten, die davor ist also kurz (vorausgesetzt, ihr Vokal ist kurz). Falls zwei oder mehr Konsonanten, ein Doppelkonsonant (ζ, ξ oder ψ) oder ein gelängter (geminierter) Konsonant zwischen zwei Silben innerhalb eines Wortes erscheinen, gehört der erste zu der davor und längt sie. Bestimmte Kombinationen von Konsonanten, stimmhafte Plosive plus Liquide oder Nasale (z. B. τρ oder κν), sind Ausnahmen, da unter bestimmten Umständen beide Konsonanten teil der zweite Silbe sind — ein Phänomen, das als „correptio attica“ bekannt ist. Antike Grammatiker bezeichneten eine lange Silbe mit einem kurzen Vokal als „θέσει μακρά“ („thései makrá“) - lang nach Konvention, was später als „positione longa“ ins Lateinische mißübersetzt wurde. Eine langvokalische Silbe wurde als „φύσει μακρά“ („phýsei makrá“) - „von Natur aus lang“ - „natura longa“ - bezeichnet.

Akzent

Im Altgriechischen hatte eine Silbe eines Wortes normalerweise einen Akzent. Im Gegensatz zum modernen Griechischen war dies ein tonaler Akzent; in anderen Wörtern wurde die akzentuierte Silbe mit höherem Thon ausgesprochen; Dionysios von Halikkarnassus sagte, dass dieser Intervall etwa eine Quinte betrug. In der standarisierten polytonischen Rechtschreibung (die in der hellenistischen Zeit entwickelt wurde, sich jedoch bis zur Byzantinischen Zeit nicht generell durchsetzte) wurde der Akut (griechisch „Vorlage:Polytonisch“ („oxeîa“)) benutzt, um die einfach akzentuierte Silbe anzuzeigen. In langen Vokalen und Diphthongen konnte der Akzent auf jede Hälfte (oder Mora) fallen. Fiel er auf die erste Mora, so hatte die Silbe einen hohen Ton, gefolgt einem tiefen, was in der Rechtschreibung durch den Zirkumflex (griechisch „περισπωμένη“ („perisponéne“)) kenntlich gemacht wurde, z. B. /ée/ = Vorlage:Polytonisch ~ /eé/ = Vorlage:Polytonisch.

Der Akzent kann nur auf eine der drei letzten Silben eines wortes fallen und, falls die letzte Silbe einen langen Vokal beinhaltet, kann er nur auf die letzten beiden fallen, was dazu führt, dass der Zirkumflex nur auf die letzten beiden Silben fallen kann. Ein Akut auf der letzten Silbe (außer vor einer Pause oder einem Enklitikum) wird in der Rechtschreibung normalerweise durch den Gravis („Vorlage:Polytonisch“) ersetzt: Es mag sein, dass dies eine Tonsenkung anzeigen soll, es fehlt jedoch an Beweisen.

Wenn die vorletzte Silbe akzentuiert ist, hat sie in der Regel den Zirkumflex, wenn sie einen langen Vokal oder einen Diphthong beinhaltet und die letzte einen kurzen, ansonsten den Akut. Eine akzentuierte letzte Silbe kann entweder den Akut (bzw. Gravis) oder den Zirkumflex haben.

Bei der Rekonstruktion benutzte Argumente und Belege

Die oben genannten Informationen basieren auf eine großen Menge vor Beweisen, worüber Linguisten und Philologen im 19. und 20. Jahrhundert ständig diskutierten. Im Folgenden sind einige der Argumente angegeben, wie sie in dieser Argumentation angeführt wurden, zusammen mit einem kurzen Überblick über die Quellen.

Argumente innerhalb des Griechischen

Initiale Laut-Buchstaben-Zuordnung

Wenn eine Sprache eine Alphabetschrift übernimmt, muss ein gewisser einfacher Grad an Übereinstimmung zwischen den Buchstaben und den Phonemen der übernehmenden Sprache gegeben sein, was nicht unbedingt eine genaue eins-zu-eins-Korrespondenz bedeuten muss. Dies führt auch immer zu den gleichen Schreibfehlern, so lange die Aussprache die gleiche bleibt. Falls sich eine Lautverschiebung über aufeinanderfolgende Generationen ereignet, ändert sich die Rechtschreibung entweder so, dass diese Lautverschiebung offensichtlich wird, oder sie bleibt konservativ, sodass sich eine traditionelle Rechtschreibung durchsetzt. Im ersten Falle, was man durchaus als „Rechtschreibreform“ betiteln kann, weist der Zeitpunkt der Einführung der Reform auch auf den Zeitpunkt der Lautverschiebung hin. Im zweiten Falle, wenn sich eine historische Rechtschreibung durchsetzt, werden Schreibfehler, die ungeübte Schreiber machen, zu zentralen Punkten, die Linguisten erlauben, Lautverschiebungen und deren Zeitpunkt und somit die Entwicklung der Aussprache über die Zeit zu rekonstruieren.

