Das Wort Geist wird in der deutschen Sprache in vier Bedeutungsbereichen benutzt:
- In manchen Religionen spricht man oft von Geistern, die als Wesen, die zwischen Menschen und Göttern stehen, aufgefasst werden. Siehe auch: Gespenst, Seele.
- Dem einzelnen Menschen wird ein Geist zugesprochen, der unterschiedlich verstanden wird.
- In Anlehnung an den dem Menschen zugesprochenen Geist wird das Wort im übertragenen Sinne, etwa für Eigenschaften des Menschen oder für Gruppen von Menschen, benutzt. Begeistert ist hier gleichzusetzen mit erhöhtem Stoffwechsel, der Freisetzung von freien Energien durch sinnliche Erregung. Jemand hat "Geist" ist eine Bezeichnung für eine Person, deren Gehirn besonders aktiv ist, also auch einen erhöhten Stoffwechsel aufweist.
- Manche alkoholischen Getränke werden ebenfalls als Geist bezeichnet (beispielsweise Himbeergeist), wenn sie durch Zusatz von Alkohol gewonnen werden, im Gegensatz zum Brand.
Geist in Religionen
Viele unverstandene Erscheinungen werden 'Geistern' zugeschrieben, die als wiederkehrende verstorbene Menschen (Gespenst), belebte Naturobjekte (Pantheismus) oder Götter verstanden werden. Viele unverstandene Verhaltensformen, die wir auch heute noch als Geisteskrankheiten bezeichnen, obwohl sie organisch bedingt sind, wurden in der Vergangenheit als Besessenheit durch Geister aufgefasst.
Die christlichen Kirchen sprechen vom heiligen Geist.
Geist im Menschen
Das Wort 'Geist' hat eine Reihe von teilweise in einander übergehende und teilweise einander ausschließenden Bedeutungen, die in anderen Sprachen oft mit verschiedenen Wörtern bezeichnet werden. Die Ursache dafür ist unter anderem in dem auch heute noch umstrittenen Ursprung von Bewusstsein, Selbstbewusstsein, Verstand, Intelligenz, Intellekt etcetera zu suchen. Die Naturwissenschaft versucht den Begriff "Geist" als ein empirisch fassbaren Gegenstand (Gehirnzellen, Nerven) zu beschreiben, da sie auf den Bereich des Messbaren beschränkt ist.
Der "Geist" (im Menschen) wird unterschieden von der "Seele". Seele (lateinisch anima) ist das Belebungsprinzip und wird demnach allen Lebewesen, insbesondere den Tieren zugesprochen. Geist (lateinisch spiritus) hingegen ist darüber hinaus auch noch die substanzielle Ursache des freien Willens und der abstraken Erkenntnis.
Menschen haben seit Jahrtausenden versucht, den menschlichen Geist begrifflich zu fassen (siehe weiter unten die von Aritoteles, Descartes und Galilei stammenden Konzepte sowie zum Beispiel auch den Artikel Künstliche Intelligenz).
Geist im übertragenen Sinne
Von menschlichen Eigenschaften ausgehend, wird Geist dann in teilweise ineinander übergehen Bedeutungsebenen benutzt:
- Geist im engeren Sinne = belebter Geist als biologische Information, wie sie im Erbgut oder in den Eiweißmolekülen verborgen ist oder auch als die Fähigkeit eines Lebewesens auf niedriger Ebene ohne Nervensystem auf Umweltreize zu reagieren.
- Geist im Sinn der Soziologie findet sich in den berühmten Buchtiteln "Geist der Neuzeit" von Ferdinand Tönnies, "Die protestantische Ethik und der 'Geist' des Kapitalismus" von Max Weber (und faktisch sogar im "Geist der Gesetze" von Montesquieu).
- Geist im menschlichen Sinne = bewusstes Denken, Inhalte des bewussten Denkens, sprachliches Denken.
- Geist im kulturellen Sinne = Geist aller Menschen als Gesamtheit aller Informationen, die in unseren Köpfen und in all unseren Kulturspeichern existiert (Bücher etc.)
Diskussion
Bei der Mehrheit der klassischen Philosophen sowie außerdem beispielsweise bei René Descartes ist der Geist das, was den Menschen vom Tier unterscheidet.
Ein heutiger Definitionsversuch ist: Geist ist nur die Information, die von einem menschlichen Nervensystem verarbeitet wird oder der Informationsverarbeitungsprozess (siehe dazu auch KI).
Man kommt aber mit diesen engen Definitionen schnell in Widersprüche. Auch der allgemeine Sprachgebrauch anerkennt, dass in einem gesprochenen Satz oder in einem Buch Geist stecken kann. Auch gibt es einen Zeitgeist.