Schreibfehler

  • Wenn herausgefunden wird, dass Schreiber besonders oft zwei Buchstaben verwechseln, kann daraus geschlossen werden, dass die beiden Laute zusammengefallen sind. Dies geschah oft, zum Beispiel mit <ι> und <ει>, kurz darauf mit <υ> und <οι>, mit <ο> und <ω> und mit <ε> und <αι>, und noch später mit <η> und <ι> und <ει>, die ja bereits zusammengefallen waren.
  • Wenn man herausfindet, dass Schreiber oft einen Buchstaben auslassen, wo er in der Standard-Rechtschreibung gebraucht werden würde, oder, dass sie fälschlich einen einsetzen, wo er nicht hingehört (siehe Hyperkorrektur), kann man daraus schließen, dass der Laut, den dieser Buchstabe repräsentierte, in der Aussprache verloren gegangen ist. Dies geschah recht früh mit dem „Spiritus asper“ ([h]) am Wortanfang in den meisten Formen des Griechischen. Ein anderes Beispiel ist die gelegentliche Auslassung des Iota subscriptum in langen Diphthongen (siehe oben).

Schreibfehler sind eine wichtige Beweisquelle, treten aber nur begrenzt auf. Sie beweisen lediglich, dass die phonetische Entwicklung sich in der Sprache des Schriftstücks ereignete, jedoch nicht, dass sie sich gemeingültig durchsetzten. Altgriechisch war keine homogene oder statische Sprache, sondern in viele regionale und soziale Varianten aufgeteilt. Viele der sprachlichen Eigenschaften, die für das späte und heutige Griechisch charakteristisch sind, entstanden wahrscheinlich schon in den Soziolekten des klassischen Attischen, doch die alten Dialekte scheinen sich für Jahrhunderte erhalten zu haben.

Griechische Literatur enthält manchmal Darstellungen von Tierschreien in griechischen Buchstaben. Das am häufigsten zitierte Beispiel ist das „Schafblöken“ <Vorlage:Polytonisch>, das als Beweis dafür gesehen wird, dass das Beta als Stimmhafter bilabialer Plosiv und das das Eta als langer ungerundeter halboffener Vorderzungenvokal ausgesprochen wurden. Laumalerische Verben wie „μυκάομαι“ („mykáomai“) (vgl. latein. „mugire“) für das Kuh-Muhen, „βρυχάομαι“ („brycháomai“) (vgl. latein. „rugire“) für das Brüllen eines Löwen oder „κόκκυξ“ („kókkyx“) (vgl. latein. „cuculus“) für den Namen des Kuckucks legen nahe, dass die archaische Aussprache des langen Ypsilon [u:] war, bevor sie zu [y:] wurde.

Bei manchen Entwicklungen innerhalb von Wörtern unterliegen Laute regelmäßigen Veränderungen wie As- oder Dissimilation, die manchmal beim Schreiben berücksichtigt werden. Dies kann genutzt werden, um die „ursprünglichen“ Laute zu rekonstruieren.

  • <π>, <τ> und <κ> werden am Ende eines Wortes regelmäßig als <φ>, <θ> bzw. <χ> geschrieben. wenn das folgende Wort einen „Spiritus asper“ über dem ersten Buchstaben hat. Dies gilt auch für Komposita. Beispiele: „Vorlage:Polytonisch statt „Vorlage:Polytonisch“ oder „Vorlage:Polytonisch“ statt „Vorlage:Polytonisch“.
  • Der attische Dialekt ist von Synäresen gekennzeichnet: Zwei Vokale ohne Konsonant dazwischen ziehen sich zusammen und werden zu einer Silbe; zum Beispiel taucht in den anderen Dialekten zwar regelmäßig nichtverbundenes <εα> auf, wird im Attischen aber zu <η>, was die Ansicht, dass das Eta eher [ɛː], das genau zwischen [e] und [a] liegt, als [], wie im heutigen Griechischen, ausgesprochen wurde. Dementsprechend werden die unverbundenen Ionischen Laute <εε>, <οο> ([e.e], [ο.ο]) im Attischen auch verbunden <ει>, bzw. <ου> geschrieben, was eine Aussprache von [], bzw. [οː] von ihnen (zumindest im Attischen) nahelegt, im Gegensatz zu [i] bzw. [u], zu denen sie später wurden.

Vom Standard abweichende Schreibungen

Morphophonogische Veränderungen wie die oben beschriebenen werden in vom Standard abweichenden Schreibungen oft unterschiedlich behandelt. Dies führt gelegentlich zu Fragen über die Repräsentativität des literarischen Dialektes und erlaubt Rekonstruktionen, die nicht möglich wären, wenn nur eine Version in den literarischen Texten der Standardsprache zur Verfügung stände. So zum Beispiel:

  • Vom Standard abweichende epigraphische Schreibung legt machmal die Assimilation eines Kappas zu einem Gamma am Ende Wortes nahe, wenn das folgende Wort mit einem stimmhaften Konsonanten beginnt oder eines Kappas zu einem Chi am Wortende vor aspirierten Lauten in Wörtern wie „Vorlage:Polytonisch

Metrische Beweise

Die Metra, die in der klassischen griechischen Poesie benutzt wurden, basieren auf dem Prinzip der langen und kurzen Silben und können manchmal als Beweis für die Vokalläge dienen, wenn dies nicht schon aus der Rechtschreibung deutlich wird. Ab dem vierten Jahrhundert nach Christus wurde Poesie so geschrieben, dass betonungsbasierte Metra verwendet wurden, woraus man schließen kann, dass nicht mehr zwischen langen und kurzen Vokalen unterschieden wurde und dass der Polytonische Akzent durch einen reinen Betonungsakzent ersetzt wurde.

Beweise außerhalb des Griechischen

Lautbeschreibungen

Einige antike Grammatiker versuchen, systematische Beschreibungen der Laute der Sprache zu verfassen. Bei anderen Autoren kann man manchmal gelegentliche Anmerkungen über die "korrekte" Aussprache von einzelnen Lauten finden. Beide Arten von Beweisen sind oft schwierig zu interpretieren, da auch die phonetische Terminologie dieser Zeit oft vage war und es ist oft nicht klar ist, in welcher Relation die beschriebenen Formen zu denen, die eigentlichen von den breiteren Schichten der Bevölkerung gesprochen wurden, stehen.

Wichtige antike Autoren sind:

Vergleich zwischen verschiedenen Dialekten

Manchmal können der Vergleich des Standard-Attischen mit geschriebenen Formen der anderen griechischen Dialekten oder die humorvolle Übertragung der „fremdhaften“ dialektalen Aussprache (z. B. spartanischem Dorisch) in attische Theaterstücken) Hinweise auf den Lautwert bestimmter Schreibungen liefern.

Gegen Ende des fünften Jahrhunderts vor Christus transkribierten attische Autoren manchmal das spartanische θ mit σ: „ναὶ τὼ σιώ (att. θεώ), παρσένε, ὀρσά (ὀρθή), ἀγασώς (ἀγαθούς)“ bei Aristophanes („Lysistrata“) und man findet auch „σύματος“ („θύματος“) bei Thukidides (die letztere Schreibung wurde in Beschreibungen des Dorischen aus dem vierten Jahrhunderts vor Christus gefunden). Man kann daraus schließen, dass das <θ> des spartanischen Dorisch bereits (zumindest vor Vokalen) ein Frikativ war und dass daraus ein Spaß gemacht wurde, da das Attische den Plosiv beibehielt.

Die Schreibweise griechischer Fremdwörter in anderen Sprachen und anderssprachiger Lehnwörter im Griechischen kann ein wichtiger Hinweis auf die Aussprache sein. Doch der Beweis ist oft schwierig zu interpretieren oder unerschlossen. Man muss beachten, dass die Laute von Lehnwörtern oft nicht identisch in die andere Sprache übernommen werden. Wo es der Zielsprache an einem Phonem fehlt, das genau einem der Ausgangssprache entspricht, wird dieses normalerweise durch ein ähnlich klingendes Phonem der Zielsprache ersetzt.