Hier sind also mindestens die Ebenen drei (= Nervengeist) und die Ebene vier (= Leistungen und Produkte des menschlichen Geistes) angesprochen.
Im Gegensatz zur reinen Informationsmenge wird unter Geist meistens nur sinnvolle Information verstanden. Reine Zufallsinformation wäre "geistlos". Geist hat also immer etwas mit Informationsqualität, mit Sinn und Bedeutung zu tun.
Menschlicher Geist äußert sich unter anderem in
- zielgerichtetem Handeln,
- in der Sprache und
- in der nichtsprachlichen Kommunikation (beispielsweise Gesichtsmimik)
Geist und Denken
Begriffe wie Vernunft (folgerichtiges Denken, abgewogenes Denken), Verstand, Intelligenz, Gedächtnis etcetera, sind entweder Teilbereiche des menschlichen Geistes oder es sind Instrumente des menschlichen Geistes.
Es verfließen manchmal die Unterschiede zwischen dem verarbeitenden Organ (zum Beispiel unserem Gehirn) und dem verarbeiteten Inhalt (der Information), da ja auch in der Struktur des Verarbeitungsorganes, das heißt der Nervenvernetzung im Gehirn, viel Information steckt. Software verfestigt sich zu Hardware und Hardware bringt wieder Software hervor, die Unterschiede von Soft- und Hardware verwischen sich im Gehirn. Auch in Computern kann Hardware teilweise durch Software ersetzt werden. Vollständig ist das aber nie möglich, das heißt ein reiner Softwarecomputer ist undenkbar.
Denken existiert nur auf der dritten Ebene des Geistbegriffes. Unter Denken versteht man hier die Umstrukturierung, die Änderung der Anordnung von Informationsinhalten (in einem Nervensystem). Genau genommen versteht man unter Denken nur bewusstes Denken (Siehe Selbstbewusstsein.
Während man den Geist nicht messen kann, lassen sich einzelne Wirkungen sehr wohl quantifizieren, beispielsweise als IQ oder EQ.
Worte in anderen Sprachen für den Begriff Geist:
- Englisch mind, spirit, ghost
- Griechisch pneuma
- Hebräisch ruach
- Lateinisch spiritus
- Französisch l'esprit
Im antiken Griechenland wurde dem Geist der Dodekaeder als einer der fünf platonischen Körper zugeordnet.
Kontroverse Ansichten über den Begriff Geist
Galileo Galilei: Ich befand mich eines Tages im Hause eines in Venedig sehr angesehenen Arztes, wohin öfters Leute kamen, teils aus Neugier, um eine Leichensektion von der Hand eines ebenso wahrhaft gelehrten, wie sorgfältigen und geschickten Anatomen ausführen zu sehen. Diesen Tag nun geschah es, dass man den Ausgangspunkt der Nerven aufsuchte, welches eine berühmte Streitfrage zwischen den Ärzten aus der Schule des Galen und den Peripatetikern ist. Als nun der Anatom zeigte, wie der Hauptstamm der Nerven, vom Gehirn ausgehend, den Nacken entlang zieht, sich durch das Rückgrat erstreckt und durch den ganzen Körper verzweigt, und wie nur ein ganz feiner Faden von Zwirnsdicke zum Herzen gelangt, wendete er sich an einen Edelmann, der Ihm als Peripatetiker bekannt war und um dessentwillen er mit außerordentlicher Sorgfalt alles bloßgelegt und hatte, mit der Frage, ob er nun zufrieden sei und sich überzeugt habe, dass die Nerven im Gehirn ihren Ursprung nehmen und nicht im Herzen. Worauf unser Philosoph, nachdem er ein Weilchen in Gedanken dagestanden, erwiderte: Ihr habt mir das alles so klar, so augenfällig gezeigt - stünde nicht der Text des Aristoteles entgegen, der deutlich besagt, der Nervenursprung liege im Herzen, man sähe sich zu dem Zugeständnis gezwungen, dass Ihr Recht habt."
Descartes: meinte die Schnittstelle zwischen Leib und Seele wäre in der Zirbeldrüse zu finden , dem einzigen unpaarigen Organ des Gehirns. Gegenthese: Entgegen der Vermutung Descartes', dass es irgendwo im Gehirn ein singuläres Zentrum geben müsse, in dem alle Informationen zusammenkommen und einer einheitlichen Interpretation zugeführt werden, - einen Ort an der Spitze der Verarbeitungspyramide, wo das innere Auge die Welt und sich selbst betrachtet, entgegen dieser plausiblen Annahme erbrachte die Hirnforschung den Beweis, dass ein solches Zentrum nicht existiert. Korbinian Brodmans Vermutung hat sich bestätigt. Er folgerte schon zu Beginn dieses Jahrhunderts aus seiner Entdeckung funktionell und anatomisch abgrenzbarer Hirnrindenareale, ich zitiere: "Wir müssen daher die Annahme, dass eine Verstandesleistung oder ein Gemütsvorgang ... in einem einzelnen umschriebenen Rindenteile zustande komme, mag man diesen nun "Assoziationszentren" oder "Denkorgan" oder ähnlich nennen, als eine ganz unmögliche psychologische Vorstellung ablehnen." Uns stellt sich heute das Gehirn als extrem distributiv organisiertes System dar, in dem zahllose Teilaspekte der einlaufenden Signale parzelliert und parallel abgearbeitet werden.