Das Lateinische hat aufgrund der großen Nähe der Römischen zur griechischen Kultur zahlreiche griechischen Wörter übernommen. Es ist daher von großer Bedeutung für die Rekonstruktion der Altgriechischen Phonologie. Zuerst wurden Griechische Lehnwörter, insbesondere technische Bezeichnungen und Eigennamen, die den Buchstaben Φ enthielten, mit „p“ oder „ph“ transskribiert, womit sich die Schreiber, wenn auch unvollständig, bemühten, einen Laut zu schreiben, den das Lateinische nicht enthielt. Später, in den ersten Jahrhunderten nach Christus, tauchen erstmalig Schreibungen mit „f“ in solchen Lehnwörtern auf, was darauf hinweist, dass das Phi bereits zu einem Frikativ geworden war. So wird im zweiten Jahrhundert „P(h)ilippus“ durch „Filippus“ ersetzt. Etwa zur selben Zeit wurde damit begonnen, das „f“ als Ersatz für den Buchstaben Θ zu verwenden, aus Mangel an einer besseren Wahl, was anzeigt, dass der Laut des griechischen Theta ebenfalls ein Frikativ geworden war.

Um bestimmte anderen griechischen Wörter darzustellen, fügten die Römer die Buchstaben „y“ und „z“ zum Lateinischen Alphabet hinzu, die sie direkt vom griechischen übernahmen. Dies ist deshalb wichtig, weil es zeigt, dass die Römer keine Schriftzeichen für die Laute der Buchstaben Υ und Ζ im Griechischen hatten, was bedeutet, dass in diesem Falle kein Laut des Lateinischen dafür genutzt werden kann, um die griechischen Laute zu rekonstruieren.

Vergleich mit älteren Alphabeten

Das griechische Alphabet entwickelte sich aus dem älteren Phönizischen Alphabet. Man mag annehmen, dass die Griechen versuchten, jeden Phönizischen Buchstaben für denjenen griechischen Laut zu verwenden, der dem Phönizischen am ähnlichsten war. Jedoch ist diese Interpretation, ähnlich wie bei den Lehnwörtern, nicht sicher.

Vergleich mit jüngeren oder abgeleiteten Alphabeten

Das griechische Alphabet die Grundlage anderer Alphabete, nämlich des Etruskischen und später des Armenischen, Gotischen und Kyrillischen Alphabets. Ähnliche Argumente wie im Phönizisch-Griechischen Fall können in diesen Fällen abgeleitet werden.

Zum Beispiel steht der kyrillische Buchstabe Ve („В“) für den Laut [v], was bekräftigt, dass das Beta im neunten Jahrhundert nach Christus bereits als Frikativ ausgesprochen wurde, während der neue Buchstabe Be („Б“) für den Laut [b] erfunden wurde. Im Gotischen dagegen steht der Buchstabe, der vom Beta abgeleitet wurde, für [b], also war das Beta im vierten Jahrhundert nach Christus noch ein Plosiv.

Vergleich mit dem Neugriechischen

Bei jeglicher Rekonstruktion des Altgriechischen muss in Betracht gezogen werden, wie sich die Laute später zum Neugriechischen hin entwickelten, und wie sich diese Änderungen ereigneten. Im allgemeinen wird von Linguisten angenommen, dass die Unterschiede zwischen dem rekonstruierten Altgriechischen und dem Neugriechischen relativ unproblematisch sind, da die relevanten Änderungen (Wandlung von Plosiven zu Frikativen, Verschiebungen von Vokalen zu [i], Verlust des Anlautes [h], Veränderungen von Vokallängen und Betonungssystemen, etc.) regelmäßig in vielen Sprachen beobachtet werden und relativ einfach zu erklären sind.

Vergleichende Rekonstruktion des Proto-Indogermanischen

Systematische Entsprechungen zwischen den Lauten des Griechischen und denen der anderen indogermanischen Sprachen dienen Sprachwissenschaftlern als starke Hinweise für die Rekonstruktion, da solche Entsprechungen als starke Hinweise darauf gesehen werden, dass diese Laute auf einen gemeinsamen Laut der Protosprache zurückgehen müssen.

Geschichte der Rekonstruktion der antiken Aussprache

Renaissance

Bis zum fünfzehnten Jahrhundert (Während der Zeit des byzantinischen griechischen Reiches) wurden griechische Texte genauso ausgesprochen wie zeitgenössisches Griechisch, wenn es laut gelesen wurde. Ab etwa 1486 verurteilten diverse Gelehrte (insbesondere Antonio de Nebrija, Hieronymus Alexander und Aldus Manutius) diese Aussprache als unvereinbar mit den den Beschreibungen, die von antiken Grammatikern überliefert waren, und schlugen eine alternative Aussprache vor.

Johannes Reuchlin, der führende Gelehrte des Griechischen des Westens um 1500, hatte die Lehren des Griechischen von ausgewanderten byzantinischen Gelehrten übernommen und benutzte weiterhin die moderne Aussprache. Doch Erasmus von Rotterdam (* 1466 oder 1469; † 1556) fragte sich, ob die antike griechische Aussprache anders gewesen sein könnte. 1528 schrieb er „De recta Latini Graecique sermonis pronuntiatione diagolus“ („Zwiegespräch über die richtige Aussprache des Lateinischen und Griechischen“), eine philosophische Abhandlung in der Form eines philosophischen Dialoges, in dem er eine neue Art, das antike Griechische und Lateinische auszusprechen, entwickelte. Es wird jedoch gesagt, Erasmus habe damit fortgefahren, das traditionelle System für den Unterricht zu gebrauchen. Die beiden Modelle wurden schnell nach den Namen ihrer ersten Befürworter als „Reuchlinisches“ und „Erasmisches“, oder, nach den charakteristischen Vokalaussprachen, als „itazistisches“ (oder „iotazistisches“), bzw. „etazistisches“ System bekannt.

Erasmus' Rekonstruktion basierte auf einer großen Fülle von Argumenten, abeleitet von den philologischen Kenntnissen, die zu dieser Zeit verfügbar waren. Hauptsächlich focht er für eine regelmäßigere Korrespondenz zwischen Buchstaben und Lauten und nahm an, dass unterschiedliche Buchstaben für verschiedene Laute gestanden haben müssen, und gleiche Buchstaben für gleiche Laute. Dies brachte ihn darauf, dass, zum Beispiel, die verschiedenen Buchstaben, die im itazistischen System alle [i] ausgesprochen werden, verschiedene Lautwerte gehabt haben müssen, und dass ει, αι, οι, ευ, αυ und ου alle Diphthonge mit schließendem Auslaut gewesen sein müssen. Er beharrte auch darauf, dass die antiken Grammatiker berücksichtigt wurden, so zum Beispiel wenn sie vorschrieben, dass Vokale unterschiedlich lang und kurz seien oder dass der Akut- und Zirkumflex-Akzent klare Charakteristika in Sachen Tonhöhenkontur hatten. Weiterhin zog er eine Reihe von Vergleichen mit gleichbedeutenden Wörtern im Griechischen, Lateinischen und anderen europäischen Sprachen. Einige seiner Argumente sind, im Nachhinein betrachtet, falsch, da es natürlich an den Kenntnissen fehlte, die sich erst durch spätere sprachwissenschaftliche Forschung ergaben. Folglich konnte er nicht zwischen lateinisch-griechischen Wortverwandtschaften, die durch Lehnwörter entstanden (z. B. „Vorlage:Polytonisch“ und „Phoebus“), und solchen, die einer gemeinschaftliche indogermanische Wurzel entsprangen (z. B. „Vorlage:Polytonisch“ und „furus“) unterscheiden, und er wurde auch ein Opfer falscher Freunde auf Grund nur zufälligen Ähnlichkeiten (z.  griech. „Vorlage:Polytonischofpern — franz. „tuertöten). Auf anderen Gebieten sind seine Argumente durchaus die gleichen wie die, die auch moderne Linguisten verwenden, z. B. wenn er auf Grund von zwischen-dialektalen Korrespondenzen innerhalb des Griechischen argumentiert, dass das Eta ein eher offenerer e-Laut, näherer an [a] gewesen sein muss.

Erasmus nahm sich große Mühe, den einzelnen Phonemen in seinem rekonstruierten System plausible phonetische Werte zu zuzuordnen. Dies war keine einfache Aufgabe, da es in den zeitgenössischen Grammatiktheorien an einer reichen und genauen Terminologie fehlte, um solche Lautwerte auszudrücken. Um dieses Problem zu umgehen, nutzte er seine vorhandenen Kenntnisse über die Lautrepertoires von lebenden Sprachen, zum Beispiel verglich er sein rekonstruiertes η mit einem Schottischen „a“ [æ], sein rekonstruiertes ου mit einem Niederländischen „ou“ [] und sein rekonstruiertes οι mit einem französischen „oi“ [] (nach der damaligen Aussprache).