Aristoteles: Die Seele ist die Form (nicht im heutigen umgangssprachlichen Sinne) des Leibes. Anima forma corporis. Der Geist ist die einfache, immaterielle Substanz, die zum Denken und freien Wollen disponiert ist. Idee von den Nervenzellen: der Nervenursprung liege im Herzen , das Gehirn dient nur der Kühlung. In der Antike vermutete man auch in den Seitenventrikeln den Platz für unsere geistigen Zustände.
Siehe auch: Unterscheidung von Geistern und Phantomen (nach Salvador Dalí)
Zitate
- mens sana in corpore sano (lat.: Gesunder Geist in gesundem Körper)
- In Krankheiten und im Alter verfällt der Geist dem Körper.
- Ausdehnung ist das wesentliche Merkmal alles körperlich Materialen, dem seelischen und Geistigen fehlt dieses Merkmal. Ein Gefühl und ein Gedanke haben keine räumliche Ausdehnung.
- Wenn der Geist in Frieden ist, leidet der Leib keine Qualen.
- Geist ist Wort.
- Die Entwicklung der Sprache wirkt auf den Geist zurück.
- Das Sein eines jeden geistigen Dings besteht in seiner Bedeutsamkeit.
- Geist und Leben sind untrennbar miteinander verbunden.
- List, Klugheit, Mut, Trotz - alles Geist.
- Geist ist für Kant das belebende Prinzip im Gemüte, das, was die Gemütskräfte in Bewegung setzt.
- Dass der Idealismus in seiner konsequenten Durchführung am Ende gar die Realität der Materie leugnete, erschien dem großen Publikum als ein Spaß, der zu weit getrieben schien.
- Damasio: "Ich bin also der Ansicht, daß ein Organismus dann Geist besitzt, wenn er neuronale Repräsentationen bildet, die zu Vorstellungsbildern werden, sich in einem Prozeß, den wir Denken nennen, manipulieren lassen und schließlich das Verhalten beeinflussen [...]."
Literatur
- Düweke, Peter: Kleine Geschichte der Gehirnforschung, Beck
- Klivington, Kenneth A.: Gehirn und Geist, Spektrum Akademischer Verlag
- Ryle, Gilbert: Der Begriff des Geistes, Reclam UB
Gerhard Roth:
- Das Gehirn und seine Wirklichkeit. Taschenbuch - 383 Seiten - Suhrkamp,
- Schnittstelle Gehirn. Zwischen Geist und Welt.
- Neurowissenschaften und Philosophie. Eine Einführung. von Michael Pauen, Gerhard Roth
- Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert.
- Russell, Bertrand: Die Analyse des Geistes. Philosophische Bibliothek Bd.527. 2000. VII, 407 S.. Buchleinen (Gewebe). 416gr.ISBN: 3-7873-1527-6
- Was charakterisiert den Geist im Gegensatz zur Materie? Wodurch unterscheidet sich die Psychologie von der Physik? "Ich werde Sie im Verlaufe dieser Vorlesungen zu überzeugen versuchen, dass der Geist nicht so geistig und die Materie nicht so materiell ist, wie man für gewöhnlich glaubt", (Bertrand Russell). aus Vorlesungen entstanden
Weblinks
- Kommentierte Linkliste zum Thema Geist
- Philosophische Dissertation, die u.a. ausführlich auf die Leib/Seele/Geist-Problematik eingeht
- http://faculty.washington.edu/chudler/neurok.html
- http://faculty.washington.edu/chudler/metaphor.html
- http://faculty.washington.edu/wcalvin/
- http://www.brainexplorer.org
- http://www.informatik.hu-berlin.de/~bach/Geist_und_KI/index.html
- http://www.informatik.hu-berlin.de/~bach/Geist_und_KI/teil2.html
- http://lux.ucs.indiana.edu/~pietsch/home.html
- http://www.uni-bielefeld.de/philosophie/personen/beckermann/
- http://www.madeasy.de/1/2geist.htm
- http://www.bewusstsein.ws/Wissen/Materie-Geist.htm
Siehe auch: Weltgeist, Zeitgeist, Idealismus, Philosophie des Geistes, Hegel, Leib-Seele-Problem, Leib