Erasmus attestierte, dass die griechischen Konsonantenbuchstaben <β>, <γ> und <δ> die stimmhaften Plosive /b/, /g/, bzw. /d/ waren, während er die Konsonantenbuchstaben <φ>, <θ>, und <χ> als die Frikative /f/, /θ/, bzw. /x/, wie im modernen Griechisch seien (wobei er jedoch argumentierte, dass dieses /f/ sich vom Lateinischen <f> unterschieden haben muss).

Die Aufnahme von Erasmus' Ideen durch seine Zeitgenossen war unterschiedlich. Der Prominenteste der Gelehrten, die sich dagegen aussprachen, war Philipp Melanchthon, ein Schüler von Reuchlin. Debatten innerhalb der humanistischen Kreise dauerten bis ins siebzehnte Jahrhundert, doch die Situation blieb für Jahrhunderte unentschieden.

Das neunzehnte Jahrhundert

Ein erneutes Interesse an dem Thema der rekonstruierten Aussprache kam im neunzehnten Jahrhundert auf. Zum einen zeigte die neue Wissenschaft der historischen Linguistik, die auf der Methode der vergleichenden Rekonstruktion fußte, lebhaftes Interesse am Griechischen. Sie stellte schnell fest, dass, entgegen jeglichen Zweifels, das Griechische zusammen mit vielen anderen Sprachen zu der indogermanischen Protosprache gehörte. Dies hatte große Konsequenzen, für die Rekonstruktion des phonologisches Systems. In der selben Zeit brachte die fortlaufende Arbeit in der Philologie und Archäologie eine immer größer werdende Menge an nicht-literarischen und nicht-klassischen griechischen Schriften, z. B. Inschriften und später auch Papyri, ans Licht, die vom sprachlichen Standard abwichen. Diese Funde trugen erhebliches zur Ausweitung der Kenntnisse über die Entwicklung der Sprache bei. Zum andren lebte des akademischen Lebens in Griechenland erneut auf, nachdem 1830 ein griechischer Staat wieder das Licht der Welt erblickt hatte, und die griechischen Gelehrten akzeptierten zunächst nur widerstrebend die scheinbar fremde Idee, dass Griechisch so anders, als sie es kannten, ausgesprochen worden sei .

Vergleichende Sprachwissenschaftler führten zu einem Bild des Altgriechischen, das Erasmus' Modell zunächst mehr oder weniger bestätigte, wenn auch mit einigen Veränderungen. Es wurde bald klar, dass, zum Beispiel, das Muster von langen und kurzen Vokalen, das im Griechischen beobachtet wurde, in andren Sprachen ähnliche Gegensätze hatte, und dass sie im modernen Griechisch ein gemeinsames Erbe hatten (vgl. Ablaut); dass das Griechische <υ> früher [u] gewesen sein musste, weil in allen anderen indogermanischen Sprachen entsprechend [u] steht (vgl. gr. „Vorlage:Polytonisch“, lat. „mūs“); dass in vielen Fällen <η> vorher [a:] war (vgl. gr. „Vorlage:Polytonisch“, lat. „māter“); dass das griechische <ου> manchmal in Wörtern für ein gelängtes <ο> stand und deshalb teilweise für [o:] stehen müsste (das gleiche gilt sinngemäß für <ε> und das lange [e:], <ει>), und so weiter. Was die Konsonanten betrifft, wurde die ursprüngliche Plosivität sowohl der Aspiraten <φ>, <θ> und <χ> ([], [] und []), als auch der Mediae <β>, <δ> und <γ> ([b], [{{IPA-Text|d}] und [g]), festgestellt, über die man wiederum herausfand, dass sie direkte Weiterentwicklungen ähnlicher Laute im Ur-Indogermanischen (rekonstruiertes *//, *// und *//, sowie */b/, */d/ und */g/) waren. Man erkannte außerdem, dass der Spiritus asper am Wortanfang meist ein Überrest eines */s/ war (vgl. gr. „Vorlage:Polytonisch“ und lat. „septem“), von dem man annahm, dass seine Aussprache zu [h] abgeschwächt worden war. Weiterhin arbeitete man an der Rekonstruktion des linguistischen Hintergrundes des Versmaßes im Altgriechischen, speziell bei Homer, was ein wichtiges Licht auf die phonologische Silbenstruktur und den Akzent warf. Auch beschrieben und erklärten Gelehrte die Regelmäßigkeiten der Entwicklung von Konsonanten und Vokalen bei Prozessen wie der Assimilation oder Reduplikation.

Obwohl vergleichende Wissenschaftler auf diese Weise sicher nachweisen konnten, dass ein gewisser Stand, im wesentlichen dem erasmische Modell entsprechend, zu einer gewissen Zeit gegolten hatte, und dass manche Änderungen später, während der Entwicklung zum modernen Griechischen, erfolgten, konnte die vergleichende Methode wenig darüber sagen, wann dies geschah. Erasmus war besonders begierig darauf gewesen, ein Aussprachemodell zu finden, das möglichst nahe auf die geschriebenen Buchstaben passte, und nun war es natürlich anzunehmen, dass dieser rekonstruierte Lautbestand zu der Zeit galt, als das Griechische verschriftlicht wurde. Eine Zeit lang wurde angenommen, dies sei diejenige Aussprache, die während der gesamten klassischen Periode bestanden hatte. Trotzdem war es sehr gut möglich, dass die Aussprache der lebenden Sprache schon recht früh während der Antike begonnen hatte, sich aus dem rekonstruierten System zum modernen Griechischen zu entwickeln.

Unter diesen Umständen wurden die Hinweise aus den neuen, vom Standard abweichenden Inschriften besonders wichtig. Kritiker des erasmischen Systems achteten insbesondere auf das systematische Muster von Schreibfehlern. Diese Fehler zeigten, dass Schreiber Probleme damit hatten, bei diversen Wörtern die richtigen Schreibungen auseinanderzuhalten, zum Beispiel <ι>, <η>, und <ει>. Dies bewies, dass diese Vokale schon in der lebenden Sprache dieser Zeit begonnen hatten, zusammenzufallen. Gelehrte in Griechenland betonten schnell diese Funde, um das erasmische System generell niederzumachen, während einige westeuropäische Gelehrte eher dazu neigten, sie herunterzuspielen und entweder als einzelne Ausnahmen oder als Einflüsse von nicht-attischen, vom Standard abwechenden Dialekten abzutun. Dabei scheint es jedoch so zu sein, dass einige Gelehrte, motiviert von der ideologischen Tendenz, das post-klassische, insbesondere das byzantinische und moderne Griechische als Vulgärform der Sprache anzusehen, das Altgriechische in einer 'reinen' Form bewahrt haben wollten. Die hieraus entstehende Debatte findet ihren Ausdruck zum Beispiel in den Werken von A. Jannaris (1897) und T. Papadimitrakopoulos (1889) auf der anti-erasmischen und F. Blass (1870) auf der pro-erasmischen Seite.

Es dauerte noch bis zum zwanzigsten Jahrhundert bis die Arbeit von Chatzidakis, die der vergleichenden Linguistik Gültigkeit gab, auch von griechischen Gelehrten gemeinhin akzeptiert wurde. Der internationale Konsens, der im frühen und mittleren zwanzigsten Jahrhundert erreicht wurde, ist durch die Arbeiten von Sturtevant (1940) und Allen (1968) belegt.

Neuere Entwicklungen

Seit den 1970ern und 1980ern versuchen einige Gelehrte eine systematische Neubewertung der Beweise auf Grund von Inschriften und Papyri (Teodorsson 1974, 1977, 1978; Gignac 1976; Threatte 1980, Zusammenfassung von Horrocks 1999). Ihren Resultaten entsprechend können viele der relevanten phonologischen Änderungen gut datiert werden, teilweise noch auf die klassischen Periode, und die Zeit der Koiné kann mit vielen Lautveränderungen in Bezug gesetzt werden. Viele der Veränderungen im Vokalismus werden jetzt auf die Zeit zwischen dem fünften ersten Jahrhundert vor Christus datiert, während man annimmt, dass diese der Konsonanten um das vierte Jahrhundert nach Christus abgeschlossen waren. Trotzdem gibt es nach wie vor eine beachtliche Debatte über präzise Daten, und es ist auch immer noch nicht klar, in welchem Grad und für wie lange verschiedene Aussprachearten innerhalb der griechisch sprechenden Gemeinschaft nebeneinander existiert haben. Die konsensfähige Ansicht heute ist, dass ein phonologische System, das ungefähr dem von Erasmus rekonstruierten entspricht, wahrscheinlich währened der Periode der klassischen attischen Literatur gegolten hat, biblisches oder anderes post-klassisches Koiné-Griechisch aber schon in einer Weise ausgesprochen wurde, die dem Neugriechischen schon in wesentlichen Punkten entsprach.

Kürzlich gab es jedoch auch einen Versuch einer radikalen Ablehnung der erasmischen Rekonstruktion durch den Theologen und Philologen C. Caragounis (1995 und 2004). Auf Grund der Inschriften datiert Caragounis alle relevanten Vokalveränderungen während oder sogar noch vor die klassische Periode. Er befürwortet auch eine frühe Umwandlung der Aspiraten und Mediae zu Frikativen und bezweifelt generell die Bedeutung der Vokallängen und der Unterschiede zwischen den Akzenten in der gesprochenen Sprache. Diese Ansichten stehen momentan innerhalb dieses wissenschaftlichen Feldes isoliert da.

Siehe auch

Literatur

  • W. Sidney Allen (1987): Vox Graeca: the pronunciation of Classical Greek, Cambridge: University Press, (Dritte Auflage, ISBN 0521335558)
  • F. Blass (1870): Über die Aussprache des Griechischen, Berlin: Weidmannsche Buchhandlung.
  • Chrys C. Caragounis (1995): "The error of Erasmus and un-greek pronunciations of Greek". Filologia Neotestamentaria 8 (16) [1]
  • Chrys C. Caragounis (2004): Development of Greek and the New Testament, Mohr Siebeck (ISBN 3161482905).
  • E.M. Geldart (1870): The Modern Greek Language In Its Relation To Ancient Greek (Neudruck 2004, Lightning Source Inc. ISBN 1417948493)
  • Geoffrey Horrocks (1997): Greek: a history of the language and its speakers. London: Addison Wesley. ISBN 0582307090
  • A. Jannaris (1897): An Historical Greek Grammar Chiefly of the Attic Dialect As Written and Spoken From Classical Antiquity Down to the Present Time. London: MacMillan.
  • Michel Lejeune (1972): Phonétique historique du mycénien et du grec ancien, Paris: Librairie Klincksieck (reprint 2005, ISBN 2252034963).
  • Angeliki Malikouti-Drachmann (2001), "Η φωνολογία της Κλασικής Ελληνικής", in: A.-F. Christidis, Ιστορία της Ελληνικής γλώσσας απο τις αρχές εως τιν ύστερη αρχαιότητα, Ινστιτούτο Νεοελληνικών Σπουδών, pp. 386-401.
  • A. Meillet (1975) Aperçu d'une histoire de la langue grecque, Paris: Librairie Klincksieck (8th edition).
  • A. Meillet & J. Vendryes (1968): Traité de grammaire comparée des langues classiques, Paris: Librairie Ancienne Honoré Champion (4th edition).
  • Th. Papadimitrakopoulos (1889): Vorlage:Polytonisch Athen.
  • Helmut Rix (1992): Historische Grammatik des Griechischen. Laut- und Formenlehre, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft (Zweite Auflage edition, ISBN 3534038401).
  • Eduard Schwyzer (1939): Griechische Grammatik, Band 1, Allgemeiner Teil. Lautlehre. Wortbildung. Flexion, München: C.H. Beck (Neuauflage 1990 ISBN 3406013392).
  • Andrew L. Sihler (1995): New Comparative Grammar of Greek and Latin, New York, Oxford: Oxford University Press (ISBN 0195083458).
  • Edgar H. Sturtevant (1940): The Pronunciation of Greek and Latin, Philadelphia (Neuauflage).
  • Sven-Tage Teodorsson (1974): The phonemic system of the Attic dialect 400-340 BC. Göteborg: Acta Universitatis Gothoburgensis (ASIN B0006CL51U).
  • Sven-Tage Teodorsson (1977): The phonology of Ptolemaic Koine (Studia Graeca et Latina Gothoburgensia), Göteborg (ISBN 9173460354).
  • Sven-Tage Teodorsson (1978): The phonology of Attic in the Hellenistic period (Studia Graeca et Latina Gothoburgensia), Göteborg: Acta Universitatis Gothoburgensis (ISBN 9173460591).
  • Leslie Threatte (1980): The grammar of Attic inscriptions, Band 1: Phonology, Berlin: de Gruyter (ISBN 3110073447).
  • W.B. Stanford (1967): The Sound of Greek
  • Elizabeth Dawes (1894): Greek aspirates
  • George Babiniotis: Phonology (Ιστορική Γραμματεία της Αρχαίας Ελληνικής Γλώσσας, 1. Φωνολογία)
  • Hatzidakis (1902): Academic Studies: The pronunciation of Ancient Greek (Ακαδημαϊκαί Αναγνώσματα: Η προφορά της Αρχαίας Ελληνικής)